Archiv der Kategorie: Naturwissenschaft

Die Krone der Schöpfung

Aber nichts von Förster Wohlleben

Ich weiß: da ich selber ihm gern zugehört habe (hier), tat mir diese Gegenmedizin gut. Die Naturschwärmerei führt nicht weit, ebensowenig wie Musikschwärmerei; jedes konkret benannte Detail ist interessanter als das bloß mit heißem Herzen gefühlte. Es war ein netter Zug, wenn er davon sprach, dass er den Vorwurf der „Vermenschlichung“ gern auf sich nehme, da er nunmal nicht „bäumisch“ zu reden vermag. Aber wer verlangt das denn?

Dies ist eine schmucklose DVD, die ich gern konsumiert habe. Da sprechen redliche Leute, die uns nicht mit ihrer naturreinen Güte überrumpeln. (Vorsicht: Dies habe ich nach dem ersten Hören niedergeschrieben…) Sie sprechen sehr ausführlich, und das bedeutet nebenbei, dass ich es vielleicht nur einmal hören möchte, für später jedoch gern ein Stichwort-Verzeichnis hätte. Oder einige Kernsätze. Daher dieser Merkzettel, der vielleicht noch etwas anwächst, zumal durch Infos aus Wikipedia und ähnlichen Quellen, die den ersten Eindruck – vorsichtig gesagt – relativieren.

Übrigens ist auch der Titel dieses Beitrag nicht so emphatisch gedacht wie er auf den ersten Blick aussieht. Ich denke zugleich an den Menschen und die Abwandlung seines rühmenden Beinamens in Gottfried Benns Version („…der Mensch, das Schwein“), dann wieder an die ironische Rehabilitierung selbst dieses letztgenannten Tieres in moderner Sicht. (Einen Hinweis aus der Neuen Bücherliste der ZEIT ist nachgetragen…)

Ein Film von Holger Douglas. (Die Musik ist wie so oft in Naturfilmen für Musiker schwer erträglich. Der Sprecher ist in Ordnung, für den Vortrag der Gedichte (Kapitel 2: Eichendorff, Dauthendey) allerdings weniger geeignet. Musik ist etwas anderes. Und Lyrik auch.

(Ich meine das mittlere! 😇)

Was ist der Wald für mich? (Ein individuelles, auf mich zugeschnittenes Produkt? Ein altes Wort lautet: „Glotzt nicht so romantisch!“ Und ich zitiere noch ein ironisches, aber sehr wahres Wort:)

Die Kritik der Massenkultur basierte traditionell auf der Differenz zwischen einem wahren, authentischen Geschmack und dem Massengeschmack. Doch genau diese Differenz funktioniert nicht mehr. Heute ist der Massengeschmack ein Forschungsfeld für professionelle Beobachter geworden. Produktforscher suchen im Firmenaufrag mittels Testvorführungen, Werbepsychologie und statistischen Erhebungen nach individuellen Merkmalen des Massengeschmacks, die für die Entwicklung und Platzierung ihrer Produkte verwendet werden können. Mittlerweile wird gerade der individuelle Geschmack mithilfe von Datenmassen erfasst. Jede Konsumwahl wird vom Subjekt als individuelle aufgefasst: Jedes Ich hat seinen persönlichen Geschmack. Meine selbständige Wahl, von meinen Geschmackspräferenzen zielsicher und ohne äußere Manipulation aus einem riesigen Angebot gesteuert, ist genau auf mich zugeschnitten und kann von mir zusätzlich verfeinert werden. Im Endeffekt aber finde ich mich als Mitglied einer intern höchst differenzierten Konsum-Masse wieder. Ich habe diese Masse nicht gewählt. Es stellt sich aber heraus, dass mein Geschmack, mein individuelles Präferenzsystem, weitgehend ähnlich funktioniert wie das der anderen Mitglieder »meiner« Konsum-Masse. Meine Geschmackswahl ist von mir selbst bestimmt – ebenso wie bei den vielen anderen. Wir haben alle unabhängig voneinander ein sehr ähnliches Bewertungs- und Entscheidungssystem (mimetisch) ausgebildet. Am Ende meiner Kaufentscheidung im Internet sagt mir das System des Online-Händlers: »Kunden, die diesen Artikel kauften, wählten auch…« Als im April 2018 der Musik-Streaming-Dienst Spotify an die Börse ging, schrieb die Süddeutsche Zeitung anerkennend, dass es ihm mit seinen Algorithmen gelänge, den  »individuellen Massengeschmack« von Millionen Hörern präzise zu erfassen.

Meine subjektiven Entscheidungen vollziehen sich in einem Netz ähnlicher Präferenzen. Die Masse, zu der ich gehöre, handelt nicht als homogener Verbund; jeder entscheidet für sich.

Quelle Gunter Gebauer / Sven Rücker: Vom Sog der Massen und der neuen Macht der Einzelnen. / Deutsche Verlags-Anstalt München 2019 (Zitat Seite 245f)

P.S. Ich hoffe nur, dass ich der menschlichen Masse nicht im Wald begegne.

Die Fachleute, die zu Wort kommen: Prof. Ulrich Kutschera (Info vorsichtshalber nachzulesen hier) , Prof. Christian Ammer (Wikipedia hier), – es gibt einen lesenswerten Briefwechsel zu Waldfragen mit Prof. Ammer, nachzulesen hier ,

und Ernst Jungk vom Arboretum (nicht Arboreum, siehe Cover) Alzey, das er zwiefach vertritt: siehe hier und mit seinen eigenen Worten:

„Ich möchte damit ausgleichen, dass wir auf der anderen Seite unseres Werkes in die Natur eingreifen müssen, um den Ton für unsere Ziegelproduktion abzubauen“, erklärt der passionierte Baumfreund und -kenner, dem diese Versöhnung zwischen Technik und der Natur sehr wichtig ist. (Quelle hier).

Preisfrage: welcher Fachmann spricht hier von einer „Aurakarie“ statt einer Araukarie?

(Preis geht in jedem Fall an mich! Und dieser Beitrag entgeht nur um ein Haar der Löschung!)

Ambivalenz

Imagination und Erinnerung

Ein (1) Begriff zeigt die umfassende Einstellung, 2 Begriffe sind viel, aber zu wenig, denn als 3. wäre mir die Materie wichtig, die eine Gegenwart bezeichnet. Hoffnung würde ich ausklammern. So etwa würde ich meine kleine Privat-Philosophie anfangen. Nachdem ich den Tag mit der mehrfach erwähnten Choral-CD begonnen (ich meine die mit den Text-Meditationen) und die letzten drei Tracks mehrfach wiederholt habe, wieder mit wachsender Begeisterung. Jetzt käme das andere Extrem: Das Lied von der Erde, die neue Aufnahme unter Vladimir Jurowski, die sogleich jene auf den Plan ruft, mit der ich das Werk kennen und lieben gelernt habe: 1963 unter Eugen Jochum (Ernst Häfliger, Nan Merriman). Dies wäre das Maximum an Kern-Text, auf das, auf den ich mich beschränken würde, wenn mir – am frühen Morgen – hochgestimmt – das Herz überquillt.

Ich würde mich an den Harmonielehre-Unterricht bei Kantor Eberhard Essrich erinnern, der frühzeitig mit der Bass-Linie zu einer Choralmelodie begann, nach dem Vorbild Bachs, während mein Vater die Methode der Harmonielehre von Louis-Thuille bevorzugte. Ambivalenz in allen Punkten. Wenn ich zum Beispiel mit der gleichen Andacht Bachs Matthäuspassion höre wie ich den Wälzer von Richard Dawkins studiere: „Geschichten vom Ursprung des Lebens, Eine Zeitreise auf Darwins Spuren“ (2004). Auch ohne jeden programmatischen Vorsatz: Gestern zum Beispiel die Erinnerungen des Malers Jürgen Giersch, der mir „zufällig“ eine seiner neuen Radierungen geschenkt hat, da ich zahlreiche Werke von ihm kenne und hochschätze, nun also das Nordseebild mit dem störrischen Pferd, das ich vor dem Hintergrund seiner früher gemalten fremdartigen Interieurs sehe. Vielleicht eher Albträume? Dann aber auch das neue Buch, das ich seit dem 6. Dezember verinnerliche; es verheißt eine Philosophie des Gärtnerns, ich konzentriere mich darin auf zwei Aufsätze (Dieter Wandschneider, Maximilian Probst). Der zuletzt genannte Autor spricht in meinem Sinne (ich wohl mehr in seinem), wenn da steht:

Zum grünen Daumen gehört die Faust! Gärten sind nicht der heilende, heilige Bezirk. Sie sind heillos ambivalent.

*    *    *

Aktuell alternativ – ein Ausflug: Hierher (in den Irrgarten)

*    *    *

ZITAT

Nach dem auf weltgeschichtlicher Bühne das Stück des Umschlags von emanzipativen Bestrebungen in Schreckensherrschaft und Restauration oft genug zu sehen war, meint man, mit der lokalen Utopie auf der sicheren Seite zu stehen. Wer seinen Garten bestellt, der kann doch nichts falsch machen, oder?

Leider doch! Leider ist auch hier keine Sicherheit, Zweifel leider auch hier. Denn manchmal – Brecht sagt es uns – kann schon ein Gespräch über Bäume ein Verbrechen sein. Manchmal ruft der Weltgeist uns nach vorne auf die Bühne, manchmal ist es nötig, dass sich jeder von seinem Garten abwendet und nur und nichts anderes als die Sache des Globalen betreibt, der allergrößten Allgemeinheit, um die Bedingungen zu schaffen, unter denen sich der eigene Garten weiter pflegen lässt. Und immer, immer, immer läuft die Arbeit an der lokalen Utopie Gefahr, zum kleinen, umschlossenen Glück im Winkel zu verkommen.

Das Sinnbild dieses ausschließenden Glücks, das sich weltoffen gibt, sind die englischen Landschaftsgärten. Ihr Prinzip ist, nach gewachsener Landschaft mit einem gewissen Anteil an Wildwuchs auszusehen. Sie betreiben einen riesigen Aufwand, um Kultur wie Natur erscheinen zu lassen, in der Abkehr von den französischen Barockgärten, die nur eine Verlängerung der Architektur des Hauses oder Schlosses ins Freie waren, und in einer Zeit, in der England sich dank riesiger Kohlereserven bereits auf dem Weg zur ersten Industrienation der Welt gemacht hat.

Quelle Maximilian Probst: Zum grünen Daumen gehört die Faust. In der oben abgebildeten „Philosophie des Gärtnerns“, herausgegeben von Blanka Stolz, Suhrkamp 2019 (mairisch Verlag 2017) – Siehe auch hier (Heidelberg) und hier (Großer Garten) und hier (Herrenhausen).

ZITAT

Sobald aber jemand ein Stück Land beackert, ist das, was er erntet, die Frucht seiner Arbeit und damit sein Besitz. An diesem Punkt beginnt die Gartenkultur. Das hat Marie Luise Gothein, die bedeutendste Garten-Historikerin deutscher Sprache, klar beschrieben:

»Die Anfänge der Gartenkunst fallen mit der Seßhaftigkeit der Völker zusammen. Der Nomade treibt seine Herden auf die freie, nicht umzäunte Weide; sobald aber die erste Frucht, mit der Hacke bestellt, den Menschen zwingt, sich in festen Wohnplätzen anzusiedln, wird und muss er seinen Fruchtplatz mit einem Zaun umgeben, um ihn vor dem Einbruch der feindlichen Menschen und wilden Tiere zu schützen.«

Die Umzäunung des Gartens markiert also geschichtlich den Beginn des Privateigentums. Für [John] Locke ist dieses Eigentum ein Geschenk Gottes.

Probst a.a.O. Seite 212

Zaun am Rinderplatz Villanderer Alm Gemüsegarten Moarhof Völs

Und dann kommt naturgemäß Jean-Jacques Rousseau zum Thema Zaun! Ich fasse mich kurz. (Ich kann JJR nicht leiden!) ZITAT (nach Probst)

Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und auf den Gedanken kam zu sagen: ›Das ist mein‹ und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der wahre Begründer der zivilen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viele leiden und Schrecken hätte nicht derjenige dem Menschengeschlecht erspart, der die Pfähle herausgerissen odert den Graben zugeschüttet hätte und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: ›Hütet euch davor, auf diesen Betrüger zu hören. Ihr seid verloren, wenn ihr vergeßt, daß die Früchte euch allen gehören und daß die Erde niemandem gehört‹.

Darin steckt nicht mal eine Ambivalenz, etwa in dem Sinne, dass die Zäune zugleich als abwehrend wie als einhegend gedeutet werden könntet. Es geht nicht um den Zaun, – der Garten selbst ist Segen und Plage, sagt Maximilian Probst, noch bis in seine alltägliche Nutzung.

Wer träumt nicht davon, einen ruhigen Sommertag im eigenen Garten zu verbringen, mit einem guten Buch, im Schatten eines Fliederbusches? Gibt es etwas Schöneres, Friedlicheres, etwas, das mehr dem Paradies gliche? Aber wer einen Garten hat, weiß, dass man sehr selten in ihm sitzt, sehr oft aber in ihm kniet, um hier ein Unkraut herauszurupfen, dort etwas zurückzuschneiden. Und mit welchem Recht rede ich hier eigentlich von Unkraut? Was ist das für eine merkwürdige Vorstellung von Frieden und Paradies, vom Guten, wenn das alles nur zustande kommt, dass ein Großteil der Pflanzenwelt unerbittlich verfolgt und bekämpft wird?

(Probst a.a.O. Seite 219)

Der für mich interessanteste Beitrag in diesem Buch stammt von Dieter Wandschneider: „Zur Metaphysik des Gartens“ Seite 111 bis 127. Gerade indem er gleich zu Anfang das Verhältnis zur Kunst anspricht und dabei vor allem die Frage, die in diesem Blog vor einiger Zeit behandelt wurde: die Rolle des Hässlichen.

ZITAT

Wesensmäßig existiert der Garten in der Spannung von Natur und Gestaltung. Er ist nicht einfach Natur im Sinn von Wildnis, die von selbst da ist. Aber auch kultivierte Naturformen – Acker, Wiese, Wald etc. – sind nicht Gärten, weil ihnen das Moment künstlerischer Gestaltung fehlt. Gestaltung ist somit ein konstitutives Moment des Gartens. Doch ebenso wesentlich ist er Natur und damit den Bedingungen organischen Gedeihens unterworfen. Dieses Zusammenwirken von Natur und Gestaltung bildet im vorliegenden Zusammenhang die zentrale Perspektive.

Nun ist das angestrebte Gestaltungsideal seit jeher der schöne Garten. Christian Illies hat in einem inspirierenden Textbeitrag zur Bamberger Hegelwoche 2012 die Frage gestellt, warum die Gartengestaltung die Wendung der modernen Kunst zum Hässlichen nicht mitvollzogen hat: Auch heute werden Gärten und Parks nicht als Müllhalden oder visuelle Provokationen gestaltet, sondern weiterhin nach dem traditionellen Schönheitsideal – das der modernen Kunst und Kunstphilosophie freilich als harmonistisch und damit als obsolet gilt.

[Den Illies-Text „Das hässliche Gärtlein“ gibt es online über Uni-Bamberg-Publikationen hier. Sehr lesenswert!]

Wandschneider geht aus von Hegels Natur-Begriff, und da ist der logische Gott nicht weit:

Das Logisch-Ideelle aber ist das Absolute, das Göttliche, an dem die Natur somit teilhat. Dass die Natur ›von sich her da ist‹ (…), Formen aus sich hervorbringt, also schöpferische Natur, natura naturans, wird so überhaupt erst erklärbar, nämlich als Manifestation dieses Göttlichen in ihr. [Seite 120]

Ich erinnere mich an die wiederholte Lektüre des Büchleins von Hans Blumenberg, das man hier wieder anschließen könnte (siehe „Tiere sehen“ hier), möchte mir aber ganz besonders den von Wandschneider speziell eingeführten Begriff der „Atmosphäre“ vormerken. Ich zitiere aus dem Kapitel „Metaphysik des Gartens“ (Seite 121f); es beginnt mit der Erinnerung daran, dass der Garten als gestaltete Natur immer auch ein geistiges Moment enthält: „Tiere haben keine Gärten.“

Doch das, was uns an Gärten und Parks anspricht, berührt, vielleicht verzaubert, das eigentümlich Atmosphärische des Gartens, ist sicher nicht einfach nur die Formensymmetrie der framzösischen Variante oder das Wechselspiel der Landschaftsszenen im englischen Park oder die Komposition farbiger Blumenrabatten. Sicher, in solchen Gestaltungen begegnet sich der gestaltende Geist selbst, aber das Besondere darin ist die emphatisch empfundene Lebenskraft der Natur, die uns berührt.

Doch es ist auch nicht einfachhin ›die Natur‹, denn diese würde uns eher den Eindruck beliebigen Wucherns, von Wildnis oder auch Brache und Ödnis vermitteln. Natürlich gibt es auch Situationen, in denen uns die Gegenwart der freien Natur unmittelbar anspricht, vielleicht beim Anblick einer Gebirgslandschaft, eines lieblichen Tals, einer Sandwüste oder einer Pappelallee am Fluss – charakteristische atmosphärische Valeurs. Dieses ›Atmosphärische‹ ist freilich eine sehr flüchtige Qualität – was zum Fotografieren motivieren mag oder den Landschaftsmaler zu einem Gemälde. Nun ist das Bild ein Artefakt und als solches nicht mehr Natur, sondern eben Darstellung von Natur. Die Natur tritt hier im Medium der Kunst in Erscheinung und insofern denaturiert. Wir betrachten die dargestellte Natur, aber wir sind nicht selbst in sie eingelassen.

Sie ahnen, worauf ich hinauswill: Im Unterschied zur bildlichen Darstellung der Natur ist das Spezifische des Gartens die wirkliche, sinnliche Anwesenheit der Natur – und zwar nicht einfachhin der Natur, wie sie gelegentlich als Gebirgslandschaft, Ödnis, Sandwüste, Pappelallee begegnet, sondern Natur gleichsam als Inszenierung des Geheimnisses von Wachsen, Vergehen und Wiederkehr. Hier wird das Gestaltungsmoment wesentlich. Hortensische Gestaltung holt die Natur herein in den Lebenskreis des Menschen und präsentiert sie ihm als sprießendes, geheimnisvolles Gedeihen, als die sich selbst immer neu gebärende, lebendige, leuchtende Natur. Um dies darzustellen, verwendet die Gartenkunst, im Unterschied zu den ›schönen‹ Künsten, nicht Pigmente, Tonfrequenzen, Theaterkulissen, sondern lässt Lebendiges zu Lebendigem sprechen.

In dieser Atmosphäre emphatischer Lebendigkeit, wenn ich mi9ch einmal so ausdrücken darf, bin ich Teil der einen, großen Natur, ihrer All-Einheit. In diesem kosmischen Einvernehmen kann ich das Gejagte, Getriebene, die Bürde meiner endlichen Existenz für einen Moment abwerfen und vergessen. Innerhalb der Hausmauern ist das so nicht möglich. Was fehlt, ist das kosmische Moment, das in den häuslichen Wänden und im steinernen Kontext der Straßen nicht anzutreffen ist. Im Garten empfinden wir ein kosmisches Einvernehmen mit der Natur, und das tut gut.

Dann alo doch: ›Natur tut gut‹? Sicher, aber warum? Weil, und damit nehme ich auf, was in der Perspektive des skizzierten Hegelschen Naturbegriffs deutlich geworden ist: weil jenes Gefühl kosmischen Einvernehmens zuletzt über die Natur hinausweist auf etwas, das ihr zugrunde liegt, ihren Seinsgrund und Grund allen Seins. Was mir so aufgeht, ist gerade, dass ich selbst kein letzter Grund bin, sondern verwiesen bin auf ein onto-logisches Prinzip, das mir und der Natur gleichermaßen zugrunde liegt, einen letzten Grund und in diesem Sinn etwas Göttliches.

Quelle Dieter Wandschneider: Zur Metaphysik des Gartens / in: „Philosophie des Gärtnerns“, herausgegeben von Blanka Stolz, Suhrkamp 2019 (mairisch Verlag 2017)

Zwischenbemerkung 23.12.20 (die neue ZEIT ist da! betr. Weihnachten)

Sehr bemerkenswert gerade heute der Artikel von Maximilan Probst (noch zu verlinken), ich zitiere an dieser Stelle nur, was sich direkt mit dem Beginn dieses Blog-Artikels verbindet, zu verbinden scheint, o sancta coincidentia oppositorum!!!

Je älter die Menschen werden, heißt es, desto mehr leben sie in der Vergangenheit. Bei mir ist es umgekehrt. Mit jedem Jahr, das verstreicht, denke ich mehr an die Zukunft. Tag für Tag ertappe ich mich, wie ich mal wieder an 2030 denke. Oder an 2050. Weil wir laut der Wissenschaft ungefähr noch zehn Jahre Zeit haben, die Weichen zu stellen, um vor Mitte des Jahrhunderts als Gesellschaft  CO₂ -neutral zu leben. Wofür? Um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen und den Temperaturanstieg unter 2 Grad zu halten oder, besser noch, bei 1,5 Grad zu stoppen – bis zum Ende des Jahrhunderts, an das ich gedanklich vorausspringe.

Das war einmal anders. Früher lebte ich eher in der Vergangenheit. In einem Elternhaus mit Ahnenportäts an der Wand und Möbeln aus dem 19. Jahrhundert. Auf dem Klavier – ich spitze gern ein bisschen zu – spielte ich Stücke aus dem 18. Jahrhundert (Bach). Und in der Schule lasen wir Autoren aus dem 17. Jahrhundert (Shakespeare), wenn nicht gleich aus der Antike (Ovid). Vor allem aber gab es ein geschichtliches Kapitel, auf das sich fast alles beziehen ließ: 1933 bis 1945, die zwölf Jahre des Nationalsozialismus.

Quelle DIE ZEIT 23. Dezember 2020 (Seite 29f) Blick ins Morgenland / Die Geschichte galt als Lehrmeisterin des Lebens. Doch die Pandemie und Klimawandel zeigen: Die Wissenschaft sagt die Zukunft oft präzise voraus. Wir sollten uns an ihr orientieren. Von Maximilian Probst

Fotos: E.Reichow

Was ich mir merken wollte

Betrifft: Klaus Heinrich (1927-2020)

Dies ist eigentlich die Fortsetzung des allzu lang geratenen Artikels hier, in dessen Anfang soeben auch noch Neues gewandert ist…

Mein Anliegen war in diesem Fall zunächst nur: Stoff zu sammeln gegen die Propagierung einer lediglich digitalen Erfahrung der Musik, zugunsten einer im weitesten Sinne taktilen, körperlichen Beziehung. – Das losgelöst von solchen direkten Kontakten vorgestellte bloße Hören verleitet zu der Vermutung, man bewege sich damit auch schon im Vorhof reinen Geistes. Und nur noch ein Türchen sei zu öffnen. Allerhand eigene Irrtümer fallen mir dabei ein, gerade auch solche, die durch die „Avantgarde“ verursacht wurden. Der Gedanke an Weberns natur-mystische Ideen. Ebenso die voreilig esoterische Inspiration durch die neue Physik… Aber jetzt ist ein bedeutender Religionsphilosoph gestorben, von dessen Bedeutung ich keine Ahnung hatte. Erst die Nachrufe machen mich darauf aufmerksam, und so fehlt in meiner Reaktion der Trauergestus.

Zitat aus dem Resumee eines interessanten Gespräches, das  Hier beim Deutschlandradio Kultur abzurufen ist. Der ausgedruckte Text stammt vermutlich ebenfalls von René Aguigah.

Digitalisierung bedroht die Selbsterfahrung

Die Digitalisierung – als ein mit der Globalisierung verwandtes Phänomen – sei zunächst ein Gewinn an technischen Möglichkeiten. Das Problem bestehe darin, dass diese Möglichkeiten „zentral werden und sozusagen uns vorgaukeln, die Substanz unserer Humanität zu sein“ – auch wenn zukünftige Generationen damit „vielleicht fertig werden“. Die „Mühsal“ der menschlichen Gattung sei historisch an erster Stelle auf die Überwindung von Raum und Zeit gerichtet gewesen. Für die Selbsterfahrung sei es jedoch entscheidend, zeitliche und räumliche Distanzen zu erfahren: „Ich muss Räume durchstreifen können, sonst kann ich mich selber nicht als ein räumliches Wesen wahrnehmen.“ Die Digitalisierung erzeuge eine bloße Illusion von Ort- und Zeitlosigkeit: „Ich kann nicht so tun, als wäre ich raumlos und zeitlos an irgendeiner anderen Stelle.“

Eine zentrale Gefahr sieht Heinrich im dadurch bedingten Schwund an Übersetzungsbedarf: Seit dem Beginn sprachlicher Verständigung sei diese auch, „bei jedem Laut“, ein Übersetzen gewesen. Sprachliche Übersetzung gelte „für die dunkelsten Regungen des Leibes“ ebenso wie für geistige Vorgänge. „Und Sprache als Übersetzung ist eigentlich das Medium, dessen wir zur Eroberung unserer Selbst und der Welt bedürfen, aber auch zum Sich-Zufriedengeben mit sich selbst und der Welt.“ Vor diesem Hintergrund sei es klar, dass „wo es keine Übersetzungsschwierigkeiten mehr gibt, wo Raum und Zeit als Transporteure dieses Übersetzens mehr oder minder ausgeschaltet sind, eine ungeheure Begrenzung, auch Verarmung der Triebwesen, die wir sind eintritt.“

Mit der Digitalisierung falle eine rasante Zunahme von Mobilität und Telekommunikation mit einem „Verlorengehen der leiblichen Präsenz“ zusammen, die „für uns, als Triebwesen, so ungeheuer viel bedeutet“. Dies zeige sich schon in den ersten „Sprachübungen“ der Gattung, die auch leiblich aufgenommen worden seien: Zwischenmenschlicher Kontakt basiere „unterhalb der Sprache“ auf einer „leiblichen Verständigung“ – wie sich etwa zeige, wenn wir uns unwillkürlich umdrehen, wenn uns jemand beobachtet oder in Ausnahmesituationen. Dafür fehle in den Vorstellungen der modernen Physik eine adäquate Erklärung – stattdessen, überlasse man das einer pseudowissenschaftlichen „Parapsychologie“. Für Heinrich ist das ein Beispiel für die unabgeschlossene Aufgabe der (Selbst-)Aufklärung: „Unsere Aufklärung tappt noch immer, auch dort, wo sie naturwissenschaftliche Aufklärung ist, auf unbekannten Pfaden – die sie bekannt machen sollte.“

Ich habe diesen Philosophen – wie gesagt – erst durch die Nachrufe der vergangenen Tage kennengelernt, zunächst durch JMR, der mich neugierig gemacht hat. Dann vor allem durch FAZ, auch SZ, aber vor allem heute durch die Kolumne von Peter Kümmel  in der ZEIT. Allerdings hat mich nun auch das Wort „Parapsychologie“ wachgerüttelt. Habe ich etwa geschlafen? Früher wurde dann immer Shakespeare zitiert „…mehr Dinge zwischen Himmel und Erde…“, vermutlich falsch oder inhaltlich verzerrt. Er ist als Schauspieler und Dramatiker keine zitierbare Instanz: eine andere Figur seiner Dramen könnte das Gegenteil sagen und würde prompt nicht affirmativ zitiert.

Abgesehen davon, dass kaum jemand sich die Mühe macht nachzuprüfen, was das Shakespeare-Zitat eigentlich an Ort und Stelle sagen will (Hamlet 1. Akt, 5. Szene), sollte man zunächst einmal hier nachlesen, wo das Thema allerdings etwas zu wortreich („8 Minuten Lesedauer“ plus 87 Kommentare)  ausgebreitet wird. Oder aber – wenn man ein für allemal der Parapsychologie auf die Schliche kommen will – den entsprechenden Wikipedia-Artikel anschauen: hier. Da ist man meist schon weiter. Nicht zu vergessen: auch in unserem Ausgangsartikel ist von der „pseudowissenschaftlichen“ Parapsychologie die Rede. Aber – wovon spricht denn nun der Philosoph? Tertium datur???

Wenn ich an dieser Stelle auf seinen Buchtitel anspiele, bediene ich mich vielleicht eines Taschenspielertricks. Versuchen Sie doch, der Sache zunächst einmal an anderer Stelle näherzukommen: hier zum Beispiel. (Klaus Hartung 2002: „Denn Heinrichs Philosophie protestiert gegen das tertium non datur, im Namen des ausgeschlossenen Dritten gegen die herrschende Logik des Ausschlusses. Sie lehrt die Kunst ‚Formen als Inhalte lesen‘.“)

Im übrigen: ich rede nicht wie ein Blinder von der Farbe, ich bin ein gebranntes Kind und würde niemandem glauben, der mir jetzt erzählte „Göteborg brennt!“ Ich würde aufstehen und schreien: „Ihr Name ist – Swedenborg!“ Das Rätsel müssen Sie erstmal lösen. Dies aber ist nur eine kleine Auswahl der Lektüre meiner 6oer Jahre (ich erwähne nicht, dass ich in „Träume eines Geistersehers“ von Kant steckengeblieben bin, von C.G. Jung mit seiner Ufo-Analyse nicht viel hielt, denn anderen widerfuhr Schlimmeres: sie diskutierten ernsthaft die wirren Phantasien des Erich von Däniken). Die Bücher: eins (rot) Anfang Juni 1961, das andere (blau) am 16. April 1964.

Ich weiß nicht, was alles aufgerührt wird, wenn jemand parapsychologische Phänomene einzubeziehen scheint, und die möglichen Fehlerquellen seiner Theorie im Dunkeln belässt. Ich zitiere aus einem Buch, das der oben verlinkte Autor erwähnte, ich hatte es in meinem Blog behandelt, der 2014 verlorengegangen ist. „Die Kunst des klaren Denkens“ von Rolf Dobelli (52 Denkfehler), Hanser Verlag 2011. Am Anfang des Kapitels „Das Wunder“ wurde folgende Geschichte erzählt (Seite 96):

Am 1. März 1950, um Viertel nach sieben, sollten sich die 15 Mitglieder des Kirchenchors von Beatrice in Nebraska zur Probe treffen. Aus verschiedenen Gründen waren sie alle verspätet. […] Um 19.25 explodierte die Kirche. […] Wie durch ein Wunder kam dabei niemand ums Leben. Der Feuerwehrkommandant führte die Explosion auf ein Gasleck zurück. Doch die Mitglieder des Chors waren überzeugt, ein Zeichen Gottes empfangen zu haben. Gottes Hand oder Zufall?

(a.a.O. Seite 196)

Wie wahrscheinlich sind solche Geschichten? Der Schweizer Psychiater C. G. Jung sah darin das Wirken einer unbekannten Kraft, die er Synchronizität nannte. Wie geht ein klar Denkender an solche Geschichten heran? Am besten m9it einem Blatt Papier und einem Bleistift. Nehmen wir den ersten Fall, die Explosion der Kirche. Zeichnen Sie viel Felder für die vier möglichen Kombinationen. Das erste Feld ist der dargestellte Fall: „Chor verspätet und Kirche explodiert“. Aber es gibt noch drei andere Kombinationsmöglichkeiten: „Chor verspätet und Kirche explodiert nicht“, „Chor nicht verspätet und Kirche explodiert“ und „Chor nicht verspätet und Kirche explodiert nicht“. Schreiben Sie die geschätzten Häufigkeiten in die Felder. Denken Sie daran, wie oft nur schon der letzte Fall passiert: Täglich, in Millionen von Kirchen, probt ein Chor zur abgemachten Zeit, und die Kirche explodiert nicht. Plötzlich hat die Geschichte mit der Explosion nichts Unvorstellbares mehr. Im Gegenteil, es wäre unwahrscheinlich, wenn es bei Abermillionen von Kirchen nicht einmal im Jahrhundert zu einem solchen Ereignis käme. Also keine Hand Gottes. Nebenbei: Warum auch sollte Gott eine Kirche in die Luft sprengen wollen? Was für eine idiotische Art von einem Gott, so zu kommunizieren?

Quelle Rolf Dobelli siehe oben (a.a.O.) und wie folgt:

Nachtrag zur Digitalisierung

Dieser Blogbeitrag könnte den Eindruck erwecken, es gehe um eine Verteufelung der Digitalisierung, und es sei an der Zeit, den Humanismus zu retten. Dabei ist er an einem Computer geschrieben, und währenddessen wird ständig das Internet genutzt: zur Absicherung von Fakten, zur Verbindung mit dem weltweiten Netz, zur Wissenserweiterung und zur Einordnung in die analoge Welt. Niemand will das Rad zurückdrehen und stattdessen ein umfangreiches buchförmiges Lexikon bemühen. Diese Fragen wurden gestern auf interessante Weise in der LANZ-Sendung gestreift oder sogar brisant thematisiert: ich empfehle (notorischen Lesern aber auch sogenannten Bildungsbürgern wie mir), die entsprechenden Passagen zu verinnerlichen. Bei Markus Lanz zu Gast: Zu Gast: Journalist Elmar Theveßen, Politikerin Dorothee Bär, Blogger Sascha Lobo, Medizinmanager Prof. Jochen A. Werner und Virologe Prof. Alexander Kekulé. Abrufbar bis 1. Juni 2021.

HIER.

Betrifft Apps, Datenschutz und „Coronaüberwachungsstaat“ (Dorothee Bär-Diskussion!) ab etwa 37:07 / Sascha Lobo über Datenschutz Google u Apple 43:45 / Verblöden unsere Kinder vor dem Apparat? Manfred Spitzer … 55:35 Internet an Schulen im internationalen Vergleich, Glasfaser-Verbreitung, Schwarz-Schilling, auch unter Angela Merkel eine Missachtung des Digitalen, Josef Kraus, 1:02:00 ein klassisch gebildeter Lehrer (siehe SZ hier) „sie daddeln da so vor sich her“ Bär: schon vom Wording her ne Katastrophe! Werner: „Wenn ich mir das Ganze ohne Herrn Spahn vorstelle, wären wir auch niemals so weit gekommen.“ Einzelpersönlichkeiten. Sascha Lobos Ironie! 1:05:40  In Deutschland Virtualitätsfeindlichkeit! Warum ist das so? Bär: Wie bei Minderjährigen? In Kindergärten schon. Lustige Collagen. Lanz: China: Künstliche Intelligenz wird ganz systematisch unterrichtet. (Frank Thelen). Die deutsche Telekom macht mehr Umsatz als Facebook! Warum geschieht nicht mehr!? Lobo: „Digitale Spiele eine Vorbereitung auf die zukünftige digitale Arbeitswelt.“ 1:11:28 Gedankenexperiment: vor 500 Jahren das vernetzte Videospiel erfunden, und heute erst ganz frisch u neu das Buch… früher hat mein Anton sich mit anderen vernetzt, Strategien gemeinsam entwickelt … jetzt sitzt er da ganz versunken, mit dem Buch, und wenn da einmal 1 Fehler drin ist, geht der nie mehr raus… Lanz: Buchdruck war damals Teufelszeug. / Lobo:  Das Smartphone kann die Lösung sein für die digitale Bildung.

Verschwörung X

Kondensstreifen und anderer Zauber

Die folgenden Fotos habe ich im September 2019 in Südtirol gemacht, in diesem Jahr habe ich vergeblich Ausschau gehalten, – Corona hat den Flugbetrieb minimiert.

Ich hatte damals noch nicht davon gehört, dass sich auch Verschwörungstheoreriker dieses Phänomens annehmen, heute gab es mal wieder allerhand Aufklärung bei Lesch & Steffens, allerdings findet man im Fall der Kondensstreifen in einer anderen Quelle ein etwas anderes Ergebnis: HIER.

Ich will kein Misstrauen säen, aber etwas hat sich in den Sendungen der beiden Autoren verändert. Sie versuchen die Inhalte anders zu „verkaufen“, vermutlich im Bemühen um noch größere Volksnähe, sie inszenieren sich, bemühen sich in kurzen Dialogen als Selbstdarsteller. Unnötig. Schon glaubt man ihnen nicht mehr aufs Wort und schaut zur Kontrolle – ins Internet. (Nein, Quatsch!) Die Forscherin Giulia Silberberger (ab 17:30) blieb natürlich, Pluspunkt, dass sie beiläufig ihre private Erfahrung mit Zeugen Jehovas einbrachte. (Unter Verschwörern werden Neulinge mit Liebe überschüttet, Zweifler mit „hate bombing“. Ich denke zurück an unsere Begegnung am Völser Weiher hier . Die eigene Anfälligkeit für wirre Fakten, wenn die Übermittlerinnen „nett“ sind, aus Ostberlin kommen und Angst haben.

Gestern sah ich ein Buch ihres Vordenkers Sucharit Bhakdi als Nr.1 Sachbuch auf der SPIEGEL-Bestsellerliste). Ein anderes (von Harari) würde ich sofort kaufen; es ist nicht etwa schlecht, weil es auf dieser Liste steht. Ansonsten sehr aufschlussreich auch die Reaktionen der Zuschauer im Anhang des obigen Youtube-Videos. Viele „überlegene“, leicht gönnerhafte Konsumenten. (Extern hier)

*     *     *

Heute Lektüre beendet: Charles Taylor. „Multikulturalismus und die Kultur der Anerkennung“. Hervorragend! Problematik der Rechtslage von Minderheiten auch in vernünftigen Demokratien. Einleuchtendes Beispiel Kanada (Quebec). Man ist begierig die anschließenden, im Buch abgedruckten Kommentare zu lesen. Und am Ende Jürgen Habermas. Siehe hier „Mensch und Menge“. Und nochmals – eingedenk der Anregung – Süddeutsche Zeitung / Thomas Steinfeld vom 23. September.

Nachtrag 22.10.2020

Zitat aus dem abschließenden Essay des Taylor-Buches von Jürgen Habermas (S.149):

Juristen haben den Vorzug, normative Fragen im Hinblick auf Fälle zu diskutieren, die zur Beschlußfassung anstehen; sie denken anwendungsorientiert. Philosophen entziehen sich diesem dezisionistischen Druck; als Zeitgenossen klassischer Gedanken, die sich über mehr als zweitausend Jahre erstrecken, verstehen sie sich ungeniert als Teilnehmer am ewigen Gespräch. Um so mehr fasziniert es, wenn dann doch einmal einer wie Charles Taylor versucht, seine Zeit in Gedanken zu fassen und philosophische Einsichten für politisch drängende Fragen des Tages fruchtbar zu machen. Sein Essay ist ein ebenso seltenes wie brillantes Beispiel dieser Art, obwohl (oder besser: weil) er nicht die modischen Pfade einer „angewandten Ethik“ beschreitet.

Kapitelüberschrift: Immigration, Staatsbürgerschaft und nationale Identität.

 

Aus dem Kommentar von Michael Walter (Seite 93) stammt die zusammenfassende Beschreibung der zwei Liberalismus-Formen:

Meine Frage gilt den beiden Arten von Liberalismus, die Taylor beschrieben hat und die ich hier noch einmal kurz skizzieren möchte. Die erste Art von Liberalismus („Liberalismus 1“) setzt sich so nachdrücklich wie möglich für die Rechte des Einzelnen ein und, gleichsam als logische Folge hiervon, auch für einen streng neutralen Staat, also für einen Staat ohne eigene kulturelle oder religiöse Projekte, ja sogar ohne irgendwelche kollektiven Ziele, die über die Wahrung der persönlichen Freiheit und körperlichen Unversehrtheit, des Wohlergehens und der Sicherheit seiner Bürger hinausgingen. Die zweite Art von Liberalismus („Liberalismus 2“) läßt zu, daß sich ein Staat für den Fortbestand und das Gedeihen einer bestimmten Nation, Kultur oder Religion oder einer (begrenzten) Anzahl von Nationen, Kulturen und Religionen einsetzt – solange die Grundrechte jener Bürger geschützt sind, die sich in anderer Weise (oder gar nicht) engagiert oder gebunden fühlen.

Taylor gibt der zweiten Art von Liberalismus den Vorzug, auch wenn er diese Wahl in seinem Essay nicht ausführlich begründet. Man muß beachten, daß der Liberalismus 2 permissiv und nicht in jeder Beziehung festgelegt ist: Liberale der zweiten Art, so schreibt Taylor, „sind bereit, die Wichtigkeit bestimmter Formen der Gleichbehandlung abzuwägen [ohne dabei irgendwelche Grundrechte in Frage zu stellen] gegen die Wichtigkeit des Überlebens einer Kultur, und sie entscheiden dabei bisweilen [Hervorhebung von mir] zugunsten der letzteren“. Dies bedeutet offenbar, daß Liberale der zweiten Art sich manchmal auch für den Liberalismus der ersten Art entscheiden. Der Liberalismus 2 hält sich verschiedene Optionen offen, und eine von ihnen ist der Liberalismus 1.

Das scheint mir richtig zu sein. (…)

[Taylor] würde, so vermute ich, die Ausnahme machen, die die Bewohner von Quebec verlangen: er würde Quebec als „eine Gesellschaft mit besonderem Charakter“ anerkennen und zulassen, daß sich die Provinzregierung für den Liberalismus 2 entscheidet und dann (innerhalb bestimmter Grenzen: sie kann Plakatwerbung in französischer Sprache verlangen, aber sie kann englische Zeitungen nicht verbieten) im Sinne der Bewahrung der französischen Kultur aktiv wird. Aber genau das bedeutet ja eine Ausnahme machen; die kanadische Bundesregierung würde sich das Projekt von Quebec oder ein anderes ähnliches Projekt nicht zu eigen machen. Gegenüber allen ethnischen Gruppen und Religionen in Kanada bleibt sie neutral; sie verteidigt also einen Liberalismus der ersten Art.

Ich habe so ausführlich zitiert, weil ich eine andere Form des Sonderweges im Sinn habe, die mich anhand einer wissenschaftlichen Arbeit beschäftigt: Prinzip „Breton Girl“ Folk mit impliziter Ideologie dessen, was schottisch ist, Cape Breton, Nova Scotia. (JR)

Der Geist der Tiere

Serengeti-Film „Helden der Savanne“

Dieser Film der Reihe terra x hat mich besonders beeindruckt, und da er bis 2030 abrufbar ist, möchte ich auch dafür sorgen, dass ich ihn in den kommenden 10 Jahren  jederzeit per Knopfdruck wieder auferstehen lassen kann. Muss ich dazusagen: falls ich dann noch…? Ich tue es ja nur für den Fall, dass die Erinnerungsmaschine weiterhin Stoff braucht, aber im Prinzip doch lebensähnlich funktioniert. Bis heute erinnere ich mich an mein allererstes Kino-Erlebnis. Das war „Lied der Wildbahn“, also ab 1949, – wobei mir damals egal war, wer ihn gemacht hat, von Grzimek und seinem Kampf um Serengeti wusste ich noch nichts, aber es war immerhin der erste Film, den Heinz Sielmann gedreht hat. Da hatte die Musik in meinem Leben noch nicht die Tiere in den Hintergrund gedrängt. Ich habe erst vor wenigen Momenten entdeckt, dass ich das „Lied der Wildbahn“ (zumindest tendenziell ein Lied?) heute – nach etwa 60 [Korrektur: 70!] Jahren – noch einmal ansehen könnte und tue es nicht, weil ich darauf besser eingestellt sein müsste (ich will mich nicht drüber lustig machen müssen). Ich habe noch gerade die Anfangsmelodie wahrgenommen (Hörner: „Im Wald und auf der Heide“, ich würde das heute vielleicht schwer durchstehen), und aus!!!

HIER wäre der Weg…

Die Musik in dem heutigen Serengeti-Film fand ich in ihrer Sparsamkeit lobenswert, sie deckte  die Geräusche der Natur nicht zu und persiflierte die Szenen auch nicht in Richtung Komik. Sie gehörte sozusagen zur Erzählerstimme, die auch wohltuend unaufdringlich, aber höchst aufschlussreich kommentierte. Der Film selbst war überwältigend. Hätte es sowas früher gegeben, wer weiß, ob ich nicht lieber Verhaltensforscher geworden wäre. Diese Nähe zu den echten Tieren, die Glaubwürdigkeit der erstaunlichsten Szenen! Die lauernden und jagenden Geparden, ihre Jungen, die lernen müssen, eine erlegte Gazelle (?) zu töten, eine trauernde Giraffe, die scheinbar nicht begreifen kann, dass ihr Nachwuchs tot im Grase liegt. Die Zebras, die mit letzter Kraft einen verschlammten Fluss überqueren, während einige es nicht mehr schaffen. Ich kann nur raten, diesen Film mit Kindern oder Enkeln gemeinsam zu sehen, und sie lieber vor Nachrichten über Tönnies abzuschirmen als vor diesen Wahrheiten aus der Wildnis.

 HIER

Ein Paar Sätze möchte ich an dieser Stelle nachtragen, da man sie bei Helmuth Plessner nie wieder vermuten würde:

Im Anwendungsbereich einer Kultiviertheit zeigt der reife Mensch erst seine volle Meisterschaft. Direkt und echt im Ausdruck ist schließlich auch das Tier; käme es auf nicht mehr als Expression an, so bliebe die Natur besser bei den elementaren Lebewesen und ersparte sich die Gebrochenheit des Menschen. Wo finden wir noch solchen Ausdruck reinster Trauer als bei einem Hunde, wo solchen Adel der Haltung als beim Pferd, wo solche göttliche Gewalt als im Haupt des Rindes? Lachen und Weinen des Menschen, sein Mienenspiel erschüttern erst da, wo sie die Eindeutigkeit der Natur und des Geistes hinter sich gelassen haben und von jener Unfaßlichkeit umwittert sind, die den Abgrund ahnen läßt, ohne ihn zu öffnen. Im Indirekten zeigt sich das Unnachahmliche des Menschen.

Quelle Helmuth Plessner: Grenzen der Gemeinschaft / Eine Kritik des sozialen Radikalismus / suhrkamp taschenbuch wissenschaft / Suhrkamp Frankfurt am Main 2001 Seite 106

Nachtrag 25.09.22

Wieder ist es eine Dokumentation der Reihe „terra X“, die micht motiviert, diesen Artikel über den Geist der Tiere zu ergänzen:

Sie gebrauchen Werkzeuge, lösen knifflige Probleme und schmieden Pläne: Viele Tiere sind tierisch schlau. In vielen Aufgaben ziehen sie sogar mit den Menschen gleich. Dirk Steffens macht sich auf die Suche nach den „Intelligenzbestien“ der Welt.

Faszination Erde: Spatzenhirne und Intelligenzbestien Dokureihe mit Dirk Steffens

https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/faszination-erde-spatzenhirne-und-intelligenzbestien-100.html

  HIER – abrufbar bis 2027

Über die Intelligenz der Schweine (höher als Hund?) siehe auch hier.

Zugleich wird gerade ein dazu passendes gewaltiges Werk in der ZEIT (22.09.22 Seite 31 Autor: Rudi Novotny) besprochen: ED YOUNG: Die erstaunlichen Sinne der Tiere Verlag Antje Kunstmann / 523 Seiten, Preis entsprechend, Klappentext lesen hier.

ZITAT aus ZEIT-Besprechung (betr. Kraken):

Weiteres vom Ich im Spiegel

Kein bloßes Mondgesicht

Es passierte mir kürzlich bei der Betrachtung des Mondes (siehe hier!), aber vielleicht nur, weil ich am gleichen Tag Emanuele Coccia gelesen hatte und schon bei einem Fernsehfilm über den Genter Altar und Jan van Eyck versucht hatte, mein Erinnerungsvermögen zu aktivieren. Und diese Obsession hört nicht auf, ich muss das auflösen, weil die alte Gefahr der Mystifiziererei wiederzukehren droht. Ich stehe vor dem Spiegel und beginne damit, die Rechts-Links-Vertauschung zu studieren: wenn ich meine rechte Hand auf den Spiegel zu bewege, tut der gegenüberstehende Ich-Typ das gleiche, die beiden Hände bewegen sich aufeinander zu, aber es ist seine linke Hand, zweifellos, – und meine rechte. Ich weiß, auch mein Gesicht ist seitenverkehrt, das ist nichts Neues, aber – plötzlich ist mir nicht mehr wohl bei dieser Selbstverständlichkeit.

Also: jetzt ist das Buch eingetroffen, das bei mir nicht mehr aufzufinden war und das ich deshalb nach 20 Jahre aufs neue bestellt hatte. Es ist auch aufs neue interessant, aber enthält nicht die erhofften (erinnerten???) Informationen.

 ISBN 3-492-23538-7

Da gibt es nichts vom Spiegel, außer zufallsbedingt auf Seite 48, angesichts der Tatsache, dass schon Neugeborene etwas imitieren:

Auf den ersten Blick mag einem die Fähigkeit zu imitieren zwar komisch und niedlich erscheinen, aber nicht sonderlich bedeutungsvoll. Doch wenn Sie kurz darüber nachdenken, wird Ihnen aufgehen, wie erstaunlich sie in Wirklichkeit ist. Im Mutterleib gibt es keine Spiegel: Neugeborene haben noch nie ihr eigenes Gesicht gesehen. Wie können sie also wissen, ob sich ihre Zunge im Mund oder draußen befindet?

Doch das läuft darauf hinaus, dass wir „offenbar von Geburt an eine Verbindung her[stellen]zwischen diesem persönlichen Selbst und den Körperbewegungen anderer Menschen, die wir lediglich sehen und nicht spüren.“ (a.a.O. Seite 49)

Mir kommt der Verdacht, dass ich einmal ein anderes Werk kannte, vielleicht von Daniel Stern, das hier im Literaturverzeichnis steht: „Die Lebenserfahrung des Säuglings“, Stuttgart 1992. Aber nichts über Spiegel, nur „das narrative Selbst“.

Inzwischen habe ich etwas ruhelos herumrecherchiert, in dem rde-Büchlein aus dunkler Erinnerung von 1959 – Adolf Portmann über das „Bild des Menschen“, mich erinnernd an Versuche mit Affen, die eindeutig zeigten, dass sie das eigene „Selbst“, wenn sie live gefilmt wurden, auf dem Bildschirm erkannten. Dann habe ich – da Coccia sich auf Lacan bezieht – in dessen Wikipedia-Biographie entsprechende Forschungsergebnisse aus der Kinderpsychologie gefunden: hier, das ist doch genau das, was ich meinte, vermutlich kennt es jeder, nur ich bin jahrzehntelang im Tal der Ahnungslosen verblieben. Aber jetzt nicht mehr lange: ich stoße auf das richtige Wikipedia-Stichwort: SPIEGELTEST.

Ich kann mein Glück nicht verbergen, – es ist keine Psycho-Mystik, es handelt sich zweifellos um taghelle Wissenschaft. Bin ich nicht immer wieder darauf gekommen, z.b. auf der Italien-Tournee in einer Autobahnraststätte? Als wir im weitläufigen Speiseraum auf das mächtige, streng perspektivische Gemälde einer toskanischen Landschaft an der Wand schauten und ins Sinnieren kamen: angenommen sie wäre wirklich fotografisch absolut genau, – dürfte das  die Frage aufwerfen, ob sich unsere Augen bzw. ihre physische Linse unterschiedlich einstellen, wenn wir in die illusionäre Ferne des Bildes schauten im Wechsel zu den Statuen im Vordergrund? Aber das erledigt sich schnell, wenn die Speisen realitätsgerecht auf dem Tisch stehen. Hätte auch nichts mit meinem Problem zu tun. (Die Linse reagiert auf variable Meldungen über Schärfe und Unschärfe. Wenn sich was ändern lässt, stellt sie sich ein, wenn nicht, dann eben nicht.)

Das könnte  man auch als ein Gleichnis behandeln!

Was bleibt, ist die Frage, ob man sich auf die Frage einlassen soll, ob der Raum im Spiegel philosophisch etwas hergibt… oder nur für ein vor-wissenschaftliches Denken, zu dem man dann eben auch die frühe arabische Optik rechnen müsste.

Über den Artikel Spiegeltest lande ich beim Ich-Bewusstsein, und dort – schönes Gefühl der Wiedererkennung – bei Karl Jaspers und schließlich bei Thomas Metzinger, dessen voluminösen Band „Bewusstsein“ ich immer wieder bei offenen und meist ergebnislosen Fragen zu Rate ziehe.

 Vielmehr: es nimmt kein Ende…

Verfremdete Vogelstimmen

Dialekte der Weißkehlammer

Ich glaube, das hat es noch nie gegeben: eine Vogelstimme auf der Titelseite einer der großen Tageszeitungen, der Süddeutschen, gleich unter dem Schlagzeilen-Artikel: Wirecard soll seit 2014 betrogen haben. Die Autorin ist mir längst bekannt, ich beachte ihre Meldungen auch in versteckteren Regionen des Blattes, Katrin Blawat. Kürzlich zum Beispiel ein spannender Artikel über die verblüffende Beobachtungsgabe der Wespen (hier). Und nun dieser Sprung unter den Wirecard-Skandal!

In diesem Fall war mir der Vogel unbekannt, aber von regionalen Dialekten der Buchfinken hatte ich schon früh gehört, und seitdem beachte ich z.B. immer die unterschiedliche Ausprägung des Abschlusstrillerschlags, sei es hier im Bergischen Land oder in den Südtiroler Bergen, etwa im Kiefernwald beim Rinderplatz, oberhalb von Villanders (auf dem Weg zur Marzuner Schupfe), unvergesslich kraftvoll. So ähnlich habe ich mir das hier auch vorgestellt: „In den 1960er Jahren bestand das Finale des Weißkehlammer-Gesangs noch in ganz Kanada aus einem Triplett, also einer Einheit aus drei Noten.“ Das weckt die trügerische Hoffnung, dass es vor diesem Triplett noch etwas Bemerkenswertes zu hören gab, etwa wie beim Buchfinken: der eigentliche „Schlag“, ein Anlauf in Gestalt mehrerer gehämmerter Töne. Vergleichbar auch dessen bloßer „Regenruf“, der aber auch Dialektfärbungen kennt:

 

Nun ist es gar nicht so schwer, im Internet auch entlegene Vogelstimmen aufzufinden, ich habe also etwas anzubieten. Zunächst die obige Quelle, Dialekte betreffend. Ich habe schon einmal daraus zitiert, damals kam ich vom Gibbongesang auf Meisenrufe, und auch dort gab ein SZ-Artikel den ersten Anstoß (hier).

Um es kurz zu machen: der Gesang der Weißkehlammer besteht offenbar nur aus dem „Finale“, aus 3 gezogenen, unterschiedlich langen Tönen in absteigender Folge, der Ruf aber aus zahlreichen 1-tönigen Einzelimpulsen. Visualisiert folgendermaßen:

Quelle: avi-fauna.info hier / dort finden Sie auch einen Steckbrief, und: Sie können die beiden Beispiele anklicken und hören.

Und unterdessen wird unser Ohr „scharf“ gemacht auf winzigste Veränderungen. Das Wunder des Vogelgesangs findet sich nicht nur in der ausschweifenden Phantasie des Drosselgesangs, nicht nur in der Monomanie des Zilpzalp-Syllabierens, sondern erst recht in den winzigen Abwandlungen, die dann monomanisch beibehalten werden. Ich nenne es biologische Identitätssetzung. (Und versuche dabei ein bedeutendes Gesicht zu machen.)

Und selbst das Wort von der Monomanie des Zilpzalps relativiert sich, wenn Sie sich das wunderbare Buch von Thielcke genauer anschauen:

 Thielcke a.a.O. Seite 33

Wenn Sie also mit mir Variantenbildung in der Weißkehlammerkehle untersuchen wollen, – bei ebird.org gibt es ebenfalls eine interessante Auswahl, die den Anfang darstellen könnte, sogar mit 4 und mehr Tönen, manche selbst mit kleinen Rhythmen:

 abrufbar hier

(Tipp: vielleicht müssen Sie nach jedem Abhörvorgang hierher zurückkehren, um ein anderes Beispiel anklicken zu können.)

Mond und Spiegel

Es ist nie zu spät

Ich wusste, bzw. ich erinnerte mich, dass ich einmal davon gehört oder gelesen hatte, wie auch immer diese späten Einsichten oder Anstöße zu Recherchen, die Dinge zutage fördern, die man längst wusste (oder nicht ganz verstanden hatte und als Revenants den Schlaf oder die Ruhe rauben). So geschehen am 2. Juni, wiedergekehrt, als ich das Phänomen meinem Enkel zeigen wollte, der für die Wand seines Zimmers einen riesigen Mond hinter knorrigem Eichengeäst gemalt hatte. Meine Handyfotos dagegen sind keine Kunstwerke, beim zweiten habe ich den Mond einfach künstlich herangezoomt.

 22:01 h

 22:17 h

Auch im Facebook hatte ich das vorgezeigt, für solche Fotos kommen viele Likes, wie sonst nur bei Tieren oder Babys oder gar Tierbabys. Es wird überdies etwas Mitleid im Spiel sein, weil ich nichts Besseres zustandebekomme.

Jetzt weiß ich endlich, wo man des Rätsels Lösung findet, – es gibt noch keine. Jedenfalls keine abgesicherte. Wikipedia Stichwort MOND, was sonst? Ich hätte es auch am 2. Juni auf dem Balkon mit W-Lan-Hilfe gründlich suchen können, wenn das magische Auge des Mondes mich nicht gehindert und beim bloßen Gedanken daran beschämt hätte:  man kennt es als „Mondtäuschung“, Wikipedia Hier .

Aber damit nicht genug, jetzt müsste ich den wertvollen Stoff erarbeiten, repetierbar machen, dem Enkel per Whatsapp übermitteln. Schon taucht eine Schimäre am Horizont auf, sollte hinter der Sache mit dem Spiegel vielleicht auch eine solche Täuschung stecken? Jedenfalls bei Überbewertung? Etwa auch bei….? Ich denke an Coccias erkenntnisträchtige Behandlung der Parallelwelt in den Bildern, die wir fälschlich als Schein behandeln. Siehe hier.

 Quelle siehe hier

Und siehe dort (Thema SPIEGEL) insbesondere auch unter Symbolik und Aberglaube. Mit diesem Hinweis will ich nichts gesagt haben, nur mögliche Irrwege ausgeschaltet haben. Immerhin habe ich mir ein Buch, an das ich mich erinnerte, ohne es wiederzufinden, neu bestellt: Forschergeist in Windeln / Wie ihr Kind die Welt begreift. Auch dazu gibt es ein Wiki-Stichwort, natürlich: Spiegelstadium – hier.

1 Insekt, maskiert und gepanzert

Wie kann ein und dasselbe Tier so unterschiedlich aussehen?

Es liegt am Apparat: oben Huawei (JR), unten Lumix (ER)

Aber reicht es zur Bestimmung?

Hier war er noch in Schreckstarre. Oberes Foto: er hat schon die Geduld verloren, ist imstande, in Sekundenschnelle zu starten, verschwindet in Richtung hoher Bäume.

Das misslungene Foto der allerersten Begegnung im Waschbecken sagt etwas über das Größenverhältnis. Erste Assoziation: kein Maikäfer, klein wie ein Juni-Käfer, glänzend wie ein Mistkäfer. Eine Kostbarkeit.

 

Die Suche beginnt. Die Formenfülle ist ungeheuer.

Sie schwirren mir im Kopf herum wie vorher die exotischen Oboen meines Freundes.

Aber ehe wir ihren Klang ästhetisch einschätzen, sollten wir wissen, was er in seinem Umfeld bedeutet. Er meint etwas anderes als eine Cantilene in Beethovens Pastorale.

Es ist durchaus nicht das erste Mal, dass ich mich an der Schönheit der Insekten begeistere (siehe hier), und es gibt nicht wenige Leute, die das fotografisch auf wunderbare Weise bestätigen; da müsste ich mich also nicht weiter bemühen. Aber die gedankliche Arbeit ist noch längst nicht zufriedenstellend gelöst.

Der Schmetterling auf dem Cover ist gut und schön, – nur suchen Sie mal im Register dieses Buches einen einzigen Vertreter der niederen Ordnungen, einen Käfer, eine Libelle, überhaupt: ein Insekt, also Lebewesen, die dringend unserer Fürsprache bedürfen. Fehlanzeige.

Was tun? Über die engen Grenzen der Ästhetik meckern. Was ändern! Und solche Publikationen auch den Kindern und Enkeln zeigen und ans Herz legen: das Sonderheft. Und überhaupt:

 

Hier. Und nicht nur aus medizinischen Gründen…

13. Mai 2020 

Ich habe ihn, mit großer Wahrscheinlichkeit: zuerst in „Dausien’s Insekten“ hier:

und über den nächsten Schritt (Wikipedia hier) abgesichert: es ist der Goldglänzende Rosenkäfer Cetonia aurata und zwar ein zweifarbiges Individuum, so wie es bei Wikipedia abgebildet ist.

Wikimedia – Author: adrian.benko / Date: May 21, 2005 / Location: KVP, Kosice, Slovakia

Vogelstimmen im Schnellverfahren

Leicht für Katalanen (und Lateinkenner)

Also z.B. „Sylvia atricapilla“ – was ist das? Na, ist doch klar: eine Mönchsgrasmücke !

Lohnt sich die Mühe? Ja sicher!

 Hier

Dort (also unter ⇑ „Hier“) finden Sie (u.a.) die folgende Landkarte und müssen nur das betreffende Vögelchen anklicken, z.B. das zweite von oben links. Ich habe es leichter: ich öffne das Fenster und horche in den Garten hinunter. Dort singt die Mönchgrasmücke live, – mein Problem war lange Zeit nur, sie am Gesang von einer Gartengrasmücke zu unterscheiden, ich musste sie – ihn –  immer erst sehen, mit seinem schwarzen Käppchen. Für alle Fälle auch noch der Gartengrasmücke nachgehen: der oder die Kleine findet sich gar nicht so oft in Gärten, und auch nicht auf der katalanischen Karte; zum Vergleich bitte beim NABU hier.

 wie gesagt: oben aufs fette „Hier“ klicken.

Oder gleich Hier. 😀

Dank für den Tipp an Kanak!

P.S.

Eine Kleinigkeit hätte ich noch: Sie sehen da in dem Flusslauf, wenn Sie ihm von links nach rechts folgen, zwei Stelzvögel und ein Entenpaar, und genau danach, im Wasser stehend, sehen Sie einen Silberreiher, – tippen Sie mal dran: Agrò Blanc erscheint dann als Schrift und die lateinische Bezeichnung Egretta alba – und was hören Sie??? auf katalanisch: res! spanisch: nada! Um es deutlich zu sagen: NIX!

Gibt es denn Vögel, die nichts sagen, rufen, schreien oder singen können? Hören Sie sich nur einmal den ersten links außen an: Egretta garzetta – einen solchen Unsinn haben Sie noch nie vernommen! Das produziert ein Seidenreiher. Aber der, der angeblich nichts kann, keinen Laut, der heißt Silberreiher, und hören Sie nur, was der nach einer verlässlichen deutschen Auskunft  kann: hier. Geduld! Es dauert mehr als 1 Minute… aber sofort beim Start hören Sie einen Frosch, dann eine Schwarzdrossel, einen Zilpzalp, wieder die Schwarzdrossel mit flötenden Tönen, und dann bei 0:38, ja, was soll ich sagen, das war doch wieder… wie am Anfang. Mit einem Wort … dieser Frosch …

das ist der Silberreiher!!!

Gut, also die Katalanen haben einfach recht. Es ist so gut wie nichts. Aber liebenswert auch das.