https://genius.com/The-jimi-hendrix-experience-long-hot-summer-night-lyrics hier
Sure was a long, long, long, hot summer night
As far as my eyes could see (yeah, yeah, yeah)
But my heart was way down
In a cold, cold winter storm
My darling, where can you be?
Where can you be, baby?
Where can you be?
https://en.wikipedia.org/wiki/Electric_Ladyland hier
Auf TikTok tanzen immer mehr Menschen zu sogenannten „Sped-Up-Versions“ von Songs. Dabei offenbart sich an diesen schneller abgespielten Liedern nicht weniger als eine neue Logik des Körpers. Ein Impuls von Florian Werner.
Ein Beispiel Lady Gaga mit Bloody Mary – das Original
Lady Gaga’s Bloody Mary als TikTok Remix :
* * *
Wie war es noch in der Alten Musik?
Früher (1966)
Später (1986)
Und heute, am 22. Juni, gab es doch am Morgen ein neues Phänomen, außer ZEIT-Lektüre? Ja, strömender Regen, eine Erlösung nach wochenlanger Hitze. Und es gab den ZEIT-Artikel von Navid Kermani über seine musikalische Entdeckung, die zum folgenden Youtube-Beispiel führte: Ist Non-Stop-Instrumental die Alternative zu Sped-up-Songs? Eine Musik, die nicht stört, gerade auf langen Autofahrten, keine Aufmerksamkeit heischend? Sie passt zu allem. Zu Wasser wie Wüste…
Es dauert vier, fünf Minuten, bis ich es bemerke, am Anfang klingt diese Musik nur unbestimmt vertraut. Amharic Classics heißt die Musik auf dem USB-Stick, der im Autoradio steckt, das Display zeigt es an, Amharic Classics, während wir durch Amhara im Norden Äthiopiens fahren, wo nach zwei Jahren Krige gegen die Nachbarn in Tigray der Frieden eingezogen ist, Amharic Classics, und den ganzen Tag denke ich schon, wie gut die weitschweifige, gleich einem Teppich ausgebreitete und zugleich in Details verliebte Musik zu den kargen, wei auseinanderliegenden Bergen passt. Denn an den Hängen, in den Tälern und entlang der Straßen findet sich soviel Lebendiges eingesprenkelt ins Braun, dass sich das Auge immer wieder in neuen Einzelheiten verliert, genau wie in der Musik.
Es dauert vier, fünf Minuten, bis ich die Platte von Mulatu Astatke wiedererkenne, die ich zu Hause in Köln so oft auflege. The Story of Ethio Jazz 1965-1975. Ja, Jazz, selbstverständlich Jazz. Inder Melodik habe ich den afrikanischen Einschlag immer schon gehört, das machte den Klanf fremd und reizvoll, aber der Rhythmus, die Notendauer, die Sonstruktur, die Abfolge vo Komposition und Imrovisation – das war moderne, weltläufige Musik, die in einem westlich Plattenladen selbstverständlich neben Charlie Parker und Miles Davis steht. Es ist die Landschaft, die sie verändert, es ist der USB-Stick, auf dem Mulatu Astatke zum Amharic Classic wird.
Jens Balzer * 1969 Wikipedia hier mit den neueren Büchern
Günstig für mich, dass dieses Buch genau den Teil der Popmusik-Geschichte beschreibt, den ich in meinem Leben bewusst miterlebt habe, nach dem Krieg, auch bewusst abgelehnt habe, – ohne mich allerdings der Wirkung entziehen zu können. Es gehörte untrennbar auch zu meinem musikalischen Umfeld, vor allem seit wir ein neues Radio hatten, Grundig Stereo 1953, mit unverzichtbaren Unterhaltungssendungen wie „Das ideale Brautpaar“ mit Jacques Königstein. (Siehe hier, für uns jedoch gab es in den 50ern ausschließlich Hörfunk.)
Die frühesten Schlagerproduktionen lernte ich dank der uneingeschränkten Begeisterung meines älteren Bruders kennen, der gerne sang, noch auf der Lohe bei unseren Großeltern: Michael Jary, vor allem suchte er den Sänger René Carol zu imitieren, an erster Stelle das Lied „Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein„. Was wir verachteten: Heimatkitsch à la „O Heideröslein, nimm dich in acht“ (Gerhard Winkler). Andererseits nicht „Friedel Hensch und die Cyprys“ … Früh entdeckt: die herausragend lebendige Caterina Valente.
War es der imaginäre Süden? Wie Jens Balzer schreibt: „Der deutsche Pop nach 1945 war vom Fernweh geprägt. Er handelte davon, dass man nach Italien reisen wollte oder nach Frankreich.“ (Seite 12) Tante Ruth (Schwester meines Vaters) und Onkel Fritz (Oberregierungsrat) in Hannover zeigten es uns: als erste in der Verwandtschaft leisteten sie sich einen Wohnwagen und fuhren nach Italien und Frankreich.
Früher Wohlstand bei Tante Ruth und Onkel Fritz. Stolz auf Campingreisen. Er starb 1973 bei einem Autounfall.
Zitat Wikipedia
Ende 1946 gelang ihm [René Carol] die Rückkehr nach Deutschland und er ließ sich zunächst in Hamburg nieder. Als Karol mit den 30 Variationen trat er bald in ganz Deutschland auf. Bei einem seiner Auftritte im April 1949[2] wurde Kurt Feltz, Entdecker vieler deutscher Schlagerstars in den 1950er Jahren, auf ihn aufmerksam. Mit der Kurt-Feltz-Produktion Maria aus Bahia 1950 begann er eine lang anhaltende Sängerkarriere, deren Erfolg erst in den 1960er Jahren endete. 1953 verkaufte René Carol die Platte Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein über 500.000 Mal. Seinen letzten großen Hit verbuchte er im Frühjahr 1960 mit dem Titel Kein Land kann schöner sein, der es bis auf den dritten Platz der Hitlisten schaffte.
Von Jens Balzer kann man verschiedene lesenswerte ZEIT-Artikel abrufen, neuerdings im Magazin folker – song, folk & world – im Juni 2023 einen guten Beitrag über Kulturelle Aneignung: „Zwischen Verbot und Dialog“, aus dem ich ein paar Zeilen zitieren möchte:
70 Jahre später, – das Problem heute:
warum sich Angehörige einer politisch und ökonomisch dominanten Kultur immer wieder bei der Musik, bei Tänzen, Kostümen und Accessoires aus Kulturen bedienen, die sie als weniger entwickelt betrachten: weil sie dort nämlich eine Authentizität und Ursprünglichkeit suchen, die sie an ihrer eigenen Kultur vermissen. Im Jazz hörten weiße Musikerinnen und Musiker der 1920er-Jahre eine „Wildheit“, die ihnen in ihrer eigenen Kultur fehlte – sodass sich noch in der anerkennenden Aneignung ein rassistisches oder koloniales Stereotyp versteckte: und zwar das einer vitalen, authentischen Kultur, deren Schöpfungen freilich erst durch die Aneignung überlegener – weißer – Künstlerinnen und Künstler in den Rang großer, zeitüberdauernder Kunstwerke gehoben werden können.
(…)
Reggae ist ein komplexer Stil, der sich aus der Verschränkung afrikanischer, europäischer, nordamerikanischer und karibischer Einflüsse ergeben hat – und der in den verschiedensten Arten der kulturellen Aneignung bis heute weiterwirkt. So ist der Hip-Hop, die zweifellos mächtigste Popkultur der Gegenwart, in den Siebzigerjahren in New York entstanden, als jamaikanische Eingewanderte Elemente des Reggae – etwa die Technik der Soundsystems und den damals noch „Toasting“ genannten Sprechgesang – mit afroamerikanischen Stilen wie Rhythm and Blues und Soul verbanden. Die Vorstellung, dass nur Jamaikanerinnen und Jamaikaner Reggae spielen dürfen, enthält also ihrerseits ein rassistisches Stereotyp: Sie will eine hoch entwickelte, von Aneignungen getragene und zu Aneignungen einladende Musik wieder auf den künstlerisch schlichten Ausdruck einer „indigenen“ Identität reduzieren.
Ich erinnere mich zwar an das Konzert, in dem wir in einer der vordersten Reihen saßen, nicht aber an diesen Handzettel, den ich von JMR erhielt: er interessierte sich damals wahrscheinlich noch mehr für Cecil Taylor als für Friedrich Gulda. Von diesem gab es später ähnliche Auftritte im Fernsehen zu sehen (er selbst angeblich nackt hinter dem Flügel stehend, ein Krummhorn blasend). Ursula Anders mit Schumann fand ich peinlich, für manche hohen Töne begab sie sich auf die Zehenspitzen. Gulda u.a. mit Gulda („für Paul“) durchaus beeindruckend. Nach der Pause (damit niemand das Konzert verließ?) begann er mit Mozart A-dur, unglaublich schön, – nachhaltig wirkend auch durch sein Performing: er begann zu spielen und zugleich das Publikum eindringlich ernst zu mustern, von einem zum anderen; ich dachte an Rilke: „da ist keine Stelle, die dich nicht sieht: du musst dein Leben ändern“, man fühlte sich persönlich gemeint und – einer schweren Prüfung unterzogen.
Der verantwortliche Redakteur Schubert berichtete in einer späteren Musiksitzung nicht ohne Erschütterung über Guldas „rein musikalische Seite“.
Ich lese durchaus mit gemischten Gefühlen den folgenden Augenzeugenbericht (?) 2016:
https://kultur-online.net/inhalt/der-friederich-der-friederich-und-dar%C3%BCber-hinaus HIER
Noch etwas habe ich in Erinnerung: die Schwester der Gulda-Sängerin, Sylvia Anders, beide Töchter des berühmten Tenors Peter Anders, war in jenen Jahren auf Tournee mit ihrem Lebensgefährten Justus Noll, und am Flügel saß nicht immer dieser, sondern auch im Wechsel mit ihm – mein Bruder. Ob in der folgenden Aufnahme, vermag ich nicht zu beurteilen. Ist es Klassik oder Jazz?
Es gab noch einen anderen Auftritt Friedrich Guldas im Kleinen Sendesaal des Funkhauses mit Paul & Limpe Fuchs, wobei er zwischendurch mit Vehemenz eine Bach-Fuge aus dem Wohltemperierten Klavier vortrug. Die anderen Mitwirkenden veranstalteten ein Happening mit einer Art Feuerwerk, was nicht ungefährlich wirkte. Paul Fuchs habe ich Jahrzehnte später in der Toskana (durch Vermittlung von Hans Mauritz) wiedergetroffen, in seinem „Garten der Klänge“. War es 2010 oder 2012? Es lebe die Kontinuität! Zwei Beweis-Fotos sollen folgen…
Der Text des Liedes hier, und das Lied bei Wikipedia hier
Transcription
Das Lied Blackbird hier bei Wiki, weiter hier, mit Text hier
Wikipedia über das Stück: hier . – Wie oft sie daran gearbeitet haben, ohne zufrieden zu sein! Warum? Bis es endlich so etwas wie eine linkische, altbackene Show zu sehen war, mit einer Melodie, über deren Zauber man lange nachdenken kann; soll sie so traurig, nostalgisch wirken? Oder ist sie versehentlich in den Proportionen verschoben, so dass man Warum-Fragen stellen muss?
Die befremdlichen Züge, welche die Musik der Afroamerikaner für Weiße an sich hatte und immer noch hat, führten zu einem bis heute weiterwirkenden Irrtum. Die afroamerikanische Musik kommt von den Schwarzen – die Schwarzen kommen aus Afrika -, daher kommt die afroamerikanische Musik aus Afrika. Die Jazzforscher, die alles, was nicht in der Musikästhetik der westlichen Hochkultur enthalten ist, nach Afrika verlegen wollen, ziehen ein Faktum nicht in Betracht: Der größte Teil der traditionellen afrikanischen Musik wurde zu religiösen und sozialen Anlässen gemacht, an denen Afrika extrem reich war und selbst heute noch immer ist.
Für die Afrikaner, die in die amerikanische Sklaverei gerieten, fielen diese Anlässe weg. Ihnen blieb nichts anderers übrig, als sich jener musikalischen Formen zu bedienen, die sie zunächst bei ihren weißen Besitzern und später auch beim weißen Proletariat zu hören bekamen. Ihre Rezeption dieser Musikformen bildet die Basis, aus der in den Jahrzehnten um 1900 der Jazz erwuchs.
Als Gegenposition sei an dieser Stelle auf das Buch von Gerhard Kubik (1999) verwiesen, der ein ausgewiesener Afrikakenner ist. Was die Argumentation, dass der Blues aus Afrika kommt, nicht von vornherein glaubwürdiger macht, – als habe sich über Generationen von Sklaven eine solche Erinnerung halten können. Zu berücksichtigen wäre die schlichte Tatsache, dass mit ihrer Ankunft in Amerika das absolute kulturelle Prägerecht der afrikanischen Sklaven die Kirchen und Sekten übernommen hatten. Da blieb nichts übrig.
Der Name Kubik kommt bei Hendler nicht vor, weil die neueren Forschungen am überlieferten Material und die Einbeziehung der frühen Schichten europäischer Volksmusik einen ganz anderen Weg wiesen.
Und vor allen Dingen: statt den schnellen Weg nach Afrika zu nehmen, lohnt es sich in die Tiefe der Geschichte einzutauchen, und nicht nur dort, wo sie für Menschen unserer Zeit (rückwirkend) interessant ist und Musikprojektionen befeuert. Man lese daraufhin den Wikipedia-Artikel „Great Awakening“ mit Blick auf die unterprivilegierten Schichten der amerikanischen Bevölkerung.
Edwards’ Predigten waren machtvoll und zogen von etwa 1731 an ein großes Publikum an. Der aus England eingereiste methodistische Prediger George Whitefield setzte die Erweckungsbewegung fort, bereiste die britischen Kolonien und predigte in einem dramatischen und emotionalen Stil, der in dieser Zeit neu war. Neu war auch, dass Whitefield im Publikum jedermann – auch Afroamerikaner und Sklaven – akzeptierte…
Durch das Great Revival gelangten erstmals auch viele Sklaven zum christlichen Glauben. In den südlichen Kolonien erlaubten die Baptisten seit den 1770er Jahren sowohl Sklaven als auch Sklavenhaltern das Predigen. Nachdem Frauen in den Kirchen bis dahin überrepräsentiert gewesen waren, stieg auch die Anzahl der männlichen Kirchenmitglieder…
Wie die amerikanische Theologin Kimberly Bracken Long 2002 dargestellt hat, führen Geisteswissenschaftler die Camp Meetings seit den 1980er Jahren auf die Tradition der Holy Fairs zurück, die im 17. und 18. Jahrhundert in Schottland verbreitet waren. Bis dahin hatte man ihre Wurzeln ausschließlich in der amerikanischen Grenzland-Erfahrung vermutet…
Die Bemühungen, christliche Lehren auf die Lösung sozialer Probleme anzuwenden, waren wichtige Vorläufer und Präzedenz-Fälle für die Social-Gospel-Bewegung des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, auch wenn sie in ihrer eigenen Zeit nur sehr eingeschränkt auf bestimmte Themen wie Alkohol und Sklaverei zur Geltung kam und nicht auf die Gesamtwirtschaft bezogen wurden…
Fischschwärme aus Millionen von Individuen, Erdmännchen in Kolonien oder Menschenmengen bei großen Demonstrationen. Welche Kräfte oder Prozesse stecken hinter Kollektivverhalten? (ZDF?)
Beginnen ab 1:54 (übrigens: wieder mal ein guter Film mit ganz schlechter Musik). Drei fundamentale Regeln im Schwarm: 1 Bleibt zusammen! 2 Haltet ausreichend Abstand! 3 Bewegt euch in die gleiche Richtung wie eure Nachbarn! – Aber: Wie trifft ein Fischschwarm Entscheidungen? 4:05 Was löst in einem Fischschwarm die plötzlichen Richtungswechsel aus? Einführung eines Roboterfischs, der die erste Bewegung vorgibt… Kleinstmöglicher Schwarm von 2 Fischen. 6:03 Der größere Schwarm trifft eindeutig die bestimmende (und richtige) Entscheidung.
The Beatles LET IT BE
„…to make classical music a relevant and powerful force in society.“ ???
Etwa so: hier? (Carmen) oder weiter im Web hier? (Halleluja)
Let it be … oder nimm dies:
HIER Hemsing Festival Norwegische VM bei Sol Gabetta
Tante Ruth (*1913) um 1990 (hatte wie mein Vater Klassik-Klavier studiert, spielte noch mit 92).
Sie sang mir heimlich das Lied „Großmütterchen“, schwer erkennbar aber doch so oft vor, dass ich es auf der Geige zum 80. Geburtstag der Oma (17.8.1951) in Misburg präsentieren konnte (diese summte es leider schon vorher im Garten mit). Auch eine kleine Eigenkomposition von mir war angekündigt, eine anderhalbzeilige Melodie, eine „unvollendete“, die ich beim Vorspiel irgendwie weiterphantasierte und durch Wiederholung aufpeppte, – Onkel Hans ließ sich zu einem Lob hinreißen, das von meiner Mutter begierig aufgesogen wurde: „Das steckt eben so drin!“ Ach, mein damals nicht abbrechen wollendes Opus sucht mich bisweilen heute noch heim. Ein Lieblingswerk meiner Oma dagegen war und blieb damals „Die diebische Elster“ bzw. deren Ouvertüre, die mein Vater am Klavier vortrug. Keine ernste Musik! Mit diesem Titel! Wir grinsten, wenn es hieß, durch die Belgarder Oma sei die Musikalität in die Reichow-Familie gekommen. Mit der „diebischen Elster“!?
Musikalisches Erbe?
Die Idole meines (tonangebenden) Bruders im Verlauf der Bielefelder 50er Jahre:
Michael JaryRené CarolPeter AlexanderWolfgang Sauer Gershwin, Puccini, Schumann, Wagner, Rachmaninow. Die Schlager lehnte ich ab, ohne direkt zu opponieren, die Begeisterung für die Romantik steckte mich an und ergänzte meine Klassik, die von Bach ausging.
Die folgende Schallplatte war eine der wenigen, die bei den Oeynhausener Großeltern um 1950 abgespielt werden konnten (auf einem aufziehbaren Plattenspieler, den unsere Mutter einst bei einem Preisausschreiben gewonnen hatte): wir kannten das Lied auswendig, und ich habe es oft und gern Mitschülern vorgesungen, die tatsächlich gebannt zuhörten: „der Wilddieb, er gibt keine Antwort, er kennt ja die sichere Hand, ein Schuss und gleich drauf ein Aufschrei, und der Förster lag sterbend im Sand.“
Eine spannende Geschichte im leiernden Tonfall – das schien uns attraktiv. Es gab solche Schlager, „Pferdehalfter an der Wand“ u.ä., man fand sie eher etwas lässig (das Western-Wort statt des heutigen „cool“). Später, mit schon wachsender Klassikerfahrung, schätzten wir bestimmte harmonische Höhepunkte. Ab wann wurde unser Hit unter Brüdern – das Lohengrin-Vorspiel? Und wann kam der folgende Schlager, der eigentlich nur mir gehörte, so dachte ich, mit der Klimax einer starken, ehrlichen phrygischen Kadenz, B-dur, A-dur, nebeneinandersetzt, schamlose Quintparallelen. Auch eine Combo in der Givtbude auf Langeoog spielte ihn jeden Abend zum Abschluss (um 23 Uhr). Wir warteten sehnsüchtig auf den Refrain, die Musiker reagierten leicht genervt. War es 1958? Ich wanderte zu einem Café am Langeooger Dorfrand, wo es einen „Plattenautomaten“ gab, und ließ das Lied alle Viertelstunde ablaufen, während ich Dostojewski „Der Idiot“ las. Einsamkeiserfahrung.
Ich hatte keine Ahnung, wo das Lied herkam, ob spanischen oder portugiesischen Ursprungs. Aus dem Süden jedenfalls, der Zauber des Mittelmeers war greifbar.
Givtbude „no morro“ auf der Düne, Langeoog, 200 m vom Landschulheim Gymnasium Bielefeld (1958?) JR Fensterplatz
Und wo kam das Lied wirklich her?
60er Jahre. Die japanische Freundin verriet mir, leicht widerwillig, was sie vom Text verstand: der Sänger schaue in den Himmel, damit man seine Tränen nicht über die Wangen laufen sehe. Das fand ich anrührend oder sogar für uns passend. Ich kannte das Lied nur aus dem Radio und hatte keine Ahnung, wie seltsam geziert sich der Interpret gebärdete. Natürlich studierten wir beide damals sehr „ernsthaft“ Geige. Sarasate stand schon an der Grenze… Marschner, dessen Schönberg-Platte mir imponierte, weckte (neckte) mich mit der „Havanaise“. Es gibt also eine spezifische Unterhaltungsqualität? Unnachahmbar einfach?
Wikipedia „Sukiyaki“ 1961 bzw.1963 hier / Ist dies ein Zugang zu den verkannten Alten Zeiten?
Was also ist überhaupt Unterhaltungsmusik? ZITAT:
Bei der Unterhaltungsmusik, deren Schwerpunkt (…) in der Beziehung zwischen Musik und Rezipient liegt, ist die Frage der Art der Rezeption von entscheidender Bedeutung. Durch die Art der Rezeption kann Kunstmusik zur Unterhaltungsmusik umfunktioniert werden. Diese Tatsache weist bereits auf die andersartige Voraussetzung hin, unter der Unterhaltungsmusik betrachtet werden muß. Unterhaltungsmusik ist im weitesten Sinn keine absolut zu umreißende Musikgattung, da sie durch ihre Abhängigkeit von der Rezeption die Grenzen einer bestimmten Gattung weit überschreitet.
Der Komponist, der … (siehe wie folgt)
[Anm. JR: in dem Buch u.a. „Großmütterchen“]
Quelle Irmgard Keldany-Mohr: „Unterhaltungsmusik“ als soziokulturelles Phänomen des 19. Jahrhundert / Untersuchung über den Einfluß der musikalischen Öffentlichkeit auf die Herausbildung eines neuen Musiktyps / Gustav Bosse Verlag Regensburg 1977
Eine anders differenzierte Stufe der Betrachtung findet man bei Simone Mahrenholz: Ihre
These lautet, dass ein gemeinsamer Nenner für alle eingesetzten bzw. existierenden Musikformen in der Funktion einer (anvisierten) Transformation der Wahrnehmung liegt. Diese impliziert eine Bewusstseinsveränderung. Alle im Text bisher angesprochenen Musikformen haben diesen Effekt (oder dieses Ziel) – mit unterschiedlicher Intensität und Stoßrichtung. Wie ist Wahrnehmungsveränderung durch Musik konkret möglich? Worin ist sie situiert? Als Material zu einer Antwort zwei Beispiele. Erster Fall: Jeder kennt Momente, in denen man den Blick auf vorbeiziehende Landschaften, beim Autofahren (oder Bahnfahren) absolut nicht ohne begleitendes Hören von Musik zu erleben bereit ist. Es ist so, als ob die Realität vor dem Auto- oder Bahnfenster erst perzeptiv und emotiv aufgeschlossen wird, erst ihre Stellung im Ganzen erhält durch die Kom- bination mit Musik. (Einen ähnlichen Effekt macht sich Filmmusik zunutze.) Eine plötzliche Abwesenheit der Musik demgegenüber (etwa die Aufforderung, das Au- toradio abzustellen oder ein Stromausfall im Smartphone) kommt nahe heran an Entzug, Krise, Schwund von Sinn und Verlust von Welt überhaupt. Was geschieht hier? Welche zusätzliche Information zum Gesehenen liefert Musik? Zweiter Fall: Wir alle kennen ebenfalls den (seltenen) Effekt einer Ekstase, ei- nes extremen Glücksgefühls, oft eines Transzendierens von Raum und Zeit sowie der Unterscheidung von Welt- und Selbst, ausgelöst durch eine ›passende‹ Musik im ›richtigen‹ Kontext. Beide genannten Phänomene gehen oft einher mit dem Gefühl, einer tieferen, ›realeren‹ Realität teilhaftig zu werden – ohne selbstver- ständlich Gründe dafür angeben zu können. Es ist eine Art Anschauung, Intuition, Evidenz. Die naheliegende Frage lautet: Woher kommt dieser Eindruck des [Rezipienten,] in Begleitung von Musik anders und anderes wahrzunehmen:mehran Realität als sonst, eine Art Tiefendimension und Einbindung in eine Gesamtheit, verbunden mit einer Erkenntnis, die sich verbal nicht mitteilen lässt? (Wohlgemerkt, dies ist nicht Musik-Mystizismus, sondern die Beschreibung einer letztlich verbreiteten, wenngleich individuell herausgehobenen Weise des Musikerfahrens.) Obwohl die meisten Musikerfahrungen in ihrer Intensität viel weniger ausgeprägt sind und oft ganz anders ausfallen, stellt sich die Frage: Woher rührt es? Wie ist das Beschrie- bene möglich? Eine Antwort hierauf liegt in der musikalischen Materialität.
Quelle Simone Mahrenholz: Musik und Begriff How to do things with music / in: Gibt es Musik? Herausgegeben von Daniel Martin Feige und Christian Grüny /Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft Heft 66/2 2021 / Felix Meiner Verlag, Hamburg 2022
In meinem Zusammenhang soll der Hinweis auf die „Materialität“ und die „Wahrnehmungsveränderung“ eine erhellende Rolle spielen.
Im Gegensatz dazu ist für die „Kunstmusik“ festzuhalten, was Daniel Martin Feige mit Blick auf Adorno formuliert, und ich zitiere in aller Vorsicht: man kann daraus keine argumentative Waffe schmieden. Man muss doch den ganzen Essay lesen und vielleicht aufs neue oder immer wieder auch – den Musikphilosophen Theodor W. Adorno:
Inhalt in einem herkömmlichen Sinne haben Kunstwerke schlichtweg nicht. Das heißt nun keineswegs, dass im Fall von Romanen etwa egal wäre, was sie erzählen und im Fall von darstellenden Gemälden das, was sie zeigen. Aber es reicht für Adorno nicht zu sagen, dass repräsentationale Kunstwerke sich nicht in dem erschöpfen, was sie darstellen. Wer verstanden hat, was ein Gemälde darstellt, hat es als Gemälde noch nicht erschöpfend verstanden. Denn für Adorno ist der eigentliche Inhalt eines Kunstwerks die Spannung, die zwischen einer Form und der gesellschaftlichen Realität besteht. Just deshalb gerät das Kraftfeld des Werks durch gesellschaftliche Umbrüche in Bewegung; es kann sogar verblassen, sodass das Werk zu einem bloß noch historischen Gegenstand herabzusinken droht. Mit anderen Worten: Trotz seiner autonomen Konstitution dreht sich das Werk nicht um sich selbt; Adorno denkt Heteronomie und Autonomie des Werks zusammen. Der heteronome Zug, der nicht zuletzt darin besteht, dass ein Werk überhaupt nur ein Werk sein kann im Kontext einer gesellschaftlichen Praxis, die es ein Werk sein lässt, zeigt an, dass das Werk nicht außerhalb der Gesellschaft steht.
Und jetzt habe ich den Satz noch nicht zitiert, der ein vorschnelles, selbstzufriedenes Kopfnicken verhindert, – da steht über das Werk und die Gesellschaft noch der Satz:
Es ist von ihrer Falschheit affiziert.
Quelle Daniel Martin Feige: Kunstmusik als Modell dialektischen Denkens / Anmerkungen zu einem Satz von Adorno / In: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie / herausgegeben von Andreas Hetzel, Eva Schürmann und Harald Schwaetzer / Essay herausgegeben von Michael Hampe / Verlag frommann-holzboog AZP 47.2 (2002) [Zitat Seite 252]
Ich gebe mich damit einstweilen zufrieden und hüte mich, davon extensiv Gebrauch zu machen, ehe ich es nicht besser verstanden habe als heute. Anlässlich der Erwähnung „repräsentationale(r) Kunstwerke“ bin ich kurz zu Danto ausgewichen und fand die hier verlinkte optische Darstellung seiner Ästhetik sehr unterhaltsam. Und mit diesem Wort kehre ich später wohlgelaunt zurück zu den frühen Erlebnissen mit Schlagern oder Liedern, die der Unterhaltungsmusik zuzurechen sind. Wie gern würde ich die Liste fortführen, bis auch Namen wie Mercedes Sosa und Fernando Farinha darin Platz finden dürften…
Was schlimm war: fast einen Monat getrennt zu sein von der gerade erst entstandenen Familie (Marc *1.4.66). Und was malte er 5 Jahre später? Eine orientalische Stadt…
1971 1972
20 Jahre später:
Wir waren gewarnt worden: die massentaugliche Präsenz von Theodorakis würde den feinen Musiker Livaneli erdrücken. Und noch viel mehr, aus ganz anderen Gründen, wurden wir vor Ibrahim Tatlises gewarnt. Das entspreche einem deutschen Konzert in Istanbul, bei dem Fischer-Dieskau gemeinsam mit Heino auf der Bühne stehen müsste. Wir kannten das unten zitierte Verdikt von Fazil Say noch nicht. Und es hätte uns auch nicht irritiert. Ich persönlich war es gewöhnt, von Freunden, denen ich meine liebste arabische Musik vorspielte, ausgelacht zu werden. Ich wusste, dass solche Geschmackswelten nicht einfach durch gute Worte überbrückt werden können. Das „Gefühl“ spielt nicht mit. Bzw. der Schritt vom „ganz großen Gefühl“ zur Lächerlichkeit ist winzig. In der Show von Harald Schmidt wird all dies listigerweise zur Unkenntlichkeit vermengt. Man kann schlecht sagen, dass ein vor Begeisterung rasendes Publikum sich irrt. Jedenfalls nicht, wenn man Chef der Show ist. Man fühlt sich unbehaglich und weiß nicht warum…
55 Jahre später in Solingen: Konzert der Bergischen Symphoniker 7.6.22 (vorige Woche)
Istanbul Sinfonie beim hr mit Einführung des Komponisten Fazil Say:
Hilfe auf Youtube, wenn man Einzel-Sätze anklicken will (Helfer: Ath Samaras vor 8 Jahren)
For better accessibility:Fazil Say – Istanbul Symphony (1. Sinfonie)00:00 Intro by Fazil Say
07:10 I. Nostalgie17:20 II. Der Orden21:25 III. Sultan-Ahmed-Moschee28:55 IV. Hübsch gekleidete junge Mädchen auf dem Schiff zu den Princess-Inseln33:10 V. Über die Reisenden auf dem Weg vom Bahnhof Haydarpaşa nach Anatolien37:16 VI. Orientalische Nacht44:18 VII. Finale50:42 Applause
Ebenfalls für heftige Diskussionen sorgte seine offen zum Ausdruck gebrachte Ablehnung des in der Türkei bei bestimmten Gesellschaftsschichten populären Arabesk-Pops. Arabesk-Musik sei „eine Last für Intellektualität, Modernität, Führungskraft und Kunst“ und weiter: „ich schäme, schäme, schäme mich für das Arabesk-Proletentum beim türkischen Volk“.
Über Arabeske hier / Wikipedia über Ibrahim Tatlises hier Harald-Schmidt 1998
Wie lautet noch eine der größten menschenfreundlichen Lügen? „Ich liebe euch alle!“
Eine frühe Radio-Sendung über kulturelle Relativität; heute würde ich wohl anders herangehen:
„Die Werbung sucht zu manipulieren, sie arbeitet unaufrichtig, und sie setzt voraus, dass das vorausgesetzt wird.“ (Quelle: s.u. „Kommentar“ Video zur Penny-Werbung bei 19:20)
Süddeutsche Zeitung / Zeit der Zärtlichkeit 27./28.Nov. 2021 Seite 17 / Autor: Max Scharnigg
Alles wegtanzen!
Wunschbild Mutter
Kommentar
Trost
CORONA ?
Ja, was man
auch noch sagen sollte,
wurde von Bernd Schweinar gesagt,
bemerkenswerterweise aus dem Pop-Bereich,
heute verbreitet durch den Newsletter der NMZ (Martin Hufner):
Sehr geehrte Newsletterabonnentinnen und -abonnenten,
eine quietschfidele Selbstblockade erleben wir gerade in der Politik Deutschlands. Was die Corona-Pandemie angeht. Man möchte nicht mehr länger zuschauen. Es rappelt und ruppelt mal wieder zwischen Überbrückungsgeld, wildem Gefuchtel mit halbherzigen Entscheidungen.
Ich möchte Sie nicht zu sehr langweilen und greife deshalb auf ein Statement des hochgeschätzten Künstlerischen Leiters der Bayerische MusikAkademie Schloss Alteglofsheim und den Bayerischen Rockintendanten Bernd Schweinar zurück. Der antwortete auf eine Anfrage der Deutschen Presse-Agentur:
„Kultur lebt seit jeher von der Polarisation! Ich bin groß geworden mit Themen wie Friedensbewegung und Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf. Bei beiden Themen haben zahlreiche Künstler:innen eindeutig und voluminös Position bezogen. Das vermisse ich in der heutigen Pandemieproblematik. Die Angst vor einer Spaltung der Gesellschaft beschwören vielfach nur jene herauf, die selbst die Spaltung betreiben. Kultur darf sich hier nicht einschüchtern lassen.Es geht um nichts weniger, als ein funktionierendes Kulturleben mit Publikum in der Zukunft. Und wer sich durch seine Impfverweigerung ausgrenzt bzw. Kultur damit schädigt oder unmöglich macht, den braucht die Kultur auch in Zukunft nicht mehr als Publikum! Diejenigen will ich persönlich auch gar nicht mehr in einem Konzert sehen. Zudem stelle ich die Fußballfrage auch in der Kultur. Ungeimpfte Künstler:innen brauchen unsere Bühnen nicht, weil sie diese Bühnen im Moment beschädigen! Wenn ungeimpfte Künstler:innen sich eigene Bühnen für ungeimpftes Publikum schaffen – mit eigenem finanziellen Risiko – dann sei ihnen das unbenommen.“
* * * *
Und noch etwas zum Lesen, eine Kolumne von Christoph Schwennicke über den wahren Grund für das deutsche Corona-Desaster: