Kritik, die mich aufmerksam machte:
Wichtig erschien mir, dass hier neben dem Violinkonzert einige mir unbekannte Kammermusikwerke des Komponisten präsentiert werden. Dann der Hinweis auf das ausführliche Booklet, der aus meiner Sicht übertrieben ist, – es ist ja recht kurz und wie immer schlecht entzifferbar, daher empfiehlt sich ohnehin eine Kopie. Unverständlich auch die Beobachtung, „beim ersten Hineinhören“ falle einem die klare Tonumgebung (sic!) des Solisten auf, der nicht auf den „romantisch weichen Ton“ setze und „klangliche Härten“ betone. Ganz im Gegenteil: er verharrt in einem weichen Flautando und verbindet auch kleinere Sprünge mit sanften Glissandi, wie man es so konsequent noch nirgendwo sonst gehört hat (vgl. hier). Die Distanzierung gegenüber Attila Csampai ist überflüssig, wenn man selbst nur solche Allgemeinplätze entgegenzusetzen hat, wie z.B.: „Irnberger vernachlässigt oft die großen Spannungsbögen“, „manchmal dominiert das Material und nicht der Geist“, und bisweilen sei „der Bogendruck so stark (…), dass die Geige nicht mehr mitschwingt“, das alles klingt – gelinde gesagt – etwas dilettantisch.
Ich höre zwar an den exponierten Stellen leichte Intonationsschwächen, insbesondere bei den hohen (gebrochenen) Oktavpassagen, etwa am Ende der Kadenz des ersten Satzes oder bei der Wiederkehr des zweiten Themas in der Reprise. Andererseits klingt vieles tatsächlich nur ungewohnt anders, in der Wechselwirkung der Violine mit den Solobläsern ungemein lebendig. Es sind eigentlich, trotz aller Wucht der Expression, kammermusikalische Qualitäten, die dann auch die Werke mit dem hervorragenden Klavierpartner Michael Korstick zu einem beglückenden Erlebnis machen. Für diese Entdeckungen bin ich dankbar, und ich freue mich darauf, die Aufnahmen des Duos mit den Beethoven-Sonaten näher kennenzulernen. Sie werden sich von allem unterscheiden, was man von bekannteren Stars hören kann.
Text: Christian Heindl
* * * *
Gerade wenn man sich ausgiebig mit Sibelius und der oben behandelten Aufnahme beschäftigt hat, wird man vom kostbaren Klang und Charakter dieser Mozart-Aufnahme überwältigt sein. Und zwar vom ersten Takt der „Overture 2nd“ an, einem Fragment, das vielleicht zu einer verschollenen, für die Paris-Reise komponierten Sinfonie gehört. Goebel schockt uns vielleicht, wenn er angesichts dieses wundersamen Understatements im Pastorale-Ton folgendermaßen anhebt: „Die etwas einfältige langsame Einleitung …“ und dann von einer „captatio benevolentiae“ spricht, einem „Kotau vor den Erwartungen und rezeptiven Möglichkeiten der französischen Hörer der frühen Louis-XVI-Zeit“. Und danach: „Wir benennen das heute mit ‚das Publikum dort abholen, wo es steht‘. Warum sollte Mozart genau DAS nicht getan haben?“
Also eine der Provokationen, um deretwillen es auch Spaß macht, sich mit Goebels Texten auseinanderzusetzen. Und mit der Musik, um die es geht, dem Klang, dem Tempo und mit der Damaturgie seiner Programme. Denn es folgt das weithin unterschätzte oder gar unbekannte Violinkonzert (Nr.7 bzw. 6), gespielt von einem ebenfalls fast unbekannten, phänomenalen Geiger namens Tobias Feldmann. Der klare, durchsichtige Orchesterklang wirkt augenblicklich fesselnd, ebenso die blitzsaubere Solovioline, besonders wenn sie dann in höchste Höhen steigt, die in keinem der vorigen Konzerte so wie hier präsentiert wurden (man erinnert sich an den Effekt in Isabelle Fausts Locatelli-Aufnahme). Rein technisch verlangt und zeigt dies Konzert offensichtlich mehr als das vorhergehende in A-dur. Was einem merkwürdigerweise bei Henryk Szeryng gar nicht positiv auffällt, – Mozart-Routine.
Text: Reinhard Goebel
In der stilistischen Echtheitsfrage hält sich also auch Goebel im vorliegenden Konzert einigermaßen bedeckt und beschränkt sich erstaunlicherweise darauf, die früheren, „echten“ Konzerte in ihrer Genialität zu relativieren. Wenn ich es etwas umformuliere: sie seien jedenfalls für die internationale Bühne nicht recht tauglich gewesen und hätten außerhalb Salzburgs wohl eher Befremden ausgelöst.
Fragt sich, wo man hier das erste Mal aufhorcht, abgesehen von der vagen Erinnerung an das frühere D-dur-Violinkonzert mit seinem punktierten Rhythmus: der „falsche“ Einsatz der Solo-Violine auf dem Schlussakkord des Ritornells mit dem Horn-Quinten-Motiv, und wenig später der hohe gehaltene Ton, der etwas „wimmert“, während das Orchester seine Start-Thematik wiederholt, das hat man so noch nie gehört, zumindest: es irrtitiert. Es ist gut, den Anfang mehrmals zu hören, statt ihn als gegeben hinzunehmen. Und beobachten, wo die nächste Irritation wartet: die Violine in der Tiefe, mit ihren seltsamen Terzen, es klingt wie ein Spaß mit der Majestät des Tutti-Themas. Wieder eine leichte Irritation, wenn in den folgenden Abschnitten des Cantabile-Themas, der Solist plötzlich die Melodie in der höheren Oktave mitspielt, – ein wohlwollender Überschwang? Noch ehe das eigene Cantabile angestimmt wird?
Ein neuer Tag beginnt mit neuem, unbefangenen Hören, – und zwar die andere Aufnahme des Mozart-Konzerts unter Goebel, also die mit Mirjam Contzen. Etwas forscher im Tempo, und fülliger im Orchesterklang (vielleicht einfach mehr „Hall“), die Solo-Violine eher (zu) leise, den ersten Ton des Einsatzes (Doppelgriff) hört man kaum (bzw.nur, wenn man ihn schon erwartet), es bleibt dabei: sie ist schön, aber unterbelichtet. Was hat Goebel damals (2013) über dies (vielleicht nicht ganz echte?) Konzert geschrieben?
(Fortsetzung folgt)
Zu prüfen:
https://www.kultur-port.de/kolumne/klassik/19139-original-oder-faelschung-mozart.html hier
https://academicworks.cuny.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1410&context=yc_pubs hier
https://de.wikipedia.org/wiki/Violinkonzerte_(Mozart) hier