Archiv für den Monat: Oktober 2023

Musiksparten?

Wie war das noch in den 90er Jahren im WDR?

Man sprach von Programmfarben, man konnte – so glaubte man – jeweils größere Publikumsmengen an das jeweilige Programm binden, wenn man einen bestimmten Musikcharakter vorgab und durchhielt, WDR 1 „volkstümlich“, später auch „rockig“, WDR 2 „Mainstream Pop“, WDR 3 „Klassisch“ + „Konzert“, WDR 4 „Schlager, Operette, Evergreen“, WDR 5 „Wort“. Unsere Abteilung, die ursprünglich den Namen „Volksmusik“ trug (später: Musikkulturen), erweiterte seit den 70er Jahren den Inhalt des Begriffes beträchtlich: nicht nur Volksliedkantaten und Blasmusik der deutschen „unterhaltenden“ Tradition wollten wir präsentieren – es gab ja in allen Ländern und Kulturen Volksmusik, auch Folklore genannt, die ganz anders klang. Auch „fremde“ Kunstmusik, die man, da sie nicht unserer Klassik ähnelte, stillschweigend zu jenem unbekannten Genre schlug, das in unserm Radio bisher überhaupt nicht vertreten war. Das alles wurde zu unserem Arbeitsfeld und konnte – unserer Einschätzung nach – in jedem Programm vorkommen, je nachdem, welcher „Farbe“ es nahekam. Geeignet für alle musikalischen Menschen, die auch ungewöhnlichere Klänge einordnen können. Ich will jetzt nicht theoretisieren, inwieweit das überhaupt in einem solchen Massen-Medium geht, – ich selbst hatte mir Gedanken gemacht über die 12 Methoden des Hörens, die es in der Menschheit gibt, und die man nicht ohne weiteres untereinander auswechseln kann -,  jedenfalls hatten wir in der Konzertreihe, die wir seit 1974 etabliert hatten, ein Publikum im Sinn, das von bestimmten Liedformen geprägt ist, angelehnt an das, was etwa damals die „Liedermacher“ präsentierten: basierend auf unseren (westlichen) traditionellen Harmoniefolgen, die übersichtlich geformte Melodien trugen, und klanglich-rhythmisch vorwiegend von begleitenden Gitarren attraktiv, aber unauffällig ins Rampenlicht gesetzt wurden. Damit waren alle Türen und Fenster geöffnet in Richtung Süd- und Nordamerika ebenso wie nach Norden oder Osten von Irland, Skandinavien, Russland bis Rumänien, Balkan, Georgien. Das war einfach gedacht, aber beliebig erweiterbar, und wurde sichtbar von einem live anwesenden Publikum honoriert. Und parallel die „schwierigeren“ Musikkulturen, die einiger Einübung bedürfen, auch des Vorbilds prägender Figuren,  wie im Fall Indien Ravi Shankar und Yehudi Menuhin. Und natürlich in einem „klassischen“ Radiosender wie WDR 3. Auch WDR 5, das neue Wortprogramm, erwies sich als geeignet, – dort wo es sich um Musik handelt, die des Wortes und der verbalen Vermittlung bedarf. TEMPI PASSATI. Die Erinnerung lohnt sich. Fangen wir doch einfach an zu rekapitulieren. Manch einen oder eine könnte es in flagranti erwischen: es gab und gibt Sternstunden mit einer bis dato völlig unbekannten Musik. WDR 3 realisierte 2023 – 20 Jahre nach der Beendigung der Matinee-Reihe – eine großartige Idee: wenigstens 1 dreistündige Sendung des frohen Gedenkens. Davon später: zunächst die Rekapitulation in schriftlichen Stichproben.

Bericht im WDR-Blatt September 1990

Beispiel einer Programmübersicht, wie sie in unserer „Blütezeit“ monatlich verschickt wurde

Programmatische Gedanken im Blatt der Kölner Philharmonie 31.10.1992

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WDR-Pressetext Oktober 2023:

Die WDR-Livemusik-Reihe „Matinee der Liedersänger“ gehört zu den großen Meilensteinen der Musikkulturen der Welt in der Geschichte des Radios. 1976 hervorgegangen aus der Reihe „Matinee der Liedermacher“ holte der WDR-Redakteur Jan Reichow regelmäßig Musikerinnen und Musiker verschiedenster Kulturen auf nordrhein-westfälische Bühnen und ins Radio.

Damit war sonntags vormittags um 11 Uhr die Welt zu Gast im WDR Funkhaus Köln, in der Ravensberger Spinnerei in Bielefeld oder im Museum Bochum (später im Bahnhof Langendreer in Bochum). Canciónes aus Südamerika mit dem uruguayischen Liedermacher Daniel Viglietti, der argentinischen Folk- und Protest-Sängerin Mercedes Sosa und dem chilenischen Geschwisterpaar Isabel und Angel Parra waren ebenso zu erleben wie Klezmer von Brave Old World, bulgarische Vokalklang-Landschaften vom Eva Quartet und korsische Gesänge der Gruppen A Filetta und Cantu u Populu Corsu. Auch die berühmten Taraf de Haidouks aus Rumänien, die Globetrotter der französischen Band Bratsch u.v.m. traten auf und brachten unterschiedlichste Eindrücke weltweiter Musikkulturen in das WDR 3 Sendegebiet.

Abrufbar hier: https://www1.wdr.de/radio/wdr3/programm/sendungen/wdr3-konzert/konzertplayer-matinee-der-liedersaenger-highlights-100.html LINK

Facebook Oktober 2023

Aufatmen am Herbstabend

Die zu Herzen gehende Landschaft

Kaum Menschen, eine  Schwarzdrossel verschwindet seitwärts im Unterholz, von oben kommt die zauberhafte Strophe eines unsichtbaren Rotkehlchens, ich experimentiere auf der Brücke des Weihers mit Belichtungseinstellungen des Handys, um die Verzweigung der Eiche hervorzuheben.

Hinter mir auf dem Geländer . . .

hat sich Gesellschaft eingefunden.

Zurück! Denn:

„es dunkelt schon in der Heide“ – wie geht das Lied noch . . .

Zurück ins Auto, 18.12 h, die Uhr stimmt erst wieder heute Nacht, wenn die fällige Zeitumstellung stattgefunden hat, für die Fahrt nach Hause reicht Tr. 1 der Bartók-CD, Probepressung „Hungarian Pictures“ (An Evening in the Village), die ergreifend einfache Klarinettenmelodie zum Start, ich wäre zuhaus noch ehe der „Bear Dance“ vorbei ist, nein, für den dritten Satz, den langsamen, verzögere ich die Ankunft. Der aufsteigende Septakkord, das Denkmal einer Liebe, – war es nicht so? Ich habe das entdeckt oder wahrhaben wollen und den passenden Text dazu gefunden. „Du Deutscher! Treffen sollen dich, wie ein Fluch, die Tränen der Mütter!“ War es so? Bartók starb kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, im amerikanischen Exil.

Nachwirkende Ambivalenz: „Es dunkelt schon in der Heide“ – romantisch-poetisch? Nein, schlecht gereimt, melodisch albern hin und her schaukelnd, simpel gebrochene Dreiklangstöne. Zuccalmaglio, na gut . . . oder so mittel … nur für Menschen guten Willens. Brahms ist kein Argument.

Stille

Über die Stille reden

https://de.wikipedia.org/wiki/Stille hier

Barbara Bleisch

einige Sekunden ab 23:33

https://de.wikipedia.org/wiki/4%E2%80%B233%E2%80%B3 nichts (4:33)

Stille am Schreibtisch – Moment der Erinnerung 1972

  ← „Über das Wesen des Musikwerks“ und „Stille und Pause in der Musik“↓

 

Wer war Zofia Lissa? https://mugi.hfmt-hamburg.de/receive/mugi_person_00000497 hier

Das Buch schlug sich beim Herausnehmen von selbst auf, ein Zettel lag darin mit der folgenden Notiz (vielleicht Urlaub in La Orotava auf Teneriffa beim Wiederlesen dieses Essays):

Erinnern Sie sich an Parsifal?

Ich meine den diesjährigen in Bayreuth? Meine Erinnerung hat ihn als ironische Aufführung abgelegt, Gelächter zum Schaden der Kultur, die jetzt auch vordergründig ernst machen kann. Wie wäre es mit einem vollständig umgedeuteten Weihnachtsoratorium? Einer Bach-Passion? Also: dasselbe wie immer, aber von einem überlegenen Standpunkt aus?

Parsifal 25. Juli Live-Stream

Natürlich, das kann man nicht vergleichen, aber es geht doch, denke ich!? Auch die Religion allgemein in einen zeitgemäßen Kontext zu betten? So kann man ganz gut weiterschlafen:

Solinger Tageblatt 24.10.2023

Zitat zu Ehren des Journalismus:

„…wenige Passagen, aus denen ernste Botschaften blitzen“.

Überleben (ohne Erdkruste)

Ist wirklich Rettung in Sicht?

Dirk Steffens setzt auf Abbau der industriellen Nahrungserzeugung, Optimismus sei angesagt…

Der Wald und – – – der Erdboden

https://plus.rtl.de/video-tv/serien/die-grosse-geo-story-899018/staffel-1-899019/episode-1-die-grosse-geo-story-wie-wir-die-welt-gesund-essen-899020 HIER

Ab 6:10 AMAZONAS, über Regenwald, Indigenen Landbesitz oder Landbesetzung durch Konzerne, Soja-Produktion, Kapital gegen Urbevölkerung,  – die Bedeutung der Erdkruste wo?

ab 26:50 !

Tageblatt über Buch „Eat it

Wissen Sie etwas über die Rauchschwalbe? (betr. Eva von Redecker) Oder über den Mauersegler? (betr. mich) Mir ist das Thema wichtig seit meiner Kindheit, die Schwalben auf der Lohe bei Bad Oeynhausen, später in Ftan, dem Dorf in Graubünden (ich notierte etwas über die Freude der jungen Schwalben, die auf den schrägen Blechdächern ihre Flugübungen begannen), die Mauersegler der 50er Jahre in Scharen am Himmel über der Bielefelder Pauluskirche, später auch in Solingen (2023 erstmalig nur noch vereinzelt). Leseprobe:

Leseprobe zum Leitmotiv der Schwalben

Quelle: Eva von Redecker: Bleibefreiheit / S.Fischer Verlag Frankfurt am Main 2023

Zu meinem Leitmotiv der Mauersegler 1989, der Schwalben 1982 Urlaub in Ftan

Während es in der westlichen Welt zumeist um Bewegungsfreiheit geht, die wir definiert haben wollen, thematisiert dieses Buch als erstes die „Bleibefreiheit“, die also nicht auf eine räumliche Veränderung zielt, sondern auf eine zeitliche. Ich bin an demselben Ort wie vorher, aber es weht eine andere Luft. Eva von Redecker greift zunächst zurück auf den Begriff „Solastalgie“, das mir 2019 zuerst im Zusammenhang mit Bruno Latours Heimatbegriff begegnete (hier).  Und nun stellen wir fest, mit einem Wort, das wir auch noch nicht kannten, also bei dieser Suche nach Bleibefreiheit: „Die Moderne hat uns schließlich keinen Trost versprochen, sondern Freiheit.“ Aber: „Hängt unsere Freiheit nicht vom Fortbestand der lebendigen Welt ab? Besteht sie nicht geradezu darin?“ (Seite 21) Bald darauf sind wir – wieder einmal bei Sokrates – wie schon kürzlich in Erinnerung an Oberstudienrat Dempe hier – nein, vor allem bei der dort ganz übersehenen Frau des weisen Mannes: „Wir können den Schmerz, den Xanthippe artikuliert, als Wunsch nach Bleibefreiheit deuten: der Wunsch danach, dass Sokrates noch ein wenig unter seinen Freunden weilen dürfe.“ (Seite 32 f) Und dann geht es mit einer herrlichen Formulierung auf das Problem der STERBLICHKEIT: „Stattdessen macht der overkill an Bleibefreiheit, den Platons Sokrates-Avatar einführt, auf einen Schlag die ganze Welt unwesentlich. Was zählt, ist die Seele und ihr ewiges Leben. Anders als später im Christentum ist die Welt als antiker Kosmos hier noch unendlich gedacht. Auch nicht, wie die meisten Griechen argumentiert hätten, die Polis als politische Gemeinschaft. Was allein zählt, ist die eigene Seele als Vehikel zur Todesumschiffung. Den anderen Ort, zu dem sie Zugang verschaffen soll, nennt Sokrates die »wahre Erde«. “ (Seite 33) Leider kommt dann ein großes Kapitel, das mir vorläufig unzugänglich bleibt, angefangen mit Simone de Beauvoir, fortschreitend zu italienischen Feministinnen um Luisa Muraro und „Die symbolische Ordnung der Mutter“ – die ich mir gerade eingedenk der eigenen Eltern noch nicht erschließen konnte. Um so bedauerlicher, wenn sie in einem weiteren, faszinierenden Ansatz den Blick auf das Alter der Welt und die Endlichkeit des Menschen richtet, selbst die Idee der „Selbstwiedergeburt“ plausibel macht. Zugleich passieren auf Seite 144 die ersten Fehler („Planten“ und „der Cartesianische Zweifel“ … „würde Muraro als Abwesenheit einer solchen Weltwahrnehmung einstufen.“ )

Unvergesslich die – nicht einmal ganz neuen – Gedanken zur „Theorie des Bodens“: die Pflanzen brauchen mehr als Luft und Licht. Dass sie leben, ist den Effekten der Biologie des Bodens zu verdanken. „Der Boden lebt.“ Man lese das Kapitel „Aus Gezeiten gemacht“ Seite 124 ff

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Dieses Video https://www.youtube.com/watch?v=VbQYy5mV1CE verweist auf folgende Sendung:

https://www.zdf.de/wissen/leschs-kosmos/die-erde-die-unsere-welt-rettet-landwirtschaft-neu-denken-102.html HIER

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https://www.youtube.com/watch?v=ZkBzbYuKZhE HIER Wo sind die Vögel?

ARTE-TEXT:

Vögel sind Nachfahren der Dinosaurier und älter als die Menschheit, doch überall verschwinden sie. Allein in Deutschland ist die Zahl der Feld- und Wiesenvögel in 30 Jahren um mehr als die Hälfte gesunken, in Frankreich mehr als ein Drittel. Die britische Vogel-Bloggerin Mya-Rose Craig hat sich auf eine Spurensuche nach den Ursachen gemacht und dabei Wissenschaftler, Landwirte und den US-Bestsellerautoren und Vogelbeobachter Jonathan Franzen getroffen. An der Universität von Exeter haben Wissenschaftler einen europaweiten Rückgang der Vögel seit 1980 um 421 Millionen Tiere festgestellt. Statt vier Vögeln pro Einwohner gibt es heute nur noch drei oder weniger. Ein Besuch bei der französischen Vogelkoryphäe Frédéric Jiguet zeigt: Es sind vor allem die Feld- und Wiesenvögel, die verschwinden. Diese Vogelgruppe lebt dort, wo früher Kühe auf Weiden standen und Bauern auf Äckern Korn anbauten. Es gab genug Kräuter und Insekten, von denen Vögel sich ernähren konnten. Heute sind Landwirte oft gezwungen, industriell zu wirtschaften und mit Pestiziden und Herbiziden zu arbeiten. Die Untersuchungen der Wissenschaftler machen deutlich, welche dramatischen Folgen, diese Art der Landwirtschaft hat. Der Filmemacher Heiko De Groot vermittelt in seiner Dokumentation eindrücklich, wie die intensivierte Landwirtschaft das Vogelsterben verursacht und welche Bedeutung Vögel für das Überleben der Menschen haben. Dokumentation von Heiko De Groot (D 2019, 53 Min)

Das Leben und der Faktor ZEIT

Quelle: SZ-Magazin 20. Oktober 2023 „Irgendwo da oben“ – „und ganz weit da unten

»Alles was ich für meine Arbeit wissen muss, finde ich im Licht der Sterne«

»Ich sehe völlig fremde Kreaturen und fühle mich bei ihnen zu Hause«

Katja Poppenhäger sucht nach Leben im All, Antje Boetius findet ständig neues in der Tiefsee. Ein gemeinsames Interview über die Enden der Welt (Interview: Marius Buhl)

Neue Ratlosigkeit

Wöchentliche Orientierung, ein Irrweg?

Begleitet von der imaginierten Kritik derer, die sich auf schnelle Intuitionen verlassen, lese ich an jedem Donnerstagmorgen die ZEIT, von vorne natürlich – also zuerst die Titelseite, dann die Rückseite dieses Teils, die Inhaltsangabe Seite 14, gehe von dort meist zuerst ins Feuilleton, dann in Wissen. Ich will heute protokollieren, was für mich lebenswichtig (?) war, – weshalb ich die möglichen antibürgerlichen Kritiker ignoriere, ohne sie zwischen den Zeilen zu übersehen. Sie schauen durchs Gitterwerk. (Könnte etwa eine Täuschungsmaschinerie am Werk sein?) Ich notiere allerdings die Zeilen, die ich markiert habe. Nicht meine Gedanken, die ich vielleicht bei Gesprächen ins Offene schicke. Manche stammen von Adorno (nach seiner Rückkehr in den 50er Jahren). Aber am späten Vormittag will ich im Garten tätig gewesen sein, zumal ich Jan Schweitzer gelesen habe, Seite 41 mit „Dreieinhalb Minuten Schwitzen“.

Die Terroristen hatten es auf Juden abgesehen, aber auch auf das, wofür Juden in ihren Augen stehen: die westliche, liberale Welt, in der es möglich ist, dass junge Menschen auf einem Trance-Festival unter dem Motto »Freunde, Liebe und unendliche Freiheit« halb nackt in der Wüste tanzen. Es ging nicht nur um den Freiheitskampf der Palästinenser. Die Hamas will einen Staat nach islamischen Regeln errichten. Ihre Mitglieder würden die säkularen arabischstämmigen Jugendlichen auf der Berliner Sonnenallee verachten, die vor wenigen Tagen gemeinsam mit der antiimperialistischen Szene »Free, free Palestine« riefen.

QUELLE Sascha Chaimowicz: Dieses Schweigen / Seite 1

Dieser Sieg der Opposition ist weit über Polen hinaus bedeutsam. Das Bündnis unter Führung des ehemaligen Premiers und EU-Ratspräsidenten Donald Tusk hat bewiesen, dass der Vormarsch des Rechtspopulismus kein unabwendbares Schicksal ist – nicht einmal unter extrem schwierigen und unfairen Bedingungen.

QUELLE Jörg Lau: Willkommen zurück / Seite 1

Zu Isoldes Liebestod, am Ende der Oper, standen sie an der Rampe, und hinter ihnen ging ein goldenes Quadrat auf, leuchtete heller und heller – wie das Tor zu einer anderen Welt. Diese Idee des Bühnenbildners Erich Wonder hat mich zusammen mit Wagners Musik schwer ergriffen. (Lemke-Matwey)

… und es musste etwas passieren zwischen diesen beiden Menschen, die von ihrer Leidenschaft noch gar nichts wissen. Auf so engem Raum! Und es passierte! Mit aller Entschiedenheit. Die Wonder-Räume duldeten keine Verlegenheit, keine Schleichgänge. Nein! Jede Aktion musste groß sein, jede Aktion musste etwas bedeuten! (Waltraud Meier)

QUELLE »Der Mensch hat so viel zu sagen!« Doch jetzt ist Schluss, die Sängerin Waltraud Meier gibt ihren Abschied. Ein Gespräch über das Leben im Rampenlicht / Seite 54

Viele wollen nicht verstehen, dass wir den Mord an 1400 Israelis nicht dulden können. Ich frage die Deutschen: Würden sie so etwas hinnehmen? Gemessen an der Bevölkerungszahl wären das 10.000 ermordete und 1000 entführte Deutsche. Mich stört die Doppelmoral: Unsere Kritiker setzen Israel und Palästina gleich, fragen nicht, wer den Krieg begonnen hat. Wir kämpfen aber nicht gegen Palästinenser, sondern gegen die Hamas und den Islamischen Dschihad. Wir kämpfen nicht gegen die Iraner, sondern gegen das Mullah-Regime. Nicht gegen den Libanon, sondern gegen die Hisbollah. Am meisten ärgert mich die Forderung nach »verhältnismäßiger« Gegenwehr. (Wieso?) Was wäre denn verhältnismäßig? Sollen wir es machen wie die Hamas? Sollen wir ein Musikfestival im Gazastreifen stürmen, Frauen vergewaltigen und Kinder enthaupten? Vielleicht am Ramadan? Ohne Vorwarnung?

QUELLE »Sie lachen, während sie uns töten« Arye Sharuz Shalicar ist Sprecher der israelischen Armee. Hier berichtet er über die Gräueltaten der Hamas, warum ihm die Bilder nicht aus dem Kopf gehen – und wie es ist, sich für die militärische Gegenwehr rechtfertigen zu müssen / Seite 62

Analyse eine neuen Welt in Aufruhr, mit Hilfe der alten Theoretiker

(Thukydides, Machiavelli, Clausewitz, Herfried Münkler)

Auf die Frage – nachdem es Hoffnung gab, den nahöstlichen Raum weiter zu befrieden – woher dieses Interesse kommt an CHAOS und UNORDNUNG…

Einige haben die Annäherung zwischen Israel, Saudi-Arabien sowie den Golfstaaten in Gestalt der sogenannten Abraham-Abkommen als Befriedung des Raumes angesehen und dabei den Iran und die Palästinenser außer Acht gelassen. Die aber wären die Verlierer der Befriedung des Raumes gewesen; also haben sie nach Möglichkeiten gesucht, diese Entwicklung zu stören, zu zerstören und dabei sind sie wohl erfolgreich gewesen. Dass auch der russische Präsident Putin ein Interesse an der Eröffnung eines zweiten »Kriegsschauplatzes« hat, weil der den Westen zusätzlich in Anspruch nimmt, spielt sicherlich auch eine Rolle. Politische Akteure, die mit den bestehenden Verhältnissen unzufrieden sind, profitieren von Chaos und Unordnung – also befeuern sie diese.

Zur Prognose, dass es künftig fünf Machtzentren geben werde…

Die Kandidaten auf der demokratischen Bank werden die USA und die EU sein, auf der autoritären Bank Russland und China – und Indien als »Zünglein an der Waage«. Warum fünf? Sie müssen Ordnungsaufgaben übernehmen, die für sie nicht bequem sind und Anstrengung bedeuten – etwa dafür zu sorgen, dass eine Organisation wie Hamas nicht ganze Regionen in Brand setzen kann. Dafür bekommen sie etwas zurück: Einfluss. Die fünf wollen unter sich bleiben und keine anderen dabei haben, mit denen sie Macht teilen müssen. Historisch haben solche Fünferkonstellationen eine gewisse Stabilität, in der Regel zwei gegen zwei, und einer ist das Zünglein an der Waage. (…)

Die Kategorien, mit denen Sie die Lage bedenken, sind die ganz alten: Macht, Polarität, Einflusszone (…).

Vermutlich besitzen Kategorien, die sich über Jahrhunderte bewährt haben, eine höhere Erklärungskraft, auch angesichts einer sich schnell wandelnden Welt, als Theorien, die in gerade stattfindende Entwicklungen hineingeschrieben werden, von denen man aber annehmen kann, dass sie nur intellektuelle Widerspiegelungen einer augenblicklichen Lage sind. Es kommt nicht von ungefähr, dass ich mit Thukydides oder Machiavelli Theoretiker nehme, die als Politiker gescheitert sind und die unter dem Gesichtspunkt ihres Scheiterns schrieben. Sie treten nicht mit dem Gestus der Selbstverliebtheit in ihre eigenen Ideen auf, wie so mancher, der zuletzt hoch im Kurs stand und angesichts der jüngsten Entwicklungen – Russland, Türkei, Hamas – jetzt vor einem Scherbenhaufen steht. (…)

Man hat den Raum vom Westbalkan bis zum Kaspischen Meer, von der ukrainischen Nordgrenze bis über die türkische Südgrenze hinaus bis nach Israel nicht als einen postimperialen Raum betrachtet, sondern gedacht, man könne ihn gut in Ordnung halten. Aber postimperiale Räume bringen revisionistische Akteure hervor. (…)

Ich schätze die Klassiker einer Theorie, die stark mit geschichtlichen Erfahrungen argumentiert – bei Thukydides, vor allen Dingen bei Machiavelli, aber auch bei Clausewitz, der sich mit den Hoffnungen der Aufklärung über das Verschwinden der Kriege auseinandersetzt. Bei diesen Autoren spüre ich eine Weigerung, sich täuschen zu lassen durch Wunschdenken. Denn indem man sich der Geschichte vergewissert, tritt sie als tatsächliches Geschehen an die Stelle des Gewünschten. Ich sage nicht, alles wiederhole sich eins zu eins, aber Grundkonstellationen sind bereits in der Vergangenheit immer wieder aufgetreten und werden das wohl auch in Zukunft tun. Ansonsten müsste man plausibel nachweisen, warum sich das, was sich in zweieinhalbtausend Jahren wiederholt hat, nicht mehr wiederholen wird. Für diese Erwartung gibt es keinen Grund. Mit Schopenhauer kann man sie als »ruchlosen Optimismus« bezeichnen.

Quelle: alle wörtlichen Zitate stammen aus einem Gespräch mit dem Historiker Herfried Münkler, DIE ZEIT 12. Oktober 2023 Seite 58 »Der Worst Case war nicht vorgesehen« / Gespräch Thomas E. Schmidt mit dem Politologen H.M. über Israel, Russland und das Chaos in der Welt. Wie es zwischen den großen Mächtigen ohne Kriege weitergehen könnte, beschreibt er in seinem Buch »Welt in Aufruhr«.

Eine philosophische Antwort auf die Situation in Palästina / Israel:

HIER

Für die Philosophin Susan Neiman steht fest, dass das Festhalten an der Würde aller Menschen die einzig richtige Antwort auf die Situation in Israel ist. Das bedeute, das Leid aller ernst zu nehmen. Zugleich dürfe erfahrenes Leid nicht zur Richtschnur eines politischen Handelns werden, das von Rachewünschen getrieben ist.

Weltfluchtmomente

Entgrenzung oder Verdichtung?

Texel Nähe Leuchtturm

unten: Oudeschild Treppe mit Hafenblick

in der Ferne: der Kirchturm von Den Hoorn

 

Texel Den Hoorn Kirche – fern, nah und von innen

Piet de Bruin

    Eine gewisse thematische Biederkeit, aber der universale Orgelkosmos im Klang, Autofahrten…

Warum dieser Haydn – unbedingt?

Zur ständigen Anmahnung: die thematische Weite. Dabei immer im Sinn: Ecomare hier. Und oben dies:

Vogelflug und trügerische Auspizien: Himmel!

Vor dem Festland „klassischer“ Musik

Glücklich gestrandet

Musik & Ästhetik, Heft 108 Oktober 2023 aus dem Artikel von Hans-Joachim Hinrichsen: Expressivität – ein lehrreicher Fall für die Musikphilosophie

Hören: A Day in the Life (Beatles)

https://de.wikipedia.org/wiki/A_Day_in_the_Life hier / darüberhinaus: SEHEN plus HÖREN!

Analyse von Peter Wicke: hier

Der Text (Übersetzung hier):

I read the news today, oh boy / About a lucky man who made the grade / And though the news was rather sad / Well, I just had to laugh Ah….

I saw the photograph Ah….

He blew his mind out in a car / He didn’t notice that the lights had changed / a crowd of people stood and stared / They’d seen his face before

Nobody was really sure if he was from the House of Lords

I saw a film today, oh boy / The English Army had just won the war / A crowd of people turned away / But I just had to look / Having read the book /

I’d love to turn – – – you on – – – – – – – 2:16

Woke up, fell out of bed / Dragged a comb across my head / Found my way downstairs and drank a cup / And looking up, I noticed I was late /

Found my coat and grabbed my hat / Made the bus in seconds flat / Found my way upstairs and had a smoke / And somebody spoke and I went into a dream Ah…..

I read the news today, oh boy / Four thousand holes in Blackburn, Lancashire / And though the holes were rather small / They had to count them all / Now they know how many holes it takes to fill the Albert Hall :

I’d love to turn – – –  you on – – – – – – – 4:20 Nachhall 5:02 + (5:12)

Zum Ausdruck, zur Expressivität: bei Schumann, bei Brahms, Wagner, ja, aber nie hätte ich angesichts der Popmusik überhaupt die Frage danach gestellt. Und in der(ungewollten) Diskussion über Schlager oder „Songs“ hätte ich die Beteiligung der (echten?) Gefühle am ehesten in Frage gestellt, abgeschoben wie die Rührung bei einem provokativen Bekenntnis zum Kitsch, – um mich im Nachhinein zu korrigieren: natürlich – die Melancholie von „Yesterday“, „Eleanor Rigby“, „Michelle“, der Überschwang von „Sie liebt dich, yeah yeah yeah“ – es ist doch offensichtlich, – möglicherweise durch Tränen zu beweisen, wodurch auch immer sie ausgelöst sein mögen, – der Einsatz der feierlichen Streichquartettklänge, der Hinweis auf „the lonely people“, die Interjektionen „yeah yeah yeah“, die traurigen Intervallfolgen in „Michelle“, – und wäre nicht gerade die demonstrative Abwesenheit großer Gefühle, die gesungene Tonlosigkeit, der „apathische Ausdruck“ ein unmissverständlicher Hinweis darauf, dass es (auch) um die (nicht mögliche) Kundgabe des Leidens geht?

Zugegeben: die zwanghafte Assoziation zeitgebundener Faktoren, die entspannte oder erregte Situation, in der man diese Musik kennengelernt und oft gehört hat, gern in alkoholisiertem Zustand, ja, mit einer gewissen Herablassung, – wir sind bereit, auch die banaleren Gefühle in den Fokus zu nehmen. Also: den Widerstand entlarven wir sogar als Indiz, dass da etwas zumindest psychisch Relevantes vorliegt. Aber gewiss nichts auf musikalisch-struktureller Ebene? Ich schäme mich heute bei all diesen vorgeblichen Einwänden, Vorbehalten, die ich in meiner Kindheit mit Recht gegen eine Försterhaus- und Heideröslein-Romantik auffahren konnte. Oder mit Ironie handhabte („Der Wilddieb“ – selbst singend). In den 60er Jahren aber gab es – neben dem Jazz – absolut neue Töne im Pop: (übertrieben formuliert) unabweisbare Momente der Wahrheit. Damals hat selbst Adorno es nicht fertiggebracht, die intelligente Jugend zu hindern, im Ernst über die Beatles, über „Queen“ (Freddie Mercury!) oder „Depeche Mode“ zu diskutieren.

All dies ging mir durch den Kopf, als ich auf die luziden Gedankengänge des Philosophen Daniel Martin Feige stieß, der, wie es oft so scheinheilig heißt, „keine Berührungsängste“ kennt. Der vor allem aber nicht die Fronten zwischen Klassik und Pop verhärtet oder sich vorab durch Abwehr des klassischen Sektors unglaubwürdig macht.

Wenn es in der obigen Besprechung (Musik & Ästhetik) in Bezug auf Feige heißt: Expressivität sei, im Sinne der Konturtheorie der analytischen Musikphilosophie, »eine Eigenart der Musik selbst«, so führt das in die falsche Richtung, denn Feige macht sich an Ort und Stelle diese Auffassung gerade nicht zueigen. (Sie besagt, „dass wir in Musik emotionale Qualitäten in etwa so entdecken, wie wir das Gesicht eines Bernhardiners als traurig wahrnehmen“.) Er führt aus, dass ein solches Konturmodell musikalischer Expressivität „mit gravierenden Problemen konfrontiert“ sei. Denn es bleibe unklar, „inwieweit die Theorie in der Lage sei, Eigenschaften der Musik selbst zu benennen, anstatt bloß Assoziationen angesichts von Musik zu kennzeichnen.“ Zitat:

Er spricht von der Unterscheidung zwischen der Darstellung einer Emotion und dem Ausdrücken einer Emotion, und im Sinne Goodmans von Exemplifikation (S.457f):

Musik ist ästhetisch darin, dass sie diese Eigenschaft nicht allein hat, sondern zugleich gewissermaßen auch zeigt. Goodman ist dabei der Auffassung, dass viele Symbole nicht allein Eigenschaften exemplifizieren, die sie buchstäblich haben, sondern auch solche, die sie metaphorisch haben. Erst aufgrund dieses Schachzugs ergibt sich eine Lösung des oben benannten Problems, dass musikalische Werke auch Emotionen ausdrücken können, obwohl sie weder leben noch Bewusstsein haben: Ein trauriges musikalisches Werk ist nicht in einem buchstäblichen Sinne traurig, sondern in einem metaphorischen Sinne.

Zwischenbemerkung (JR): der Hinweis bei Feige, „dass musikalische Werke auch Emotionen ausdrücken können, obwohl sie weder leben noch Bewusstsein haben“, ist ernster gemeint, als er klingt. Tatsächlich kommt es auf den Zusammenhang an, – ob die Töne einen Text präsentieren, ob motivische Einheiten akzentuiert oder auffällig oft wiederholt werden. (Es kann der Eindruck entstehen, dass jemand eindringlich zu uns spricht, vielleicht der Autor, vielleicht eine Opernfigur? oder gar die Musik selbst?) Ein chromatisch absteigendes Motiv kann etwas bedeuten, – oder zum Bestandteil des kontrapunktischen Baukastens gehören. Verbunden mit den Worten „der Tod“ wird es unweigerlich emotional aufgeladen, als bloße Variante ist es innerhalb einer Passacaglia formelhaft verfügbar, kann aber in einem Lamento unerhört intensiviert werden, ergreifend auch in Paminas „Ach des Jammers Maß ist voll“. Als zweites Thema der Cis-moll-Fuge im II. Band des Wohltemperierten Klaviers jedoch überwiegt zweifellos seine kontrapunktische Funktion innerhalb der Doppelfuge, deren erstes Thema aus diatonischem Laufwerk besteht.

Kommt nicht die unverkennbare (Nicht-) Emotion des Beatles-Songs „A Day in the Life“ aus der selbstverliebten Wiederholung des einen Melodiebogens, mit weichen Glissando-Verbindungen aufgehübscht, so dass der Aufschwung zur höheren Oktave (nach 1 Minute) als erlösender Impuls der Selbstmotivation erscheint? Das zärtliche Wiegen in Ruhe war trügerisch. Das Oszillieren vor dem Aufschwung wird auch zur Zelle der Lärm-Protuberanz nach der zweiten Strophe…

Während ich mich hier bereits in Einzelheiten verliere, die mich bewegen, stoße ich bei Daniel Martin Feige – so scheint es – erst nach 8 Seiten zum Thema: „Was hat all das mit der Frage zu tun, was Popmusik ist?“, denn die Philosophie hat die Aufgabe, zunächst die Grundbegriffe zu klären, – dazu gehört für Feige auch Goodmans Modell der Exemplifikation bzw. metaphorischen Exemplifikation. Ich kann dieser Spur nachgehen und habe viel zu tun: ich schaue nach, was ich Anfang der 90er Jahre in Susanne Langers „Philosophie auf neuem Wege“ über Denotation (S.72), „diskursive und präsentative Formen“ (S.86) gelernt haben sollte, ein im Moment zeitraubender Umweg. Oder ich versuche über google fündig zu werden, z.B. hier. Es kostet Zeit, die mir den Elan für den neuen Zugang zur Popmusik raubt, die mir doch konkret und „einfach“ erschien. Bei Feige erwartet mich eine kurze (!) Deutung der Eröffnung von Hegels Seinslogik, eine „Rekonstruktion unserer grundlegenden Denkbestimmungen, die zugleich als grundlegende Bestimmungen der Realität selbst verstanden werden.“ Ich gelobe, später immer wieder zu diesem Abschnitt zurückzukehren, ihn nachzuholen, und verhalte mich wie üblich: ich mache weiter und lerne, was Feige „zumindest kurz“ anbietet zu den Grundbegriffen der Popmusik, „kontrastiv zu ihrem Sinn in Jazz und in der europäischen Kunstmusik“ (Seite 461). Ich notiere die Begriffe 1 Performance2 Werk  XX  3  Aufnahme / und darunter X Interpretation , sowie XX  Dokumentation musikalischer Performances .

Ich frage mich, warum ich mich so gern mit diesem Thema beschäftige? Auch die inzwischen erschlossenen Links hätten einen inspirierenden Schub auslösen können. Warum ist der Beitrag von Daniel Martin Feige entscheidend?

Da ist zunächst sein Hinweis auf die Tatsache, dass die Songs „im Kontext einer Zeit entstanden, in der das Album die primäre Einheit der Popmusik war. Unter den Bedingungen digitaler Distribution sind die einzelnen Tracks etwas anderes als eine Single, die immer auch eine Probe des Albums war;  neben den populären Hitsingles gab es für den Kenner ästhetische Qualitäten auf B-Seiten zu entdecken, die unter dem Radar der Massen blieben.“ (S.466) Und etwas später:

Dass A Day in the Life auf einem Album zu finden ist und damit ein Teil seiner ästhetischen Pointe prinzipiell auch durch den Ort auf diesem Album zustande kommt, lässt sich ganz handgreiflich schon durch den Anfang der Aufnahme feststellen: Der Schlussakkord des zwölften Tracks, der Reprise des titelgebenden Songs Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, ragt gewissermaßen in den 13. und letzten Track, nämlich A Day in the Life, hinein. Scheint eigentlich die Reprise der Schluss zu sein, so kommt mit dem Stück noch etwas nach dem Schluss des Albums: A Day in the Life ist gewissermaßen die Coda des Albums.

Es geht weiter mit einer Passage, die vielleicht etwas umständlich und detailversessen erscheint, – deshalb besonders hervorgehoben zu werden verdient:

Der Beginn des Tracks ist getragen, das Tempo mit ungefähr 75 BPM eher langsam; zunächst spielt die Gitarre die Akkorde G-Dur / b-Moll halbtaktig (NB: b engl. meint deutsch h), e-Moll einen ganzen Takt, dann spielt sie zwei Takte C-Dur, und nach diesem Intro beginnt der eigentliche Song. Bereits in diese letzten zwei Takte spielt ein Klavier hinein, das den Akkord auf die ersten beiden Achtel des im 4/4-Takt gehaltenen Songs, auf die dritte Achtel sowie die fünfte und sechste anschlägt und durch ein Crescendo den Song einleitet.

Hören! 0:00 bis 0:13! (Betonung fett ) = 1 2 3 4 / 1 2 3 4 / 1 2 3 4 / 1 2 3 4 / 1 2 3 4 / 1 2 3 4 / 1 2 3 4 / 1 2 3 4 // 1 Song beginnt auf 2  Die beiden ersten Strophen erstrecken sich 0:13 bis 0:44 (=Beginn der dritten Strophe)

Es folgt eine Beschreibung des harmonischen Verlaufes (die man aber schon anhand der Analyse bei Peter Wicke geübt haben kann, Link s.o.), mit dem Ergebnis:

Eine entsprechende funktionsharmonische Beschreibung verpasst aber das ästhetische Zentrum des ersten Teils des Songs: Es ist John Lennons hypnotischer wie fragiler Gesang. Für die Geste des Gesangs iost nicht zuletzt der markantze Gebrauch von Echo auf der Stimme wesentlich, sondern auch mit Blick auf das Schlagzeugspiel Ringo Starrs, dass es in Form von Fills im weiteren Verlauf des ersten Teils mehr und mehr eine dialogische Ergänzung zu Lennons Gesang darstellt.

Damit bin ich zunächst beschäftigt, – Feige geht weiter zum Text des Songs, worin es weniger um „stringente Durchführung eines Themas“ gehe, als „um eine bestimmte Atmosphäre, um eine selbstgenügsame Bewegung textlicher Assoziationen“. Es erschließe sich u.a. durch eine Verbindung eigentlich getrennter Songteile (Einsatz von Streichern) „eine spezifisch eigene ästhetische Logik der Wahrnehmung zu inszenieren, eine Logik, die sich nur in und durch den ästhetischen Nachvollzug des Songs selbst schließt. Diese ist wesentlich gekennzeichnet von einer Zerstreutheit von Elementen – sowohl auf textlicher als auch auf musikalischer Ebene“. (Seite 467)

Und so werde ich darauf gelenkt, wie „die herkömmliche Strophenform (…) in bestimmter Weise zum Einsturz gebracht“ wird:  ein ästhetisch sehr merkwürdiger Vorgang, bei dem Lennons Stimme sozusagen in einem Orchesterklang aufgeht. Die Ablösung durch McCartneys Gesang und die Wiederkehr einer weiteren Strophe von Lennon analysiert Feige sehr suggestiv: „immanent etablierte Songformen der Popmusik“ werden so überschritten, „eine besondere Form weder eines logischen noch eines dialektischen Gangs der Dinge“, im Detail wunderbar erfasst:

Feige Seite 468

Natürlich handelt es sich auch innerhalb der Popmusik um einen völlig außergewöhnlichen Fall, mit dem der Michael-Jackson-Song nicht vergleichbar ist. Um so intruktiver ist dessen alternative Behandlung durch Daniel Martin Feige.

(Fortsetzung folgt)

Hören: Billie Jean (Michael Jackson)

https://de.wikipedia.org/wiki/Billie_Jean#Musikvideo hier

Text zum Mitlesen:

Billie Jean Songtext

She was more like a beauty queen from a movie scene
I said, „Don′t mind, but what do you mean I am the one
Who will dance on the floor in the round?“
She said I am the one
Who will dance on the floor in the round
She told me her name was Billie Jean as she caused a scene
Then every head turned with eyes that dreamed of being the one
Who will dance on the floor in the round

People always told me, „Be careful of what you do
Don’t go around breaking young girls′ hearts“ (hee-eeh)
And mother always told me, „Be careful of who you love
And be careful of what you do (oh, oh)
‚Cause the lie becomes the truth“ (oh, oh), eh-eh

Billie Jean is not my lover, uh
She’s just a girl who claims that I am the one (oh, baby)
But the kid is not my son (ooh!), uh
She says I am the one (oh, baby)
But the kid is not my son
(Hee-hee-hee, hee-hee-hee, ooh!) no, no

For 40 days and for 40 nights, I was on her side
But who can stand when she′s in demand? Her schemes and plans
′Cause we danced on the floor in the round (hee)
So take my strong advice
Just remember to always think twice
(Don’t think twice!) Do think twice! (Ah-hoo)
She told my baby we′d danced ‚til 3:00, then she looked at me
Then showed a photo of a baby crying, his eyes were like mine (oh, no)
′Cause we danced on the floor in the round, baby
(Ooh, hee-hee-hee)

People always told me, „Be careful of what you do
And don’t go around breaking young girls′ hearts“ (don’t break no hearts)
But she came and stood right by me
Just the smell of sweet perfume
This happened much too soon
She called me to her room, hey

Billie Jean is not my lover (hoo)
She’s just a girl who claims that I am the one, uh
But the kid is not my son
No-no-no, no-no-no-no-no-no (hoo)
Billie Jean is not my lover, uh
She′s just a girl who claims that I am the one (oh, baby)
But the kid is not my son (no, no)
She says I am the one (oh, baby)
But the kid is not my son
(No, hee-hee)

Hee! Hoo!

She says I am the one, uh
But the kid is not my son
No-no-no, hoo (oh)
Billie Jean is not my lover
She′s just a girl who claims that I am the one (you know what you did to me, baby)
But the kid is not my son
No-no-no, no-no-no-no

She says I am the one (no)
But the kid is not my son (no-no-no)
She says I am the one (you know what you did)
She says he is my son (breakin‘ my heart, babe)
She says I am the one

Yeah, Billie Jean is not my lover, uh
Yeah, Billie Jean is not my lover, uh
Yeah, Billie Jean is not my lover, uh
Yeah, Billie Jean is not my lover, uh (don′t call me Billie Jean, hoo)
Billie Jean is not my lover, uh (she’s not at the scene)
Yeah, Billie Jean is not…

Der Inhalt des Musikvideos „Billie Jean“ (laut Wikipedia):

Beim Videoclip führte Steve Barron Regie. Es war der erste Videoclip eines schwarzen Künstlers, der regelmäßig auf dem Musiksender MTV gespielt wurde. Das Video wurde 1983 in Los Angeles gedreht und gilt als innovativ für die damalige Zeit. Michael Jackson bewegt sich in diesem Video elegant tänzelnd durch eine leere Stadtszenerie, während er von einem Detektiv verfolgt wird. Der Detektiv versucht sich Jackson zu nähern, doch jedes Mal, wenn er sein Ziel fotografieren will, verschwindet Jackson spurlos. Alle Dinge, die Jackson berührt, wie die Bodenfliesen, ein Mülleimer und der alte Schriftzug eines Hotels, leuchten auf. Am Ende sucht Jackson das Hotelzimmer einer unbekannten Person auf. Der Detektiv wird schließlich beim Versuch, Jackson durch das Fenster zu fotografieren, von Polizisten erwischt und abgeführt.

Erst jetzt habe ich Zugang, ohne diese Hilfe blieben mir die Szenen ohne roten Faden, ich war auf der falschen Spur, glaubte zum Beispiel, er sei im Hotelzimmerbett auf seine Mutter gestoßen, die sich von ihm als ihrem Sohn lossagt, habe überlegt, warum es nicht ein Fremder oder eine Geliebte sein konnte, dachte danach einen Moment lang, es handle sich bei dem unbekannten Paar auf der Straße um diese zwei aus dem Hotel, nein, ohne Bedeutung. Grund genug, weiter zu suchen, noch einmal von vorne zu beginnen, diesmal mit Hauptaugenmerk auf die Tanzszenen, Vision „Traumtänzer“. Ich sollte bei Daniel Martin Feige nachlesen und tue es mit Vergnügen:

Natürlich wird schon früh Michael Jacksons Gesang durch – von ihm selbst eingesungene – Backing Vocals unterlegt. Im Text geht es darum, dass dem Sänger ein Kind anzuhängen versucht wird; er basiert anscheinend auf einer autobiografischen Erfahrung. Wichtig ist jedoch vornehmlich, in welcher Weise Michael Jacksons Gesang Teil des Grooves und der Bewegung des ganzen Tracks wird; die distinkten Kiekser und vokalen Geräusche seines Gesangs – schon nach vier Takten ist Michael Jackson bereits kurz am Mikrofon zu hören und produziert einen perkussiven Laut – sind nicht allein Sound Tademarks, sondern gehen im Fall von Billie Jean eine untrennbare Allianz mit dem Groove ein. Und der alles andere als – um die einleitende Diskussion zur musikalischen Expressivität von Emotionen noch einmal aufzugreifen – fröhliche, sondern eher lakonische wie melancholische Charakter des Tracks ist keineswegs allein auf den Text zurückzuführen: Die Neubestimmung der Funk- und Soultradition in und durch Tracks wie Billie Jean geht nicht zuletzt darauf zurück, dass hier die Produktionsaspekte dem Track einen ästhetisch eher kühlen als kontrollierten Charakter geben, ohne zugleich dadurch den Groove zu beschädigen – eine Beschreibung, die wohl auch für Michael Jacksons Choreografie von Bewegungen zutreffend sein dürfte. Es scheint mir nicht zu hoch gegriffen, dass der Track wie Jacksons Tanz einer einheitlichen expressiven Ästhetik folgen.

Daniel Martin Feige sucht also „die Erweiterung des musikalischen Materials hin zu vormals als außermusikalisch verstandenen Aspekten in den Blick zu nehmen.“ Und besonders mit Blick auf Billie Jeans sei festzuhalten:

Von Funk und Soul bis hin zu House und Drum ›n‹ Bass leben viele Arten von Popmusik nicht zuletzt vom Groove, den ihre Tracks exemplifizieren – einem anderen Groove als demjenigen von Jazzimprovisationen und etwas ganz anderem als dem, was in der Tradition europäischer Kunsztmusik seit der Genese des Werk paradigmas überhaupt von Belang ist.

Quelle Daniel Martin Feige: Ausdruck in der Popmusik / in: Jürgen Stolzenberg (Hg.) Ausdruck in der Musik / Theorien und Formationen / et+k edition textkritik MÜNCHEN 2921

Was weiß Wikipedia über GROOVE ? siehe hier.

Natur in Graubünden (und überall)

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Rote Waldameisen – Hecken-Projekt – heimische Insekten, es braucht nicht viel, dass es ihnen besser geht – sonst ist hier bald nur noch Wald – früher wussten die Landwirte es nicht besser – den Tieren eine Chance geben, dazu braucht es eine Kettensäge – 5:00 Hecken – zuviel u zu wenig schneiden? – zu dicht: weniger Biodiversität, kein Lebensraum am Boden – die vielen aber wichtigen Dornensträucher – Mischung aus hohen und tiefen Hecken – Wiedehopf (Sahara) nur noch 250 Pärchen in Schweiz – Regenpfeifer Sengbach in Chur Inn renaturiert Brut – 9:oo Frühling Idyllischer Eindruck, der trügt 10:00 Braunkehlchen, Feldlerchen, Baumpieper / Wiesen immer früher gemäht – Magerwiesen? – Landwirte planen Umgestaltung – intensivere Bewirtschaftung durch erweiterte Zugänge – Pestizidverbote und Turmfalke – 13:50 Schamserberg – „Gleichgewicht in der Natur die Ausnahme, Veränderung die Regel“ 13:37 – heute hat die Umwelt einen anderen Stellenwert als vor Jahrzehnten –  14:40 Naturpark Beverin – Termine für das Mähen 15:13 – „für die Landschaft u die Umwelt sollte sich nichts ändern“ – Sommer: Insekten im Überfluss – 16:40 Schmetterlinge Jürg Schmid – 95% sind Nachtschmetterlinge, über die Hälfte kleine Exemplare – 17:30 Bestand der Insekten – „kein Gleichgewicht sondern ständige Veränderungen“ – 18:30 Beispiel Maikäfer – nicht nur Klimawandel 1940 weg, 1970 wieder da –

20:04 Es macht unsern Kanton und unsere Landschaft aus, dass die Natur noch heute solche Wiesen hervorbringen kann. Ich kenne Leute aus Deutschland, die über unsere Blumenwiesen staunen. Angst machen mir hingegen die Moorlandschaften. In meiner Jugend gab es zahlreiche Feuchtgebiete. Diese sind allesamt verschwunden. Sie sind ausgetrocknet. Ich kann zum Beispiel im Sommer auf einer Alp ein wunderschönes Moor sehen. Und im nächsten Jahr steht dort eine Maschine, die das Wasser wegleitet. Ein weiteres Jahr später wird Gülle eingesetzt, und im darauffolgenden Jahr erinnert nichts mehr an das Moor. Diese kleinen Moorgebiete verschwinden von Jahr zu Jahr. Das ist traurig und schmerzt. Der Apollofalter steht in ganz Europa unter Schutz. In unseren Berggebieten trifft man ihn noch öfters an … 21:19

(Fortsetzung folgt)