Wie ich es liebe abzuschweifen
(frei und fern nach Joseph Vogl)
Joseph Vogl beschäftigt sich im dritten Kapitel seines Buches mit „einem recht sprunghaften Gespräch“ am französischen Hofe um 1650, und zwar eine geschlagene Seite lang, um letztlich eine „beiläufig erzählte Anekdote“ (die zudem nicht auf Wahrheit beruht) für eine bestimmte Argumentation einzusetzen, die das Verhältnis der steinreichen Augsburger Fugger-Familie zum kaiserlichen Souverän kennzeichnet. (Man kann die Fakten bei Wikipedia, das Jahr 1519 betreffend, nachlesen.) Ich hake mich fest, weil ein Maler namens Jacques Fouquières erwähnt wird, den ein Gesprächsteilnehmer offenbar für einen Verwandten der reichen deutschen Familie Fugger („Fouckers“) hält, während er in Wirklichkeit einer armen flämischen Familie entstammt. Dies und vieles andere auf der Seite 24 bei Vogel hat nicht viel mit seinem Anliegen zu tun, bringt mich allerdings auf Abwege, die ich hier ansatzweise ausmünzen möchte. Auf dem berühmtesten Bild des genannten Malers ist das Heidelberger Schloss zu sehen, und vor allem die untergegangenen Renaissance-Gärten… Ist davon bei Bredekamp* die Rede? … und schon lege ich das eine Buch zugusten des anderen beiseite. Die Macht der Kunst!
Quellen
A Hortus Palatinus und Heidelberger Schloss von Jacques Fouquières (1590/1591–1659); Kurpfälzisches Mueseum Heidelberg / Eigenes Werk, Immanuel Giel über Wikimedia Commons
B Heidelberger Schloss von Carl Rottmann (1797-1850) 1815 / Immanuel Giel über Wikimedia Commons
C „Heidelberg corr“ von Christian Bienia. – Farbkorrektur von de:Bild:Heidelberg.jpg by Godewind 18:13, 1 January 2006 (UTC). Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons
*Bredekamp … Weshalb mich das alte Heidelberger Bild besonders interessiert? Mit der Garten-Symmetrie, dem geschwungenen Lauf des Flusses, der alterslosen Brücke (assoziierend die Kassettendecke in Schloss Kirchheim, dem Fuggerschloss bei Mindelheim, und danach diejenige der Trostburg im Eisacktal bei Villanders/Südtirol oder diejenige in Jever, die ich noch nicht gesehen habe, aber sehen muss.)
Weil ich etwa 1956 dank Daniela die Herrenhäuser Gärten in Hannover kennengelernt habe, ohne besondere Begeisterung (zugleich mit Haydns Sinfonie Nr. 102, B-dur und einem Wand-Gobelin über die Jagd) und am 21. März 2013 das Buch von Hans Bredekamp: Leibniz und die Revolution der Gartenkunst. Herrenhausen, Versailles und die Philosophie der Blätter. Verlag Klaus Wagenbach Berlin 2012. Und darin das Kapitel über „Die Natürlichkeit der Geometrie“. Und einen Abglanz immer wieder im nahen Schlosspark von Benrath suche.
Philosophie der Blätter?
„Da kein Blatt dem andern gleicht, erkannte [Leibniz] in der scheinbar unendlichen Formenvielfalt des barocken Gartens die zutiefst individuelle Gestalt der Natur und die Freiheit des Individuellen schlechthin. So wird der Garten zum Laboratorium des Erkenntnisgewinns, und der Mensch, der sich darin bewegt, erfährt über die sinnliche Wahrnehmung – man denke an die Muschelformen in Pflanzen, Bauplastik und Wasserspielen – immer neue Denkanstöße.“
Und Bredekamp „sieht den Gedanken der Freiheit nicht wie üblich in den sanft geschwungenen Wegen des Landschaftsgartens verwirklicht, sondern in den komplexen Geometrien des Barockgartens. Hier findet sich die eigentliche Revolution!“
Und der leise Zweifel, der produktiv macht, wenn er mich in der eigenen „gartenähnlichen“ Halbwildnis überkommt.