Ist das denn nicht schön? Oder: Über Nacktheit
(Was ist wirklich gemeint?)
…ein Rätsel zu lösen? Ödipus vor der Sphinx. Warum nackt? Und der Mann im Hintergrund, warum ist seine Blöße dunkel übertüncht? (Klassisches Gemälde von Ingres)
Es ist kein Zufall, dass sie oft in den Blick kommt (sich aufdrängt), wenn es um Wahrheit geht. Und viele geben vor, dass es um die Wahrheit geht, wenn sie „in Wahrheit“ von sogenannten Obszönitäten reden wollen. Wieviele Jugendliche haben vor der Internet-Ära – wie ich – Interesse an Kunstbetrachtung entwickelt, nur um die Darstellung der Körper zu studieren, die in der Realität verhüllt oder verboten war?
Was es in etwa bedeutet: siehe Wikipedia
Bei Gilles Deleuze geht es am Anfang seiner Vorlesungen über die Malerei um die Beobachtung, dass bei Cézanne zum Beispiel der Akt des Malens „über das Chaos oder die Katastrophe“ verläuft. (Wenn auch damit nicht die Sexualität gemeint ist, sondern die Farbe als Ursprung der Welt. )
Gustave Courbet und sein Bild Der Ursprung der Welt Wikipedia
Ruskin konnte nun nach eigenem Ermessen schalten und walten, und er scheute sich nicht, Turners Skizzenbücher auseinanderzunehmen, wenn sie seiner Meinung nach thematisch zu seiner Auswahl passten. Entsetzt war er jedoch, als er auf Turners erotische Zeichnungen stieß. Mit dem Keeper der National Gallery, Mr. Ralph Wornum (1812–1877), war er der Auffassung, dass der Besitz solcher Zeichnungen ungesetzlich sei, und hat auch zugegeben, „a package“ verbrannt zu haben. Ruskin verpackte die Zeichnungen in Kisten aus Zink und benannte sie von „rubbish“ (Mist) bis „horrible“ (fürchterlich). 1905 stellte die National Gallery fest, dass sich in den nach Kategorien benannten Kisten Blätter von mehr als 150 Skizzenbüchern, jedes mit ca. 100 Seiten, befanden.
Was wir bisher noch nicht wussten über William Turner (und John Ruskin s.o.):

Quelle: Gilles Deleuze: Über Malerei / Vorlesungen März bis Juni 1981 / Herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von David Lapoujade / Übersetzung Bernd Schwibs / Suhrkamp Beriln 2025
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Kinsey (JR 1964)
Quelle Alfred C. Kinsey: Das sexuelle Verhalten der Frau / S. Fischer Frankfurt am Main 1964
Eine Ausstellung in Düsseldorf:
„Der verbotene Blick auf die Nacktheit“
Verlag HATJE CANTZ
Museum Kunstpalast 2008/2009 Inhaltsverzeichnis:

Der Mythos von Diana: siehe auch Diana und Aktaeon in Bachs Brandenburgischem hier
Frei nach Ovid:

Quelle: Aus Ovid, Metamorphosen. Das Buch der Mythen und Verwandlungen. Nach der ersten deutschen Prosaübertragung durch August von Rode neu übersetzt und herausgegeben von Gerhard Fink, Patmos Verlag GmbH & Co. KG / Artemis & Winkler, Düsseldorf, S. 80-84 / hier wiedergegeben nach „Der verbotene Blick auf die Nacktheit“ Museum Kunstpalast HATJE CANTZ s.o.
Vielleicht näher am Original Ovid hier :
Als er kaum in die Grotte mit tauenden Quellen hineintrat;
Plötzlich, entblößt wie sie waren, zerschlugen die Brust sich die Nymphen,
Vor dem gesehenen Mann; von schleunigem Jammergeheul scholl
Rings umher das Gehölz; und sie stürzten sich all um Diana,
Schützend mit eigenem Leibe die Herrscherin: Aber sie selber
Ragte vor allen empor mit überschauendem Antlitz.
So wie mit Gluten gefärbt von der hell ausstrahlenden Sonne
Oftmals entflammt ein Gewölk, wie in Purpurschimmer Aurora:
Also erschien das Gesicht der unverhüllten Diana.
Diese, wiewohl sorgsam der Genossinnen Trupp sie umdrängte,
Stand doch quer auf die Seite geschmiegt, und beugte das Antlitz
Rückwärts, und mit dem Wunsch, bei der Hand die Pfeile zu haben,
Schöpfte sie, was sie hatte, die Flut, und beströmte des Mannes
Angesicht, und das triefende Haar, mit rächenden Wassern;
Und im Sprengen erhub sie die Graun weissagenden Worte:
Jetzo verkündige du, ich sei unverhüllt dir erschienen,
Wenn du verkündigen kannst! Und schnell, nicht mehreres drohend,
Gibt sie dem Haupt das Gehörn des uralt werdenden Hirsches,
Streckt in die Länge den Hals, und spitzt die gegipfelten Ohren;
Auch zu Füßen die Händ‘, und zu ragenden Beinen die Arme,
Wandelt sie ihm, und kleidet mit fleckigem Balge die Glieder;
Ängstlichkeit fügt sie hinzu: es entflieht der Autonoe Sprößling,
Mitten im hurtigen Lauf die eigene Schnelle bewundernd.
Aber sobald er im Wasser das Antlitz gesehn und die Hörner:
Wehe mir, weh! so begann er den Ruf; stumm haftet das Wort ihm.
Seufzer vertreten das Wort; und ihm stürzet die Trän‘ auf die Wangen,
Ach, nicht seine! hinab: nur bleibt ihm die alte Besinnung.
Was zu tun? Heimkehren vielleicht zum Königspalaste?
Oder sich bergen im Wald? Hier Furcht, dort schrecket die Scham ihn.
Ihn, den Zweifelnden, schauten die Hund‘, und der erste, Melampus,
Gab, mit dem Spürer Ichnobates, gleich laut bellend das Zeichen.
Gnosier war von Geburt Ichnobates, Sparter Melampus.
Alle nun kamen daher wie die stürmenden Winde geflogen:
Pamphagus, Dorkeus auch, und Oribasus, Arkader alle;
Auch des Nebrophonos Kraft, und der trotzige Theron mit Lälaps;
Pterelas, hurtig zu Fuß, und Agre mit witternder Schnauze;
Und Hyläus, den jüngst ein rasender Eber verwundet;
Nape, gezeugt vom Samen des Wolfs, und der Herde Gesellin
Pömenis; auch Harpya, von Zwillingssöhnen begleitet;
Und mit schmächtiger Weiche der Sikyonier Ladon;
Dromas und Stikte zugleich, und Kanache, Tigris und Alke,
Leukon mit weißlichen Zotten, und Asbolus wallend mit schwarzen;
Auch der gewaltige Lakon, und tapferen Laufes Aëllo;
Thous zugleich, und rasch mit dem cyprischen Bruder Lyciska;
Und, an der dunkelen Stirne mit schneeiger Blasse gezeichnet,
Harpalos, Melaneus auch, und die rauchgezottelte Lachne;
Auch von diktätischem Vater gezeugt und lakonischer Mutter,
Labros, Agriodos auch, und mit gellender Stimme Hylaktor;
Und die zu nennen verdreußt. Sie all, in Begierde des Raubes,
Eilen durch Fels und Geklipp, und des Zugangs mangelnde Zacken,
Schwierige Bahnen sowohl, als Ungebahntes, durchstürmend.
Jener entflieht durch Örter, wo oft zu verfolgen er pflegte;
Ach, selbst flieht er das eigne Gesind‘! Ausrufen nun wollt‘ er:
Schonet! ich bin Aktäon! Erkennt ihr eueren Herrn nicht?
Worte gebrachen dem Geist. Es erschallt vom Gebelle der Äther.
Melanchätes zuerst verwundete jenem den Rücken;
Nächst ihm Theridamas auch; Oresitrophos packte den Bug an.
Später liefen sie aus; doch den Richtsteig wählend des Berges,
Kamen im Lauf sie zuvor, da den Herrn aufhielten die andern.
Ringsher strömt das Gewühl, und dränget die Zähn‘ in die Glieder.
Und schon fehlt zu Wunden der Ort. Tief seufzt er, und winselt,
Ach, ein Getön, wenn auch nicht ein menschliches, doch wie ein Hirsch nie
Winselte; und er erfüllt die vertraulichen Höhen mit Angstruf
Demutsvoll auf die Knie gestreckt, und dem Bittenden ähnlich,
Wendet er schweigend umher, statt flehender Arme, das Antlitz.
Doch das Gefolg‘, unkundig der Tat, mit gewohnter Ermahnung
Hetzt es den reißenden Trupp, und sucht mit den Augen Aktäon;
Und als wär‘ er entfernt, so rufen sie eifernd Aktäon.
Jener kehrt nach dem Namen das Haupt. Daß er fern sei, beklagt man,
Und daß träg‘ er versäume die Schau des gebotenen Fanges.
Fern, ach, wünscht‘ er zu sein; nah weilet er! selber mit ansehn
Möcht‘ er, allein nicht fühlen, die Wut der traulichen Hunde!
Rings umstehn sie, und tauchen das Maul in den Leib, und zerreißen
Selbst den eigenen Herrn in Gestalt des täuschenden Hirsches.
Quelle https://www.projekt-gutenberg.org/ovid/metamor/meta033.html hier
Publius Ovidius Naso: Metamorphosen (Verwandlungen) In der Übertragung von Johann Heinrich Voß (1798) Die kursiv gesetzten Textergänzungen der in der Voß’schen Übertragung fehlenden Ovidstellen sind der Übersetzung von Reinhart Suchier (1889) entnommen. (in: Projekt Gutenberg a.a.O.)
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A propos Malerei (Cézanne) Markus Stegmann Museum Langmatt / Zitat
Wir leben in Zeiten, in denen es problematisch sein kann, über Nacktheit zu schreiben, über Nacktheit in Bildern, wenn diese öffentlich zugänglich sind, zumal wenn es sich um weibliche Körper handelt und ein männlicher Mensch diese Nacktheit betrachtet. Das Verhältnis der Geschlechter ist kompliziert geworden, was bekanntlich seine guten Gründe hat. Zu Zeiten von Paul Cézanne war das vollständig anders und die Thematik der Nacktheit in Gestalt des (weiblichen) Aktes ein Genre mit jahrhundertealter Tradition, zurückgehend bis ins frühe 16. Jahrhundert zu Lucas Cranach d. Ä. oder Tizian, denkt man beispielsweise an dessen Venus von Urbino (1538). Allerdings hat sich Cézanne von dieser allegorischen Auffassung des weiblichen Körpers weit entfernt und auch von jener des 19. Jahrhunderts, die den Akt schrittweise säkularisierte und in den Lebensalltag «herabholte».
Zitat / Gesamttext hier