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Amzari-Lieder aus Äthiopien

„Erhebe dich du Schöne“

Wie lebt man als Sängerin in Addis Abeba? Wie in einem Dorf im Norden, nahe der alten Kaiserstadt Gondar?

Ob man sich dafür interessiert – ohne hinreisen zu wollen oder zu können – hängt davon ab, wie nah man den Menschen, ihrem Lebensgefühl und ihren Themen kommt, also: von der Qualität des Filmes. Ich fand ihn maximal.

Meine Vorprägungen: 1) der Name Ivo Strecker, die Begeisterung für seine ethnographische CD über die Hamar in Südäthiopien. Einmal hat er mich im meinem Kölner Büro aufgesucht (auf der Durchreise; er war auf dem Weg zu seiner Mutter in Halle in Westfalen.) 2 die Sängerin Aster Aweke, deren Gesangsstil mich faszinierte, daran konnte auch ihre westlich aufpolierte Band nichts ändern; ich wusste, dass sie in den USA lebte und durch dortige Produktionen berühmt geworden war.

Ein Interview mit Prof. Dr. Ivo Strecker über seinen Weg in die Musikethnologie HIER

Und nun schauen Sie den folgenden Film an, oder nur die ersten 15 Minuten und versuchen Sie auszusteigen. Es wird Ihnen ergehen wie mir, – ich konnte es schon gestern Abend nicht, war allerdings etwas unglücklich, weil die deutsche Untertitelung der Gesprächen nicht zu lesen waren (mangels Kontrast). Deshalb ging ich gleich anschließend auf die Suche im Internet, fand die Mediathek und kam medias in res – Untertitel lesbar und der Film wiederholbar bis August 2023 ! Situation: Ein Frau, die singt. Aufbruch in Addis Abeba zur Wiederbegegnung mit dem Dorf der Kindheit und der Mutter, die sie einst zu einem besseren Leben weggegeben hatte. Beim Gespräch – „Wie war ich als Kind?“ – fragt man sich mit Blick auf die Mutter unwillkürlich: Was geht in ihr vor? Ihr Miene verrät keinerlei Emotion, wird sie weinen oder lächeln, [sie weint] wer ist im Hintergrund anwesend, intime Situation, Kamera. Heute Nacht habe ich davon geträumt, es gab ein Publikum im Saal, jemand stand auf und sagte mit lauter Stimme: „Ich heiße Mahi Ismail von der DW. Ich war überall dabei!“  Ich wache auf, das ist doch nicht wahr: ihn traf ich zuletzt in Royan … (ich schaue nach: das neue Buch von Garaudy, damals noch voller Zukunft) März 1977 …ah, der Film soll an der richtigen Stelle weitergehen. Wir sind ein halbes Jahrhundert später. Wieder in Addis Abeba, Kirche hinter dem Wald, Choralsingen, Bauarbeiten, Gesänge – wohin soll das führen? Bäume werden gefällt, neuer Stadtteil, „Fendika“ Club Forts. 26:55 Lied mit einem Kreis beteiligter und begeisterter Zuhörer:innen, „Wachs und Gold“, eine neue Form der Poesie, die Kunst der Azmaris, mit Worten zu spielen …

https://www.3sat.de/film/dokumentarfilmzeit/erhebe-dich-du-schoene-100.html

HIER

Pressetext

Nardos‘ Lieder handeln vor allem von den Geschichten und der Kraft der äthiopischen Frauen. Ihren Spuren folgend, führt sie die Schweizer Filmemacherin Heidi Specogna durch ein sich rasant veränderndes afrikanisches Land.

Inmitten der Millionenmetropole Addis Abeba, wo chinesische Investoren mit flächendeckenden Hochhausprojekten das Gesicht der Stadt verändern, arbeitet die in einfachen Verhältnissen lebende Nardos daran, den Wünschen von Frauen mit ihrer Musik Ausdruck zu verleihen. Neben ihrem Alltag als Hausfrau und Mutter steht sie jede Nacht bis drei Uhr morgens als Sängerin für traditionelle Azmari-Musik auf der Bühne des Kulturklubs „Fendika“. In ihrem ersten eigenen Lied „Stand Up My Beauty“ spricht Nardos sich und anderen Frauen Mut zu, sich zu erheben und ihren eigenen Weg zu gehen.

Links im Bild eine junge Frau mit Mütze und Brille, die lächelnd neben einer alten Frau in einem traditionellen Gewand sitzt.
Nardos Wude Tesfaw (links) besucht ihre Mutter, die in einem kleinen Dorf weit weg von der Hauptstadt Addis Abeba lebt.

Nardos Wude Tesfaw stammt aus einem Dorf in der Nähe der alten Kaiserstadt Gondar im Norden Äthiopiens, wo auch die Tradition der Azmari-Sänger verwurzelt ist. Nardos‘ Vater starb, als sie fünf Jahre alt war. Von klein auf wollte sie Sängerin werden, im Gesang fand sie Freude und Trost. Ihre Mutter widersetzte sich der Tradition, Mädchen in frühem Alter zu verheiraten, und gab Nardos mit sieben Jahren nach Addis Abeba zu ihrer Tante.

Dort erhielt Nardos in der Sonntagsschule ihre erste gesangliche Ausbildung. Als ihr Talent entdeckt und sie bald für öffentliche Auftritte in den Klubs von Addis Abeba angefragt wurde, geriet Nardos in Streit mit ihrer Tante und riss aus. Um ihr Leben zu finanzieren und sich als Sängerin weiterzuentwickeln, verdingte sie sich, wie viele junge Frauen vom Land, als Tagelöhnerin auf Baustellen in Addis Abeba.

Obwohl Nardos inzwischen eine bekannte und gefragte Sängerin ist, hat sie es weiterhin schwer, mit der Musik den Lebensunterhalt ihrer Familie zu bestreiten. Mit der Gruppe Ethiocolor bereist sie regelmäßig internationale Jazzfestivals – oft in Kooperation mit europäischen Bands. Ihr Haupteinkommen bezieht sie aber durch ihre Arbeit als Azmari im Kulturklub „Fendika“. Bei Gefallen steckt ihr das Publikum Geldscheine zu. Mal sind es weniger, mal mehr, aber es reicht selten.

Drei Frauen, die nebeneinandersitzen und sich unterhalten.
Nardos Wude Tesfaw (rechts) beim Erfahrungsaustausch mit Azmari-Sängerinnen vom Land.

Nardos‘ Musikprogramm entwickelt sich in Azmari-Tradition aus dem Stegreif und richtet sich nach den Wünschen des Publikums oder thematisiert aktuelle Notstände und Probleme. Die Inhalte der Texte entstehen in einer besonderen Form der traditionellen äthiopischen Poesie – „Wachs und Gold“ genannt -, ein Spiel mit Mehrdeutigkeiten und Metaphern.

Nach ihren vielfach ausgezeichneten Dokumentarfilmen „Carte Blanche“ (2011) und „Cahier Africain“ (2016) über die tiefgreifenden Nachwirkungen des Bürgerkriegs in der Zentralafrikanischen Republik widmet sich die Schweizer Filmemacherin Heidi Specogna in „Erhebe dich, du Schöne“ den Geschichten der Frauen eines anderen Landes des afrikanischen Kontinents.

Heidi Specogna, geboren in Biel/Bienne in der Schweiz, studierte Journalismus in Zürich und Filmregie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Seit 2003 ist sie Dozentin für Dokumentarfilm an der Filmakademie Ludwigsburg. Zu ihren zahlreichen Auszeichnungen zählen die Grimme-Preise 2008 und 2018, der Deutsche Filmpreis 2016 und der Konrad-Wolf-Preis der Akademie der Künste, Berlin 2019.

Anmerkungen der Regisseurin und Drehbuchautorin Heidi Specogna

Porträtaufnahme von Heidi Specogna
Heidi Specogna

„Im Mittelpunkt des Films steht Nardos Wude Tesfaw, eine junge Sängerin aus Addis Abeba. In ständiger Reibung mit Alltagsproblemen, familiären Verpflichtungen und strenger Tradition möchte sie sich als eigenständige Künstlerin verwirklichen. Wie in meinen bisherigen Filmen nimmt ‚Stand up my Beauty‘ (Erhebe dich, du Schöne) einen Gedanken, einen losen Faden oder eine unbeantwortet gebliebene Frage aus dem vorangegangenen Werk zum Ausgangspunkt der neuen Filmreise. Aus ‚Cahier Africain‘ habe ich die Kraft und innere Freiheit getragen, mit der sich die Hauptprotagonistin zum Schluss des Films offenbart: Eine junge afrikanische Frau hat sich trotz Krieg und Trauma eine eigene Vision ihrer Zukunft bewahrt. Diesen Staffelstab nimmt Nardos in ‚Stand up my Beauty‘ auf. Die Entstehung ihres ersten eigenen Liedes, erzählt mit den Stilmitteln eines dokumentarischen Musicals – mit diesem Faden in der Hand beginnt eine über sechs Jahre dauernde Filmreise …

Zu Beginn der Arbeit beschäftigte uns vor allem die Frage der filmischen Haltung. Wie nähert man sich einer fremden Stadt im Umbruch? Addis Abeba, das seine Gestalt bereits während der äußeren Betrachtung quecksilbrig verformt und sich wie eine Krake auszubreiten scheint und dabei rücksichtslos soziale Realitäten schafft. Während der mehrjährigen Recherche- und Drehzeit zu ‚Stand up my Beauty‘ gibt es ein wiederkehrendes Ritual, uns der Stadt anzunähern: Mit dem Kameramann Johann Feindt suchen wir die immer gleichen sieben Plätze und Kreuzungen auf, richten die Kamera an derselben Position ein und halten in gleicher Brennweite fest, welche Veränderungen sich aus diesem Blickwinkel heraus in der Stadtlandschaft beobachten lassen. Frischer Beton, der sich über altes Gemäuer stülpt, ein Wald, der über Nacht abgeholzt worden ist, Häuser und Hütten, die sich in Staub aufgelöst haben und über denen die Frage schwebt: Wohin sind ihre ehemaligen Bewohner verschwunden?

Später, am Schneidetisch montiert der Editor Kaya Inan aus diesem Material die Sequenzen, die wir ‚Lauf der Zeit‘ nennen – eine Montage aus Überblendungen, die ‚Zeit‘ in verschiedenen Dimensionen sichtbar macht: die Beobachtung einer alten, gebückten Frau, die mit über Jahrzehnte eingeübten Handgriffen ein schweres Bündel Reisig auf ihren Rücken wuchtet. Bäume, die eben gerade gefällt, sich nun an als biegsame Baugerüste an chinesischen Wolkenkratzern hochziehen. Gähnende Brachlandschaften, die fragile Flüchtlingsunterkünfte aus Holz und Planen verschluckt haben. Eine Schlange junger Arbeitssuchende, die sich im Moloch Addis Abeba verflüchtigt – wohin bleibt offen.

Im weiteren Arbeitsprozess kreiert der Filmmusiker Hans Koch zu diesen Bildmontagen eine musikalische Haltung: Seine Klarinette stromert durch die von harten Gegensätzen zerklüftete Stadtlandschaft und setzt sich in Dialog mit dabei eingefangenen Tönen und zugeflogenen Geräuschen. Der dabei entstehende, durch virtuoses Sounddesign unterstützte atmosphärische Klangteppich, durchwirkt die ineinander geschichteten Bildmontagen und verleiht ihnen eine eigene Stimme. Die dokumentarische Begleitung der Entstehungsgeschichte Nardos‘ ersten eigenen Liedes webt sich in diese Montagestruktur und wird zum roten Faden des Films.

‚Ich habe einen großen Traum‘, sagt Nardos Wude Tesfaw, die Hauptprotagonistin zu Beginn des Films. Die Sängerin träumt davon, eigene Lieder zu schreiben und vorzutragen – Lieder, welche den Lebensrealitäten äthiopischer Frauen Gehör verschaffen. Nardos sammelt Fragen und begibt sich damit auf eine Reise. Zeile für Zeile schreiben sich die Alltagsbegegnungen mit Frauen und Mädchen in ihre erste eigene Komposition ein. Nardos ist eine gute Zuhörerin und die Gesprächspartnerinnen vertrauen und erzählen ihr bereitwillig – auch wenn die Themen schwer wiegen. Im Laufe des Films entstehen so die Fragmente eines Liedes, das zu Unabhängigkeit und Selbstbestimmung aufruft und Mädchen und Frauen auffordert, sich der sie benachteiligenden Tradition selbstbewusst in den Weg zu stellen. Nardos verleiht ihrem ersten Lied den Titel: ‚Stand up my Beauty‘.“

Große Gefühle, türkisch

Wo war eigentlich der Orient? (Begegnungen)

Teheran im Lauf der Tournee April 1967

Der östlichste Punkt der „Orient-Tournee“ 1967

Istanbul 1967

Istanbul, unser Hotel & die Umgebung

Was schlimm war: fast einen Monat getrennt zu sein von der gerade erst entstandenen Familie (Marc *1.4.66). Und was malte er 5 Jahre später? Eine orientalische Stadt…

1971 1972

20 Jahre später:

Wir waren gewarnt worden: die massentaugliche Präsenz von Theodorakis würde den feinen Musiker Livaneli erdrücken. Und noch viel mehr, aus ganz anderen Gründen, wurden wir vor Ibrahim Tatlises gewarnt. Das entspreche einem deutschen Konzert in Istanbul, bei dem Fischer-Dieskau gemeinsam mit Heino auf der Bühne stehen müsste. Wir kannten das unten zitierte Verdikt von Fazil Say noch nicht. Und es hätte uns auch nicht irritiert. Ich persönlich war es gewöhnt, von Freunden, denen ich meine liebste arabische Musik vorspielte, ausgelacht zu werden. Ich wusste, dass solche Geschmackswelten nicht einfach durch gute Worte überbrückt werden können. Das „Gefühl“ spielt nicht mit. Bzw. der Schritt vom „ganz großen Gefühl“ zur Lächerlichkeit ist winzig. In der Show von Harald Schmidt wird all dies listigerweise zur Unkenntlichkeit vermengt. Man kann schlecht sagen, dass ein vor Begeisterung rasendes Publikum sich irrt. Jedenfalls nicht, wenn man Chef der Show ist. Man fühlt sich unbehaglich und weiß nicht warum…

55 Jahre später in Solingen: Konzert der Bergischen Symphoniker 7.6.22 (vorige Woche)

siehe hier

Istanbul Sinfonie beim hr mit Einführung des Komponisten Fazil Say:

Hilfe auf Youtube, wenn man Einzel-Sätze anklicken will (Helfer: Ath Samaras vor 8 Jahren)

For better accessibility: Fazil Say – Istanbul Symphony (1. Sinfonie) 00:00 Intro by Fazil Say
07:10 I. Nostalgie 17:20 II. Der Orden 21:25 III. Sultan-Ahmed-Moschee 28:55 IV. Hübsch gekleidete junge Mädchen auf dem Schiff zu den Princess-Inseln 33:10 V. Über die Reisenden auf dem Weg vom Bahnhof Haydarpaşa nach Anatolien 37:16 VI. Orientalische Nacht 44:18 VII. Finale 50:42 Applause
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*    *    *
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Fazil Say Wikipedia / Zitat:

Ebenfalls für heftige Diskussionen sorgte seine offen zum Ausdruck gebrachte Ablehnung des in der Türkei bei bestimmten Gesellschaftsschichten populären Arabesk-Pops. Arabesk-Musik sei „eine Last für Intellektualität, Modernität, Führungskraft und Kunst“ und weiter: „ich schäme, schäme, schäme mich für das Arabesk-Proletentum beim türkischen Volk“.

Über Arabeske hier / Wikipedia über Ibrahim Tatlises hier Harald-Schmidt 1998

Wie lautet noch eine der größten menschenfreundlichen Lügen? „Ich liebe euch alle!“

Eine frühe Radio-Sendung über kulturelle Relativität; heute würde ich wohl anders herangehen:

usw. Was aber hätte ich als erstes lesen sollen?

Licht aus Indien? 1997 (Foto E.Reichow)

Fluchen, schwören, zaubern, singen

Was ist der Rede wert?

Muss „wert“ nicht groß geschrieben werden? Beides geht, – je nachdem, ob es Wert hat oder etwas wert ist. Aber nie hätte ich gedacht, dass die unpassende „Nutzung eines Wortes“ strafwürdig sein könnte. Bei Gesten (beim Zeichen-Geben) habe ich erst im Erwachsenenalter gelernt, derart feine Unterschiede beim Fingergebrauch zu beachten, wie man sie sonst nur beim Mikado-Spiel oder beim Geigeüben lernte. Von Haus aus wusste ich z.B. nicht, was am Mittelfinger so schlimm sein soll. In meiner Kindheit durfte man Respektspersonen keinen Vogel zeigen, also mit dem Zeigefinger an die Stirn tippen, aber unter Spielkameraden fortwährend. Wäre es auch in der Kirche erlaubt? Gewiss nicht bei der Erteilung des Segens, aber sonst? Gegenüber einem Mitkonfirmanden, der albern gelacht hat?

Mich berührt es unangenehm, wenn Fußballer sich bei Beginn des Spieles oder nach einem gelungenen Torschuss bekreuzigen. Ich habe das zwar sowieso nicht gelernt, finde es aber da draußen durchaus unpassend, besonders allen ungläubigen Spielern gegenüber, auch Zuschauern,  die darin einen psychologischen Vor- oder Nachteil argwöhnen könnten. Ich mag auch keine Motorrad- oder Autosegnungen, denn wer garantiert mir, dass es keine entsprechend wirksamen Verfluchungen gibt, die mich sogar im Vorüberfahren treffen könnten? Wenn ich z.B. an der Ampel jemanden erkenne, der die Lippen bewegt, – was tun?

Verständlich also, dass ich die Zeitung sorgfältig studiere, wenn ich moralisches Unrecht wittere, gerade bei einem Sport, der regelmäßig physische Fouls ahndet, aber auch andere,  vom Vogelzeigen über Spucken bis zum verbalen Ausrutscher. Da empört man sich doch gern. Aber ist denn das Wort Gott nicht immun, wie der Mond gegenüber dem Hund, der ihn anbellt?

SZ 15.03.21

Darf eine renommierte Tageszeitung mich alleinlassen mit dem Eindruck, dass es eine „Nutzung“ des Wortes Gott gibt, die nicht nur unpassend ist, sondern auch strafbar? Fluchen bei einem Eigentor – ja soll man denn frohlocken? Ich muss unter allen Umständen wissen, worum es sich handelt, schaue also bei Wikipedia nach unter Blasphemie und unter Fluch.

Da ist alles interessant und ermutigt zu dem Versuch, dergleichen auch im Alltag zu erproben. Aber noch mehr reizt es mich genauer zu erfahren, welche Wortkombinationen die erwähnt schlimme Wirkung ausgelöst haben könnten, denn mein häufiges „Ach Gott“ hat mir noch niemand verübelt. Ich hätte auch sogleich hinzugefügt: „mein Gott, ich meine doch gar nicht IHN, es ist nur eine Redensart, die ich nutze“.

Endlich werde ich in den t-online-Nachrichten vom 15.12.20 fündig:

Fußball-Profi Bryan Cristante ist wegen Gotteslästerung während einer Partie in der italienischen Liga Serie A für ein Spiel gesperrt worden. Beim 5:1-Auswärtssieg des Erstligisten AS Rom gegen den FC Bologna am vergangenen Sonntag habe der AS-Mittelfeldmann in der 23. Minute eine blasphemische Äußerung, die „ohne jeden Zweifel erkennbar und hörbar war“ von sich gegeben, teilte das Sportgericht der Liga mit. Den genauen Wortlaut nannte das Gericht in seinem Urteil nicht.

Die Aussagen sollen gefallen sein, nachdem Cristante ins eigene Tor traf. Einen Einfluss auf das Ergebnis hatte das Eigentor beim klaren Roma-Erfolg allerdings nicht.

Roms Trainer Paulo Fonseca muss am Donnerstag deshalb auf den 25 Jahre alten Italiener verzichten, wenn sein Team zu Hause den FC Turin empfängt. Nach dem 11. Spieltag stehen die Römer auf dem 6. Rang der Serie A.

Bryan Cristante ist allerdings nicht der Erste, der in Italien wegen Gotteslästerung verurteilt wurde. Atalanta-Trainer Gian Piero Gasperini sagte 2018: „Gott ist ein Schwein“ und wurde ebenfalls für ein Spiel gesperrt. Auch Mittelfeldspieler Rolando Mandragora musste bereits für den Ausspruch „Heilige Mutter Gottes, Gotteshund“ eine Partie pausieren.

Noch detailfreudiger ein Bericht in der welt:

Seit 2010 können in Italien gotteslästerliche Vergehen bestraft werden. Cristante ist nicht der erste Verurteilte in dieser Causa. Bereits 2018 wurde Rolando Mandragora von Udinese Calcio nach einem Videostudium wegen „blasphemischer Bemerkungen“ für ein Spiel aus dem Verkehr gezogen, nachdem er auf dem Platz geflucht hatte. Seine Aussagen sind im Gegensatz zu denen Cristantes übermittelt.

„Porca Madonna, Vaffanculo, Dio Cane“, rief Mandragora im Spiel gegen Sampdoria Genua – eine Beleidigung der Jungfrau Maria und Gottes. Grund für den Ausbruch war eine Parade von Sampdoria-Keeper Emil Audero. Die Referees bekamen es nicht mit, beim Studium der TV-Bilder wurde von den Lippen abgelesen. Es habe bei der Untersuchung „keine Zweifel“ gegeben, teilte die Serie A damals mit.

*    *    *

Deuschlandfunk Meldung 23.2.2021 hier :

Anfang März findet in Katars Hauptstadt Doha zum ersten Mal ein Beachvolleyball-Turnier für Frauen statt. Ein großer Schritt in Richtung Gleichberechtigung, meinen einige, das Problem: In den Richtlinien für das Turnier wurde vorgeschrieben, dass Frauen anstatt des üblichen Sportbikini mit Shirt und langer Hose antreten müssen – aus Respekt vor den Traditionen und der Kultur des Gastgeberlandes. Nach heftiger Kritik hatte der Volleyball-Verband Katars gestern Abend verkündet, das Regelwerk zu ändern. Am Dienstag äußerte sich der Weltverband.

Musik in Afghanistan

SZ 15.03.21

Und wir? Mulier taceat in ecclesia! Argumentationen hier.

Und meine scheinbar assoziative Wortwahl bei der Überschriftsuche? Ich habe an die Angst vor Hexen gedacht (auf dem Dorfe wusste man noch, was das ist), und als märchengläubiges Kind habe ich im Ernst gehofft, lernen zu können, wie zaubern geht. Ich habe einen Stab in die Erde gesteckt und mir irgendeine sichtbare Veränderung gewünscht. Muss ich jetzt erwähnen, dass NICHTS geschah? Wie gläubig hätte ich werden können! Und später wurde ich noch nach Luthers Katechismus abgefragt. „Was ist das? Wir sollen Gott …“ ja, was noch mal? Ich muss ihn doch noch irgendwo haben. Man vergisst, wie ernst die Hintergründe solcher Themen waren und sind. Manchmal hilft bloßes Nachdenken.

Stichwort Frauenbeschneidung: Bestandteil der Kultur oder institutionelle Frauenverachtung? Siehe hier.

Empört Euch!

An Afghanistan denken

Aus dem Archiv von Uli Preuss (Solingen)

Handwerker in der Chickenstreet, Kabul, Afghanistan, Februar 2012

Handwerker bauen nach dem Sieg gegen die Taliban erste Satellitenschüsseln, Kabul, Afghanistan 2004

Um diese Bilderreihe mit einem Hoffnungsschimmer zu beschließen, wähle ich ein anderes aus der Sammlung: allerdings aus einem anderen Land, einer anderen Zeit: Kambodscha, Basisgesundheitsstation Friedensdorf 2010, siehe auch hier.

Alle Fotos wiedergegeben mit freundlicher Erlaubnis, Dank an ©Uli Preuss Solingen

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19.02.2020 Aktuelles aus dem Leben des Fotografen und Journalisten Uli Preuss:

 Abrufbar HIER !

Afghanische Lieder (©JR vor 1974)

Alte Arbeiten rekapitulieren

Es ist auffallend, wie sehr man dazu neigt, gegen Jahresende Bilanz zu ziehen, und dies nicht nur das vergangene Jahr betreffend, sondern weit zurückgreifend. Die WDR-Aufnahmereise mit Abdul Wahab Madadi fand im April 1974 statt und hat mich viele Jahre danach noch bewegt. Aber auch vorher schon, weil ich wissen wollte, was mich dort erwartete, und auch weil Madadi ja im WDR arbeitete (er war Musikchef bei Radio Kabul gewesen). Wir machten Sendungen gemeinsam, ich beschäftigte mich mit den damals greifbaren Schallplatten und schrieb Einzelstücke nieder: Transkribieren hieß das, und in diesem Punkt hatte ich im Studium (bis 1970) einiges in Seminaren bei Josef Kuckertz gelernt. Der Sinn des Aufschreibens einer Musik, die ausschließlich mündlich lebte, war auch damals nicht unumstritten, aber in der Wissenschaft galt eben das, was geschrieben und veröffentlich werden konnte. Für mich war die Methode durch Bartók geheiligt, und ich erlebte täglich, dass die Arbeit des Niederschreiben der beste Weg war, sie zu verinnerlichen und lieben zu lernen. Bis heute kann ich jede Musik, die ich transkribiert habe, ziemlich genau imaginieren; ob sie für andere einen ähnlich Nutzen hat, kann ich nicht sagen. Falsch wäre es, sie nach diesen Noten einstudieren zu wollen;  das wäre nur möglich, wenn man das tönende Original tönt (oder einen „originalen“ Musiker). Das Unglaubliche ist, dass ich heute fast alle diese Stücke, die mir damals kostbar wurden, auch weil die Schallplatten so zerbrechlich und vergänglich erschienen, im Internet wiederfinden kann. Ja, der alte Schnittfehler im „Herati Lullaby“ (siehe ganz unten), den Mark Slobin 1970 hat durchgehen lassen, zu schweigen von dem etwas hohlen Klang, wird „in alle Ewigkeit“ erhalten bleiben, und schon Madadi, der das Original gesungen hatte und den wir 1974 mit dem gleichen Lied noch einmal aufgenommen haben (ohne die intime Atmosphäre wieder herbeizaubern zu können), war unglücklich darüber. Und zu den wenigen, die das Lied heute noch in dieser Version auf Anhieb erkennen, gehört vielleicht die zeitgenössische Komponistin Carola Bauckholt, die 2009/2010 eine Zeile originalgetreu in eine Komposition (für Salome Kammer) aufgenommen hat.

 youtube ab 36:54

 youtube ab 41:04

 youtube

 

 Alle Transkriptionen ©JR

Weiteres über afghanische Volksmusik siehe unter Shah Kokojan hier. Über Afghanistan heute (2015) und vor 41 Jahren hier. Über Badakhshan hier. Über Baktrien (Fotos aus Nord-Afghanistan 1974) hier. Über den Rhythmus (auch eines der auf dieser Seite oben wiedergegebenen Lieder Lyrichord Seite 2 Nr.6) hier.

 Skizze: JR / Musik hier

 Text: Mark Slobin

 Beispiel-CD Tr.17

(Fortsetzung folgt)