Wo gibt es diese DVD? Z.B. im Industriemuseum, das man ohnhin kennenlernen sollte (s.u.) … Es ist kein Film, wie man ihn im Fernsehen erleben würde, wo man im Nachspann 10 professionelle Sprecher/innen und 12 Kameraleute aufgezählt sähe. Es sind Menschen, denen man hier auch im täglichen Leben begegnen könnte. Solche, die einem in gemütlichen Gaststätten von alten Zeiten erzählen würden, in einem unnachahmlichen Solinger Hochdeutsch; einzelne Wörter überprägnant, vor dem geahnten Hintergrund des Bergischen „Platt“, das einem Zugereisten zu unrecht nur nachlässig dünkt. Wer hier gelebt hat, erkennt es im Bruchteil von Sekunden, wo auch immer es ihm in der Welt begegnet: an der präzisen Sprachmelodie, am singendenTonfall, der keine abschließende Senkung zulässt. Dabei gibt es im Bereich der Bedeutungen gewiss Phänomene, deren Aufklärung uns befremdet, sagen wir „Dröppelminna“ oder „Hahneköppen“ oder gar „Fifaulster“ (Schmetterling).
Wenn man mich fragte: würdest Du lieber in eine Deiner alten Heimaten zurückkehren? Um dort zu leben? Nach Greifswald, nach Bielefeld, nach Berlin, nach Köln – ? Niemals!!! Auch Düsseldorf ist nicht zu verachten und liegt noch näher. (Aber einen Ort hättest du in der Aufzählung nicht vergessen dürfen: Lohe bei Bad Oeynhausen, mit Ausblick auf den Weserdurchgang zwischen Weser- und Wiehengebirge.)
Ab 15:00 über Bettina Heinen-Ayech (hörenswert, wie sie erzählt), ab 22:40 Beginn des Industriezeitalters, ab 24:20 Hofschaftsfeste und Hahneköppen, folgt Unnersberg mit Poelschesschießen, 25:45 Pött, Brunnen in Hofschaften z.B. „Eigen“, 28:28 Hillingweg Widdert, das Hillingfeiern (Polterabend), Frauenarbeit, ab 31:00 Beziehungen zu Frankreich, Belgien und den Niederlanden, Hofschaftsmuseum, Bibel von 1720, 36:00 Bergisch Kaffeetrinken, 40:19 alte Hausinschriften und Beginn des Eisenbahnwesens 1867 „Im Ohligs“ Entwicklung von OHLIGS
https://industriemuseum.lvr.de/de/die_museen/solingen/schauplatz_5/die_gesenkschmiede_hendrichs_.html hier
Siehe auch „Rüden“ im Blog hier / auch „Heidberger Mühle“ hier und hier und hier / auch in den Wäldern hier / Und besonders hier / Solinger Mundart hier
Hier und Hier Etwas zum Lesen (für JR, mit Zusicherung meinerseits: die Lektüre des Originals ist von Bedeutung, wenn auch sehr alt; ein äußerer Anreiz für mich: es hat mit Brixen/Südtirol zu tun, ist assoziativ noch in statu nascendi, und es entgeht mir nicht, dass die Hausarbeit nicht sehr weit führt, wobei aber gerade das Manko produktiv wirkt).
Nikolaus von Kues (Wikipedia-Artikel) Von Kues an der Mosel nach Umbrien…
– Fortsetzung folgt –
Sie folgt, gewiss. Aber woran ich anknüpfe, sollte ich auch andeuten: private Abgründe, hier.
ZITAT
In dem Dialog Idiota de mente treffen die beiden erneut aufeinander. Diesmal aber kommt ein Philosoph hinzu, welcher durch den Redner von den unkonventionellen Gedanken des Laien erfahren hat und sich nun ebenfalls Erleuchtung durch ein Gespräch mit diesem erhofft. Der Redner und der Philosoph treffen den Laien bei seiner Arbeit in einem Kellergewölbe an, als dieser einen Löffel schnitzt. Während sich der Redner schämt, den Philosoph in solch eine Umgebung gebracht zu haben und fürchtet, was dieser nun von ihm denken könne, reagiert dieser mit weltoffener Sicht und kann nichts Schlechtes daran finden, dass der Laie der Kunst des Löffelschnitzens nachgeht8. Der Philosoph wünscht, über den menschlichen Geist belehrt zu werden und erfährt durch den Laien, ,,dass der Geist zum einen den Geist im Körper, die Seele, bezeichnet und zum anderen unendlicher göttlicher Geist ist.9 „Der Laie veranschaulicht am Löffel, wie die ,,mens humana“ Abbild des göttlichen schöpferischen Geistes ist. ,,Die gebildeten Begriffe kann der Geist für sich anblicken, etwa wenn er den Kreis als eine Figur erfasst, bei der alle vom Mittelpunkt zum Umfang gezogenen Linien gleich sind“.
Autorin: Lena Joana Bernotat (Hausarbeit 2020)
Die Wissenschaftlerin Renate Steiger nennt in ihrer Einleitung zum Dialog „Der Laie über die Weisheit“ den Namen Raimund von Sabunde, aus dessen Wikipedia-Darstellung ein Satz zitiert sei:
Offenbarung (Bibel) und Natur stimmen in seinem Verständnis überein, da sie beide von Gott stammen. Der Naturerkenntnis (durch die von der Erbsünde befreite und vom Glauben erleuchtete Vernunft) gibt er den Vorzug, da sie nicht nur den Klerikern, sondern auch den Laien zugänglich sei und nicht verfälscht werden könne.
Ein erstaunlicher Hinweis, und erst im Fortgang wird ersichtlich, dass die Autorin (und Herausgeberin) mit Blumenbergs Sicht auf „den Cusaner“ kritisch verfahren wird. Die Grundlage des christlichen Denkens ist und bleibt ja ein Buch, an dessen Buchstaben nicht zu rütteln ist, auch wenn sie in Widerspruch mit unserer Erfahrung geraten, andererseits liegt die Natur (scheinbar) unvermittelt vor unseren Augen, beides kommt von Gott, das eine dank Offenbarung, das andere dank unmittelbarer Erfahrung. Eine speziell christliche Falle, – wenn man sich fragt, ob die Abstraktionen des Geistes wirklich ebenso existieren wie die Vielzahl der Dinge -, ist die der Dreifaltigkeit, die dogmatischerweise als Einzahl ebenso vernünftig erscheinen soll wie als Dreizahl: man hilft sich, indem man das Paradox selbst für gottgegeben (natürlich) erklärt. Per ordre de Mufti. Ein Trick wäre, zunächst die Welt der Dinge auch für ein Buch zu erklären, in Konkurrenz zum Buch der Bücher…
So etwa erkläre ich mir, dass man sich (vorläufig) wirklich noch mit dem auseinandersetzen muss, was unter dem Namen Nominalismus – in Abgrenzung vom Rationalismus – zu verstehen ist. Und warum zeitweise der Inhalt des einen Begriffes mit dem des anderen ausgetauschen werden muss. (Private Folgerung: GEDULD – bis endlich die Aufklärung zum Durchbruch bereit ist).
ZITAT Renate Steiger (Anmerkung in der Einleitung Seite XIII)
Siehe u.n. 4,8-10. Dazu H. Blumenberg, Die Lesbarkeit der Welt, Frankfurt a. M.2 1983. Nach Blumenberg enthüllt die Metapher vom Buch der Natur »ihren rhetorischen Gehalt erst als Paradox in der Stoßrichtung gegen die Scholastik“, die Bücherwelt der Kleriker (S.58). Für den Cusaner sei – vorbereitet durch Raymund von Sabunde, von dessen Theologia naturalis Nikolaus sich 1450 eine Abschrift verschafft hat (cod. Cus. 196 I – der Laie eine Figur der Unmittelbarkeit (S. 60). »Der Laie ist der Sprecher der Weisheit, die nicht nur das Pathos der größeren Tiefe gegenüber der Wissenschaft vom scholastischen Typus angenommen hat, sondern … sich einen skeptischen, sogar polemischen Ton gegenüber allem zulegt, was Wissenschaft heißen will. Das hat immer zwei Seiten: Es moniert die Erfahrungsdistanz der scholastischen Begriffsspekulation, und es rekurriert auf den theologischen Hintergrund in den Formen einer schlicht gewordenen Mystik, für deren Typus die Devotio moderna steht.“ (S. 63)
So wird die Unmittelbarkeit der Erfahrung von Wirklichkeit vom bloßen Lesen oder Hörensagen über sie abgesetzt (s.u.n.19).
Autorin: Renate Steiger (1988)
Das Blumenberg-Buch, das sich seit 2021 in meiner wachsenden Blumenberg-Sammlung befindet, entstammt der 11. Auflage des gleichen, mehr als 400 Seiten langen Werkes, dessen Inhaltsverzeichnis einiges über „Die Lesbarkeit der Welt“ erahnen lässt.
Ein anderes, vom Volumen her eher unscheinbar, im Format eines Reclamheftes, lese ich seit jenem Urlaub auf Texel im August 2020 bis heute immer wieder, und ganz allmählich hat der Bezug auf Nikolaus von Kues auch bei mir eine so zentrale Stellung eingenommen, wie von Hans Blumenberg schon 1956 aufgedeckt. Je öfter ich mich in seinem Aufsatz „Nachahmung der Natur“ festlese, Untertitel: „Zur Vorgeschichte des schöpferischen Menschen“, desto wesentlicher erscheint es mir. Nicht nur als Wissenstoff, sondern als Lebensmittel. Und als geheime geistige Wunderwaffe habe ich ein Buch bereitgelegt mit dem schlichten Titel „Handwerk“. Ein anderes wird morgen früh um 11 Uhr bei dem Buchhändler meines Vertrauens eingetroffen sein und wird in kürzester Zeit hier abgebildet sein.
Aber was muss ich feststellen: der Dialog des Löffelschnitzers fehlt. Es muss noch einen anderen Band geben, und wirklich, jetzt erst entdecke ich ihn hier, kann aber immerhin, wenn ich die Funktion „Im Buch blättern“ wähle, einiges nachlesen, im oben angekündigten Kues-Dialog „Idiota de mente“ :
: (Screenshots)
Aber was nun? Soll ich endlich ganz von vorn beginnen? Statt darauflos zu recherchieren? Hier sind die Blumenberg-Seiten, die mich auf Nikolaus von Kues brachten, ihn unentbehrlich machten, so dass ich ihn „im Original-Kontext“ sehen und lesen musste:
Seit Aristoteles wird in Bezug auf Kunst (bzw. auf den schöpferischen Menschen) unablässig ein Thema mit unzähligen Variaten wiederholt: dass es sich um Nachahmung der Natur handelt. Und unter Natur kann man ebernso den Gottesbegriff verstehen, je nachdem welche weltanschaulichen Vorgaben herrschen. Mich begann Blumenbergs frühe Abhandlung zu faszinieren, nachdem mir die folgenden Sätze eingeleuchtet hatten, – mir fiel Leonardo ein, dessen schöpferisches Genie sich nicht nur in Abendmahl und Mona Lisa dokumentierte, sondern auch in Kriegsmaschinen und Fluggeräten, ohne dass man alldies zusammendenken mag:
„Es ist vor allem ein Phänomen der »Sprachlosigkeit« der Technik.“ Und vor allem: „Für die herankommende technische Welt stand keine Sprache zur Verfügung.“ Wenig später fällt der Name Leonardo da Vinci, aber verkappt kritisch, da er sich mit der alten Traumvorstellung von der Nachahmung des Vogelflugs beschäftigt hat, während das Problem schöpferisch nur mit einem absolut neuen Prinzip zu lösen war, der Verwendung einer Luftschraube, denn „rotierende Elemente sind von reiner Technizität“ . An dieser Stelle kommt Nikolaus der „Cusaner“ ins Spiel, und was sein Beispiel des löffelschnitzenden Laien hätte bedeuten können, des „Idiota“ (lat.). Mit meinem alten Griechisch-Lexikon kann ich leicht erklären, warum wir uns in der Schule gern schon mal mit der Anrede titulierten: Na, du gemeiner Soldat. Heute kaum noch zu belächeln.
Aber nun zur Sache:
Man kann die einzelnen Sätze gar nicht bedeutungsvoll genug nachlesen. Gott ist eine so selbstverständliche Grundlage alles „alten“ Denkens und Fühlens, dass wir es nicht mit einem Lächeln abtun können, um z.B. den Rationalismus des Bachschen Weltverständnisses mit unserm eigenen zu vermischen. Man verstehe nur, weshalb ein Bach-Jünger wie John Eliot Gardiner in seinem großen Buch von der „Himmelsburg“ ein ganzes Kapitel dem „Räderwerk des Glaubens“ widnete. Und nun einen solchen Satz (s.o.):
Aber die Berufung auf den schon vorhandenen und das Fluggeschäft gottgegebenerweise ausübenden Vogel hat gar nicht soi sehr die Funktion einer genetischen Erklärung. Sie ist vielmehr der Ausdruck für das mehr oder weniger bestimmte Gefühl der Illegitimität dessen, was der Mensch da für sich beansprucht. Der Topos der Naturnachahmung ist eine Deckung gegenüber dem Unverstandenen der menschlichen Ursprünglichkeit, die als metaphysische Gewaltsamkeit vermeint ist.
Erlauben wir uns einen Seitenblick auf J.S.Bachs „weltlichen“ Zeitgenossen Johann Mattheson, über den wir bei Wikipedia folgendes erfahren:
Im Gegensatz zum Zeitgeist zu Beginn des 18. Jahrhunderts vertrat Mattheson die Auffassung, dass die Musik nicht theologisch, sondern sozial sein sollte. Die Musik soll nach Mattheson ihren eigenen Regeln folgen und nicht von außen auferlegten kontrapunktischen Regeln unterliegen, die sie in ein scheinbar wohlgestaltetes Korsett zwängen. Sie soll nicht allein zu Gottes Ehre (Soli Deo Gloria) komponiert und gespielt werden, sondern vielmehr um den Menschen zu gefallen und sie u. a. zum Tanz zu bewegen. Mattheson prägte daher ein für seine Zeit untypisches, gesellschaftlich ausgerichtetes Musikverständnis – ganz nach dem Vorbild des in Frankreich aufkommenden galanten Stils, der dabei stets von einem elitären, exklusiven Menschenbild ausging.
Ziehen wir keine übertriebenen Rückschlüsse: offiziell wird Mattheson immer wieder den Zeitgeist bekräftigen. Man muss nur zur Kenntnis nehmen, mit welcher Emphase er den himmlischen Ursprung jeglicher Musik beschwört und sich darauf beruft, dass die Engel selbst sich der musikalischen Werkzeuge der Menschen bedienen. Spricht so ein großer Aufklärer in unserm Sinne?
Quelle: Johann Mattheson: Versuch einer systematischen Klang=Lehre wider die irrigen Begriffe von diesem geistigen Wesen, von dessen Geschlechten, Ton=Arten und auch vom mathematischen Musikanten nebst einer Vor=Erinnerung wegen der behaupteten himmlischen Musik / Hamburg 1748 / Nachdruck DDR Leipzig 1981 für Bärenreiter Kassel
Man bedenke, dass Nikolaus von Kues seine Schriften zum Lob des Laien als ein getreuer Kirchenmann, wenn auch nicht unangefochten, 300 Jahre vor Mattheson und Bach verfasst hat! Der aufklärerische Kern schlief im Innern der kirchlichen Lehre, und genau das will Blumenberg in allen Verästelungen nachvollziehen. Und wir können uns nicht darüber erheben und sagen: erst um 1800 oder seit der Französischen Revolution brach urplötzlich die Vernunft aus dem wirren abendländischen Denken hervor, wie die Sonne aus der Nacht des Mittelalters. Neu war die Sprache, die man dafür entwickelte, was nicht bedeutet, dass es vorher keinen Sprache gab. Im Gegenteil:
Das Unformulierbare ist das Unvertretbare. Das Paradies war: für alles einen Namen zu wissen und durch den Namen sich geheuer zu machen.
Siehe im letzten Blumenberg-Text oben Seite 14 unten. – Was aber war nochmal „Nominalismus“ ?
Erinnerungen, Essays, Dokumente, Werkstattgeheimnisse, eine Welt hinter der Musik tut sich auf, ein Lebenswerk mit allen Materialien, eine magische Werkstatt und eine faszinierende Persönlichkeit, die jedes der 1000 Holz- oder Metallteile, die um ihn wahllos herumgestreut scheinen, kennt, als gehörten sie zum eigenen Körper. Nichts könnte das besser veranschaulichen als die beigefügte DVD, auf der wir Rudolf Tutz und immer wieder den mit ihm befreundeten Meisterflötisten Barthold Kuijken in Aktion erleben. Die Flöte als Mittelpunkt einer Welt, die Klang werden will. Buchsbaumäste, Holzblasinstrumente, hartnäckige, feinfühlige Arbeitshände, zauberische, unfassbare Töne im Raum. Innsbruck! Wer klassische Musik liebt, wird viel Zeit mit diesem Buch verbringen. Und wer sich vielleicht nur mit Streichinstrumenten (Stradivari!), Klavieren (Steinway!) und einer CD-Sammlung auskennt, wird den Horizont auf unerhörte Weise erweitern. Der Film ist ein Denkmal großer Handwerkskunst und selbst ein Meisterwerk.
Das Buch: die Beiträge
Aus Barthold Kuijkens Beitrag: Die Anfänge 1972, Harmonia Mundi, das Collegium Aureum und Dr. Alfred Krings, ein Name, der untrennbar zur Geschichte der „historischen Aufführungspraxis“ gehört.
Screenshots aus dem Film: die Freunde bei der Arbeit
Bach Brdg. Conc. Widmung unterschrieben 24. März 1721 Kapellmeister in Köthen, der Hof dort kalvinistisch, B. hatte keine Sakralmusik zu schreiben, Konzerte etwa eins pro Woche, donnerstags morgens, keine Kantaten außer weltliche für Veranstaltungen des Hofes. Geburtstagskantaten, Hochzeitskantaten, nicht oft, vielleicht 1 pro Jahr z. Namenstag des Fürsten, was bedeutet: Bach hatte viel Zeit. Anders als vorher in Weimar, wo er Organist und Konzertmeister war und als Komponist 1 mal pro Monat eine weltliche Kantate abzuliefern hatte. Er konnte tun, was ihn wirklich interessierte, so war Köthen die Zeit der großen Zyklen, das Wohltemperierte Klavier, die Sonatas für Violine Solo, die Sonaten für Violine und Cembalo, und die Brandenburgischen. Diese sind das einzige, was von seiner Hofmusik in Köthen übriggeblieben ist, weil nämlich – ähnlich wie in Weimar – alles verloren ging, als nämlich die Bibliothek abgebrannt ist mit sämtlichen dort verwahrten Musikbeständen. Die Brandenburgischen entgingen diesem Schicksal, weil sie im Jahr 1721 an den Berliner Hof gekommen waren. Die Person, bei der sie sich befanden, war der jüngste Sohn der Großen Kurfürsten, der jüngste Bruder des preußischen Königs, Friedrich I., hier ist sein Bild.
Das ist Christian von Brandenburg auf dem großen offiziellen Gemälde, sehen Sie diese spezielle Dekoration vorne, da ist keine Violine, kein Cembalo, keine Gambe oder sowas, da sind die Instrumente, die man im Krieg braucht!
EINFÜGUNG aus Goebels schriftlichen Unterlagen:
Bachs Vorrede
Ihrer Königlichen Hoheit Christian Ludwig Markgraf von Brandenburg etc etc
Hoher Herr
Wie ich vor einigen Jahren das Glück hatte, mich auf Befehl vor Ihrer Königlichen Hoheit hören lassen zu dürfen und ich seinerzeit bemerkte, daß Sie ein gewisses Vergnügen an jenen kleinen Fähigkeiten fand, die der Himmel mir für die Musik gegeben hatte, und mich bei der Verabschiedungen mit dem Auftrag beehrten, Euch einige Stücke meiner Komposition zu übersenden, so nehme ich hier die Freiheit, meine unterthänigsten Pflichten gegenüber Eurer Hoheit mit diesen vielstimmig eingerichteten Konzerten hier zu erfüllen.
Unterthänigst bitte ich, deren Unvollkommenheit nicht nach mit den Maßstäben Eures feinen und verletzlichen, jedermann bekannten Geschmacks für die Musik beurteilen zu wollen, sondern den tiefen Respekt und ergebensten Gehorsam, den ich damit zu bezeugen versuche.
Des weiteren bitte ich darum, Hoher Herr, mir Ihr Wohlwollen auch weiterhin zu erhalten und überzeugt davon zu sein, daß mir nichts mehr am Herzen liegt, als bei Euch würdigeren Gelegenheiten zu Diensten herangezogen zu werden, ich, der mit unvergleichlichem Eifer Eurer Königlichen Hoheit unterthänigster und gehorsamster Diener Jean Sebastien Bach. Cöthen. d. 24 Mar 1721
7:32 Johann Sebastian traf diesen Mann, Christian Ludwig von Brandenburg, als er nach einem neuen Cembalo für den Köthener Hof schaute, wie der Cembalobauer Mietke sagte: wenn jemand in die Räume von Chr.Ludw. v.Brdbg. käme, da gibt es eins von meinen doppelmanualigen Cembali, es gab davon nicht so viele, und hier gab es zwei, drei, vielleicht 4 davon, – und das wäre die Gelegenheit gewesen, wo sie sich getroffen haben könnten. Christian Ludwig könnte Bach dort spielen gehört und den Wunsch geäußert habe, Musik von ihm zu bekommen. Und das ist es, was Bach dann tat. Er sandte 6 Brandenburgische Konzerte an Christian Ludwig von Brandenburg. Aber das Geschenk ist zu groß, als dass es einfach so ein Geschenk sein könnte, da muss ein bestimmter Grund bestanden haben, dass der Hof von Köthen sagte, o.k. Bach, du hast 2 oder 3 Wochen, um das anzufertigen, wir brauchen das als diplomatisches Geschenk. Wir wissen nicht, was dahintersteckte! Das ist zu groß für eine Person, die Nr. 10 oder 15 ist im Rang einer möglichen Thronfolge des Königs. Da muss ein anderer Grund vorgelegen haben. Aber es gibt in den Papieren der Höfe keinerlei Anhaltspunkte. Überlegung: was könnte ein Grund sein für ein so überdimensionales Geschenk?
Beispiel Beethoven, er widmete Einzelwerke, Erzherzog Rudolph u.a. , an Schuppanzigh, Rohde, Klavierspieler, „female piano player“!
a lots of female dedications
… aber das ist 100 Jahre später (Beethoven). Wir befinden uns hier ja am höchsten Punkt des Hoch-Barocks (1720), und es neigte sich im Lauf des Jahrhunderts zum galanten Stil.
13:45 Ein Blick auf andere Zyklen von J.S.Bach: die Solo Sonatas haben diese Art von Reihenfolge: Sonata – Partita – Sonata – Partita – Sonata – Partita / die Mischung von Stilen ist wichtig in diesem Fall, das Wohltemperierte Klavier hat die Folge c d e f g a h … das ist die Ordnung der Skala, die Sonatas für Violine und Cembalo sind in h-moll, A-dur, E-dur, also 2, 3, 4 sind Kreuztonarten, c-moll, f-moll 3 u 4 b, sind b-Tonarten, und dann kommt G-dur – ein sehr schwieriges Stück. Und jetzt: die Brandenburgischen haben die Tonarten F-dur, F-dur, G-dur, G-dur, dann kommt aber D-dur, dann B-dur, was besagt: dahinter steckt kein Prinzip. Wenn die beiden letzten in D-dur wären, ja…
Jedes dieser Stücke im Italienischen Stil (ob das italienisch ist, da sprechen wir später drüber) hat als Basis drei Sätze. Und jedes dieser 6 Stücke hat eine unterschiedliche Kombination von Instrumenten. Und das sagt uns: Vorsicht! Dahinter steckt etwas! Alle anderen Sammlungen des 18. Jahrhunderts haben Vorgaben in der gleichen Art, Vivaldi op. 3, das sehr wichtig war, alle Vivaldi-Concertos sind für 1 Soloinstrument und Streicher, und niemals für 2 Holzblasinstrumente oder 3 Hörner, nein, vielmehr vereinfacht, uniformer, d.h. wir müssen nachdenken, was der Grund für diese Pluralität in Instrumentation ist. Früher: mein Kontakt mit den Brdbg. begann vor 50 Jahren, ich spielte Nr. 4, aber nicht auf der Geige (lacht!) sondern auf der Blockflöte! Aber 20 Jahre später sagte mein Produzent: mach doch die Brdg., und ich: gib mir mir 5 Jahre Zeit und in der Zeit tauchte ich ein die Geschichte der Fürstenhäuser (court history). In den letzten Tagen wurde mir klar, vor der Produktion in 1985, – ich sage zu meinen Studenten, wenn du je eine wichtige Arbeit vorhast, bitte: die Notenausgabe mag so gut wie nur möglich sein, aber geh zurück aufs Original. Du musst das Original sehen!!! Die physischen Dinge. Hier das Faksimile. Begegnung in der Staatsbibliothek, Frage nach den Brdbg. 19:22 …weiße Handschuh usw.- es ist ein Stapel Papier wie dies, wir denken ein Buch mit Gold, nein, Titelseite mit Widmung: „a fake print title page“. Kein Geld, es drucken zu lassen. Oder es war zu wenig Zeit. Man blättert um, und da kommt Bachs Dedication, und dann kommt das Material. Und was sehen Sie? Nein, das Dritte: wovon ich rede. Hier: es geht wie ein Film! (Zeigt und singt)
In einer modernen Partitur sehen sie alles gleichzeitig und sehen nicht das Original. Ich rede nicht von den Solosonaten, denn die Leute denken, es ist besser, sie sind damit dichter an J.S.Bach, und dann benutzen sie das Faksimilie! (lacht), aber du kannst nicht das Faksimile benutzen um Fingersätze und Striche einzuzeichnen! Aber nun die Brdbg.! hier die Nummer IV, das ist das erste Solo. Und du siehst die Events der Partitur viel besser!
Musikbeispiel s. CD unten
22:32 Über die Widmung: the humbleness, the slobbiness and the cheapness… (Unterwürfigkeit, Süßlichkeit?, Geringwürdigkeit), eine Menge Worte, unglaubliche Mixtur.. eines Komponisten, der ein Mensch ist (lacht) nein, ich erkläre Ihnen lieber, was dies ist: „rastral“. (Eine Art „Harke“ siehe hier). Ein Schreibgerät, das Notenlinien produziert. Wir sehen aber: Bachs „Rastral“ hatte einen Fehler. Betr. also die 5 Notenlinien: 4 Zinken waren gleich, aber die Nummer 5 war etwas zu weit weg. Die Person, die das Rastrum benutz hat, muss es repariert haben, denn bei Brdbg. VI ist es o.k.! Aber auf Seite 54 ist es wieder dran. Was ist passiert? 24:15 Jemand machte das für ihn, und er konnte die Musik hineinschreiben. Er hat sie nicht komponiert im Moment, er nahm die Werke von woanders her. Woher? Vielleicht in Köthen verbrannt. Jedenfalls nahm er etwas Fertiges. Aber das ist nur die Hälfte der Wahrheit. Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass auf manchen Seiten die „Komposition“ unsicher ist, Fehler, die er sofort korrigiert, 2 oder 3 Fehler hat er nicht korrigiert, aber man sieht: an einigen Stellen hat er bei der Niederschrift der Stücke, die er von woanders her nimmt, vielleicht auch aus seinem Kopf, stockt, er fährt fort, aufs neue komponierend! Was bedeutet: während er die fertigen Sachen kopierte, – änderte er sie! Und das bedeutet für uns, fragen zu müssen: was ist der Grund dafür??? Warum setzt er einen Satz oder zwei ein, und nimmt das später wieder heraus? Warum setzt er ein Instrument zusätzlich ein, – ohne es aber ordentlich zu gebrauchen??? Was ist der Grund, dass der meiste Platz in den Noten extrem sorgfältig ausgenutzt, ohne jeglichen Verlust an Papier, und warum richtet er dann in Concerto VI 6 Systeme für 4 Instrumente ein. Da fehlt etwas. Kurz: warum sind die Konzerte so verschieden (nicht z.B. 6 Violinkonzerte) und warum so kompliziert in der Version, die wir hier haben? Dafür muss es einen bildlichen/symbolischen (JR?) „pictorial“ Grund geben. Es muss da etwas geben, was er uns „erzählen“ will. Resümierend: was ist wohl gegenüber früheren Versionen ANDERS? (Ich habe es alles auf dem Papier, Sie können es später sehen.)
EINFÜGUNG aus Goebels schriftlichen Unterlagen:
Ikonologisches Programm – zu erschließen über das Instrumentarium und damit verbundene Text-Vertonungen.
1. Zwei Hörner, Violino piccolo
2. Tromba
3. drei Violinen, drei Violen, drei Violoncelli
4: 3/8-Takt – also ungewöhnlich – zwei Blockflöten (Schafe können sicher weiden…)
5. Traverse : Weigel-Stich ( siehe „Materiale“) – Der Held aus Juda – Lärmen und Feinde
6. Violen als Instrumente des Todes – (Actus Tragicus, Du aber Daniel gehe hin….)
Was kommt Neues? Der Satz Nr.3 in Concerto I. Der Satz in 6/8. Aber im Satz davor (RG bedeutungsvolle Pause) die Transposition zwischen Oboe und Violine solo ist verändert (vertauscht), es ist nicht mehr ein Violinsolo, es ist ein Violino piccolo, 2 Töne höher und 1 Oktave höher spielend gegenüber der Oboe, zwischen den Sätzen, und Satz Nr.2 ist komplett neu. Und das ist der Solosatz für die Piccolo-Violine. Der Satz hat bereits vorher existiert in F-dur, aber die Piccolo-Violine spielt D-dur. Später – in den 30er, 40ern, benutzt Bach diesen Satz aufs neue, jetzt in D-dur, aber statt der regulären Oboe benutzt er nun Oboen d’amore …Oboe da caccia … Oboe d’amore, denke ich, 2 Töne tiefer. Also er setzt die Violine piccolo ein, – um etwas zu zeigen. Er setzt es ein, wir wissen: Nr.I bestand aus einem Allegro, einem Adagion und einem Menuett. So und nun kommt dieser dritte Satz hinein. Das war ein Kantatensatz gewesen für Soprano und Orchester, und nun gibt er das Solo dem kleinsten Instrument der Violinfamilie. Es ist unglaublich laut (?) und klein und es ist das Soloinstrument. Wie konnten wir entdecken, dass es vorher eine Arie war? Es wurde eine Arie: später. (Singt:) „Auf, schmetternde Töne der muntren Trompete dadadi dadada“, es ist ein Chor und eine Arie, und als Arie hat es eine Art nervenden („boring“) Anfang, dreimal dieselbe Musik, nach 3 Mal dieselbe Musik kommt eine Entwicklung – das ist die Gefahr der Brdbg. wenn wir nicht wissen, was das bedeutet.
In dem Moment wo er dies schreibt, fügt er in das Menuett eine Polacca… nein, die Polonaise, Pardon. Er will uns was erzählen. Er macht aus der Drei-Satz-Struktur eine 5-Satz-Struktur. 35:00
EINFÜGUNG aus Goebels schriftlichen Unterlagen:
Nebenfassung /Früh und Spät-Versionen
Concerto 1 : Frühfassung Sinfonia 1046 a, fehlt: dritter Satz ( SoloSatz für Violine piccolo) dieser verwendet in BWV 207 und 207a 17 1q726/1735 als Chorsatz : im Menuet-Rondo fehlt die Polacca.
1. Satz als Kantaten-Sinfonia BWV „Falsche Welt, dir trau ich nicht“. Leipzig 1726
Concerto 2: Abschrift von Penzel 1755- exakte Kopie der Widmungsfassung : mit der Aufschrift „Tromba overro Corno da Caccia“.
Aber er schreibt in dieser Polonaise 1 Ton, den die Violine piccolo nicht spielen kann, denn er ist zu tief. Da steht: V.p. „TACET“. Warum hat er da nichts komponiert? Warum??? Was will er uns erzählen mit der Polacca?
Die nächste Sache, Brdbg. Nr.II. Dasselbe Problem wie in Nr. I. Wenn man alle Systeme darin durchzählt, dann haben wir die Trompete, die Flöte, die Oboe und die Violine, 1.Violine, 2.Violine, Alto und den Basso Continuo. Aber all das, 1. u 2. Violine u Alto, das sind spätere Zusätze. Weil: Basso continuo, 3 Personen im Bassbereich, unter all den Diskant-Instrumenten, unter den 7 Soprano-Parts, das ist zu wenig, das ist ein Fehler. Er macht mehr daraus, er macht es größer, um mehr Eindruck zu machen. Zum zweiten Concerto er „popt it up“, und er zerstört darüber die Relation zwischen den Instruments. Es muss ursprünglich – und das ist alles über das instrumentale Material – ein Concerto da camera gewesen sein für Trompete, Blockflöte, Oboe und Violine. Dies sind 8 – die erste Violine, die zweite Violine, die Viola ripieno, das sind spätere Zusätze, Kreationen, und wie wir wissen, auf der Bühne ist dieses Stück extrem schwierig, diese Highway Solos (singt Trompete) and Cembalo, Cello u Violone, und 7 Oberstimmen, das ist nicht gut. [NB.JR Goebel hat die Konzerte zweimal in seinem Leben aufgenommen und veröffentlicht: Maßstab setzend!]
Dieselben Zusätze zu Brdbg.II. Ich zeige Ihnen das Faksimile:
Schauen Sie vor allem auf das unterste System, auf den Bass! Ich blättere um. Die moderne Partitur hat das übersetzt in …. (zeigt Concerto III)
da haben sie die drei Instrumente zusammengebunden, das Cello, den Violone und das Cembalo. Bach schrieb 5 Parts, 5mal dasselbe! die moderne Partitur sagt: „honey, let’s forget that!“ (lacht) es ist leichter zu (Pinselbewegungen) leichter, alle in 1 System zu tun. So we have 3 Violin, 3 Violas, 3 Cellos, und Basso continuo. Und ich habe einmal ausgezählt die Stellen (quarters), wo die 3 Cellos individuelle Noten spielen, und das sind insgesamt 10 Stellen (quarters). Zweieinhalb Takte im ganzen Brdbg. Konzert! hat also geteilte Celli, und ansonsten ist alles unisono. Offensichtlich erfand Bach das Cello Nr. 2 und Nr. 3 beim Prozess des Kopierens, und dann kann man imaginieren, dass da ein „Papa!.. “ and „Shut up!“ (Abwehrgeste) da war immer die Gefahr – er hatte schon 5 Kinder! und die Mutter war tot – er war immer in Gefahr, gestört zu werden, er machte einen Fehler in Takt 10 und in Takt 17, er vertauschte die Celli, er wechselte im ganzen Concerto an keiner anderen Stelle die Plätze, er wechselte zufällig zwischen den 3 Cellos, so Cello 1 wurde Cello 3, Cello 2 wurde Nr. 1 und Cello 3 wurde Nr.2 – das ist WINZIG WINZIG WINZIG WINZIG ! Aber es ist ein Fehler! — Glücklicherweise haben wir diese Nebenfassung, die Kantatensinfonie 174, und schauen wir, was er dort tat. Ich zeige es Ihnen später in den Noten. Es ist so leicht 3 Cellos aus einem zu entwickeln…
Sie sehen …. er ist … ein klein bisschen …. unsicher. „Merde!“ ein Fehler! und man sieht, was das originale Setting für dies Concerto war: das Stück war für 3 Violinen, 3 Violas und Basso continuo. So, the Cellos waren nur da für das Programm, für das pictorial programme, er brauchte dreimal 3 Instrumente, 3 – 3 – 3 , fürs Design oder soetwas.
45:26 Zu Brdbg. Nr IV Wir kommen zu Stücken, die sehr jung sind, im Vergleich zu Nr.I, es kann ein frühes sein, etwa von 1713, es ist sicher nicht die Sinfonia der Jagdkantate, weil der Umfang der Hörner sehr verschieden ist, die Hörner können weder tiefe Töne spielen noch sehr hohe. Leute, die hohe Töne spielen könne, können keine tiefen et viceversa. Man sieht es an der Jagdkantate, das müssen andere Spieler gewesen sein. Und es muss ein anderes Orchester gewesen sein.
Nr. III kann ein altes Stück gewesen sein, Nr. VI ebenfalls, Nr. IV und Nr.V sind die jüngsten Stücke. Warum Nr.IV ? Weil der formale Entwirf (design) so unglaublich reich ist, so unglaublich neu und atemberaubend, er konnte das nur schreiben mit der Erfahrung dieses Konzertes oder jenes Konzertes. Die Frage ist schon im ersten Satz (Nr.IV) : haben wir ein Ritornell oder haben wir was anderes? Ist es eine Form, die der Funktion folgt? Und: das Erstaunliche an Nr.IV ist: Die große Form des ersten Satzes entspricht der des letzten Satzes. Dazwischen steht ein sehr simpler Satz, könnte aus einer Oper von Lully stammen. Das Erstaunliche: der erste Satz könnte ein Vierviertel-Satz sein, aber er beginnt mit 3/8, – was soll uns das sagen? Es tendiert zum Galanten Stil, und es hat diese unglaubliche Solovioline, unglaublich schnell, später in Takt 186 – eine probatio artificialis
siehe vorher CD-Beispiel ab 2:35
Und die nächste probatio artificialis in Takt 215. Was sagt die Solovioline? „ich bin nur 1 Person, aber ich kann spielen wie 2 Flöten (CD-Bsp. ab 3:00 Doppelgriffe!). Und ich brauche keine Pause. Wenn du vorher wahrgenommen hast, wie die Flöten nach Atem schnappen!“ Und noch eine probatio: die des Komponisten (singt: Takte 197 ff Begleitstimmen Violini + Flöten): „ich kann Kanon!“ also ein Kanon im Abstand einer Achtelnote. Das ist Kunst. Ars combinatoria.
CD ab 2:45
53:00 Die Kunst ist unglaublich, wundervoller Eindruck beim Zuhörer – anders als bei Brdbg. I, was ein schlechtes Stück ist (lacht) -, dies unglaubliche Wohlgefühl beim Hören des Nr. IV, das Gefühl, dass eine Bewegung (nicht „Satz“ JR) aus der anderen kommt. – Wir haben andere Stücke z.B. das erste Cembalokonzert, BWV 1052, und andere Stücke, die Pasticcios sind, wo die Teile nicht zusammengehören. Man fühlt es ist zu lang, sie korrespondieren nicht miteinander ODER Brdbg. Nr. I …. es ist schwierig, die Violino piccolo hat keinerlei Rechtfertigung im ersten Satz. Und die Oboe, die im zweiten Satz kommt, hat keine Rechtfertigung im dritten Satz. [er spricht nicht vom Adagio!?] Dies ist der Fall in Brdbg. NR.V, es ist nicht der Fall in Brdbg. Nr. IV. Die Flöten haben ihre Soli und reflektieren einander, im letzten Satz auch diese korrespondierenden Kräfte usw. geben uns ein glückliches Gefühl.
In Nr. II hat das Tutti keine Rechtfertigung dazusein. In III die 2 Cellos da, naja, lasst uns die streichen…. Und Nr. V, schauen Sie im Faksimile ganz unten, der Cembalo-Part
hat zwei größere Systeme im Vergleich zu den anderen Instrumenten und der Part ist beziffert, er hat Zahlen, klar gesagt: dies ist das einzige Stück, wo es gespielt werden muss. In den andern Concerten ist der Part genau so schwer, aber es gibt keine Zahlen! Wenn es derselbe Continuo-Spieler ist wie in den Conc. I – IV, dann braucht er auch hier keine Ziffern!
(Vorweg: lassen Sie sich nicht irreführen durch die Mimik des Protagonisten auf den Videos weiter unten, es handelt sich nicht um einen Komödianten, sondern um einen kenntnisreichen Rhythmiker…)
Um einzelne Parameter aus dem Gesamtblock der musikalischen Möglichkeiten herauszuarbeiten – was können wir da tun? Bescheiden bleiben, Pausen einlegen, sich nicht überfordern? Nein, man muss anfangen, an jedem Tag, ab Neujahr und bis Silvester – nicht zu bescheiden, vor allem nicht kleinmütig, aufs Ganze gehen, ziemlich hoch pokern, ja, nach den Sternen greifen, ich sage: alles was ich will ist alles! Ich will teilhaben an allem, was ich greifen (begreifen) kann, ein Stück Holz bearbeiten, einen Fußball auf der Zehenspitze jonglieren, und alles amalgamieren, was Menschen kreativ hervorbringen. Und jeden beobachten, der etwas Unbegreifbares lernt. Ich sage das, aber es gilt für alle.
In etwa dies. Und morgen etwas anderes. Ich erinnere mich zum Beispiel, wie es mich enthusiasmiert hat, als ich die folgende Sammlung entdeckte, das war 1996. Konnte ich ihr als Mensch genügen? Nein, aber immer wieder werde ich darauf zurückkommen, werde mich begeistern für alles, was es in der Musik gibt und was mir etwas gibt. Bis an mein Lebensende, sage ich ohne Übertreibung. Oder soll ich etwa sagen: nein, jetzt ist zu spät? Oder: (noch viel schlimmer): kenn ich schon…
französisch
englisch
Kürzel unter den Artikeln: J.D.= Jean During, J.L.= Jean Lambert
Habe ich an dieser Stelle (Anmerkg. Libanon) nicht damals doch gesagt: kenn ich schon? Gottseidank! Mein gutes Jahr 1969! (Es begann eigentlich 1967.) Das hätte also sein können, – der Name, der da unten in roter Schrift steht, findet nähere Erklärung in dem Blog-Artikel „Arabisches Melisma“ hier.
Ginge es um iranische Musik, hätte ich sicher den Ausdruck „Tahrir“ darübergesetzt, der lexikalisch immer nach Kairo führt, für mich aber vor allem den unvergesslichen iranischen (fast gejodelten) Triller bezeichnet, der also gesungen wird. Ich schreibe es hierher, um mich daran zu erinnern (und an Ali Attar, der vor vielen Jahren eine WDR-Sendung darüber gemacht hat). Merkwürdig, dass diese sehr auffällige und ausdrucksvolle Technik oft sehr beiläufig behandelt wird, wie hier bei dem besten westlichen Kenner iranischer Musik Jean During:
Wichtig: die Ornamentation gehört zum wesentlichen Bestandteil der traditionellen iranischen Kunstmusik. Man kann sie nicht auf punktuell definierte Melodien reduzieren, selbst wenn jeder einzelne Ton manuell angerissen wird, wie bei den Langhalslauten TAR (zwei Klangkörper) und SETAR (ein Klangkörper).
Quelle Jean During: La Musique Iranienne. Tradition et Evolution / ISBN 2 86538-087-4 Institut Français d’Iranologie de Téhéran Bibliothèque Iranienne No.29 [den Autor kennenlernen? Radiosendung in frz. Sprache hier]
Dank für die Links an Manfred Bartmann!
Noch nicht alles verstanden? Vielleicht zuviel verpasst? Also: weiter zurückgehen!
Kürzlich ist mir folgendes passiert: ich hatte das neue Beethoven-Buch von Hinrichsen in der Buchhandlung Jahn bestellt und öffnete, bevor ich es abholte, nochmal den Computer, um den Namen „Hinrichsen“ einzugeben. Und zwar hier oben rechts in dem Blogfensterchen und fand tatsächlich auf Anhieb den Artikel, der sich auf diesen Musikwissenschaftler bezog. Aber als ich den Text überflog, fuhr mir ein Schrecken ins Gebein – „was ist das??? – – – das kann doch nicht wahr sein!!!“ – da stand das Wort Ebergetik – was soll das denn heißen? Hat mein Gedächtnis derart nachgelassen? Das lädt doch zu Wortspielen aller Art ein, und das soll ich selbst geschrieben haben?! Ich gab den Satzteil bei Google ein, eine Art Gegenprobe, ob das etwa auch öffentlich…. – und im Handumdrehen steht da mein Name im Fensterchen und auch unverkennbar das Wort Ebergetik, ich möchte im Boden versinken… Bitte versuchen Sie’s , das funktioniert womöglich heute noch. Ich aber habe es garantiert eben zum allerletzten Mal verschriftlicht. Es muss natürlich sooooo heißen:
Unter dem Streit um die angemessene Beschreibungssprache verbirgt sich allerdings einer um die Methodenhoheit. Die Richtungen, für die Bekker und Halm stehen, lassen sich weit ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen: Bekkers Ansatz ist der einer Hermeneutik, die jeder Musik nur insofern Substanz zuerkennt, als sie „Ausdruck“ ist und einer „poetischen Idee“ folgt; Halm hingegen ist Teil einer Strömung, die Rudolf Schäfke und, ihm folgend, auch Carl Dahlhaus später als „Energetik“ bezeichnet haben und die alle Motive und Themen in einem musikalischen Funktionszusammenhang von „tönenden Formen“ zu verstehen versucht.
Sehen Sie, würde ich sagen, das war doch im Jahre 2015, kurz vor Weihnachten, da hatte ich einfach keine Zeit, nochmal alles gründlich durchzuschauen. Aber mein riesiger Freundeskreis, die 10.000 Follower, keiner liest es! Oder liest es und lacht sich ins Fäustchen. Oder jemand denkt nur, was ist das denn für ein Wort, na, bei dem weiß man nie, ob er nicht einen Scherz eingebaut hat. Nein, hatte ich nicht, es ist einfach nur zum Schämen! Themawechsel:
Wie man sieht, habe ich schon eine gewisse Empfindlichkeit, gerade wenn mir ein Text wichtig ist. Eigentlich. Und so vermerke ich jedenfalls, auf welcher Seite in meinem neuen Buch „Hundert Jahre Einsamkeit“ der erste Druckfehler steht, der erste Schreibfehler sogar, möchte ich behaupten. Entweder „deren sterblichen Rest“ oder „deren sterbliche Reste“, nur eins von beiden kann gelten, aber keine Kombination. Sowas kann passieren, inzwischen habe ich einen zweiten Fehler, erst wenn ich fünf bemerke, sage ich, das ist unzureichend lektoriert. Aber eine Folge, wenn auch keinen Erfolg, gab es immerhin: ein leiser Argwohn, der mich beim ersten Missverständnis meinerseits die Schuld auf die andere Seite schieben ließ. ZITAT:
Was geschah? Es sollte eine Doppelhochzeit werden, auch Rebeca Bundía sollte ihren Pietro Crespi heiraten, da kam der Brief mit der Nachricht, dass seine Mutter im Sterben liege. Der Sohn fährt sofort los, genauer: er „fuhr (…) in die Provinzhauptstadt und unterwegs an seiner Mutter vorbei“, was ich als saloppe Ausdrucksweise dafür empfand, dass er sie auch noch sah, so wie wenn ich zuhaus sage: ich fahre zum Bäcker, aber auch noch bei Jahn vorbei. Es ist möglich, dass ich dort vorbeifahre, aber doch wahrscheinlicher, dass ich unterwegs wirklich Station mache und nachfrage, ob – sagen wir – das Grundgesetz eingetroffen ist. Also: für mich war klar, dass er die Mutter angetroffen hat, Unsinn also, dass sie zugleich am Ort der Hochzeit eine traurige Arie gesungen haben konnte. Als ob ich beim Bäcker neben dem Brot auch noch das bei Jahn bestellte Buch ausgehändigt bekomme. Und alldas nagte in mir weiter, bis mir auffiel, dass es zu Amaranta durchaus passte, einen Lügenbrief zu verfassen. Ich hätte es ahnen können, war aber durch die Fehldeutung des Wortes „vorbeifahren“ (was ja durchaus wörtlich, aber erst recht in entgegengesetzter Richtung geschehen kann) dermaßen auf dem falschen Trip – obwohl ich an manche Hürde im Gewirr der Geschichte gewöhnt war -, dass ich fast die Geduld verloren hätte.
* * *
Und nun lese ich heute den SPIEGEL, eine Ausnahme (wegen der Wuhan-Titelgeschichte), und was entdecke ich nach 10 Minuten? Auch hier hat der Druckfehlerteufel gewütet. Der typische Teufel des Computerzeitalters, da bleibt einfach ein Text stehen, der eliminiert werden sollte, und er bleibt stehen, weil er genau so perfekt aussieht wie der neu eingefügte, das gute alte Durchstreichen des Misslungenen gibt es ja nicht mehr. Und die Löschtaste betätigen kann man ja immer noch. Oder auch nicht…
Ansonsten habe ich in der Frühe, weil ich das adäqat fand, Mozart gehört, wie so oft in letzter Zeit mit Elly Ameling, und gedacht: Mozart singt sie fast am schönsten, aber den Text verstehe ich nicht unbedingt, ich will „Abendempfindung“ (ich weiß, es ist Morgen) im Smartphone nachschauen, fand stattdessen ein anderes Lied, – aber kam das überhaupt bei ihr vor? Das Traumbild – es ist noch unwirklicher geworden…
Sonst fand ich die Adresse „oxford lieder“ immer ganz zuverlässig. Aber dieses Gedicht kann nicht stimmen, „Glatze in der Stadt“ usw., auch noch Schlimmeres, sobald man selbst die Reime zu verbessern beginnt. Nicht wahr? (Andere Quelle im Angebot hier.)
Und während ich mich von meinem Bildschirm verabschiede, sehe ich die Mail des Kölner Stadtanzeigers, da geht es um Corona-Ängste und um Erleuchtete, alles brandgefährlich, ich muss nochmal zurück, vielleicht gehört meine Fehlerteufelsuchgerätobsession auch in diesen Syndrom-Bereich. Ich dachte schon, es hat mit den Zaubermaschinen des legendären Zigeuner Melquíades zu tun, stand da nicht etwas von Kopfschütteltuch? Steckt in dem Wort Kopftschütteln ein geheimes Zeichen? Kopftschütteln? Geheimzeichen T. Auf jeden Fall, – ein paar Schlagzeilen zum Schluss können nicht schaden, jeder von Fehlern aufgewreckte Leser ist ein Gewinn für das geistige Klima unseres Landes.
Die Welt ist verrückt. Oder wir reagieren wir einfach zu verkopft – früher ein beliebter Vorwurf, wenn man nicht dem Mainstream folgte -, für mich ist es vielleicht gefährlich, einen Roman zu lesen wie „Hundert Jahre Einsamkeit“, der Erzählmodus steckt an. Infiziert zu werden, das fehlte noch. Wie komme ich sonst auf das Wort „Kopftuchschüttelmaschine“? Ein Foto des immer noch mit den Augen lächelnden, blau maskierten Ministerpräsidenten brachte mich auf den Gedanken, wie glücklich man doch sein kann, Ohren zu besitzen. Zeitungslektüre am Morgen, ZITAT :
Die Demonstrationen der vergangenen Tage gegen die Einschränkungen der persönlichen Freiheit im Kampf gegen das Coronavirus wirken verstörend. Da ist von Verschwörungen die Rede, da bilden sich beängstigende Allianzen zwischen Rechten und Leuten, die Aluminiumhütchen tragen, um sich vor Strahlen zu schützen. Und als wollte er den Abwieglern, Ignoranten und Märchenerzählern den Rücken stärken, fällt der mächtigste Politiker der Welt wieder einmal aus der Rolle. (…) Aber die Verschwörungstheoretiker freut es. Sie sehen in Trump eine mächtige Galionsfigur für ihr unseliges Wirken. Dabei reicht deren Verfolgungswahn inzwischen so weit, dass Microsoft-Gründer und Großspender Bill Gates als leibhaftiger Fürst der Finsternis herhalten muss, dem die unfreien Zweifler ihr vermeintliches [Corona-]Gefängnis zu verdanken haben.
Soweit der Kommentar. Ich zitiere Gabriel García Márquez:
Er drückte mit den Fingern in seine Leber und fügte hinzu: „Hier sitzt der Schmerz, der mich nicht schlafen lässt.“ Daraufhin schloss Doktor Noguera unter dem Vorwand, es käme zu viel Sonne herein, das Fenster und erklärte ihm in einfachen Worten, warum es eine patriotische Pflicht sei, Konservative umzubringen. Mehrere Tage lang trug Aureliano ein Fläschchen in der Hemdtasche. Alle zwei Stunden holte er es hervor, legte drei Globuli auf die Handfläche, warf sie mit Schwung ein und ließ sie dann langsam auf der Zunge zergehen. Don Apolinar Moscote machte sich über seinen Glauben an die Homöopathie lustig, aber diejenigen, die am Komplott beteiligt waren, erkannten ihn als einen der Ihrigen. Fast alle Söhne der Gründungsväter gehörten dazu, keiner wusste jedoch konkret, was für eine Aktion sie da ausheckten. An dem Tag jedoch, als der Arzt Aureliano das Geheimnis offenbarte, setzte der sich von der Verschwörung ab. Obwohl er davon überzeugt war, dass das konservative Regime schleunigst abgeschafft gehörte, löste der Plan Grauen in ihm aus. Sein System beschränkte sich auf die Koordinaten einer Reihe von Einzelaktionen, bei denen in einem Meisterschlag von nationaler Reichweite die Funktionäre des Regimes mit ihren jeweiligen Familien liquidiert werden sollten, vor allem auch Kinder, um den Konservatismus im Keim zu vernichten. Don Apolinar Moscote, seine Frau und seine sechs Töchter standen natürlich auch auf der Liste. „Sie sind weder ein Liberaler noch sonst irgendwas“, sagte Aureliano in aller Ruhe. „Sie sind nichts als ein Schlächter.“ – „Wenn dem so ist“, erwiderte der Doktor ebenso ruhig, „dann gib mit das Fläschchen zurück. Du brauchst es nicht mehr.“
Quellen
Gabriel García Márquez: „Hundert Jahre Einsamkeit“. Roman / Neu übersetzt von Dagmar Ploetz / Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main, November 2019. (Seite 128f)
Leitartikel Solinger Tageblatt 13. Mai 2020 Seite 2: „Trump und die Corona-Leugner / Mächtige Galionsfigur“ Von Lothar Leuschen.
Nachtarg 30.06.2020
Wenn man selbst einmal ein Gymansium besucht hat, schmerzt es einen, dass man nach ein paar Wochen oft nicht mehr sagen kann, warum man dies oder das geschrieben hat. Was hat mich da getrieben? Jetzt habe ich es überdeutlich eilgesehen, ich suchte Beispeile für die Allgemeingültigkeit der altamerikanischen Lebensweisheit: „Shit happens.“ Jeden kann es treffen! Jederzeit. Aber man muss es auch wirklich verduetlichen, weil die Autokorrektur im Kopf oft allzu verlässlich arbeitet.