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Debattenkultur – was ist los?

Es geht um schwere Geschütze in den Medien

LANZ-Sendung 29.September 2022: Über das Twittern (ab etwa 40:00)

17:40 MELANIE AMANN (an Precht): Als ich Ihr Buch gelesen habe, habe ich gedacht: ich glaube, da stehen viele Dinge drin, die viele Leute so denken. Da stehen aber auch viele Dinge drin, die … etwas mehr Recherche verdient hätten. Weil: Sie haben ja nicht systematisch ausgewertet, wie wir über den Krieg berichtet haben. Sondern Sie haben berichtet, wie Sie wahrnehmen, Sie haben beschrieben, wie Sie wahrnehmen, wie wir über den Krieg berichtet haben. Es ist ja nicht so, dass Sie da irgendwie jetzt in irgend ’ner Weise qualitativ quantitativ untersucht hätten, wie haben die Medien über den Krieg berichtet. (Precht: das geht ja doch gar nicht!) Doch, natürlich geht das! Das dauert halt ’n bisschen länger als zwei, drei Monate, ich weiß nicht, wie lange Sie gebraucht haben, das Buch zu schreiben, – es ist sozusagen wie ein geschriebener Podcast, in dem mal sozusagen dargestellt wird, wie die Welt so wahrgenommen wird. Und inhaltlich – würd ich sagen – dass die Positionen, die Sie einfordern, das Zögern, das Zweifeln, das Vor-Ort-Recherchieren, das Berichten, die Unsicherheit der Berichterstattung, das wurde umfassend thematisiert. Was sich auch wiederfindet, sind die unterschiedlichen Meinungen, über die wurde extrem – beim Spiegel, ich war ja teilweise selber beteiligt -, berichtet in allen Qualitätsmedien. Also der Vorwurf, dass abweichende Meinungen nicht stattfinden, der ist objektiv falsch. (Precht: Ja, den gibts auch nicht!) Wo man drüber diskutieren kann, was ich eher sehe, ist: haben die Journalisten selber in ihren Kommentierungen mehrheitlich eine Position gehabt oder haben sie eine Fifty-Fifty-Bandbreite von Positionen gehabt? da würde ich sagen: es stimmt, dass es ein Übergewicht einer Meinung gab, aber das ist im Journalismus eher selten. Also – Ihre Unterstellung, die ja leider der Verlagsankündigung ja so ’n bisschen mit diesem hässlichen nationalsozialistischen Wort der Selbstgleichschaltung umschrieben war, (LANZ: das ist aber ein Begriff, der im Buch nicht fällt -) ja, wir alle sind hier Buchautoren, und wir sind … 19:36

HIER

41:10 PRECHT Die Frage ist sozusagen, warum man Stilmittel, – wenn man gezwungen ist, sich auf 280 Zeichen zu reduzieren -, Stilmittel wie eben die extreme Personalisierung, die Dekontextualisierung, die Sätze aus dem Kontext reißen und mal kurz die Meinung dazu geben, – warum solche Dinge als Stilmittel auch in den Leitmedien auftreten, und das hat in letzter Zeit wahnsinnig zugenommen, und meine Kritik daran ist: nicht, dass der eine oder der andere beleidigt ist, sondern die Kritik daran ist: das geht auf Kosten unserer demokratischen Debattenkultur.

https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz/markus-lanz-vom-29-september-2022-100.html

Und eine der Reaktionen aus den Medien

Jens Jessen ist ein Journalist, den ich schätze. Precht und Lanz kommen oft genug in diesem Blog vor, ich kann nicht leugnen, dass ihre Themen mich oft beschäftigen, was nicht bedeutet, dass ich ihrer Argumentation, ihren Diskussionen oder Gesprächen stets mit einhelliger Begeisterung folge. Ausdrücklich würde ich jederzeit gute Journalist:innen wie Melanie Amann und Robin Alexander hervorheben, die mindestens ebenso klar denken und reden wie der Gastgeber und der Philosoph.

Einstweilen warte ich allerdings begierig auf das neue Buch von Jürgen Habermas: hier „Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit und die deliberative Politik“ Suhrkamp Verlag – ZITAT:

Kernstück des Buches ist ein Essay, in dem er sich ausführlich mit den neuen Medien und ihrem Plattformcharakter beschäftigt, die traditionelle Massenmedien – maßgebliche Antreiber des »alten« Strukturwandels – zunehmend in den Hintergrund drängen. Fluchtpunkt seiner Überlegungen ist die Vermutung, dass die neuen Formen der Kommunikation die Selbstwahrnehmung der politischen Öffentlichkeit als solcher beschädigen. Das wäre ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit, mit gravierenden Konsequenzen für den deliberativen Prozess demokratischer Meinungs- und Willensbildung.

Etwas ganz Anderes vom 6. 10.22

Eine Meldung von heute Morgen, die mich eigentlich nicht überrascht, aber sehr gefreut hat: Nobelpreis für Annie Ernaux. Hatte ich sie womöglich vergessen?

siehe im Blog hier, hier und hier.

Ich wollte alles sagen, über meinen Vater schreiben, über sein Leben und über die Distanz, die in meiner Jugend zwischen ihm und mir entstanden ist. Eine Klassendistanz, die zugleich aber auch sehr persönlich ist, die keinen Namen hat. Eine Art distanzierte Liebe.

Daraufhin begann ich einen Roman zu schreiben, mit ihm als Hauptfigur. Mittendrin ein Gefühl des Ekels.

Seit Kurzem weiß ich, dass der Roman unmöglich ist. Um ein Leben wiederzugeben, das der Notwendigkeit unterworfen war, darf ich nicht zu den Mitteln der Kunst greifen, darf ich nicht »spannend« oder »berührend« schreiben wollen. Ich werde die Worte, Gesten, Vorlieben meines Vaters zusammentragen, das, was sein Leben geprägt hat, die objektiven Beweise einer Existenz, von der ich ein Teil gewesen bin.

Keine Erinnerungspoesie, kein spöttisches Auftrumpfern. Der sachliche Ton fällt mir leicht, es ist derselbe Ton, in dem ich früher meinen Eltern schrieb, um ihnen von wichtigen Neuigkeiten zu berichten.

Aus: Annie Ernaux: Der Platz / Aus dem Französischen von Sonja Finck / Bibliothek Suhrkamp Berlin 2019 ( Seite 19f)

Und am 7.10.22 – als aktueller Epilog – am Tag des Friedensnobelpreises

Mehr darüber: hier von Jan Dafeld / Shervin Hajipours Song „baraye“ entwickelt sich zur Hymne der Protestwelle im Iran. Tausende singen das Lied bei Demonstrationen, iranische Schülerinnen stellen ihre eigene Version ins Netz. Das Video des 25-Jährigen wird wenig später gelöscht, der Künstler festgenommen. (Quelle RTL News)

Andere Quelle: hier (DW Akademie)

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12. Oktober 22 Habermas – Neu, endlich angekommen (schon 2. Auflage):

Allerdings: prüfen Sie doch bitte, ob die Seiten, die in meinem Exemplar doppelt vorhanden sind – Seite 81 bis 96 -, womöglich anderswo fehlen…

Und wenn Sie gerade die Lektüre unterbrechen, – informieren Sie sich vielleicht auch bei Wikipedia, was über „Deliberative Demokratie“ vorweg zu lernen ist…

 

Musik und Allmacht

Lieber das Buch lesen oder ein solches Gespräch hören?

Je länger, desto motivierter. Und erst recht, wenn die beiden Protagonisten auf die Musik zu sprechen kommen, – der die grenzenlose Verfügbarkeit Schaden zufügt. Es sind wohl Pop-Hörer, aber was sie sagen, gilt auch in der Klassik.

Pressetext Suhrkamp

Unverfügbarkeit

Das zentrale Bestreben der Moderne gilt der Vergrößerung der eigenen Reichweite, des Zugriffs auf die Welt: Diese verfügbare Welt ist jedoch, so Hartmut Rosas brisante These, eine verstummte, mit ihr gibt es keinen Dialog mehr. Gegen diese fortschreitende Entfremdung zwischen Mensch und Welt setzt Rosa die »Resonanz«, als klingende, unberechenbare Beziehung mit einer nicht-verfügbaren Welt. Zur Resonanz kommt es, wenn wir uns auf Fremdes, Irritierendes einlassen, auf all das, was sich außerhalb unserer kontrollierenden Reichweite befindet. Das Ergebnis dieses Prozesses lässt sich nicht vorhersagen oder planen, daher eignet dem Ereignis der Resonanz immer auch ein Moment der Unverfügbarkeit.

Mit dem Resonanz-Phänomen hatte ich mich damals auseinandergesetzt. Kritisch? Rat an mich also: noch einmal ansehen, präparieren, repetieren:

Resonanz

Subreption

Unruhe und rasender Stillstand

Ethnologie im Alltag

Musikbezug ab 34:50 (Umgang mit CD, physischen „Konserven“ ↔ Spotify, youtube u.ä):

Oder hier:

https://www.zdf.de/gesellschaft/precht/precht-236.html hier

ZDF Pressetext

Was macht das mit unserem Bewusstsein von der Welt und von uns selbst? Bekommen wir das Leben durch diese digitale Welterweiterung besser in den Griff oder verlieren wir es aus dem Blick? Macht die digitale Technik uns freier und mächtiger oder abhängiger und ohnmächtiger? Darüber spricht Richard David Precht mit dem Soziologen Hartmut Rosa.

Plädoyer für „Unverfügbarkeit“

Hartmut Rosa beschäftigt sich als Wissenschaftler und Autor mit der digitalen Moderne und hält ein leidenschaftliches Plädoyer für die „Unverfügbarkeit“, wie er es nennt. Unverfügbar sind all die Dinge in unserem Leben, die sich nicht nur unserer, sondern auch der digitalen Kontrolle entziehen können.

Das zentrale Versprechen moderner Technologie sei doch die Bequemlichkeit, so Richard David Precht im Gespräch mit Hartmut Rosa. Mit ihr können wir mühelos über uns und die Welt verfügen und sie kontrollieren. Wir sehnen uns danach, eine immer komplexere Wirklichkeit beherrschbarer und zugänglicher zu machen. Das sei doch das natürliche Streben des Menschen, spätestens seit er vom Jäger zum Sammler wurde.

Trügerisches Gefühl von Allmacht und totaler Kontrolle

Entscheidend dafür, dass die Wahrnehmung der Welt wirklich glücken kann, hält Hartmut Rosa dagegen, sei eine lebendige Resonanz zu den Menschen und Dingen. Diese Wechselbeziehung gehe verloren. Viele dieser ursprünglich lebendigen Verbindungen werden in unserem modernen digitalen Lebensgefühl immer indirekter und eindimensionaler. Und wir wiegen uns, so befürchtet Rosa, in einem trügerischen Gefühl von Allmacht und totaler Kontrolle, das uns letztlich von der Welt zu entfremden droht.

Wir sind immer weniger auf andere Menschen angewiesen und verlernen dadurch, mit dem Unberechenbaren umzugehen. Wie zum Beispiel Touristinnen, die eine Kreuzfahrt mit „Polarlichtgarantie“ oder eine Safari mit „Löwengarantie“ buchen und ihr Geld zurück haben wollen, wenn die versprochenen Naturereignisse ausbleiben. Sie haben ein anderes Verhältnis zum Leben und zur Welt als ein Mensch, der sich darüber freuen kann, dass plötzlich und unerwartet der erste Schnee fällt.

Scheinbar immer weniger angewiesen auf andere, machen wir uns gleichzeitig immer abhängiger von einer Technik, die jederzeit funktionieren und verfügbar sein soll. Trotz des enormen technischen Fortschritts bekommen wir aber weder globale Krisen wie den Klimawandel noch die Corona-Pandemie in den Griff. Hier droht für Hartmut Rosa die Unverfügbarkeit ins Monströse umzuschlagen, in einen völligen Kontrollverlust.

Ganz in der Tradition der kritischen Theorie sucht und forscht der Soziologe und Politikwissenschaftler Hartmut Rosa nach Gegenkonzepten zu unserer allgegenwärtigen Erfahrung der Entfremdung und Beschleunigung. In seinem Buch „Unverfügbarkeit“ macht er das moderne Streben nach vollkommener Verfügbarkeit und Kontrolle für ein Verstummen der Welt verantwortlich. Wie die menschliche Beziehung zur Welt glücken könnte, hat er in seinem Werk „Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung“ untersucht.

Das Buch ist da:

Denken Tiere?

Was sie für uns bedeuten (und für sich selbst)

Noch nie habe ich einer Nachtigall so lange beim Singen zuschauen dürfen… Ich wüsste gern, was der Gesang für das Tier bedeutet und denke seltsamerweise einen Satz von Ludwig Wittgenstein: Wenn ein Löwe sprechen könnte, würden wir ihn nicht verstehen. Auch an Thomas Nagels Essay: „Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?“ Dann versuche ich, diesen Gesang zu lesen wie vor 66 Jahren in Bielefeld, als er aus dem weitläufigen Gebüsch oberhalb unseres Gartens nächtelang und oft sogar am Tage zu hören war. Auch Fledermäuse gab es da. Aber keinen Löwen, mit dem ich ein ernstes Wort hätte sprechen können.

1994 2005 / s.a. Perlentaucher hier Der Geist der Tiere: Inhalt

Aus der Einführung der Herausgeber Dominik Perler und Markus Wild:

Zu Julian Nida-Rümelin (in Aktion) hier

Zur Schimpansin Sarah und Spracherwerb bei Affen hier und hier

auch als BUCH hier

Im folgenden Video bei 32:50 ein gut informierter Moderator, Yves Bossart, im Gespräch mit Hans-Johann Glock:

Das ist ein interessanter Fall. Vögel, die schneiden, was so die syntaktischen Fähigkeiten angeht, also die Fähigkeit, Elemente zu kombinieren, sehr gut ab. Aber ich glaube nicht, dass es Hinweise darauf gibt, dass sie dadurch auch unterschiedliche Sachverhalte ausdrücken. Sie annoncieren wiederum ihre Identität oder sie locken z.B. Geschlechtspartner an, aber es ist nicht so, dass sie einander dadurch Informationen über das vermitteln, was vorgeht, mit der Ausnahme von bestimmten Warnrufen z.B., da kann man das feststellen – (Verweis des Moderators auf Erdmännchen: unterschiedliche Warnrufe für unterschiedliche Feinde, die kommen; wo also ein Sachverhalt kommuniziert wird) – das ist völlig richtig, das hat man z.B. hier in Zürich bei Erdmännchen [siehe im Blog hier] nachgewiesen, aber schon früher wusste man das von grünen Meerkatzen, also es gibt einen Warnruf für Leoparden, einen für Adler, einen dritten für Schlangen, und nicht nur produzieren die Meerkatzen diese Warnrufe, sozusagen mit der Absicht, andere zu warnen, die anderen reagieren dann auf die Warnrufe gemäß der Situation. Die Warnrufe beziehen sich auf eine bestimmte Situation, „Leopard naht sich“, sondern auch die Empfänger des Signals reagieren auf bestimmte Weise, z.B. bei Leoparden steigen sie auf einen Baum, bei Adlern verstecken sie sich in einem Busch, bei Schlangen richten sie sich auf und schauen im Gras, wo die Schlange ist. (Moderator: Und die Möglichkeit der Täuschung gibts dann noch…). 34:37

Wer ist Hans-Johann Glock? Siehe Wikipedia hier. Video bei 56:56 Wenn Sie ein Tier sein könnten, welches? Delphin!

Die Klugheit der Schweine

abrufbar HIER bis 2026

Precht

Die Bürger im Staat haben nicht nur Rechte

Nicht jede Lanz-Sendung ist gut. Gerade wenn er politisch besonders investigativ sein will („werden Sie nun Kanzler oder nicht?“), nervt er das wohlmeinendste Publikum. Wunderbar aber, wenn er Gäste hat, die ihm gewachsen sind und er selbst auch nur konstruktiv mitwirkt. Wie gestern, wo wirklich jede(r) einzelne etwas Triftiges zu sagen hatte. Der Skandal, Aserbeidschan betreffend, bot lebendiges Anschauungsmaterial für eine Politposse gefährlichen Ausmaßes und wurde messerscharf vom Soziologen Gerald Knaus dargelegt. Der Philosoph Richard David Precht verblüffte durch Binsenwahrheiten, die angesichts der durchaus nicht „querdenkenden“ Straßenakteure und Denkverweigerer brisant geworden sind: es genügt nicht, Steuern zu zahlen, um das Recht zu haben, die Politiker mit absurden Forderungen vorzuführen und bei Widerworten gleich zu behaupten, das sei wie in Nordkorea. Der Philosoph referierte nicht Platons „Staat“, sondern sprach schlicht von den Pflichten der Bürger, die eben auch – wie das Wort von der Würde des Menschen – im Grundgesetz definiert sind. Und er formuliert so klar, dass man sich gern von Lanz auf das Buch zum Thema hinweisen lässt, ohne sich darob zum bloßen Kunden herabgestuft zu fühlen.

Zusammenfassendes Zitat:

Precht appellierte an die Bürger, sich bei aller berechtigter Kritik an der Politik der eigenen Verantwortung für das Gelingen der Gemeinschaft bewusst zu werden. Menschen wie die vermeintlichen Querdenker hätten die seltsame Vorstellung, dass der Staat dazu da sei, ihnen Rechte zu garantieren, ihnen jedoch nichts abverlangen dürfe. Das sei natürlich ein Irrglaube. Aber auch wegen der vielen Versprechungen von Politikern im Wahlkampf hätten sich so manche Bürger zu politischen Schnäppchen-Jägern zurückentwickelt, denen es vorrangig um den eigenen Vorteil gehe, um nicht übervorteilt zu werden. „Sie benehmen sich nicht wie Staatsbürger, sondern sie werden zu Kunden“ , warnte Precht. „Wenn das passiert, dann bröckelt unser Gemeinwesen.“

Er wiederholte aus einem Interview mit dem „Spiegel“ seinen markigen Spruch „Corona-Leugner arbeiten selten auf Intensivstationen“ und die Forderung, ein soziales Pflichtjahr für junge Menschen und Neu-Rentner einzuführen. So könnten Empathie und Gemeinsinn gestärkt oder überhaupt erst vermittelt werden. „Die positive Erfahrung, etwas für Andere zu tun, kann man nur praktisch vermitteln, das kann man jemandem nicht theoretisch erklären“, gab der Philosoph zu bedenken. „Das ist die beste Form, gute Staatsbürger hervorzubringen.“ Und vielleicht ja auch bessere Politiker.

Quelle: Nina Jerzy in t-online hier

Zur LANZ-Sendung hier / Precht ab 18:25 und ab 39:08 bis ca. 58:00, Gerald Knaus über Aserbeidschan und Korruption ab 59:00

Empfehlenswert, den separaten Precht-Ausschnitt hier zu studieren, – allein wegen der zahlreichen drangehängten Stellungnahmen von Seiten des „Volkes“. Sowohl über Precht als auch über Lanz…

*    *    *

Dass ich das folgende kleine Buch, eine „Betrachtung“, gleich zweimal  gekauft habe, verursachte ein leichtes Kopfschütteln in der Buchhandlung meines Vertrauens und gratis ein kleines klärendes Gespräch: 1 Geschenk für meine Enkelin plus 1 für mich, damit ich argumentativ auf dem gleich Stand bleibe wie sie, – nicht etwa wie Precht. Aber ob der zuletzt genannte auch schon das dritte oder vierte Buch besitzt, das nagelneu auf meinem Schreibtisch liegt? (Siehe unten). Und dies nicht aus paritätischen Gründen (ebenfalls nämlich von Nicola Gess, Titel: Staunen / Eine Poetik). Er würde staunen. Vermutlich hat er aber nur weniger Musik-Bücher als ich (und sonst alles), – obwohl er in Berlin über Ästhetik liest. – Aber falls dies nun etwas flapsig klang, sei es ironiefrei gesagt: Precht schreibt hervorragend, es liest sich, als höre man ihn sprechen; es ist einfach gutes Deutsch. Und es wäre auch falsch zu sagen, dass er all seine klugen Gedanken doch nur aus Büchern herausgesucht habe. Da hat jemand die wissenschaftliche Zitierweise völlig missverstanden, wenn er meint, dass ein Schriftsteller, der wichtige Aussagen anderer Philosophen mit Namensnennung wiedergibt, zu unbegabt ist, selbst zu denken. Das Nach-Denken funktioniert so! Niemand kommt auf diesem grundlegenden Gebiet politischer Standortbestimmung ohne Lehrmeister aus. Und es zeugt nur von Redlichkeit, sich des historischen Zusammenhangs zu vergewissern, selbst wenn man über die unverwechselbare aktuelle Corona-Zeit reflektiert, die sich eben nicht zur Grippewelle zurückstufen lässt. Aber man täusche sich nicht in seinen Erwartungen: es gibt auch einfach langweilige Stellen in diesem Lesestoff. So ist das Leben! Man hat kein zweites. Und wenn mein Vater in den 50er Jahren von Pflicht sprach und sie rühmte, klang das ganz anders. Ich glaube heute, dass er glaubte, damit sei ihm – nach dem Krieg – eine unbezweifelbar positive Essenz geblieben.

.    .    .    .    . zur weiteren Lektüre …

Was ist wesentlich?

Vom Sinn des Lebens und vom bloßen Wohlstand

Und von Hans Blumenberg.

Zitat

Ein Gott, der ein trostbedürftiges Wesen geschaffen hat, also auch nur ein im Schmerz der Tröstung fähiges Wesen, könnte nicht als wohlmeinend gedacht werden, wenn er diesem Geschöpf Spendung und Empfang von Trost versagte, woher auch immer sie kommen mögen. […]

In früheren Generationen fanden Eltern ihren Trost wegen des eigenen Elends und Unglücks bei dem Gedanken, es könnte ihren Kindern einmal besser ergehen, obwohl die Wahrscheinlichkeit dafür nur gering sein mochte oder sogar alles dagegen stand. Man muß ein trostbedürftiges Wesen nicht der Wahrheit ins Auge sehen lassen, nicht den unbedingten Realismus von ihm fordern. Wittgenstein hat zutreffend gesehen, daß die Frage nach dem Sinn des Lebens beantwortet ist, wenn sie nicht mehr gestellt wird; es ist dieselbe Grundposition, die Freud veranlaßt hat zu sagen, wer nach dem Sinn des Lebens fragt, sei krank. Trost bedeutet auch und vor allem, daß die Frage nach dem Sinn des Leides, das Trostbedürftigkeit erweckt, nicht mehr gestellt wird. Dazu kann es genügen, im unerträglichen Faktum der betroffenen Existenz den Willen einer nicht-menschlichen, also nicht als niedere Bosheit zu empfindenden Macht zu sehen. Es genügt, daß die Betroffenheit des eigenen Daseins dem Willen der anderen entzogen ist, indem  sie dem Willen des anderen unterstellt wird. Die Frage nach der Wahrheit der Existenz dieses Willens ist beantwortet, wenn sie nicht mehr gestellt wird. Insofern ist die Funktion der Kontingenzbewältigung an Wahrheit gebunden. Nur steht diese Wahrheit aus Gründen der Veränderung der Faßbarkeit des Gottesbegriffs nicht mehr unter der Gehorsamsforderung der Anerkennung von Tatsachen. Unser ganzes Weltbild beruht auf Sätzen, die des Zusatzes bedürfen, es könne so sein, müsse es aber nicht. […].

Quelle Hans Blumenberg: Die nackte Wahrheit / suhrkamp taschenbuch wissenschaft / Suhrkamp Verlag Berlin 2019 (Seite 83 f „Trostlosigkeit der Wahrheit“)

*    *    *

(Der Ton ist teilweise katastrophal. Es liegt nicht an unserm Gerät.)

Wie ist unsere Lage?

Was der Philosoph dazu (meint) denkt…

(13:50 „Geht’s um meine Meinung oder …“) Externes Fenster hier

Gesamtdauer: 1:41:53 (Empfohlenes Statement: Soviel Zeit muss sein!)

Hat er schon einmal Quatsch geredet? Ja, über eine Zukunft mit selbstfahrenden Autos. (Ab 1:05) vorweggenommen siehe ausführlich ab 48:00

7:35 Esoterik, Verschwörungstheorien, Religion 12:20 Corona-Leugner 13:05 Politik vor der Bundestagswahl SPD z.B. Olaf Scholz: „jene alten Verhältnisse wieder herstellen, von denen wir vor einem Jahr gesagt haben, so gehts nicht weiter (…) mir macht so jemand Angst“ etc 17:30 Die Grünen wollen auch keine großen strukturellen Veränderungen – Grüne in Machtpositionen (Joschka Fischer) 20:00 Verzicht? Nicht fliegen unter 500 km / keine Kreuzfahrten mehr! / Nicht mehr mit SUVs in Innenstädten rumfahren 20:50 Niko Paech (radikal?) Grüne werden abgestraft, die den Ernst der Lage nicht begreifen 23:30 Arbeitslose vs. Klimawandel 24:00 Was die größten Probleme? Reformierbar? Migrationswelle? Limes bauen. 26:00 der Klimawandel spielt keiner Partei so sehr in die Karten wie der AfD, weil er zu sozialen Verwerfungen führt! 26:50 Thüringen Spiel / Spitze der CDU? Laschet etc  29:00 AKK 30:00 Kevin Kühnert SchwarzGrün

45:00 Rassismus 47:00 Soziale Medien „Heute alle wahnsinnig selbstbewusst, aber nur basierend auf Emotionen“ 54:00 Radfahrer —- Weiter siehe unter „Kommentare“, daraus folgende Tabelle:

1:15:55 Der Sinn des Lebens 1:19:25 Was künstliche Intelligenz nicht kann Ray Kurzweil 1:23:10 Formelle Theorie von Spaß Humor Beethoven (?) Karajan 1:23:50 Kreative KI 1:24:38 Ausrottung der Menschheit durch KI 1:28:20 (KI im) Kapitalismus 1:30:00 Monopolzerschlagung 1:31:35 Roboter- und Finanztransaktionssteuer 1:36:00 int. Ächtung von KI-Forschung 1:37:55 ethische „Kipppunkte“ der KI

Bei einem klugen Mann wie Precht ist immer wieder erstaunlich, wie fremd ihm die Musik  oder die Kunst überhaupt ist. Ich hebe das nur hervor, weil er so viel Vernünftiges sagt, dass manch einer ihn vielleicht auch in ästhetischen Fragen für kompetent halten könnte. Vgl. hier , und im vorliegenden Fall bei 1:23:50 : Auf die Frage „Kann Künstliche Intelligenz neugierig sein, oder kreativ?“ kommt die Antwort:

Ehm, kreativ in geregelten Bahnen. Also Künstliche Intelligenz kann sicherlich wie Beethoven komponieren und wie Rembrandt malen. Das kann sie jetzt schon. Man hat auch mal die ganze Eigenheit des Karajanschen Dirigierens – das ist mal so komplett digitalisiert worden, dass man diese Muster jetzt selber variieren kann, und dann könnte Künstliche Intelligenz wie Karajan dirigieren, könnte – man könnte quasi mit dem Computer die Berliner Philharmoniker – sowas kriegt man hin. Ob das jetzt so kreativ ist, das ist ne andere Sache. Das wäre ja so Beltracchi-artig, Wolfgang Beltracchi also, dieser großartige, faszinierend begabte Kunstfälscher, ne? das was -, das könnte Künstliche Intelligenz wahrscheinlich auch. [folgt Unterscheidung zwischen schwacher und starker KI]

Entscheidend ist vielleicht der Satz: „kreativ in geregelten Bahnen“. Die Musik Beethovens verläuft nicht in „geregelten Bahnen“. Er hat sie auf seine Weise „geregelt“. Aber niemand, der Beethoven kennenlernt, sagen wir: zum ersten Mal studiert, und zwar in chronologischer Reihenfolge, kann voraussagen, wie in etwa das nächstfolgende Opus aussehen wird. Selbst wenn man sich auf die 6 Streichquartette op.18 beschränkte und sie in den KI-Computer eingäbe, käme kein 7. zustande, das man für ein Beethovensches halten könnte. Was nicht heißt, dass man selbst musikalische Menschen nicht mit einem solchen Produkt täuschen könnte… (Ich habe mich einmal mit der Frage der Echtheit eines Brahmswerkes – ein wenig verschlüsselt – auseinandergesetzt. Wer Ohren hat zu hören, findet es in folgendem Text hier . Der Goldhelm ist natürlich eine Anspielung auf Rembrandt.) Und was beweist ein Karajan-Imitat? Nichts mehr als die die Möglichkeit, dass man täuschend echte Imitate herstellen kann. Jeder gute Schauspieler kann das. Ein Laie würde staunen, dass die Berliner Philharmoniker die größten Meisterwerke auch ohne Dirigent spielen könnten, und zwar ziemlich gut. Was auch wieder nicht bedeutet, dass der Dirigent überflüssig ist. Die Musik jedoch, die man im Fernsehen bei Landschaftsfilmen hört (z.B. „Deutschland von oben“) könnte vollständig von der K.I. eines Computers hergestellt worden sein (aus klassischen Versatzstückchen), daher ihre Aufdringlichkeit und offenbare Überflüssigkeit.

Nachtrag 30. September 2020

Betrifft die Autofrage (Umweltspur) in Düsseldorf, die Voraussage hat sich erfüllt:

Woran es nun letztlich lag, dass Geisel abgewählt wurde, will die SPD in Ruhe ausloten. Einiges liegt jedoch auf der Hand. Zum einen war da das eine große Thema, das den SPD-Oberbürgermeister quer durch die Stadtgesellschaft Sympathien gekostet hat: die Umweltspur. Das mag teils unfair sein, denn die Geschwindigkeit, mit der er den Verkehrsversuch durchdrückte, war auch dem drohendem Diesel-Fahrverbot geschuldet. Doch verdorben hat er es sich dennoch mit Wirtschaftsverbänden wie mit Unternehmen und vielen Bürgern, die sich aufs Auto angewiesen und durch die Umweltspur massiv gegängelt fühlten.

Quelle: RPonline28.09.2020 (Nicole Lange)

Betrifft das selbstfahrende Auto (siehe oben Precht ab 48:00), – die Presse weiß noch nicht, wie es heute, 30.September 2020 in der Süddeutschen scheint, Seite 1, „Daten-Autobahn“ von Thomas Fromm:

Was Beethovens virtuelle 10. Sinfonie in Bonn angeht, bleibe ich auf der Spur. Zwischenergebnis: katastrophal.

Nachtrag 12.10.2020

Musik & Ästhetik Oktober 2020 Seite 5 Anmerkung 4 Claus-Steffen Mahnkopf: Beethoven und das Projekt der musikalischen Freiheit.

„Auf den Unsinn, eine Zehnte mittels einer sogenannten Künstlichen Intelligenz kreieren zu wollen, gehe ich nicht ein.“

Nachtrag 18. Oktober 2020

Neue Nachrichten von der Telekom: die Uraufführung der Zehnten von Beethoven findet auf längere Sicht nun doch nicht statt. Wegen Corona………..

Bericht siehe in der NMZ Neue Musikzeitung HIER

Beim Sponsor Telekom selbst HIER

 Screenshot

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Man höre die Beispiele, beachte auch nach Gebühr die Experten. Sogar ein echter  Komponist ist dabei, Walter Werzowa, s.a. hier, er hat 1988 einen Dancefloor-Welt-Hit gelandet. Er versteht also etwas von Erfolg. Wie der heute noch berühmte Beethoven.

Zur Analyse des Augenblicks

Ist dies nur eine Corona-Zeit?

Natürlich wehrt man bescheiden ab, wenn jemand behauptet: das was du da schreibst und vorzeigst, dient doch alles deiner persönlichen Profilierung. Nein, könnte ich sagen, zunächst einmal dient es meiner lebenslangen Lerntätigkeit, und jetzt, wo ich nicht mehr leugnen kann, dass ich älter werde, fürchte ich, dass ich Dinge vergesse, die mir früher wichtig waren, vielleicht ungelöst geblieben sind; memoriere auch Inhalte, die vielleicht mit gutem Grund ins Hintertreffen geraten waren. Und warum schriftlich? Und warum digital und öffentlich? Früher habe ich Radio-Sendungen gemacht und alles, was ich (musikalisch) erlebte, im Blick auf solche Weitervermittlung nach außen beobachtet, notiert, ausgearbeitet und in hörbare, also mit dem Ohr aufnehmbare gedankliche Zusammenhänge verwandelt. Und das wurde von einem entsprechenden Publikum draußen auch honoriert. Nicht mit Geld, sondern mit Aufmerksamkeit. Nachweisbar. Alles was mich wirklich interessiert – davon konnte ich ausgehen -, interessiert auch andere Menschen, wenn ich nur die richtige Darstellungsweise finde. Und letztlich bin ich selbst auch nur so interessant wie meine Stoffe. Vieles von dem, was ich damals gelernt habe und was mich mental aktivierte, kam von (freien) Mitarbeitern, Autor*Innen, kreativen Menschen um mich herum, und vor allem: aus Büchern, die mir wiederum von allen Seiten ans Herz gelegt wurden. Kurz: ich bin nicht einfach ich, sondern ebenso das Produkt unzähliger Kontakte. Ich bleibe es auch, wenn ich eine Reihe solcher Kontakte – vielleicht zu meiner persönlichen Profilierung mit Namen nenne. Vielleicht aber auch einfach aus Dankbarkeit. Jedenfalls muss nicht alles, was über das moderne Individuum zu sagen ist, in einer aktuellen Beschreibung dessen, was man heute Profil nennt, wiedererkennbar sein. Zumal wenn man das Bloggen nicht nach dem Muster von Facebook oder irgendwelcher „Influencer“ mit ihren „Followern“ versteht.

Ich zitiere:

Im Profil als einer Zusammenstellung von Text- und Bildelementen versucht das digitale Subjekt, seine Nichtaustauschbarkeit als besondere Persönlichkeit zu demonstrieren. (…) Sich via Profil zu singularisieren, wird zu einer Daueraufgabe des Subjekts; es vollzieht unablässig Singularisierungsarbeit in eigener Sache. (…)

Profile sind allerdings nicht statisch, sondern durch eine Permanenz der Performanz des Neuen gekennzeichnet. In die Logik des Weblogs und des Bloggens war von Anfang an eine Aktualitätsforderung eingebaut; und Facebook war von Anfang an eine Aktualitätsforderung eingebaut; und Facebook hat der Dynamisierung der Profile durch die Einführung der „Chronik“ einen zusätzlichen Schub gegeben. Das Profil-Subjekt muss seine Originalität und Vielseitigkeit so immer wieder unter Beweis stellen, durch beständige, immer neue Performanz. Es reicht nicht, einmal zu bekunden, dass man Kolumbien, Barockopern und seine Kinder liebt; man muss diese Leidenschaften und Interessen durch zeitnahe Aktivitäten sozusagen ständig aufs Neue öffentlich realisieren – dadurch dass man jetzt Kolumbien bereist und Kommentare und Fotos der Reise postet oder zumindest einen aktuellen Bericht über Kolumbien verlinkt oder jetzt ein Barockfestival besuche oder zumindest auf eines hinweist oder jetzt mit den Kindern etwas halbwegs Bemerkenswertes unternimmt und all dieses medial verbreitet. Die Permanenz der Performanz des Neuen überträgt die generelle Momentorientierung des Internets auf die Ebene der Fabrikation des Subjekts. Singularisierung bedeutet hier, dass in den vielseitigen Aktivitäten immer etwas Neues passiert und die Profileigenschaften im Hier und Jetzt lebendig gehalten werden.

Quelle Andreas Reckwitz: Die Gesellschaft der Singularitäten. Suhrkamp Berlin 2019 / Zitat Seite 249 f

Wenn ich in den vergangenen Tagen über eine lächerliche Kladde berichtet habe, mit der ich als Schüler der Wirklichkeit der 50er Jahre zu Leibe rücken wollte, so heißt das nicht, dass ich jene Zeit restituieren will (Schlimmeres könnte ich mir auch subjektiv gar nicht vorstellen), sondern dass ich mich damit eines wiederkehrenden Lebensgefühls vergewissern möchte, das über 50 Jahre hinweg alle Ungewissheiten zu ertragen geholfen hat. Die heutige Krisenzeit, die oft genug als ganz exzeptionell analysiert wird, kann nicht schlimmer sein als die Nazizeit, der Krieg und das sogenannte Wirtschaftswunder, die bleierne Zeit der 50er Jahre, das ganze Konglomerat, das damals auf uns einwirkte.

Was kann spannender sein, als kompetenten Leuten zuzuhören, die sich der neuen, gegenwärtigen Situation und einer aufs neue völlig ungewissen Zukunft bewusst zu werden suchen? Ich habe gestern Abend den Eindruck gehabt, dass genau so das richtige Problembewusstsein entsteht, nämlich mit dem Blick weit über die Corona-Krise hinaus.

 HIER 

(siehe ab 3:06 „Was ist Spätmoderne?“)

*    *    *

Bruno Latour und die Frage “ Was bleibt von der Moderne?“

Siehe in diesem Blog hier. Und in Faust-Kultur hier.

Und im folgenden Text von Bruno Latour (Sonntag 29-03-2020),

Vielleicht ist es falsch, sich in die Zeit nach der Krise zu versetzen, während das Gesundheitspersonal, wie man sagt, “an der Front” steht, Millionen von Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren und viele trauernde Familien ihre Toten nicht einmal begraben können. Und doch müssen wir gerade jetzt dafür kämpfen, dass die wirtschaftliche Erholung nach der Krise das alte Klimaregime nicht wieder herstellt, gegen das wir bisher vergeblich gekämpft haben. Die Gesundheitskrise ist in der Tat in etwas eingebettet, das keine Krise ist (sie ist immer vorübergehend), sondern eine nachhaltige und unumkehrbare ökologische Veränderung. Wenn wir das Glück haben, aus der ersten “herauszukommen”, so werden wir keine Chance haben, aus der zweiten “herauszukommen”. Die beiden Situationen haben zwar nicht das gleiche Ausmaß, es ist jedoch sehr aufschlussreich, sie miteinander zu verknüpfen. Auf jeden Fall wäre es schade, die Gesundheitskrise nicht zu nutzen, um andere Wege zu entdecken, um einen ökologischen Wandel anders einzuleiten als im Blindflug.

Tatsächlich hat sich gezeigt, dass es möglich ist, innerhalb weniger Wochen ein Wirtschaftssystem (überall auf der Welt und zur gleichen Zeit) auszusetzen, von dem uns bisher gesagt wurde, es sei unmöglich, es zu verlangsamen oder gar umzugestalten. Allen Argumenten, die von Ökologen zur Veränderung unserer Lebensweise vorgebracht wurden, wurde stets die unumkehrbare Kraft des “Fortschritts” entgegengesetzt, dass “wegen der Globalisierung” nichts aus den Gleisen geraten dürfe. Doch gerade ihr globalisierter Charakter macht diese Entwicklung so zerbrechlich, die sich nun wahrscheinlich verlangsamen und dann plötzlich zum Stillstand kommen wird.

Lesen Sie diesen Text weiter: hier.

Die Ausstellung Critical Zones in Karlsruhe

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Eine große Zeitung

Daran erkenne ich sie:

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Sie passt nicht nur zu Silvester, sondern auch zum Neujahrsmorgen. Und im Streiflicht, das man gern als erstes liest, erscheint sogar, wie von vielen Menschen gewünscht, die inzwischen bekannte rhetorische Jahresendfigur als Satire: „Heute ist die Oma der weiße alte Mann unter den Frauen.“

Andere Themen, die uns zu Beginn eines neuen Jahrzehnts unter den Nägeln brennen, lassen sich in neuer Beleuchtung nachlesen. Ich hatte mir längst ein Büchlein ans Bett gelegt, um bei plötzlich auftauchender nächtlicher Melancholie gewappnet zu sein. (Ehrlich gesagt: das erste, was mir heute beim ersten Sonnenstrahl – den gab es wirklich!!!! – einfiel, war die Frage, warum das Schubertlied vom Heideröslein mir in meiner Kindheit viel weniger gefallen hat als das Volkslied und weshalb das ganze Schulmusikstudium, bei dem solche Vergleiche immer zugunsten der Klassikerversion ausfielen, nicht geholfen hat, bis dann Elly Ameling kam und alles zugunsten Schuberts wendete. Noch mehr durch das Lied „Frühlingsglaube“: Nun muss sich alles wenden…)

Man wird wieder sagen, dass ich die Holländer bevorzuge, und das vielleicht nur wegen meines Vornamens, den mein Vater gegen meine Mutter durchgesetzt (ihr war der Name zu kurz). Habe ich erwähnt, dass ich Elly Ameling schon einmal zum Hotel Solitude fahren durfte? Vielleicht hier? Und im Neuen Jahr werde ich wieder nach Domburg fahren. Um aber auf das anfangs erwähnte Büchlein zurückzukommen, das wirklich hervorragend ist und auch das im Titel genannt Problem zufriedenstellend löst:

Aber ich würde auch Hartmut Rosa nicht vergessen, – war es nicht ein Gespräch mit Richard David Precht? Jawohl, siehe hier, dafür habe ich ja den (das) Blog: damit ich behalte, was ich vergesse!

Falls ich an diesem Eintrag noch weiterschreibe (das schöne Neujahrswetter lockt in die nahgelegne Ohligser Heide), also: falls, – so sollte es dem „Heideröslein“ gelten. Und nicht der Vergänglichkeit.

Mitleid und Freiheit

Von Kindern, Tieren und Pflanzen

Südtirol 2019 (Foto JR)

Ich gebe zu, dass es eine Provokation ist, diese Begriffe zusammenzudenken. Aber man darf sich nicht von Vorstellungen eines falschen Friedens ablenken lassen. Es geht um den Widerstand gegen Denkgewohnheiten.

 

Dieses Bild hing im Schlafzimmer meiner Großeltern an der Wand, bis zuletzt, und die beiden Kühe im Stall hatten es gut; das Heu, das sie im Winter bekamen, war handverlesen und gelüftet, aber die Gemeinschaft eines Bären oder Löwen wurde ihnen nicht zugemutet, und mein Großvater hatte kaum Sympathie für den palmwedelnden Kind-Engel. Anders als meine Oma hätte er die Stelle in Jesaja 11 nicht mehr gefunden, vielleicht nicht einmal das Heilige Buch, aus dem das Zitat stammt. In seinem Leben hatte es eine Kehrtwende gegeben. Alles was er brauchte, stand nun in biologisch-dynamischen Ratgebern, maßgeblich war ansonsten – auch für mich in frühen Jahren – ein zerschlissenes Werk mit dem unschlagbaren Titel: „Realienbuch“. Was ich beiden verdanke, – dem Buch wie dem Opa -, war eine unsentimentale Empathie für Tiere.

Daher war ich wohl auch 10 Jahre später so empfänglich für bestimmte Lektüren, die sich mit den Realien der lebendigen, körperlichen Welt abgaben. Das begann in „meinem“ Bezugssystem mit Albert Schweitzer (Bach, Musik, Medizin, Afrika, Tiere, Leben), und verlegte sich dann auf Schopenhauer und Nietzsche, ob ich sie nun verstand oder nicht.

Quelle Schopenhauer: Über die Grundlage der Moral / III. Begründung der Ethik § 19

Man kann getrost ignorieren, was der Autor da – zeitbedingt (1840) – mit dem Wort „foetor Iudaicus“ markieren will: er ist einer der ersten in der Reihe der Philosophen, die sich aller Lebewesen annimmt, die schutzbedürftig sind, auch der Tiere, einer Tradition, an deren Ende heute Peter Singer oder Richard David Precht stehen.

Der direkte Link zum Beitrag der ttt-Sendung folgt HIER

ZITAT Precht ab 1:51 Im 18. Jahrhundert war Botanik das große Thema, weil das eine Möglichkeit war, über Sex zu reden. Also die Befruchtung und Bestäubung der Pflanzen usw. war ein Vehikel, um einen Sexualdiskurs in gebildeten bürgerlichen und adligen Kreisen zu führen. [andere Stimme] Darwin zum Beispiel habe seine Vorstellung von der Evolution im Kapitalismus des viktorianischen Zeitalters entnommen. [Precht] Ich glaube, dass allein die physische Präsenz einer Bibliothek ein anderes Verhältnis zur Bildung vermittelt als nur das schiere Wissen, dass man es nachschlagen kann, wenn es als sinnliches Objekt nicht mehr vorhanden ist. 2:27

Der interessante Gedanke zum Sexualdiskurs wird nicht weitergeführt (Schnitt?). Man kann dies bei Foucault nachlesen, siehe „Sexualität und Wahrheit“  Kapitel I Wir Viktorianer II Die Repressionshypothese, darin 1. Die Anreizung zu Diskursen.

ZITAT ab 3:24 Diese Fische sind viel intelligenter als sie sein müssen. Und sie sind ja nicht deswegen intelligent geworden, weil es die Evolution ihnen abverlangt hat, so intelligent zu werden. Und das ist beim Menschen genau das gleiche, also es gibt ja immer diese Vorstellung, der Mensch wäre in Anpassung an die Umwelt so intelligent geworden, wie er heute ist. Aber alles was wir heute machen, also Symphonien komponieren oder Infinitesimalrechnungen sind keine Anpassung an irgendwelche Umwelten. Das einzige, was uns heute abverlangt wird, ist nur Anpassung an kulturelle Umwelten, aber auch das setzt keine Spitzenleistung voraus, da muss man einfach nur halbwegs sehen, dass man mittelintelligent ist und mit jedem klarkommt. Also so würden sich viele Dinge überhaupt nicht erklären lassen. Sondern in der Evolution setzt sich alles das durch, was keinen tödlichen Nachteil hatte. 4:02 [über Kraken!]

Was wollte ich noch mit der Überschrift…? Manche Menschen weichen aus auf die Tiere, sie lieben Katze und Hund, weil diese manipulierbar sind und Ersatz bieten für die allzu komplexen Verbindungen unter Menschen. Eins habe ich mit Precht gemeinsam: es gab eine Zeit, in der ich Zoodirektor werden wollte (seltsamerweise kam ich nie auf die Idee, mich mit dem Beruf des Tierwärters zu bescheiden). Als weitere Möglichkeit sah ich den Beruf des Försters (Herr über ein riesiges Waldgebiet, aber ohne den Gebrauch einer Flinte). Bei meiner Konfirmation war ich ziemlich strenggläubig, Albert Schweitzer schien mir als Vorbild geeignet, und bei ihm las ich, dass man zugleich Nietzsche lesen „darf“.

ALBERT SCHWEITZER: Ehrfurcht vor dem Leben (und Begrenzung)

 Differenzierung nach Komplexität?

Quelle Albert Schweitzer: Aus meinem Leben und Denken / Richard Meiner in Hamburg 1954 (1931)

FRIEDRICH NIETZSCHE (Morgenröte): Ist es nur Sentimentalität?

 

Quelle Friedrich Nietzsche: Morgenröte / Gedanken über die moralischen Vorurteile / Alfred Kröner Verlag Stuttgart 1952

DOSTOJEWSKI-Lektüre (1959/60): Ich gebe die Eintrittskarte zurück

      

      

Quelle F.M. Dostojewskij: Die Brüder Karamasoff / Aus dem Russischen von E.K. Rahsin / Deutsche Buch-Gemeinschaft Berlin Darmstadt, Wien  (Piper 1925) 1958

Was ist geblieben? Sympathie (Empathie) für das Tier, verkörpert nicht nur in Singvögeln. Skepsis gegenüber Menschen und Ideologien.

 

Texel 2015: Halbwilden Tieren vertrauend (nicht zur Nachahmung empfohlen)

Jürgen Giersch, der Maler (s.a. hier), beschwört Nietzsches Umarmung der vom Kutscher misshandelten Tiere, ein erschütterndes Bild:  die Welt ist aus den Fugen, die ins Licht führende Röhre erinnert an den Aufstieg der Seligen bei Hieronymus Bosch, aber hier ist kein Trost, nicht einmal zwischen den beiden Tieren.

 (©JG 2017,3) bitte anklicken!

… das Unheimliche an dem Vorgang hat mich am meisten ergriffen, denn Nietzsche hatte vorher in der Straße verkündet, daß er Gott sei. Und diese Barmherzigkeit mit dem geschlagenen Tier leuchtet sanft heraus aus der Finsternis seines Wahnes.

An der Nordsee, in St.Peter-Ording hatte ich auch den Pferden zugeschaut, – den Spiegelungen auf dem Fell, – unvergessen ist auch ein großes schwarzes Pferd bei einem lokalen Turnier, auf dem ein etwa zehnjähriges blondes Mädchen saß in einem weißen, von den Hüften abstehenden Rock, wie er auch von Tennisspielerinnen getragen wird. Das große Tier trabte an den Hindernissen vorbei, es gehorchte seiner kleinen Herrin nicht, und doch erschienen mir die beiden als die Sieger… (JG 6.11.2019)

Keine Sieger, aber zu zweit (Langeoog 2013 JR)

Willkommener Besuch im Garten HEUTE MITTAG 16. November 2019 (Foto: E.Reichow)

  

Nachtrag zum Mitleid

Folgenden Artikel lesen: NZZ „Humanismus für alle – warum die Kälte des Herzens den sozialen Frieden bedroht“ 13.1.2020

Mitgefühl für den Schmerz von Fremden ist ein wichtiger Kitt unserer Gesellschaft. Wer sein Herz gegenüber dem Leid anderer verhärtet, um wahnhaft utopischen gesellschaftlichen Idealbildern nachzuhängen, vergeht sich an der Humanität des Menschseins. Von Peter Strasser HIER.

Wikipedia über den Autor hier.

In dem Artikel geht es auch um Peter Handke und um Nietzsche, – zwei Zitate:

1) Nun, mit moralischem Defizit, einem ethischen Nihilismus hat Handkes «Gerechtigkeit für Serbien» gewiss auch zu tun. Doch die Grundlage dieses Defizits ist – und hier wäre weiterzudenken – die Unfähigkeit, Mitleid zu empfinden. Wie ist es möglich, fragt man sich, dass ein begnadeter Autor, der mitten in das postmoderne Getümmel an «Dekonstruktionen» und «Narrativen» eine Fähigkeit zur Naturbetrachtung einbringt, die völlig singulär ist (man lese nur einmal sein Journal «Die Geschichte des Bleistifts», 1982) – wie ist es möglich, dass diese Gabe, uns einen neuen Blick auf die Welt zu schenken, mit einer Fühllosigkeit für die Geschundenen, Gefolterten, Hingeschlachteten einhergeht? Bloss, weil die Westmächte angeblich ein kriegslogistisches Spiel mit dem «Traumland» Titos, das heisst der zerfallenen kommunistischen Diktatur namens Jugoslawien, spielten? Das wäre doch eine absurde Logik! Indessen hat man auch diese schon bemüht, um Handkes poetische Mitleidlosigkeit zu rechtfertigen.

2) Die – vermutlich gut erfundene – Episode über den nervenschwachen Nietzsche ist von weitreichender Bedeutung. Wir empfinden Mitleid, wenn wir das Wesen, das leidet, zugleich als eines erleben, das uns nahesteht. Dabei mag es sich um ein Pferd oder einen Menschen handeln. Auf dieselbe Weise werden wir jedoch kaum jemals Mitleid mit denjenigen empfinden, die als Teil einer Menge oder Masse leiden. Wenn wir an die Männer, Frauen und Kinder denken, welche von den Nazis in die Gaskammern gepfercht wurden, dann beschleicht uns – sofern wir keine Psychopathen sind – ein Grauen, das sich weder in Worte fassen lässt noch eigentlich ein Gefühl zu nennen ist. Wir erstarren innerlich, eine Kälte breitet sich aus, so als ob die Welt des Menschen zu existieren aufgehört hätte.

Von der Zukunft

Digitalisierung und Energieeffizienz

Diese Überschrift klingt abschreckend, das weiß ich. Aber sie kommt ja aus dem Alltag, den ich gern schriftlich „bewältige“. Ob nun – wie heute morgen – im Wartezimmer des Arztes sitzend, wo ich mich durch Flow-Assoziationen abzulenken suche (siehe Foto unten) oder ob ich donnerstags die allzu umfangreiche ZEIT aufschlage, in den Garten gehe oder am Klavier sitze. Und auch dort darauf warte, dass im Praeludium B-dur, das ich übe, endlich die Fingersätze so sitzen, dass ein Flow entstehen kann. Eine Symbiose von Mensch und Klavier (wie Anne-Sophie Mutter in etwa sagte, – Sie erinnern sich? -,  genau, und ihretwegen erwähne bewusst die Geige nicht. Und auch nicht Roger Federer. Noch weniger Jean Biermans‘ Turbo-Levo. Ganz zu schweigen von Michelangelo und der Sixtinischen Kapelle.) Während ich Stinkers Aufstieg studiere (siehe zweites Handy-Foto unten), fällt immer wieder mein Blick auf die Reklame für das neue Buch von Precht (ist er vielleicht mein Federer?), hat er nicht vor ein paar Tagen bei Lanz im ZDF so beispielhaft über die Zukunft gesprochen? … und das Wort Energieeffizienz gebraucht und das Unperfekte am Menschen gelobt, als habe Anne-Sophie Mutter nie existiert? All dem muss ich nachgehen…

Flow Mountainbike April 2018 ZEIT Jessen & Precht 180420 Handy JR

Gespräch bei LANZ ZDF 24. April 2018 (hier), abrufbar nur bis 24. Mai!

Ein Ausschnitt daraus, verschriftlicht:

Philipp Westermeyer (34:03):

Prinzipiell sind wir global gesehen und auch insbesondere in dieser ganzen Digitalisierungsblase auf einem sehr, sehr guten Weg, und so’n bisschen verstellen wir uns grad selber die Sicht und schauen jetzt auf den Datenskandal … und Trump … auf die extremen negativen Auswüchse dessen… Aber: Fundamental wird die Welt … oder ist die Welt dabei, immer besser zu werden, und das finde ich kommt viel zu wenig raus in solchen Gesprächen und auch häufig ehrlicherweise in Ihren Büchern oder so, weil das natürlicherweise auch vielleicht noch spannender anhört, wenn man das alles negativ beschreibt, aber es ist in Wahrheit positiv. (Lanz: Da tun Sie ihm gerade unrecht!)

Richard David Precht:

Also jetzt mal ganz klar, ich hab je eben vorhin versucht zu erklären: Die Vorstellung, dass wir unsere gegenwärtige Arbeitsgesellschaft verändern, hin in eine Gesellschaft, in der keiner mehr existentielle Angst vor Jobverlust haben muss, indem die Menschen durch ein Grundeinkommen abgesichert werden, indem mehr selbstbestimmte Tätigkeit und weniger entfremdete Tätigkeit vorkommt, – das alles sind doch positive Visionen! Das ist doch in keiner Form negativ! Das einzige, wo ich persönlich … es gibt nur einen einzigen Punkt, bei dem ich pessimistisch bin in der ganzen Diskussion, und dieser einzige Punkt ist, dass die Digitalisierung einen wahnsinnigen Energieverbrauch hat und dass diese Energie zu einem erhebliche Teil durch fossile Energien geleistet wird, d.h. also weiterhin durch Kohle, Öl usw., und wenn wir auf diese Weise zulassen, dass sich die Erd[wärm]e noch um zwei, drei weitere Grad erhöhen [wird], dann werden wir die Migrationsströme, die ökologische Katastrophe, den Klimawandel usw. nicht überleben. Und deswegen ist eines der wichtigsten Dinge – und das ist der einzige Punkt, vor dem ich richtig Angst habe – , dass wir die Digitalisierung nicht jenseits der Energiediskussion führen, sondern diese beiden Diskussionen miteinander vertackern, weil es natürlich Möglichkeiten gibt, digital energieeffizienter (achso!) zu arbeiten und Energie zu sparen, aber insgesamt verbrauchen wir bislang durch die Digitalisierung immer, immer, immer mehr Strom.

Philipp Westermeyer:

Aber wenn es eine Chance … oder wenn wir über die nächsten hundert oder tausend Jahre auf dieser Welt leben wollen, und wir werden immer mehr Menschen, wenn das irgendwie klappen soll, dann nur über Technologie! Ohne wird’s eh nicht funktionieren…

Precht:

Ich rede ja nicht gegen Technologie, ich rede… mein ganzes Plädoyer ist nicht gegen Technik zu sein, sondern zu überlegen, was ist der beste HUMANE Ansatz, wie integrieren wir Technologie, wie sorgen wir dafür, dass Menschen nicht irgendwann wie im Silicon Valley in deren Visionen-[?] wir ein defizienter Computer sind in der Wahrnehmung. Wie errechnen wir sozusagen das Mitgefühl, das Menschen ausmacht, das Unperfekte am Menschen, wie lassen wir das in einer Gesellschaft zu, die einem Perfektionswahn unterliegt: Alles das sind die Fragen, die ich habe. Ich möchte die Technik für den Menschen nutzen, und ich will nicht, dass der Mensch irgendwann zum Sklaven der Technik wird. (36:47 Beifall)

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Es haben sich schon viele Leute aufgeregt über den Abgasskandal, ich auch, aber von dieser Seite, die in dem ZEIT-Artikel entwickelt wird, ist er wohl noch nie betrachtet worden. Ich muss mir wenigstens die Sätze notieren, die ich mir – wie man vielleicht oben auf dem Foto erkennt – angestrichen habe. Voller Bewunderung für den Autor Jens Jessen.

Das Ausmaß der Abgaslüge wird im Allgemeinen noch weniger gern berechnet als das Ausmaß der Abgaswolke; wahrscheinlich weil die moralische Katastrophe die ökologische bei Weitem übertrifft. (…)

Im Hintergrund der Dieselaffäre vibrieren Emotionen, die tiefer gehen als der Eindruck von Betrug und Vertuschung. Es sind Gefühle von Kränkung, beschädigtem Stolz, verlorener Unschuld, auch von jäh gestopptem Aufstieg, verflogener Zukunftshoffnung. Sie betreffen tatsächlich nicht nur die Automobilindustrie. Für Deutschland kann man sagen: Sie betreffen die Nation. Es ist interessant zu beobachten, wie nonchalant oder jedenfalls rein juristisch die Verfehlungen der Industrie in Italien und Frankreich behandelt werden. Das liegt nicht daran, dass dort die Empörung in der Sache geringer wäre, sondern dass man den Betrug ohne Verblüffung zur Kenntnis nimmt: Genau so etwas hat man den Konzernen immer zugetraut. Italiener oder Franzosen haben den Schwindel gewissermaßen nicht persönlich genommen, das heißt sich niemals als Teil einer Verheißung gesehen, die dem Dieselmotor Erlösungsqualitäten zumaß.

Wie bitte? Alle Antennen sind aufgerichtet, ich glaube nicht, dass jemand bis hierher gelesen hat, und dann nicht weiterliest bis zum letzten Wort des Artikels. Der Stachel mit dem Nationenvergleich sitzt. Und dann das Wort „Erlösungsqualitäten“, steigt da nicht die Ahnung auf, dass wir als hoffnungslose Romantiker, verkappte Wagnerianer entlarvt werden sollen? Müssen wir uns das gefallen lassen, die wir immer noch als Musterschüler Europas gelten könnten, mit etwas gutem Willen. Und nun – winkt da nicht wieder eine Moralkeule? Ich greife nur noch einzelne Passagen heraus, die also nicht mehr mit logischen Fäden verbunden sein müssen. Man wird den Artikel mit Sicherheit online wiederfinden (mit schönen Leser-Repliken).

Die Hochzüchtung des einst bei allen Völkern verachteten Dieselmotors zu sportwagentauglichen Leistungen spiegelt auf frappante Weise die Zähigkeit, mit der sich Deutschland in der gleichen Zeit zur anerkannten Wirtschaftsmacht Europas hocharbeitete. (…) Alles, was sich über Deutsche sagen lässt, kann man auch über Diesel sagen.

… Denn die gleiche Technik, die den Verbrauch senkte, wurde bald genutzt, um die Leistung nach oben zu treiben. Beides hängt an der sogenannten Literleistung. Wenn man sie steigert, lässt sich bei gleichbleibendem Verbrauch die Leistung erhöhen. Letzteres war der Weg, der den Diesel in die automobile Oberklasse führte und ihn dort die alte Elite der leise und locker laufenden, aber auch fröhlich saufenden Benziner angreifen ließ. So gelang die Veredelung des Unedlen – die Einführung des hemdsärmeligen Proletariers in die bessere Gesellschaft. (…)

So hat der Abgasskandal nicht nur einen Betrug ans Licht gebracht, sondern vor allem etwas, von dem die moderne Gesellschaft niemals hören möchte: die unversöhnbare Widersprüchlichkeit, philosophisch gesprochen die Heterogenität der Zwecke. Man kann nicht alles auf einmal haben, was man jedes für sich gern hätte. Ein auf Leistung oder Sparsamkeit hochgezüchteter Diesel ist nicht sauber, einmal abgesehen davon, dass schon Sparsamkeit und Leistung nicht recht zusammengehen (als absolute Ziele unvereinbar sind). Alles drei auf einmal zu haben aber ist genauso unmöglich, wie es unmöglich ist, alle Mitglieder einer Gesellschaft das gleiche märchenhafte Niveau von Wohlstand und Überfluss erreichen zu lassen, ohne dass die Umwelt zum Teufel geht (und wahrscheinlich schon zuvor das arbeitsteilige Prinzip der Wirtschaft). In dieser übergreifenden Einsicht liegt das gewaltige Entmutigungspotential der Abgasaffäre. (…)

Quelle DIE ZEIT No.18 26. April 2018 Seite 41: Stinkers Aufstieg Warum betrifft die Abgasaffäre eigentlich die ganze Nation? Zur Sozialpsychologie des deutschen Dieselmotors. Von Jens Jessen.

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Und nun müsste dieses Dilemma nur noch mit dem oben aufgetauchten zwischen Digitalisierungsverheißung und Energieeffizienz zusammengebracht – und aufgelöst werden, vielleicht leben wir dann doch einmal in der besten aller möglichen Welten. Oder wollen wir uns etwa auf Voltaires Seite schlagen? (vgl. hier).

Nachtrag 10.05.2018

Weiterführender Ansatz von Philipp von Becker (01.05. 2018) siehe Telepolis HIER. (Dank an JMR!)

ZITAT

Will man die Debatte politisch aufladen, müssten im Kontext von Big Data deshalb nicht allein Fragen der Privatsphäre und des Datenschutzes, sondern auch weitere strukturelle Merkmale und Zusammenhänge der „Datafizierung“ der Welt in den Blick genommen werden. Dabei gilt: Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt, und die Messung der Welt ist auch nicht zwangsläufig ein wertneutrales Abbilden einer „objektiven Realität“, sondern oftmals ein performativer Akt, durch den bestimmte Weltbeziehungen erst neu entstehen beziehungsweise verstärkt und legitimiert werden.

Der Soziologe Steffen Mau hat diesen zentralen Zusammenhang in seinem Buch „Das metrische Wir“ eindrucksvoll analysiert. In den Worten Maus stellen Daten nicht notwendigerweise „Repräsentationen der Wirklichkeit“, sondern vielmehr oft „Repräsentationen von Wertigkeitsordnungen“ dar. Oder anders ausgedrückt: „Zahlen zeigen Wert nicht nur an, sie teilen ihn auch zu.“