Archiv für den Monat: Januar 2024

Repetition Irish Folk

Kennst Du Martin Hayes?

ISBN 9781848272644 TRANSWORLD IRELAND / PENGUIN RANDOM HOUSE UK 2021

Siehe auch 11. April 2018 hier

The Sailor’s Bonnet

4. Juli 2017 hier

Ist es Tommy Potts?

Martin Hayes über Tommy Potts:

3. November 2021 hier

Irish Music 1983 und heute

Und hier folgt der aktuelle Anlass für meine private „Repetition Irish Folk“:

To Fran O’Rourke & Jan (unten: Gruß aus Georgien)

Von alten Zeiten

Die Linien sehen

Einige Notizen zu Dürer und Wölfflin

Antwerpen

Was Wikipedia vermittelt:

Eine Zeichnung ist ein (Ab-)Bild, das ein Motiv (Sujet) in vereinfachender Weise mit Linien und Strichen darstellt. Dies unterscheidet Zeichnungen von der Malerei, welche ein Motiv durch den flächenhaften Einsatz von Farben und Tonwerten darstellt.

Linie

Grundtechnik der Zeichnung ist das Zeichnen einer Linie. Die Konturlinie oder Umrisslinie markiert die Grenzen, den Umriss, eines Gegenstandes und charakteristische Kontraste, wie sie sich zum Schatten ergeben. Ohne jede Schattierung lassen sich so die Grundzüge eines Gegenstandes festhalten, beispielsweise die Umrisse einer Frucht, die sich von ihrem Hintergrund abgrenzt, und Falten, die ja nichts weiter sind als kontraststarke Schatten. Die Binnenlinie zeigt die Struktur eines Gegenstandes innerhalb seiner Kontur. Auch bei nicht-gegenständlicher Darstellung ist die Linie das hervorstechende Merkmal, auch wenn in der modernen Zeichnung die Grenzen nicht immer eindeutig zu ziehen sind.

Die Linie als das spezifische Charakteristikum der Zeichnung hat historische Entwicklungen durchlebt: Obgleich die Linie als individuelles Markenzeichen jedes Zeichners anzusehen ist, gab es in der Renaissance einen allgemein anerkannte Linientyp, die „schöne“ Linie, die rund, schwingend oder kurvig war. Darüber hinaus existierten gerade und starre Linientypen im Bereich des architektonischen Zeichnens. Der volle Linienreichtum entstand mit dem Impressionismus, weil sich die Beziehung zum beschreibenden Gegenstand lockerte. Eine „Befreiung der Linie“ hin zur gegenstandslosen Zeichnung erfolgte erst im 19. Jahrhundert, etwa im Werk von Honoré Daumier. Die bis dahin dominante schön-kurvige Linie wurde nun um bisher als nicht bildwürdig erachtete eckige, sperrige und ruinöse Linientypen ergänzt. Neue Ausdrucksmöglichkeiten der Linie fanden sich überdies im Werk von Paul Klee und der expressiven Zeichnung Pablo Picassos.

Schraffur

Die Schraffur setzt den zeichnerischen Gedanken der Linie in der Fläche fort. Sie wird eingesetzt, um in der Zeichnung räumliche Effekte (Plastizität) und unterschiedliche Tonwerte darzustellen. Dazu werden in gleichmäßigen Abständen dünne Linien in einem Winkel schräg zur Hauptlinie gezogen. In der reinen Zeichnung ist es verpönt, dabei die Linien so eng zu ziehen, dass sie verschmieren – zum Beispiel durch einen schräg gehaltenen Bleistift – weil damit die Grenze zu Malerei als einem flächigen Arbeiten überschritten wird. Man nennt das „schummern“. Mittlerweile ist aber auch dieses flächige Arbeiten mit Graphit und Kohlestiften weit verbreitet.

Weitere Abstufungen in den Tonwerten lassen sich durch eine zweite Schraffur erzeugen, die leicht versetzt über die erste Schraffur gesetzt wird und deren Linien kreuzt. Man spricht deshalb auch von Kreuzschraffur. Mit dem Mittel der Kreuzschraffur lassen sich bei gleichbleibender Linienstärke viele verschiedenen Schattierungen und Tonwerte erzeugen. Besondere Bedeutung hat die Kreuzschraffur beim farbigen Arbeiten, weil durch verschiedenfarbige Schraffuren neue Farben erzeugt werden können.

Quelle Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Zeichnung_(Kunst) hier

Entdeckung im Bücherschrank:

 

Kloster Säben Geschichte Nemesis „Das große Glück“ (diese Landschaft?)

Zunächst wollte ich nur Näheres über die Linie wissen, nachdem ich die interessanten Ausführungen von Heinrich Wölfflin gelesen hatte, dann über Dürer, der mich immer angezogen, aber auch abgestoßen hat. Was ganz sicher an der Fremdartigkeit seiner Lebenswelt lag (ohne dass ich dieses psychologische Thema vertiefen wollte). Nun halte ich es  in Bewegung:

wbg – was ist inzwischen aus der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft geworden? Siehe hier.

Venus als älteste Menschenfigur

Was unterscheidet Mensch und Tier?

Schauen Sie nur, diese ominöse Figur da unten ist zwischen 35.000 und 40.000 Jahre alt. Die gesuchte Grenze aber wird viel früher gezogen. „Spätestens mit dem Australopithecus lassen sich unsere Vorgänger  von den tierischen Vorfahren etwas abgrenzen.“ Etwas! Was ist denn das, was wir als Kriterium benutzen könnten? (Der aufrechte Gang, der uns erlaubt, die Hände frei zu gebrauchen?)

Sicher erschrecken wir, weil wir bei offensichtlichen Nacktdarstellungen gern den Pornoverdacht äußern. Wie bitte? Und das ohne Hand und Fuß, vor allem: ohne Kopf? Durchaus, damals stand zweifellos Wichtigeres im Vordergrund. Zum Beispiel: wie kann ich die Geburt eines neuen Menschen schützen? Schauen Sie mutig der Gefahr ins Auge, hier: Venus vom Hohle Fels und Venus vom Galgenberg. Stichwort: Interpretationen.

In der Paläolithforschung besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass die figürliche jungpaläolithische Kleinkunst ausschließlich mit dem anatomisch modernen Menschen (in Europa auch Cro-Magnon-Mensch genannt) in Verbindung steht. Insgesamt gibt es etwa 600 figürliche Kunstwerke von mindestens 20 Fundstellen aus der Zeit zwischen 40.000 und 30.000 BP, hingegen kein einziges figürliches Kunstwerk aus der Zeit davor. Die mögliche kulturelle Beeinflussung des Neandertalers durch den Cro-Magnon-Mensch beschränkt sich auf wenige, nicht figurale Schmuckobjekte des Châtelperroniens.

Eine 2010 erschienene Erzählung unter Mitwirkung des Grabungsleiters Nicholas Conard zeichnet ein anderes Bild: In dieser Dokufiktion hat eine junge Neandertalerin die „Venus aus dem Eis“ geschnitzt, nachdem sie von einer Cro-Magnon-Gruppe gerettet wurde und sich in kurzer Zeit kulturell assimiliert hat. Eine Rezension in der FAZ wies auf unplausible Aspekte dieses Szenarios hin. Nach Ansicht von Conard könnten Theorien zur Entstehung der Figur aufgrund der vorliegenden Daten jedoch „weder bestätigt noch widerlegt“ werden, da in den Höhlen der Schwäbischen Alb bislang keine zugehörigen Menschenreste gefunden wurden.

Quelle: Wikipedia (Links s.o.)

Gerade dieser zuletzt genannte Forscher Conard, Nicholas Conard, ist es, dessen Name uns hätte alarmieren können, als er in der neuen ZEIT ein Ganz-Seiten-Gespräch der Rubrik WISSEN schmückte. Denn die Antwort auf die Titelfrage glaubten wir doch wohl längst zu wissen… glaubten wir…

So fragt man wohl, ohne wie früher vorschnell zu antworten: der Werkzeuggebrauch macht den Unterschied.

Verachtet mir die Tiere nicht! – Und doch – was wäre es dann, das uns von ihnen unterscheidet?

Ja, und vorher, was war der Schritt vom Tier zum Menschen?

Die Antwort hat mich stutzen lassen, das habe ich noch nie gehört: wirklich menschenähnliche Wesen benutzen nicht nur Werkzeuge (wie u.a. Schimpansen oder auch Krähen), sie benutzen ein Werkzeug, um andere Werkzeuge herzustellen. „Erst dieser Prozess von Arbeitsschritten führt dazu, dass neue Geräte und damit neue Technologien entstehen,“ sagt Conard, und weiter (ganz wichtig!): „Solche Fähigkeiten werden von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Wir Archäologen sprechen von «tool to make a tool»  – das gibt es in sehr ausgeprägter Form beim Menschen.“

Was für ein komplexes Denken gehört dazu, ein Werkzeug etwa zu dem Zweck einzusetzen, eine Flöte nach präzisen Klangvorstellungen herzustellen. (Die Vögel sangen schon!) Das wesentliche Ziel bestünde in ungreifbaren, hörbar übermittelten Gestalten, vergleichbar allenfalls den Umrissen der Höhlenmalerei…

Der entscheidende Punkt:

Primär geht es um sozial tradiertes Verhalten. Von kumulativer Kultur spricht man, wenn Informationen, Kenntnisse oder Fähigkeiten bewusst weitergegeben werden (…)

In den meisten Dingen stecken Erfahrungen und Know-how aus Jahrhunderten, gar Jahrtausenden. Wir nutzen Bücher, Autos, Heckenscheren, Smartphones, weil der Mensch die Fähigkeit besitzt, Informationen über Generationen zu akkumulieren. Unsere individuelle Kompetenz ist winzig, aber wir sind groß in unserem kulturellen Wissen. (…) Darin steckt ein beeindruckender Aufbau über extrem lange Zeiträume. Unsere Kultur ist nicht von heutigen Individuen erfunden worden.

Und dann, fast beiläufig, kommt das Schlüsselwort, das eine ganze Philosophiegeschichte der Menschheit aufruft:

Ein weiteres wichtiges Merkmal der menschlichen Kultur ist die Symbolik. Anzeichen dafür gibt es seit mindestens 100.000 Jahren.

Ich habe den Satz hervorgehoben, weil er mir unendlich viel bedeutet. Ich will das anhand früherer Blogartikel belegen, in denen ich dieser Entdeckung immer wieder nachgegangen bin, – aus Angst, ich könnte diese Einsichten vergessen oder vernachlässigen.

Einübung in die Welt der symbolischen Formen

Symbolische Formen

Und jetzt, mit einem gewissen Abstand:

Vom Kosmos

Zurück zum ZEIT-Gespräch mit Nicholas Conard: was mich begeistert, ist natürlich die Tatsache wie all die verschiedenen historischen Einsichten miteinander zusammenhängen. Obwohl es zunächst scheint, als fixiere ich mich willkürlich auf einige heterogene Themen, um sie „autobiographisch“ zu beschweren. In Wahrheit entdecke ich, dass meine Autobiographie sozusagen am Anfang der Menschheit beginnt.

Und was ich ganz oben schrieb, – über die Bedeutung des weiblichen Torsos, genannt „Venus vom Hohle Fels“ -, war ja bereits geschuldet der ersten Lektüre des Conard-Textes, es erschien mir erst nach der Rückkehr zum Anfang (inzwischen hatte auch Wikipedia eine erhellende Rolle gespielt) als mein eigenes Geistesprodukt, – weit gefehlt, ich verdanke sie natürlich seiner Deutung:

ja!

Nun werde ich auch weitere Stichworte zur frühesten Kunst verlinken, um Stoff für absolut eigene Gedanken zu haben, steinzeitlich verankert:

Zum Beispiel zu den Innenräumen von Chauvet, sowie Vogelherdhöhle, Steinzeit-Flöten aus Schwanen- oder Geierknochen undsoweiter …

Und ganz besonders zu weiteren Teilen des klugen Gesprächs:

Quelle: DIE ZEIT 11.01.2024 Seite 35 „Unterscheidet sich der Mensch wirklich vom Tier, Herr Conard?“ –  Wir benutzen Werkzeuge und zeigen komplexes Sozialverhalten – genauso wie Krähen, Schimpansen und Delfine. Und doch ist der Homo sapiens einzigartig. Der Archäologe Nicholas Conard erforscht, warum.

Ethno-Film

Wie kommt man eigentlich zu solchen Spezialinteressen?

Rekapituliert nach der Lektüre von Eliot Weinbergers Essay in „Kaskaden“ Seite 219 ff und (über Ash und Chagnon) Seite 236 ff „Die Kameramenschen“:

Quelle Eliot Weinberger: Die Kameramenschen (engl. 1995) / in: Kaskaden, Essays, edition Suhrkamp Frankfurt am Main 2003

Beginn dieses Filmes („Moana“)

https://de.wikipedia.org/wiki/Moana_(Film) hier

Yanomani – Yanumamö ?

Towards an Indigenous economics

darin:

„These descriptions are also echoed by Phil Agland in his TV documentaries on the Baka tribe in the rainforest of Cameroon.“ ( Siehe auch oben bei Weinberger, auf gescannter Seite)

The Ax Fight thus operates on several levels. It plunges the viewer into the anthropology of Yanomamö kinship, alliance, and village fission; of violence and conflict resolution. At the same time it raises questions about how anthropologists and filmmakers make sense of and translate their experience into meaningful words and coherent, moving images.

https://store.der.org/the-ax-fight-p180.aspx hier –  –  –  bei Weinberger Seite 237 f

https://www.livinganthropologically.com/yanomami-science-violence-empirical-data-facts/ hier

https://www.polsoz.fu-berlin.de/ethnologie/studium/magister/visuelle_anthropologie/media/Filmarchiv_IfE.pdf hier

Im Zusammenhang mit meinen fernen, ersten Bali-Eindrücken (aus Bielefeld Ende der 50er?) der Murnau-Film TABU

https://www.deutsche-kinemathek.de/de/sammlungen-archive/sammlung-digital/murnaus-tabu hier

Die nachdrücklichsten, späteren Eindrücke von ethnischen Realitäten: anhand der LP von Ivo Strecker „Musik der Hamar“ und einer persönlichen Begegnung mit ihm im Büro WDR Köln.

Text-Beispiele

Im Schallplatten-Cover fand ich noch einige Papiere, die ich damals gesammelt hatte; ich kopiere 2 Seiten, um mich hier daran zu erinnern (es würde sich lohnen, den Artikel später vollständig zu scannen):

Im TV habe ich eines Nachts (vor Jahren, aber unvergessen) „Dukas Dilemma“ gesehen. Intensiv und ethnologisch eindringlich. Leider im Internet nicht auffindbar…

http://www.interview-im-dokumentarfilm.de/filmemacher/ivo_strecker hier

https://www.cinema.de/film/dukas-dilemma,1293533.html hier

http://www.ityopis.org/Issues-Extra-1_files/ityopis-extra-strecker.pdf

Die folgende Arbeit zu studieren, habe ich mir vorgenommen: https://eprints.soas.ac.uk/35510/1/Trojer_2021.pdf – ich stieß darauf bei der Suche nach Ivo Streckers Film, er wurde im Literaturverzeichnis aufgeführt:

Strecker, Ivo. 1988. ‘Filming among the Hamar’. Visual Anthropology 1 (3): 369–78.
https://doi.org/10.1080/08949468.1988.9966494 hier. (nur abstract)

Statt eines Nachwortes (ein Brief, der mich per Facebook erreichte):

„Visuelle Anthropologie“ war in den 1980-90ern ein in der Kölner „Völkerkunde“ hochaktuelles Thema. Kurt Tauchmann hat damals Semester-weise Seminare dazu gehalten und über das IWF zahlreiche Filme als Kopien besorgt: Dziga Vertov, Robert Flaherty, Robert Gardener, Ivo Strecker etc.etc. Alle in voller Länge gesehen.
War eine tolle Zeit, in der ich viel für meine eigenen späteren Video-Projekte habe lernen können.
Nur Tauchmanns zahllose ‚Filterlose‘ (Rothändle, Reval) waren in den Vortragsräumen (!) ‚gewöhnungsbedürftig‘ … so etwas ist heute undenkbar … die Filmseminare leider auch …

 

*    *    *

Was mich persönlich betrifft: Woher kam die Leidenschaft („Interesse“ wäre zu wenig gesagt) für das Ethnische der Südsee? Kindheit! Es war nicht die exotisch-erotische Wirkung, die im Westen überhaupt eine Rolle gespielt haben mag. (Das kam vielleicht später hinzu.) Über das Märchenhafte hinaus, mit einer starken Prise durchaus ethnologischen Stoffes: zunächst – in der Zeit, als ich gerade lesen konnte (Lohe): „Robinson Crusoe“, dann unbedingt: „Mut, Mafatu“: alles daran war wichtig, das Fremdartige, die vergleichbare persönliche Situation (?), das zur Identifikation Einladende, die Einsamkeit, die Umwandlung der Schwächen in Stärken, die Verbundenheit mit den Tieren (Hund und Vogel), die Bewährung in Abenteuern, die Rückkehr nach Hause, die Anerkennung durch den Vater (!).

 

Viele Szenen, ganz besonders aber den Schluss habe ich oft in der Phantasie nachgespielt, war allerdings nicht ganz zufrieden damit, dass all dies weit in der Vergangenheit zurückliegen sollte, und las immer wieder in den „enzyclopädischen“ Anhang hinein, der mich etwas überforderte.

1 gute Tat zum Jahresanfang (Fuge in D)

(Nicht dramatisch, gehört zu den normalen Vorsätzen)

Diese majestätische Fuge in BWV 850 ist nicht so einfach zu „verstehen“, wie es mir bisher schien, – und dann doch wieder sehr einfach.

Die Fuge in D-dur (BWV 850) aus dem ersten Band des Wohltemperierten Klaviers, – die Kroll-Ausgabe, ein anonymes Geschenk 1960 (bereitgelegt in der Berliner Hochschule auf dem Tisch der Garderobe); sie hat sich seitdem bewährt, nur nicht in dieser Fuge, die ich bis dahin aus der Czerny-Ausgabe meines Vaters geübt hatte. Diese neue Version (mit guten Fingersätzen) schien mir insgesamt unantastbar, ich habe sie neu binden lassen und im Laufe der Jahre alle Praeludien und Fugen daraus erarbeitet, gelegentlich auch die Integrität des Notentextes überprüft, – aber hier wollte ich keine Fehler entdecken, – und einfach weiterüben. Die Noten zerfallen allmählich, besonders der erste Teil. Neuer Vorsatz Neujahr 2024: neue Noten, kritische Urtext-Ausgabe mit guten Fingersätzen. Erster Schritt jedoch – Nachbesserung in der seit „Urzeiten“ geübten Fuge in D-dur. Sie ist nicht so einfach wie sie aussieht. Durchführung / Zwischenspiel / Durchführung / Zwischenspiel / „übersteigerte Scheindurchführung“.

Das Praeludium (siehe hier und vor allem hier) ist seit Jahren mein Prüfstein der Fingerfertigkeit, sowohl die rechte Hand allein (Fingersatz!), als auch dieselbe Stimme mit der linken Hand (Fingersatz!), dann auch in Oktaven (langsam). Dagegen erscheint die Fuge wie ein Kinderspiel. – Weit gefehlt. Jetzt erste entdecke ich meine mit Bleistift eingetragene Änderung unten auf der ersten Seite, Verweis auf Czazkes … hatte ich sie für gegenstandslos oder beliebig gehalten? Nein, ich fand es gut, wie hier im Bass die Themenversion des 1. Taktes zitiert (!) wird. „Vor-echo“ des Sopraneinsatzes. Endlich ein Punkt, in dem Czazkes mal nicht recht hat.

Ich gehe noch einmal mit Rotstift an seinen Text, sehe die alarmierende Anmerkung, und selbst die früher nicht geglaubte Analyse der Fuge will mir heute einleuchten, – was für ein Esel ich doch war! (Sogar die schwer lesbare, aber gerade an dieser Stelle gut entzifferbare Kopie des Faksimiles lag mir vor – dank Adlatus Wolfhard Wirtz: Anfang des dritten Systems. Später auch die kleine Taschenpartitur aus Budapest, letzter Takt unten rechts. Ich wollte es nicht sehen! und ließ es ungeprüft.)

Praeludium und Fuge hören:

Die folgenden analytischen Markierungen in der Fuge ( B, S, A = die realen 3 Stimmen Bass, Sopran und Alt, sowie die Durchführungen I,II,III,IV) verdanke ich zum Teil der Lektüre der recht komplizierten Gedankenentwicklung in der Analyse von Ludwig Czazkes, ziehe allerdings Folgerungen, die dort so nicht stehen. Sie entsprechen lediglich den formalen Vorstellungen, die mir beim Spielen hilfreich erscheinen. Z.B. der Hinweis auf die Mitte, der die Bedeutung des oben behandelten Oktavsprunges ins Licht hebt und auch der Sonderstellung der „überlangen“ Durchführung  IV entspricht. (Sie umfasst zugleich eine neue Verarbeitung des Zwischenspiels und eine gesteigerte „Reprise“ des Bassthemas in der Grundtonart.) Darüber wird noch zu reden sein.

Czazkes macht mit fremden Analysen meist kurzen Prozess, und meistens hat er recht:

Nachdem ich eingesehen habe, dass im Bass des Taktes 13 der Oktavsprung ein bemerkenswertes Signal darstellt (Mitte) – auch:  dass hier die Durchführung IV beginnt, obwohl dadurch die Durchführung III „zu“ kurz wirkt – auch: dass das „Vor-Echo“ in Takt 13 dem in Takt 11 entspricht -, erkenne ich auch, dass es nach der Themen-Folge der Durchführung IV (mit Kadenzerweiterung in Takt 16) einer bemerkenswerten Kraftanstrengung bedarf, den mit Hilfe des Zwischenspielmotivs gestalteten Höhepunkt der Fuge (Takt 24 +25) aufzurufen: sie ist markiert durch die Interjektion des Dezimsprungs im Sopran Takt 17, der den Oktavsprung im Bass des Taktes 13 überbietet und: eine Phase himmlischer Ruhe einleitet, indem er zugleich das Zwischenspielmotiv (aus Takt 9) in der Basslage anheben lässt…

Warum der Ausdruck „überlange“ Durchführung IV? So wie das Zwischenspiel, das den Takten 9 und 10 folgte, zu den Durchführungen I und II gehört, so gehört die Wiederkehr in den Takten 17 ff zu dem Gespann der Durchführungen III und IV, gewissermaßen (wie Czazkes andeutet) mit überzähligem Bass-Einsatz in Takt 24. Man kann in diesem Höhepunkt natürlich auch die krönende Coda der Fuge sehen!

Zu beachten der (revolutionäre) Quartaufstieg im Bass: H – E – A – D – G → , Fortsetzung folgt, ich möchte glauben, mir vertraut seit … wieviel Jahren?

Quelle Ludwig Czazkes: Analyse des Wohltemperierten Klaviers, Form und Aufbau der Fuge bei Bach, Wien I: 1956, II: 1956 (unveränderte 2.Auflage Wien 1982)

Universalien in der Musik?

„Auf der Suche nach den Universalien“ (JR 2010)

Quelle Musikforum Januar 2010

Während ich diese Rekapitulation abschließe (am Geburtstag meines Großvaters Heinrich Arnhölter 3.1.1887), bringt die Post das folgende Buch, das beweist, dass ich in der Gegenwart lebe, bestellt von einem, der am 1.4.1966 geboren wurde (nachdem sein eben erwähnter Urgroßvater am 14.1.1966 gestorben war).

mehr zu Navid Kermani hier