Kondensstreifen und anderer Zauber
Die folgenden Fotos habe ich im September 2019 in Südtirol gemacht, in diesem Jahr habe ich vergeblich Ausschau gehalten, – Corona hat den Flugbetrieb minimiert.
Ich hatte damals noch nicht davon gehört, dass sich auch Verschwörungstheoreriker dieses Phänomens annehmen, heute gab es mal wieder allerhand Aufklärung bei Lesch & Steffens, allerdings findet man im Fall der Kondensstreifen in einer anderen Quelle ein etwas anderes Ergebnis: HIER.
Ich will kein Misstrauen säen, aber etwas hat sich in den Sendungen der beiden Autoren verändert. Sie versuchen die Inhalte anders zu „verkaufen“, vermutlich im Bemühen um noch größere Volksnähe, sie inszenieren sich, bemühen sich in kurzen Dialogen als Selbstdarsteller. Unnötig. Schon glaubt man ihnen nicht mehr aufs Wort und schaut zur Kontrolle – ins Internet. (Nein, Quatsch!) Die Forscherin Giulia Silberberger (ab 17:30) blieb natürlich, Pluspunkt, dass sie beiläufig ihre private Erfahrung mit Zeugen Jehovas einbrachte. (Unter Verschwörern werden Neulinge mit Liebe überschüttet, Zweifler mit „hate bombing“. Ich denke zurück an unsere Begegnung am Völser Weiher hier . Die eigene Anfälligkeit für wirre Fakten, wenn die Übermittlerinnen „nett“ sind, aus Ostberlin kommen und Angst haben.
Gestern sah ich ein Buch ihres Vordenkers Sucharit Bhakdi als Nr.1 Sachbuch auf der SPIEGEL-Bestsellerliste). Ein anderes (von Harari) würde ich sofort kaufen; es ist nicht etwa schlecht, weil es auf dieser Liste steht. Ansonsten sehr aufschlussreich auch die Reaktionen der Zuschauer im Anhang des obigen Youtube-Videos. Viele „überlegene“, leicht gönnerhafte Konsumenten. (Extern hier)
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Heute Lektüre beendet: Charles Taylor. „Multikulturalismus und die Kultur der Anerkennung“. Hervorragend! Problematik der Rechtslage von Minderheiten auch in vernünftigen Demokratien. Einleuchtendes Beispiel Kanada (Quebec). Man ist begierig die anschließenden, im Buch abgedruckten Kommentare zu lesen. Und am Ende Jürgen Habermas. Siehe hier „Mensch und Menge“. Und nochmals – eingedenk der Anregung – Süddeutsche Zeitung / Thomas Steinfeld vom 23. September.
Nachtrag 22.10.2020
Zitat aus dem abschließenden Essay des Taylor-Buches von Jürgen Habermas (S.149):
Juristen haben den Vorzug, normative Fragen im Hinblick auf Fälle zu diskutieren, die zur Beschlußfassung anstehen; sie denken anwendungsorientiert. Philosophen entziehen sich diesem dezisionistischen Druck; als Zeitgenossen klassischer Gedanken, die sich über mehr als zweitausend Jahre erstrecken, verstehen sie sich ungeniert als Teilnehmer am ewigen Gespräch. Um so mehr fasziniert es, wenn dann doch einmal einer wie Charles Taylor versucht, seine Zeit in Gedanken zu fassen und philosophische Einsichten für politisch drängende Fragen des Tages fruchtbar zu machen. Sein Essay ist ein ebenso seltenes wie brillantes Beispiel dieser Art, obwohl (oder besser: weil) er nicht die modischen Pfade einer „angewandten Ethik“ beschreitet.
Kapitelüberschrift: Immigration, Staatsbürgerschaft und nationale Identität.
Aus dem Kommentar von Michael Walter (Seite 93) stammt die zusammenfassende Beschreibung der zwei Liberalismus-Formen:
Meine Frage gilt den beiden Arten von Liberalismus, die Taylor beschrieben hat und die ich hier noch einmal kurz skizzieren möchte. Die erste Art von Liberalismus („Liberalismus 1“) setzt sich so nachdrücklich wie möglich für die Rechte des Einzelnen ein und, gleichsam als logische Folge hiervon, auch für einen streng neutralen Staat, also für einen Staat ohne eigene kulturelle oder religiöse Projekte, ja sogar ohne irgendwelche kollektiven Ziele, die über die Wahrung der persönlichen Freiheit und körperlichen Unversehrtheit, des Wohlergehens und der Sicherheit seiner Bürger hinausgingen. Die zweite Art von Liberalismus („Liberalismus 2“) läßt zu, daß sich ein Staat für den Fortbestand und das Gedeihen einer bestimmten Nation, Kultur oder Religion oder einer (begrenzten) Anzahl von Nationen, Kulturen und Religionen einsetzt – solange die Grundrechte jener Bürger geschützt sind, die sich in anderer Weise (oder gar nicht) engagiert oder gebunden fühlen.
Taylor gibt der zweiten Art von Liberalismus den Vorzug, auch wenn er diese Wahl in seinem Essay nicht ausführlich begründet. Man muß beachten, daß der Liberalismus 2 permissiv und nicht in jeder Beziehung festgelegt ist: Liberale der zweiten Art, so schreibt Taylor, „sind bereit, die Wichtigkeit bestimmter Formen der Gleichbehandlung abzuwägen [ohne dabei irgendwelche Grundrechte in Frage zu stellen] gegen die Wichtigkeit des Überlebens einer Kultur, und sie entscheiden dabei bisweilen [Hervorhebung von mir] zugunsten der letzteren“. Dies bedeutet offenbar, daß Liberale der zweiten Art sich manchmal auch für den Liberalismus der ersten Art entscheiden. Der Liberalismus 2 hält sich verschiedene Optionen offen, und eine von ihnen ist der Liberalismus 1.
Das scheint mir richtig zu sein. (…)
[Taylor] würde, so vermute ich, die Ausnahme machen, die die Bewohner von Quebec verlangen: er würde Quebec als „eine Gesellschaft mit besonderem Charakter“ anerkennen und zulassen, daß sich die Provinzregierung für den Liberalismus 2 entscheidet und dann (innerhalb bestimmter Grenzen: sie kann Plakatwerbung in französischer Sprache verlangen, aber sie kann englische Zeitungen nicht verbieten) im Sinne der Bewahrung der französischen Kultur aktiv wird. Aber genau das bedeutet ja eine Ausnahme machen; die kanadische Bundesregierung würde sich das Projekt von Quebec oder ein anderes ähnliches Projekt nicht zu eigen machen. Gegenüber allen ethnischen Gruppen und Religionen in Kanada bleibt sie neutral; sie verteidigt also einen Liberalismus der ersten Art.
Ich habe so ausführlich zitiert, weil ich eine andere Form des Sonderweges im Sinn habe, die mich anhand einer wissenschaftlichen Arbeit beschäftigt: Prinzip „Breton Girl“ Folk mit impliziter Ideologie dessen, was schottisch ist, Cape Breton, Nova Scotia. (JR)