Archiv der Kategorie: Gesellschaft

Aus dem Alltag in Oberägypten

Dies ist kein alltäglicher Beitrag eines Reisenden im fremden Land. Man erfasst dergleichen nur, wenn man dort lebt und tieferen Einblick gewonnen hat. Manches bleibt uns ganz fremd, andere Phänomene wird man heute noch ganz ähnlich in ländlichen Gegenden Europas finden, wenn man sie zu entschlüsseln versteht. Von Dr. Hans Mauritz – wir kennen uns seit unserer gemeinsamen Schulzeit in Bielefeld – habe ich oft genug den verständnisvollen Umgang mit verschiedensten Sichtweisen erlebt. Er hat ihn beim jahrelang geübten Wechsel der liebgewordenen Umgebungen erworben: in Deutschland, Frankreich, in der Schweiz, in der Toskana und in Oberägypten. Und dieser Teil Ägyptens ist durchaus nicht zu verwechseln mit Kairo oder anderen Punkten der arabischen Welt.

Ich danke meinem alten Freund für die Überlassung dieses interessanten Textes und empfehle der Aufmerksamkeit auch seine anderen Essays, die in diesem Blog wie auch in dem letzten Link der Anmerkungen (s.u.) zu finden sind.

Der Böse Blick العين

Ein Essay von Hans Mauritz

Wer in Oberägypten (1) lebt und mit Einheimischen befreundet ist, wird recht bald feststellen, dass der „Böse Blick“ etwas ist, an das man glaubt und dessen Auswirkungen man fürchtet. Eine Umfrage, die in der Türkei gemacht wurde, ergab, dass 84% der Befragten den Bösen Blick fürchten. (2) In Syrien sind praktisch alle Menschen überzeugt, dass es dieses Phänomen gibt. (3) In Ägypten und speziell bei uns im Süden dürfte es nicht anders sein. Bekanntlich glaubt man oder hat in der Vergangenheit überall auf der Welt an den Bösen Blick geglaubt, von Mesopotamien und dem pharaonischen Ägypten über Indien, China, den Orient, Afrika und ganz Europa. Das Wort für diesen Zauber ist in allen Sprachen präsent: the Evil Eye, le Mauvais Oeil, il Malocchio. Freilich wird der Böse Blick bei uns im Westen heute selten erwähnt. Selbst wer daran glaubt, neigt dazu, sich „aufgeklärt“ zu geben und nicht zu seinem „Aberglauben“ zu stehen. Dass dies in Ägypten anders ist, hat damit zu tun, dass die Realität dieses Zaubers von der Religion bestätigt wird. Dass es den Bösen Blick wirklich gibt, bezeugt ein Ausspruch des Propheten: العين حقّ (al-‘ain haqq) , „Der Böse Blick ist eine Tatsache“. (4) Einer meiner Bekannten, von dem man weiss, dass er dem Alkohol zuspricht, verursacht einen Autounfall. Statt mit sich selbst zu hadern, sieht er den Grund in einer Ursache, die ihn selbst frei spricht: im Bösen Blick. Ein anderer erleidet gleich zwei Schicksalsschläge: seine Frau verlässt ihn und seine Lämmer sterben. Auch er identifiziert als Ursache seines Unglücks dasselbe Phänomen. Der weit verbreitete Glaube gibt ihm Recht: dem Blick missgünstiger Menschen traut man zu, Liebe und Freundschaft zu zerstören und Vieh krank werden und sterben zu lassen.

Der Böse Blick wird in Ägypten mit dem Wort عين „‘ain“ benannt, das „Auge“ heisst und zugleich das böse, neidische Auge meint. Das Wörterbuch der ägyptischen Sprache übersetzt das Wort mit „the evil eye, the capacity for harming people by regarding them enviously“. (5) In der Tat wird der Neid الحسد (al-hasad) dafür verantwortlich gemacht, dass jemand einem anderen durch einen bösen Blick Leid zufügt. Deshalb wird dieser auch عين الحسد oder عين الحسودة (Blick des Neides) genannt. Wer ein kostbares Objekt, ein wohlgenährtes Tier oder ein schönes Kind mit Bewunderung und Neid anschaut, kann bewirken, dass die Vase zerspringt oder das Tier oder der Säugling erkrankt und stirbt. المحسودين „al-mahsûdîn), die „Beneideten“ und Opfer des Bösen Blickes, sind meistens Personen in ganz bestimmten Lebenssituationen. Schwangere und Wöchnerinnen sind gefährdet oder Brautleute im Moment ihrer Hochzeit. Sein Glück und seinen Erfolg, seinen Reichtum oder seinen sozialen Rang zu zeigen, kann riskant sein. Es empfiehlt sich, besonders Wertvolles zu verbergen. In Anwesenheit „verdächtiger“ Personen sollte man seine teuren Kleider und seinen Schmuck nicht tragen und nicht mit seinen Kindern und deren Schönheit prahlen.

Zu den Situationen, in denen Vorsicht geboten ist, gehört das Schreiten über eine Türschwelle (dort könnte ein böser Zauber versteckt sein) oder die Begrüssung und Verabschiedung von Gästen: unter sie könnte sich ein Unbekannter mischen, der von Neid und Missgunst angetrieben ist. (6) Auch unter den Neidern, الحاسدين “ (al-hâsidîn), den Verursachern des Bösen Blickes, gibt es besondere Kategorien. Man erkennt sie an ihrem Äusseren, weil sie blauäugig, einäugig sind oder schielen. Man verdächtigt Frauen, deren Körper behaart ist, oder Männer, die umgekehrt erstaunlich unbehaart sind. (6) Wenn eine Frau ein Jahr nach ihrer Hochzeit immer noch nicht schwanger ist, fürchtet man, dass sie Opfer des „al-‘ain“ ist. Sterilen und unverheirateten Frauen traut umgekehrt man zu, andere mit dem Blick des Neides zu schädigen oder eine Hexe oder einen Zauberer damit zu beauftragen. Eine junge Frau, die mehr als 20 Jahre alt ist, kann bereits als „alte Jungfer“ gelten und beargwöhnt werden (7).

Wer arm und benachteiligt, ein Versager ist, wessen Kinder keinen sozialen Aufstieg schaffen wie die Kinder seiner Nachbarn, wird gemieden, weil man seinen Neid und seine Rache fürchtet. Der neidische Blick kann absichtlich erfolgen, aber auch ungewollt und unbewusst. Wir Fremden in Ägypten sollten vorsichtig sein. In Europa ziemt es sich, fast überschwenglich zu loben und zu bewundern, was man im Hause seiner Gastgeber sieht. Im Umgang mit Ägyptern sollte man dabei eher zurückhaltend sein, die Schönheit der Kinder eher verhalten bewundern, ebenso die Kleider und die Ausstattung der Wohnung. Wenn man mag, kann man dabei, wie dies Ägypter tun, ein „al-hamdu lillah“ (Allah sei Dank) oder ein ما شاء الله „was Gott gewollt hat“ einfliessen lassen, Segenswünsche, welche die magische Wirkung ausser Kraft setzen. Der Prophet hat diejenigen getadelt, die ihre Bewunderung ausdrücken, ohne Allah zu preisen und ohne ihn zu bitten, den Angesprochenen zu segnen. Uns Fremden fällt auch auf, dass Ägypter auf die Frage, wie es ihnen geht, oft einfach mit „al-hamdu lillah“ antworten, ohne kundzutun, wie prächtig es ihnen gut geht. Der Böse Blick ist eine der Erscheinungsformen des bösen Zaubers, vor dem man sich zu hüten hat. Wer anderen Böses will, kann dies selbst bewirken oder eine „professionelle“ Hexe oder einen Zauberer beauftragen. Die Opfer sind dieselben wie beim Bösen Blick. Eine Braut macht ihre Hochzeitstoilette bei einer Nachbarin, weil sie das schlimme Geschick fürchtet, das ein Neider bei ihr zuhause vorbereitet hat. (8) Wer sich in eine Frau verliebt, die bereits verheiratet ist, kann durch Zauber einen Zwist heraufbeschwören, der zur Scheidung führt. Wer einen Mann beneidet, kann dafür sorgen, dass er impotent wird oder sein Geschlechtsteil zu einem weiblichen wird und er seiner Frau nicht mehr beiwohnen kann . Wenn Zauberer und Hexen Haare, Nägel oder einen Fetzen von deinem Kleidungsstück in ihren Besitz bringen, können sie damit Macht gewinnen über dich. Ihre Praktiken gehen soweit, dass sie einen frisch Beerdigten ausgraben, seine Haare oder seine Nägel, seine Leber oder bestimmte Knochen an sich nehmen, um sie für ihre schwarze Magie zu gebrauchen. In Siwa gab es noch in neuerer Zeit die Gewohnheit, an solchen Gräbern Wachen aufzustellen (9).

Dem Bösen Blick und der Hexerei begegnet man mit vielfältigen Massnahmen. Die Kinder kann man mit einem Namen rufen, der gar nicht ihr wirklicher Name ist. Wir alle kennen Ägypter, die eigentlich anders heissen als sie genannt werden. Diese Verbergung des wahren Namens erinnert uns an ein berühmtes Märchen, dessen Hauptfigur sich freut: „Ach, wie gut, dass niemand weiss, dass ich Rumpelstilzchen heiß“. Nach dem Besuch einer verdächtigen Person kann man das Haus ausräuchern mit Weihrauch oder speziellen Gewürzmischungen. (10) Vor dem Hauseingang werden Zwiebeln aufgehängt, in der Kleidung von Kindern oder im Schleier der Frauen Fenchel versteckt. Beim Betreten der Toilette murmelt man eine Beschwörungsformel, weil man glaubt, dass Dschinnen oder der Satan selbst sich gerne dort aufhalten. Ähnlich beliebt sind bei ihnen unbewohnte Häuser und Wohnungen. (11) Wenn ich von Reisen zurückkam, habe ich selbst erlebt, dass man während meiner Abwesenheit das Radio laufen liess, welches das Koranprogramm ausstrahlte. Vor allem schützt man sich durch Amulette, die gegen den Zauber wirksam sind. Beliebt sind solche in Form eines Auges oder einer Hand, die nach Fatima, der jüngsten Tochter des Propheten benannt ist. Die „blauen Augen“, auch „Nazar“ genannt, heftet man vor allem Kindern an die Kleidung, aber sie hängen auch an Schlüsselanhängern oder am Rückspiegel von Taxis. In Touristengebieten sind diese Gegenstände zu beliebten Souvenirs geworden. Mit in Henna getauchten Handflächen bestreicht man Wände und Hauseingänge. Die Henna-Farbe wird gewöhnlich benutzt zum Schmuck der Braut und der Hochzeitsgäste, weil man ihr „baraka“ (Segenskraft) und Hilfe gegen Magie zuschreibt. Fromme Muslime lehnen oft solchen Gegenzauber ab, weil sie ihn für شرك „shirk“ (Götzendienst, Aberglauben) halten. Sie schützen sich mit den Mitteln, die ihnen die Religion zur Verfügung stellt: Nach der Geburt eines Kindes lässt man einen Scheich kommen, der dem Säugling den islamischen Gebetsruf ins Ohr flüstert. Man rezitiert die „Sure des Frühlichts“ auf, welche lautet: „Ich suche beim Herrn des Frühlichts Zuflucht vor dem Unheil, das ausgehen mag (…) von einem, der neidisch ist.“ (12) Man sagt islamische Segensformeln auf, betet und verharrt in stillem Gedenken an Allah, wie dies die Derwische tun (13). ————————————————————————-

Anmerkungen

Wikipedia : „Der Böse Blick“; „Le mauvais oeil“; „Hand der Fatima“; „Nazar-Amulett“

(1) Zum Geisterglauben in Oberägypten vgl. Elisabeth Hartung, „Die Geister sind überall“, Leben in Luxor.de Autorenforum

(2) Laura Hindelang, „Das Nazar-Auge und der Mythos um den Bösen Blick“ (stern.de)

(3) Gebhard Sebastian Fartacek, „Unheil durh Dämonen (..) Eine sozialanthropologische Spurensuche in Syrien“, 2010, Böhlau Verlag

(4) „Le mauvais oeil“, openedition.org

(5) Martin Hinds/ El-Said Badawi, A Dictionary of Egyptian Arabic“

(6) und (7) Gebhard Sebastian Fartacek, s.o.

(8) und (9) Fathi Malim, „L’Oasis de Siwa vue de l’intérieur. Traditions, coutumes et sorcellerie“, Al Katan, Le Caire 2003

(10) Fartacek, s.o. (11) Fathi Malim, s.o. (12) Fartacek, s.o.

(13) Zum „stillen Zikr des Herzens“ und dem lauten Zikr der Derwische vgl. Hans Mauritz, „Allahs Namen nennen. Zikr , Sufi-Rituale in Oberägypten“, Leben-in-Luxor.de Autorenforum.

Was man von Tiktok wissen sollte

Zum Verständnis von Aktualitäten

(Subjektive Blitzbeurteilung bitte ausschalten!)

ZEIT 29.Mai 24 Seite 31

  s.a. hier (Bezugsquelle) Zitat: „Zielgruppe sind vorwiegend Teenager.“ (siehe auch weiter unten)

Das folgende Video hat nichts mit Tiktok zu tun:

Das gleiche Stück (zum Einprägen und Einschätzen) LIVE HIER

Und das gleiche Stück in der „Zurichtung“ für Tiktok:

Allgemeine Information: https://de.wikipedia.org/wiki/TikTok hier

ZITAT:

Gründe für den Erfolg

Tiktok ist vor allem bei der Generation Z beliebt und übernahm viele Nutzer aus musical.ly. Die App zeichnet sich durch eine vereinfachte Bedienung und ein Design aus, das vor allem Jugendliche anspricht. Tiktok bietet eine große Musikbibliothek und viele Videobearbeitungsmöglichkeiten. Es gibt dort nur wenige Unternehmenskanäle, so dass die Nutzer das Gefühl haben, unter sich zu bleiben, und sich leichter mit den Videoinhalten identifizieren können. Allerdings sehen einige Anbieter auch eine Lücke in diesem Markt und produzieren genau deswegen für Tiktok.

Der Erfolg ist auch eine Folge der Schließung der Kurzvideoplattform Vine im Jahr 2017 und mangelnder Konkurrenz. Auf Tiktok wurde vor allem durch ein virales Marketing und Influencer-Marketing aufmerksam gemacht. Zusätzlich erzeugen Internet-Challenges und Clips durch entsprechende Hashtags weitere Aufmerksamkeit und wurden teilweise zu Memes, die über Tiktok hinaus bekannt sind.[75]

Popularität und Einfluss

Die Popularität der App sorgte für virale Trends und Internet-Challenges. Sie brachte Internet-Bekanntheiten mit mehreren Tausenden oder Millionen Anhängern hervor. Ebenfalls verhalf es Liedern zur Bekanntheit und wird von bekannten Persönlichkeiten und einigen Unternehmen als Teil von Vermarktungsstrategien und zusätzliches Medienangebot genutzt, das vor allem die Generation Z ansprechen soll.[76][77][78]

Tiktok verhalf Liedern in die Musikcharts und Musikern wie beispielsweise Lil Nas X zum Durchbruch. Hierbei dominieren vor allem Raplieder. Nach dem Musikproduzenten Nick Sylvester, der bereits für virale Musiktrends auf Tiktok sorgte, passen mittlerweile einige Musiker ihre Musikstruktur an, um zu einem viralen Hit auf der Plattform zu werden. Plattenlabels nutzen sie ebenfalls als Vermarktungsinstrument für neue Veröffentlichungen ihrer Musiker. Im Vergleich zu anderen Plattformen sei die Bezahlung der Plattenlabels für die Nutzung von Liedern von Tiktok allerdings gering.[79]

Ein Ausschnitt des Raplieds Mia Khalifa von iLOVEFRiDAY’s über die gleichnamige Pornodarstellerin, der auch als „Hit or Miss“ bezeichnet wird, wurde in mehr als vier Millionen Tiktok-Videos verwendet und so zu dem bekanntesten Internet-Meme von TikTok.[80]

https://www.tiktok.com/explore hier

Letzte Seite des oben abgebildeten Büchleins. Und Weiteres zu den Videos des letztgenannten Influencers

Max Neural – https://www.youtube.com/channel/UCvLKsS9TCqMSmAabRMw4RaQ HIER = Zugang zu den zuletzt im Text genannten Beispielen

Zurück zum Anfang:

Zitat:

Alle, die noch ohne Smartphone groß geworden sind, können berichten, wie es das eigene Verhalten verändert hat. Dass man damit leichter mir Freunden und Familie in Kontakt bleibt, schneller den Weg findet, jeden Moment bildlich festhalten kann. Und dass man schneller abgelenkt ist, Bücher nur noch oberflächlich liest, sich nach einer halben Stunde Quatsch-Content auf TikTok leer fühlt. Längst haben auch Grundschüler Zugang zu Katzenvideos und Pornowebsites, Videospielen, Erklärvideos und Kalorien-Apps. (….)

Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob die Geräte tatsächlich unsere Aufmerksamkeitspanne verringern, ob sie unsere Konzentration stören, ob sie uns seelischen Schaden zufügen. Das gilt für Erwachsene – und Kinder. (….)

Quelle: s.o. / DIE ZEIT 29.5.24 Seite 31 Lisa Hegemann: »Ein riesiges Experiment«

Unzureichende Kritik am falschen Ort

in der Zeitschrift DAS ORCHESTER 6/24

Textabschnitt, daselbst, Seite 12

Es mag angebracht sein, auch im Orchester die Social Medias kritisch ins Auge zu fassen, weil sie zum Vehikel anonymen Mobbings und böser Gerüchte werden können (wie in der Schule, aber das kommt hier gar nicht zur Sprache). Es sind die Uralt-Vorurteile, die man durch Jammern und Goethe-Balladen nicht beeinflussen kann. Ich habe mich an meine Jugend in den 50er Jahren erinnert, als die alternativen „Lesestoffe“ plötzlich relativ billig an den Kiosken erstanden werden konnten. Hefte wie Billy Jenkins oder Tom Prox, die wir mit der Taschenlampe unter der Bettdecke lasen, daneben auch die leihweise weitergereichten Micky-Mouse-Hefte, die ich zunächst als albern einstufte und dann doch eifrig durchblätterte. Bei meiner Tante in Hannover hatte ich ganze Wilhelm-Busch-Alben konsumiert, an die mich nun die Produkte von Walt Disney erinnerten. Erst allmählich entstand oder vermehrte sich der Eindruck, dass Spaß und Spannung  mich von meinen eigentlichen (brennenden) Interessen abzogen, und bald hörte das „von selbst“ auf. Ich erinnere mich sogar, dass wir (mein älterer Bruder und ich) in der gleichen Zeit oder wenig später Werke entdeckten, die weit entfernt waren, dem Verlangen nach schneller Befriedigung nachzugeben. Das begann mit dem Lohengrin-Vorspiel und diesem unendlich langsamen Gang zur Paukenschlag-Climax, – wir lernten, dass Geduld beim Hören sich lohnt. Man lernte etwas über Wagners unendliche Melodie. Etwas später kam das Parsifal-Vorspiel: wie ungeheuer eine so langsam sich entfaltende Melodie wirken kann! (Eine andere Beobachtung: beim Kauf eines eigenen Plattenspielers verlangten wir, dieses Vorspiel aufzulegen, zur Prüfung, ob der Gleichlauf des Gerätes funktionierte!)

Niemand kann nachweisen, dass der Konsum kurzatmiger Musikstücke oder Filmchen das Verlangen nach weit gespannten und sinnlich erfahrbaren Zusammenhängen lähmt. Aber wo könnte man das falsi- oder verifizieren? Ein Beispiel aus Solingen: die Jugendarbeit der Bergischen Symphoniker funktioniert gut, aber bisweilen sind die ersten Reihen im Konzert ein Ort der latenten Unruhe. Was für ein Programm wirkt dann am ehesten fesselnd?

Es ist nicht so sehr das, was man gemeinhin für kindgemäß hält, zart und zierlich, sondern es sind die gewaltigen Werke mit schwerem Blech, Kraftausbrüchen und vielen Mitwirkenden auf der Bühne: die (heranwachsende) Jugend will – bitte schön – überwältigt werden. Das Große Orchester imponiert.

(Fortsetzung folgt)

*     *     *

Nebengleis (was ansonsten die Enkelgeneration liebt) : https://www.youtube.com/watch?v=MB3VkzPdgLA hier oder mehr  (Billie Eilish)

Für manche Leute, die während dieses Blogs den Kopf schütteln, sei angemerkt: wer sich „musikalisch“ nennt, sollte jede Musik aufmerksam und „zugewendet“ hören, ja jede, und zwar mit der gleichen Sympathie, die er für einzelne Liebhaber dieser Töne hegt. Ich persönlich muss eine instinktive Tendenz zur Gegenwehr dämpfen, die sich unweigerlich meldet, wenn ich in westlicher Popmusik den stampfenden Rhythmus (der keiner ist!) einsetzen höre (die Frage sollte lauten: wo genau liegt also wirklich der Reiz?). In orientalischer Musik ist das anders: es lohnt sich offensichtlich, den anderen Parameter bewusst mitzuverfolgen. Ebenso in der meisten afrikanischen Musik.

Natürlich kann man auch eine ganz andere Seite von Pop und Tiktok herauskehren, und für alle Fälle notiere ich die Stimme von Jens Jessen:

Quelle DIE ZEIT 29. Mai 2024 Seite 45 Rechts spielt jetzt die Musik Was ist wirklich schlimm am Sylter Gegröle? von Jens Jessen (die zweite Hälfte des Artikels)

Verdrängt Tiktok die Bedeutung des Theaters?

Solinger Tageblatt

2 DVDs, die mich begeistern

Lebendige Geschichte – Geschichten des Lebens – Heute

Der König tanzt (2000)

Die Eiche – Mein Zuhause (2023) jpc hier

Eichelbohrer – Was? Wie bitte? Was haben beide Themenblöcke miteinander zu tun? Nichts. Außer dass sie in meinem täglichen Leben und Denken eng miteinander kooperieren.

Über die Tatsache hinaus, dass die beiden Filme schön und unterhaltsam sind, – den ersten kenne ich seit 20 Jahren -, sind sie Paradigmen übergreifender Konstruktionen, die ich erst allmählich begreife und kurz andeuten möchte. Meine Stichworte wären „Historische Strukturen“ und „Biotope“ . Wobei sie leicht zu modifizieren wären: mir hat Carl Friedrich von Weizsäckers Buchtitel einst gut gefallen: „Der Garten des Menschlichen“ (1977), wo ich allerdings im letzten, theologischen Teil ausgestiegen bin; zugleich Julian Huxley mit „Die Entfaltung des Lebens“ (1954), wo ich im letzten, evolutionistischen Teil am liebsten jede Zeile unterstrichen hätte. „Geschichte im Überblick“ von Immanuel Geiss (1986) und Christopher Clark „Von Zeit und Macht“ (2018). Und nie aus den Augen verlieren: Johann Sebastian Bach mit seinen Weltverbindungen. „Französische Suiten“ und über das „Musikalische Opfer“ Friedrich II., nebst Sohn Carl Philipp Emanuel (bei Clark ab Seite 85 mit Blick auf die Rolle von Quantz). Bei Geiss die machtpolitische Einordnung des „Sonnenkönigs“: als er in Frankreich gewaltsam die ökonomische Grundlage für ein „Goldenes Zeitalter“ ausrichtete, Vorbild Europas.

In meinem Handy die Nachricht, dass es weitere Forschung über Bachs Witwe Anna Magdalena gibt, Auskunft über das Private in jener Zeit siehe Eberhard Spree. Beiträge in seinem Blog hier.

Zur Bedeutung der französischen Musik (Wikipedia):

[Bach in Lüneburg/Celle! 1700] Von 1665 bis 1705 erlebte Celle eine kulturelle Blüte als Residenz unter Herzog Georg Wilhelm mit einem Aus- und Umbau des noch mittelalterlich geprägten Schlosses zum vierflügeligen Barockschloss. Kulturell einflussreich war Georg Wilhelms französische Gattin, Eleonore d’Olbreuse, die hugenottische Glaubensgenossen und italienische Baumeister nach Celle holte.

[Bach in Köthen] Am 9. Oktober 1710 begann Leopold seine Kavalierstour. […] Seine Reise führte ihn im Winter 1710/11 nach Den Haag, wo er in nur vier Monaten insgesamt zwölf Mal die Oper besuchte und damit seine Vorliebe für die Musik offenbarte. Vor allem die Werke von Jean-Baptiste Lully beeindruckten ihn, und er erwarb eine „rare Opera des Herrn Lully die Musik gedruckt“. Leopold selbst spielte Cembalo und Violine.

 Am Köthener Hof wirkte seit 1717 Johann Sebastian Bach als Capellmeister, dessen Ehefrau im Juli 1720 verstorben war. Am 3. Dezember 1721 ging Anna Magdalena Wilcke mit ihm die Ehe ein.

Zeitschrift „das Orchester“, Dezemberheft, nachschauen Buffardin (Johann Jacob Bach!), Türkei, Vierteltöne …

Damit soll es beginnen, sobald ich mich über die Koordinierung der kulturellen Kräfte in Frankreich kundig gemacht habe.

das – aus dem Film – eindrucksvollste Stück stammt von – Purcell / siehe auch hier

(Fortsetzung folgt)

Beim Stöbern in meiner DVD-Sammlung habe ich auch die fast vergessene wiedergefunden, die meinen eingangs präsentierten Film in einen großen wissenschaftlichen Zusammenhang stellt:

Douglas-Film GmbH (2018). Nicht vergessen! Das Wissen erhält sich nur durch regelmäßig erneuerte Versorgung mit lebendigem „Stoff“, der auch den nächsten Gang in den botanischen Garten Solingen bereichert.

Wald-Musik, späte Nachklänge und ein Glocken-Universum

Punktuelles vom Ewigkeitssonntag

HAUPTMANN
geheimnisvoll
Es wird mir ganz angst um die Welt, wenn ich an die Ewigkeit denk‘. »Ewig«, das ist ewig!
WOZZECK
Jawohl, Herr Hauptmann!

Bitte klicken & lesen: der älteste Raum Solingens!

Der Ort, den ich kenne seit etwa 1966, Anlass „Weihnachtsoratorium“ unter Friedrich Gerschwitz. Damals fand ich den Raum befremdend, stilistisch falsch, heute mit Kenntnis der Geschichte und dem Hinweis auf den Düsseldorfer Baumeister Adolph von Vagedes (Klassizismus, Schüler von Schinkel), sein Ratinger Tor, sein Schaffen als Komponist (!), alles hochinteressant.

Ratinger Tor (Detail)

Jetzt bei der „Musik zum Ewigkeitssonntag“: Juwelen der Musikgeschichte. Biber, Sweelinck, Hume … Gleich zu Anfang ein absolut geniales Werk der phantastischen Monotonie, in dem Marin Marais das Geläut der Kirche Ste. Geneviéve du Mont de Paris nachzeichnet. Ausgehend von drei Tönen. Ich habe es 1970 durch die Kuijken-Brüder und Gustav Leonhardt kennengelernt: hier. Drei Glocken – wie in Solingen-Wald. Nein, da gibts noch eine vierte, lese ich … siehe unten.

  La Sonnerie du Wald?

Von den Lebenden und den Toten

Es ist Ewigkeitssonntag. Wir Lebenden verweilen nach dem Konzert im Eingangsbereich der Kirche, die uns mit zauberhaften Klängen versorgt hat, und studieren, was sie uns mit Hilfe von Inschriften und Sinnsprüchen darüber hinaus auf den Heimweg mitgeben kann. Es geht offenbar um die Toten des I. Weltkriegs, deren Namen dort in Stein aufgelistet sind. Dazu heißt es:

Habt nicht umsonst gestritten, habt nicht umsonst gelitten, wir wollen eure Erben sein.

Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässet für seine Freunde! Meine Augen sehen nach den Treuen im Lande!

Was soll uns das sagen?! Die letzten zwei Sätze habe ich identifiziert, sie stammen aus  Johannes 15:13 und Psalm 101:6 . Frommer Herkunft also, aber wollen wir das so in den Mund gelegt bekommen? Angesichts der Millionen Kriegstoten? Waren das die „Treuen im Lande“ ? Kanonenfutter!

Noch deutlicher der erste Spruch. Wer hat das gedichtet? Google entdeckt ihn an anderer Stelle in folgendem Zusammenhang:

Häufig wurden an den alten Denkmälern einfach nur zusätzliche Inschriften für den Zweiten Weltkrieg angebracht. Diese Inschriften sind oft sehr fragwürdig. Ein Beispiel aus Duisburg Rumeln. Man sieht einen aufrecht knienden, nackten, toten Soldaten mit Stahlhelm, der eine nackte Frau tröstet. Darunter eine Inschrift mit Bezug auf den Ersten Weltkrieg:

„Nicht umsonst habt ihr gestritten. / Nicht umsonst habt ihr gelitten. / Eure Erben wolln wir sein. / Erben Eures Herzens Brennen / für das Grösste, was wir kennen: / Deutsches Volk und Vaterland.“

Durch eine große Tafel im Hintergrund wurde nach 1945 ergänzt:

„Den Toten / die da litten / und starben / im Glauben an / eine bessere / Zukunft / 1939-1945“

Den Text des ganzen Liedes aber, aus dem die Zeilen stammen, findet man tatsächlich hier, rausgetrennt im Screenshot:

Nichts mehr davon! Doch eine andere Notiz könnte uns weiter beschäftigen: die Töne der Walder Sonnerie. „Luther“, „Hindenburg“, „Bismarck“, – doch wer ist „Klarenbach“ ? Nochmal:

Rüstungszwecke? II.Weltkrieg? 1940? Wer erblickte das Licht der Welt, hörte den Klang der Welt? Ich möchte mich grundlegend mit der Geschichte und Verbreitung von Glocken beschäftigen. Schon in den 80er Jahren habe ich damit in der Schweiz begonnen, Kirchenglocken im Engadin (das große Es-dur der Dorfkirche in Ftan!), die Kuhglocken auf den Almen, die klingelnd heimkehrende Ziegenherde mit dem kleinwüchsigen Hirten. Es klang wie die hämmernden Nibelungen bei Wagner. Ich besaß von Alain Corbin „Die Sprache der Glocken“; es betraf die „Ländliche Gefühlskultur und symbolische Ordnung im Frankreich des 19. Jahrhunderts“. Aber eine Weltgeschichte der Glocke???

Nichts leichter als das, seit es Wikipedia gibt. Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, gründlich sein wollen: haben Sie gerade einzwei Stunden Zeit?

Die Glocke bei Wikipedia HIER

Eine Kostprobe:

Stichwort: Robin Marti aus Hergiswil „Kirchenglocken“ Schweiz / meine „persönlichen“ Stichworte: Freude… Lachen… Tölzer Knabenchor Collegium aureum MAGNIFICAT :

Das JSB-Magnificat haben wir wohl 1972 in der Pfarrkirche Lenggries aufgenommen. Aufgeführt am 21.10.72 im Kloster Einsiedeln in der Schweiz (nebst der Kantate 110 „Unser Mund sei voll Lachens“). Siehe HIER.

Aus der Klosterkirche Einsiedeln ein halbstündiges Vespergeläute (mit schönen Bildansichten):

Aus derselben Kirche ein volles Sonntagsgeläut, mit nacheinander einsetzenden Glocken:

Zum krönenden Abschluss: „La Sonnerie de Sainte-Geneviève du Monte de Paris“ MIT NOTEN HIER (oder Ansehen auf YouTube siehe unten) Ausführende:  Jordi Savall (viola da gamba) Fabio Biondi (violin) Pierre Hantaï (harpsichord & positive organ). – Warten auf Takt 170 / 4:15 = Sehen und Hören… hören… hören…

Nachklänge zum Ewigkeitssonntag: Whatsapp 27.11.23 an Kathi, die in Umeå Physik studiert  Punktuelle Defekte der Raumzeitstruktur?

(Quelle: SZ & privat)

Von Revolutionen, im Saal und draußen

Solinger Tageblatt 4.11.23

Foto: Gemeinfrei/Historisches Archiv der Stadt Köln.

https://www.fes.de/museum-karl-marx-haus/ausstellung-1848 hier

Unter freiem Himmel:

Marx und …? Man wird doch mal drüber nachdenken dürfen. Zwei Fotos ©JR 2008 in Berlin.

Waren sie es denn wirklich, diese beiden? Und wo? Welche Besucher_innen  – aus China oder Japan – könnten soviel Spaß daran haben? Wäre es ihnen auch zuhaus erlaubt? Und Ihnen? (Finden Sie den heutigen Standort.)

https://www.berlin.de/sehenswuerdigkeiten/3561030-3558930-marx-engels-forum.html hier

https://de.wikipedia.org/wiki/Marx-Engels-Forum hier

Greifbares aus der Weltgeschichte Nahost

Beziehungsweise: schwer Begreifbares, betreffend Palästina

(Sie haben keine Zeit? Dann gehen Sie bitte an den Schluss dieses Artikels!)

Solinger Tageblatt 28. Okt. 2023 Seite 2

Meist befällt mich beim Anblick von Chronologien bleierne Müdigkeit, und doch dreht es sich in Diskussionen oft um Details („wer hat angefangen?“ / „Wer hat zurückgeschlagen?“), die sich nur anhand penibel belegter Datenabläufe klären lassen. Nicht durch ein vages historisches Gefühl. Und wenn ich merke, wie trügerisch sein kann, achte ich auf jede vertrauenswürdige Nachhilfe.

Schließlich will ich im Gespräch mit Enkeln nicht Vorurteile sprechen lassen. Oder etwa rekapitulieren, was ich einst im biblischen Unterricht über die „Kinder Israel“ gelernt habe. Es geht um den gegenwärtigen Zustand des Nahen Ostens – und wie es dazu kommen konnte. Und was wir damit zu tun haben. Stichwort Schoa. Wie weit muss ich zurückgehen, – mein Vorurteil sagt: bis Pontius Pilatus, nein viel weiter, viel früher, Römerherrschaft, nein, Zerstörung des Salomo-Tempels 70 vor Christus. Zerstreuung der Juden in alle Welt. Blieben denn keine in Palästina? Gingen die (muslimischen) Araber nicht erst mit Mohammed, also viel später auf  Eroberungstour. Seit 630 nach Osten, Norden und Westen, hier bis an den Atlantik, nach Spanien, wo sie Mauren (Mohren) genannt wurden, während die weißesten Kreuzritter um 1000 in umgekehrter Richtung expandierten. Und das Osmanische Reich? Ich gerate ins Schlingern.

Ich fange lieber bei der Tageszeitung an, prüfe, ob eine parteipolitische Tendenz in der Berichterstattung erkennbar ist, ob ich weitere Quellen zu Rate ziehen sollte, – aber – schnell muss es gehen. Da draußen verändert sich ständig die Lage, nicht nur im Nahen Osten, sondern: die Weltlage. Nur nicht die Flinte ins Korn werfen – Schluss auch mit den falschen Bildern – Fakten, Fakten, Fakten!

Journalismus, das ist es! Damit fang ich an: da gibt es immerhin, schaut doch selbst, diese (s.o.) „Sieben folgenschwere Mythen“! Liebe Enkel und Enkelinnnen, das ist wohl auch für Euch geeignet, falls das stimmt mit der allgemein kürzeren Aufmerksamkeitsspanne, – uns Alten geht es ja nicht anders, die Realität hat keine Geduld mehr. Ich nehme, was ich greifen kann.

https://rp-online.de/politik/analyse-und-meinung/die-mythen-der-palaestinenser-und-israelis-im-nahostkonflikt_aid-100047045 HIER Autor: Martin Kessler

Der Begriff „Palästinenser“ Wiki hier

Israel Wikipedia-Artikel hier / Vorweggenommen seien die folgenden ZITATE:

Das Gebiet des heutigen Israel gilt als Wiege des Judentums sowie auch der beiden jüngeren abrahamitischen Religionen. Es stand seit 63 v. Chr. nacheinander unter römischer, byzantinischer, sassanidischer, arabischer, osmanischer und britischer Herrschaft. Die dort seit rund 3.000 Jahren ansässigen Juden (biblisch: Israeliten, Hebräer) wurden im Laufe der Geschichte mehrmals vertrieben oder zur Emigration gedrängt (jüdische Diaspora). Vom ausgehenden 19. Jahrhundert an bestanden unter europäischen Juden, nicht zuletzt aufgrund der in Europa zunehmenden Judenverfolgung, Bestrebungen, im damals osmanischen Palästina wieder einen jüdischen Staat zu errichten (Zionismus, benannt nach Zion, dem Tempelberg).

Der Aufstand der Makkabäer 165 v. Chr. brachte Israel noch einmal für etwa 100 Jahre staatliche Unabhängigkeit. 63 v. Chr. begann die Zeit der römischen Oberherrschaft. Die Römer gliederten das Gebiet in zwei Provinzen auf: Syria im Norden, Judäa im Süden. Im Jüdischen Krieg wurden Jerusalem und der Jerusalemer Tempel 70 n. Chr. vollkommen zerstört. Der letzte jüdische Aufstand in Israel gegen die römische Herrschaft (Bar-Kochba-Aufstand) wurde 135 n. Chr. niedergeschlagen. Ein Teil der jüdischen Bevölkerung wurde vertrieben. Das Land selbst wurde seither „Palästina“ genannt. Diesen Namen, der auf das seinerzeit bereits in den Nachbarvölkern aufgegangene Volk der Philister zurückgeht, erhielt das Land aufgrund eines Erlasses von Kaiser Hadrian, um die Erinnerung an die judäischen Bewohner zu tilgen, deren Aufstand er niederschlug. Trotzdem blieb Palästina – neben Rom und seinen Provinzen in Europa und Nordafrika sowie abgesehen von Mesopotamien (Babylonien) – ein Zentrum des Judentums; bis ins Mittelalter hinein waren sowohl die babylonischen als auch die palästinischen Rabbinen wegweisend für die Entwicklung der jüdischen Religion und Lebensweise auch außerhalb dieser Gebiete.

Im Zuge der islamischen Expansion geriet das Gebiet 636 unter arabische Herrschaft. Seit dieser Zeit wurde Palästina mehrheitlich von Arabern bewohnt. Die Kreuzfahrer beherrschten von 1099 bis 1291 das von ihnen so bezeichnete „Lateinische Königreich Jerusalem“. Es folgten die Mamluken von 1291 bis 1517 und dann die osmanische Herrschaft von 1517 bis 1918. Keine dieser Obrigkeiten hatte für Palästina eine eigene Verwaltung vorgesehen oder das Gebiet als selbstständige geographische Einheit betrachtet. Auch für die Osmanen war die Region ein Teil Syriens, wohl auf die römische Bezeichnung Syria zurückgehend. Das Land wurde in drei Distrikte eingeteilt.

* * *

Durch den Sieg der Briten im Ersten Weltkrieg wurde 1917 die osmanische Herrschaft in Palästina beendet. Im Anschluss an die Konferenz von Sanremo 1920 übertrug der Völkerbund 1922 Großbritannien das Mandat für Palästina mit dem Gebiet, das heute gemeinsam von Israel und Jordanien eingenommen wird. Zu den Mandatsbedingungen gehörte, dass die Briten die Verwirklichung der Balfour-Deklaration ermöglichen sollten, die aber die Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina nicht beeinträchtigen sollte. Die Mandatsmacht war aufgefordert, die jüdische Einwanderung zu ermöglichen, diese jüdischen Einwanderer geschlossen anzusiedeln und hierfür auch das ehemalige osmanische Staatsland zu verwenden. Es sollte dabei ausdrücklich dafür Sorge getragen werden, dass „nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und die religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und die politische Stellung, deren sich die Juden in irgendeinem anderen Lande erfreuen, präjudizieren könnte“.

Im Juli 1922 teilten die Briten Palästina in zwei Verwaltungsbezirke, Palästina und Transjordanien, das etwa drei Viertel des Mandatsgebietes umfasste. Zunächst wurden Transjordanien und Palästina noch als Verwaltungseinheit mit einheitlichen Mandatsgesetzen, der gleichen Währung und gleichen Mandatspässen betrachtet (siehe auch: Weißbuch von 1939), aber Juden war es nur noch erlaubt, sich westlich des Jordans anzusiedeln. Im östlichen Teil, in Transjordanien, dem heutigen Jordanien, setzten die Briten den haschemitischen Herrscher Abdallah ein, der von der arabischen Halbinsel vertrieben worden war.

Quelle: Wikipedia

Fakten? Wo genau stehen sie nun? Vielleicht wieder in der neuen ZEIT (3.11.23)?

Und weiter auf Seite 4 (Verschiedene Autoren):

Hier folgen als Thesen nicht unbedingt die Fakten, sondern Kernprobleme, – zu diskutierende Themen, deren Darstellung im Text nachzulesen ist. Ich lasse die Lösung offen. (Aber immer zu beachten: wer sind die Autor_innen, was haben sie gelernt und für wen arbeiten sie. Also auch hier anklicken.)

Im Krieg lügen alle Seiten /Yassin Musharbash

Bei diesem Konflikt geht es im Kern um Religion /Jan Ross

Der Nahostkonflikt ist hoffnungslos und unlösbar /Frank Werner

Die Briten sind an allem schuld /Josef Joffe

Israel ist eine Kolonialmacht /Anna Sauerbrey

Israels Geheimdienste sind die besten der Welt /Josef Joffe

Israel ist die einzige Demokratie in Nahost /Jörg Lau

Die Zweistaatenlösung ist tot /Michael Thumann

Die Hamas ist ein Werkzeug des Iran /Yassin Musharbash

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Heute hört man ja immer öfter den Satz: „Das wird man doch noch sagen dürfen!“ Aber in Wirklichkeit ist das weit verbreitete Schweigen ein gesellschaftliches Problem. Daher halte ich den folgenden Artikel aus der ZEIT (2. November 2023 Seite 53) für besonders wichtig. Bitte zum Vergrößern jeweils zweimal klicken:

Autor: Thomas E. Schmidt

Gestern im Tageblatt:

Deshalb erträgt man auch Kommentare wie diesen in der Tageszeitung, nennt ihn nicht tendenziös oder „geschmacklos“ und verlangt nicht Proportionaltät, die andere Seite betreffend. Gleiches kann nicht durch Gleiches aufgewogen werden. Der 7. Oktober 2023 ist ein in das kollektive Gedächtnis eingebranntes Datum. Kein „Narrativ“, das durch ein anderes überlagert werden kann.

Seltsam: man kann das auch in 2 Minuten hören, von seiten unserer Regierung, in einer offiziellen Rede, die auch viel beachtet und gelobt wurde, mit Recht: hier von Min. 7:40 bis 9:40.

Sokrates, die alte Schule und eine „ungeschriebene Geheimlehre“

Die private Vorgeschichte

Bilder aus dem Lehrer-Kollegium meines Vaters, 50er Jahre (Fotos privat).

Eine Konferenz

Zentral: Direktor „Peach“ Paul Müller

Ein eher privates Treffen

Mein Vater, nach einem Chor-Konzert, entspannt mit Frau und Kind (*1950), ihm zur Seite zwei Kollegen: „Eule“ Klaus und „OWB“ Oberwahrenbrock, etwa 1956. Meine Mutter datierte Fotos oft mit dem Hinweis: „Das war nach seiner ersten (oder zweiten) Operation.“

Die offizielle Präsentation

daraus ein Ausschnitt:

1.Reihe ganz links und ganz rechts:

Artur Reichow (1901-1959) ← Ltg. Winkler → Hellmuth Dempe (1904-1990)

(Lebensinhalt: Übungen für das komplexe Klavierspiel)

(Lebensinhalt: die Wahrheit des einfachen Lebens)

„Unsere“ letzten 50er Jahre:

eine bedrückende Zeit!

Mein Vater und meine Mutter, Spätsommer 1957, im Café Freudental, vor seiner letzten Operation. Wird alles neu? Das neue (alte) Holz-Haus am Paderborner Weg 26 – auf der anderen Seite der Bielefelder „Promenade“, also der Stadt zugewandt – hatte ihm (oder vor allem ihr?) einen Lebenswunsch erfüllt. Nur zum Schein hatte er damals fürs Foto auch noch einen Pinsel in die Hand genommen.

oben Artur, unten (v.r.n.l.) Gertrud, Jan, Bernd

Es muss dieses letzte Kaffeetrinken gewesen sein, bei dem Hellmuth Dempe hinzustieß, wie meine Mutter berichtete: die beiden Kollegen diskutierten und gerieten in Streit. Worüber? Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie über pädagogische, disziplinarische Fragen völlig unterschiedlicher Ansicht waren: mein Vater autoritär, leicht aufbrausend, Dempe philosophisch, auf sokratisches Gespräch vertrauend, zumindest „offiziell“. Wahrscheinlich beide mit Hang zur Rechthaberei. Oder war es „der vegetarische Gedanke“? (Buch Seite 90). Brisant auch für meine Mutter, ebenso Dempes Verehrung für Albert Schweitzer. Dempe war 3 Jahre jünger als mein Vater, hatte aber zum Zeitpunkt des Streitgesprächs – im Gegensatz zu ihm – noch 30 Jahre der Entwicklung vor sich. Und wenn man meint, er habe sich an einige unantastbare philosophische Autoritäten geklammert, „im Anschluss an Platon“, so mag eine Passage über die“ sokratische Methode“ uns aufklären: da gebraucht er zwar ungeniert die Formulierung von einem möglichen „geistigen Führer des Volkes“, spricht aber zugleich von einer notwendigen „Reinigung [dieser Methode] von den mancherlei Fehlern und Zufälligkeiten, mit denen sie ihr Schöpfer ins Leben gerufen und entwickelt hatte.“

Ich hätte damals, als ich selbsttätig die Lektüre des Fischerbuchs „Sokrates im Gespräch“ begonnen hatte (1955), dann mit dem rde-Band „Der Tod des Sokrates“ von Romano Guardini (1958) und drei Bänden Schleiermacher-Übersetzungen fortfuhr und mich dauerhaft für das Thema begeisterte, von Dempe ernsthaft lernen können. Oder auch gerade nicht, – während es tatsächlich einem vorübergehenden Lehrer wie Karl Ernst Nipkow mit der AG „Moderne Lyrik“ spielend gelang. So dass ich mich zugleich von Albert Schweitzer und seiner Bach-Frömmigkeit verabschiedete, für die der alternde Dempe noch in diesem späten Buch treuherzige Elogen schrieb.

Die Übungen der Breithaupt-Methode, der unser Vater am Klavier anhing, lehnten wir ab (mein älterer Bruder und ich), weil sie nicht zur absoluten Selbständigkeit der Finger zu führen schien. Aber wie er schwor ich später auf eine Sammlung von konzentrierten Einzel-Übungen (André Stoyanov), mit deren Hilfe ich glaubte allen technischen Schwierigkeiten des Klaviers gewachsen zu sein. S.a. hier.

Zu Dempes Schrift

Der Herausgeber seiner Schriften wurde Frieder Lötzsch, – Theologie-Professor in Münster, interessanterweise ein ehemaliger Klavierschüler meines Vaters. Bei einem Treffen der Ehemaligen im Bielefelder Ratsgymnasium hatte er einen Tisch mit eigenen Schriften aufgestellt. Wir haben jedoch bei dieser Gelegenheit unsere Kindheitsbekanntschaft nicht aufgefrischt.

Was mich bewogen hat, jetzt plötzlich diesen Lehrer unserer Schule, dessen Unterricht ich nie unmittelbar genoss, als Pädagogen so ernst zu nehmen, wie nie zu Zeiten meines Vaters? Es war der differenzierte tiefere Zusammenhang der beiden Lebensverläufe (nach 2 Weltkriegen!). Und: z.B. der folgende ungeschminkte Erfahrungsbericht über die (korrigierte) sokratische Lehrmethode, – exemplifiziert ausgerechnet an einem berühmten Heraklit-Satz, der mit dem Krieg als Vater aller Dinge zu tun hat oder zu haben scheint: aus der Sicht meiner Generation gehört das Thema unzweifelhaft in den Kompetenzbereich der Väter, die aber hier im realen Leben wohl beide jedes Wort darüber vermieden.

Quelle Hellmuth Dempe: Philosophie als Lebensform – Zur Wahrheit des einfachen Lebens / Essays im Anschluss an Platon / Herausgegeben mit einem Nachwort von Frieder Lötzsch / Reihe „Philosophische Plädoyers Bd.4 LIT Verlag Berlin 2006 (Seite 13 ff)

Noch etwas erinnere ich: der zweite Musiklehrer an unserer Schule, der den furchtbar unfähigen Eulenstein (?) ersetzte, hieß Georg Scheel, der offenbar in Berlin Studienkollege meines Vaters gewesen war und ernsthafte Ambitionen als Komponist entfaltete. Er war eines Abends bei uns zu Gast und hatte vorher den Wunsch geäußert, einen eigenen Text vorzutragen: über die Zukunft der Musik in einem modernen Staat. Den Entwurf hatte er allerdings nach dem Muster Platons entwickelt, so dass sich starke Einwände ergaben (etwa: das sei reichlich totalitär, – wobei dieses Wort nicht gebraucht wurde, aber ob und wie von meinem Vater, weiß ich nicht). Irgendwie entsprach das dem Zug der Zeit, neue, alte Grundlagen hochzuheben, wozu vielleicht auch gehörte, dass die Hitler-Zeit eher als Unfall eingestuft wurde. Ohne der Vergangenheit auch nur mit einem Wörtchen zu gedenken, eher der Tatsache, dass Georg Scheel „aus dem Osten“ kam. Im Unterricht erregte er mit dem Vortrag eines Klavierstücks aus op.11 von Schönberg spöttische Aufmerksamkeit, das seinen dürftigen pianistischen Fähigkeiten entsprach (sehr kurz und thematisch auf Terz-Intervall beschränkt). Er selbst komponierte eher markig-kernig für Schul-Chor mit Quart- und Quintklängen: „Bemeßt den Schritt! Bemeßt den Schwung! Die Erde bleibt noch lange jung! Dort fällt ein Korn, das ſtirbt und ruht. Die Ruh iſt ſüß. Es hat es gut.“

Zu den Themen des Dempe-Buches (Inhaltsverzeichnis):

Die Nummern 2., 6., 8. und 13. bezeichnen im antiken Versmaß gehaltene Gedichte des Autor, immer nur Höchstes wollend, entfernt an Goethes „Urworte. Orphisch“ gemahnend, die ich noch gläubig auswendig lernte, – bevor Gottfried Benn kam und für Radikalität sorgte. Einige Zeilen aus Dempes Nr.8 :  „Eines im Vielen zu sein, / vieles im Einen zu tun, / Naht dann das Schöne im Sein, / reich in dem menschlichen Kreis, glänzt es im göttlichen Licht / über dem friedlosen Streit, / und das Gerechte erblüht. / Dunkelt die leidvolle Welt, / zeigt sich Gewalt überall, / Ichsucht und Torheit und  Neid. / Aber die ordnende Zahl, / Eidos und Kosmos zugleich, / weist auf den Urgrund des Alls, / der nur dem Einen gehört.“ (…)

Ich dachte und denke nicht daran, in solchen Worten über die Gegenwart nachzudenken.

In Nr. 7 „Platon und das 20. Jahrhundert“ verweile ich im Abschnitt 7.8. und vermute, dass darin die eigentlich treibende Kraft für Dempe steckt: „Gegentendenzen aus philologischer Forschung“, darin der Satz: „Die eigenartige Mathematisierung der Wirklichkeit, wie sie in der platonischen Philosophie vorliegt, wird von führenden Physikern unserer Tage, z.B. HEISENBERG, als Vorahnung heutiger atomphysikalischer Anschauungen empfunden und gewürdigt.“ (Es lag in der Zeit: JR „Einstein und das Universum“ Fischerbuch Aug.1955).

Im vorhergehenden Text geht Dempe ausführlich ein auf „Die Tübinger Schule“ mit H.J.Krämer und K.Kaiser „Platons ungeschriebene Lehre“ – zwischen Plato und Plotin, eine Sammlung, „die uns ermöglicht, die esoterische Philosophie vor Augen zu stellen“. Ich hörte zum ersten Mal, welcher Kritik die Schleiermacher-Übersetzung, der ich immer kritiklos folgte, ausgesetzt war und ist.

(Fortsetzung folgt)

https://de.wikipedia.org/wiki/Ungeschriebene_Lehre hier

Jürgen Villers hier

Wahlverwandtschaften (Lebende Bilder)

Eine vergessene Kunst? Oder bloß ein Spiel?

Wie mein Interesse begann

Schubert und das lebende Bild

Eine andere Beschreibung, die ich durch Zufall in Goethes „Wahlverwandtschaften“ fand und für meine Entdeckung hielt:

Damals gab es doch schon Wikipedia…

https://de.wikipedia.org/wiki/Tableau_vivant hier

Aber wohl noch nicht diese unvergleichliche Website (mit den Erläuterungen zu den lebenden Bildern ab dem Fünften Kapitel):

http://wwwhomes.uni-bielefeld.de/bseiler/Wahlverwandt/kultur.htm HIER

ZITAT aus dieser Arbeit:

Das Titelblatt der Erstausgabe

Die Aufmerksamkeit, die der Roman fand, war groß, das Urteil jedoch keineswegs nur positiv. Von den moralischen Bedenken abgesehen, wurde auch die nicht immer konsequente Erzählweise beanstandet. Wilhelm Grimm schrieb am 22. November 1809 an seinen Bruder: „Ich begreife auch, daß das ganze Verhältnis sehr langsam und sorgfältig mußte entwickelt werden, nur nicht langweilig, wie es mir durchaus ist. Ich erkläre mir es aus der Art der Entstehung des Buchs, weil es durchaus diktiert ist, wo der Faden wohl nicht streng angehalten worden, sondern ganz gemächlich abgehaspelt worden und zuweilen auf die Lehne des Schlafsessels herabgefallen ist.“

Goethe in seinem Arbeitszimmer

Auch wenn Goethe stehend und nicht sitzend diktierte, muss man wohl wirklich die oft umständliche Allgemeinheit der Aussagen auf diese Arbeitsweise zurückführen. Zur Besinnung auf plastische Einzelheiten wird man bei einem vorwärtsdrängenden Diktieren kaum veranlasst.

Zitat-Ende / der Autor:

SEILER Bernd W. Seiler, Januar 2015 hier

Zu Humboldts Kritik: Mir waren bei der Goethelektüre durchaus auch stilistische Schwächen aufgefallen, die sich aus der Praxis des Diktierens ergeben, z.B. die stereotype Verwendung des Wortes „entgegnen“ statt entsprechender Varianten. Andererseits: las er denn das Diktierte nachher nicht mehr durch? –  Mir fiel jedoch das Wort vielleicht nur deshalb auf, weil es heute so viel auffälliger klingt als  „antworten“, das ich nicht moniert hätte.

Ein anderes Thema dieses interessanten Autors:

http://wwwhomes.uni-bielefeld.de/bseiler/Lesmona/ hier