Archiv der Kategorie: Ethnologie

Aus dem Alltag in Oberägypten

Dies ist kein alltäglicher Beitrag eines Reisenden im fremden Land. Man erfasst dergleichen nur, wenn man dort lebt und tieferen Einblick gewonnen hat. Manches bleibt uns ganz fremd, andere Phänomene wird man heute noch ganz ähnlich in ländlichen Gegenden Europas finden, wenn man sie zu entschlüsseln versteht. Von Dr. Hans Mauritz – wir kennen uns seit unserer gemeinsamen Schulzeit in Bielefeld – habe ich oft genug den verständnisvollen Umgang mit verschiedensten Sichtweisen erlebt. Er hat ihn beim jahrelang geübten Wechsel der liebgewordenen Umgebungen erworben: in Deutschland, Frankreich, in der Schweiz, in der Toskana und in Oberägypten. Und dieser Teil Ägyptens ist durchaus nicht zu verwechseln mit Kairo oder anderen Punkten der arabischen Welt.

Ich danke meinem alten Freund für die Überlassung dieses interessanten Textes und empfehle der Aufmerksamkeit auch seine anderen Essays, die in diesem Blog wie auch in dem letzten Link der Anmerkungen (s.u.) zu finden sind.

Der Böse Blick العين

Ein Essay von Hans Mauritz

Wer in Oberägypten (1) lebt und mit Einheimischen befreundet ist, wird recht bald feststellen, dass der „Böse Blick“ etwas ist, an das man glaubt und dessen Auswirkungen man fürchtet. Eine Umfrage, die in der Türkei gemacht wurde, ergab, dass 84% der Befragten den Bösen Blick fürchten. (2) In Syrien sind praktisch alle Menschen überzeugt, dass es dieses Phänomen gibt. (3) In Ägypten und speziell bei uns im Süden dürfte es nicht anders sein. Bekanntlich glaubt man oder hat in der Vergangenheit überall auf der Welt an den Bösen Blick geglaubt, von Mesopotamien und dem pharaonischen Ägypten über Indien, China, den Orient, Afrika und ganz Europa. Das Wort für diesen Zauber ist in allen Sprachen präsent: the Evil Eye, le Mauvais Oeil, il Malocchio. Freilich wird der Böse Blick bei uns im Westen heute selten erwähnt. Selbst wer daran glaubt, neigt dazu, sich „aufgeklärt“ zu geben und nicht zu seinem „Aberglauben“ zu stehen. Dass dies in Ägypten anders ist, hat damit zu tun, dass die Realität dieses Zaubers von der Religion bestätigt wird. Dass es den Bösen Blick wirklich gibt, bezeugt ein Ausspruch des Propheten: العين حقّ (al-‘ain haqq) , „Der Böse Blick ist eine Tatsache“. (4) Einer meiner Bekannten, von dem man weiss, dass er dem Alkohol zuspricht, verursacht einen Autounfall. Statt mit sich selbst zu hadern, sieht er den Grund in einer Ursache, die ihn selbst frei spricht: im Bösen Blick. Ein anderer erleidet gleich zwei Schicksalsschläge: seine Frau verlässt ihn und seine Lämmer sterben. Auch er identifiziert als Ursache seines Unglücks dasselbe Phänomen. Der weit verbreitete Glaube gibt ihm Recht: dem Blick missgünstiger Menschen traut man zu, Liebe und Freundschaft zu zerstören und Vieh krank werden und sterben zu lassen.

Der Böse Blick wird in Ägypten mit dem Wort عين „‘ain“ benannt, das „Auge“ heisst und zugleich das böse, neidische Auge meint. Das Wörterbuch der ägyptischen Sprache übersetzt das Wort mit „the evil eye, the capacity for harming people by regarding them enviously“. (5) In der Tat wird der Neid الحسد (al-hasad) dafür verantwortlich gemacht, dass jemand einem anderen durch einen bösen Blick Leid zufügt. Deshalb wird dieser auch عين الحسد oder عين الحسودة (Blick des Neides) genannt. Wer ein kostbares Objekt, ein wohlgenährtes Tier oder ein schönes Kind mit Bewunderung und Neid anschaut, kann bewirken, dass die Vase zerspringt oder das Tier oder der Säugling erkrankt und stirbt. المحسودين „al-mahsûdîn), die „Beneideten“ und Opfer des Bösen Blickes, sind meistens Personen in ganz bestimmten Lebenssituationen. Schwangere und Wöchnerinnen sind gefährdet oder Brautleute im Moment ihrer Hochzeit. Sein Glück und seinen Erfolg, seinen Reichtum oder seinen sozialen Rang zu zeigen, kann riskant sein. Es empfiehlt sich, besonders Wertvolles zu verbergen. In Anwesenheit „verdächtiger“ Personen sollte man seine teuren Kleider und seinen Schmuck nicht tragen und nicht mit seinen Kindern und deren Schönheit prahlen.

Zu den Situationen, in denen Vorsicht geboten ist, gehört das Schreiten über eine Türschwelle (dort könnte ein böser Zauber versteckt sein) oder die Begrüssung und Verabschiedung von Gästen: unter sie könnte sich ein Unbekannter mischen, der von Neid und Missgunst angetrieben ist. (6) Auch unter den Neidern, الحاسدين “ (al-hâsidîn), den Verursachern des Bösen Blickes, gibt es besondere Kategorien. Man erkennt sie an ihrem Äusseren, weil sie blauäugig, einäugig sind oder schielen. Man verdächtigt Frauen, deren Körper behaart ist, oder Männer, die umgekehrt erstaunlich unbehaart sind. (6) Wenn eine Frau ein Jahr nach ihrer Hochzeit immer noch nicht schwanger ist, fürchtet man, dass sie Opfer des „al-‘ain“ ist. Sterilen und unverheirateten Frauen traut umgekehrt man zu, andere mit dem Blick des Neides zu schädigen oder eine Hexe oder einen Zauberer damit zu beauftragen. Eine junge Frau, die mehr als 20 Jahre alt ist, kann bereits als „alte Jungfer“ gelten und beargwöhnt werden (7).

Wer arm und benachteiligt, ein Versager ist, wessen Kinder keinen sozialen Aufstieg schaffen wie die Kinder seiner Nachbarn, wird gemieden, weil man seinen Neid und seine Rache fürchtet. Der neidische Blick kann absichtlich erfolgen, aber auch ungewollt und unbewusst. Wir Fremden in Ägypten sollten vorsichtig sein. In Europa ziemt es sich, fast überschwenglich zu loben und zu bewundern, was man im Hause seiner Gastgeber sieht. Im Umgang mit Ägyptern sollte man dabei eher zurückhaltend sein, die Schönheit der Kinder eher verhalten bewundern, ebenso die Kleider und die Ausstattung der Wohnung. Wenn man mag, kann man dabei, wie dies Ägypter tun, ein „al-hamdu lillah“ (Allah sei Dank) oder ein ما شاء الله „was Gott gewollt hat“ einfliessen lassen, Segenswünsche, welche die magische Wirkung ausser Kraft setzen. Der Prophet hat diejenigen getadelt, die ihre Bewunderung ausdrücken, ohne Allah zu preisen und ohne ihn zu bitten, den Angesprochenen zu segnen. Uns Fremden fällt auch auf, dass Ägypter auf die Frage, wie es ihnen geht, oft einfach mit „al-hamdu lillah“ antworten, ohne kundzutun, wie prächtig es ihnen gut geht. Der Böse Blick ist eine der Erscheinungsformen des bösen Zaubers, vor dem man sich zu hüten hat. Wer anderen Böses will, kann dies selbst bewirken oder eine „professionelle“ Hexe oder einen Zauberer beauftragen. Die Opfer sind dieselben wie beim Bösen Blick. Eine Braut macht ihre Hochzeitstoilette bei einer Nachbarin, weil sie das schlimme Geschick fürchtet, das ein Neider bei ihr zuhause vorbereitet hat. (8) Wer sich in eine Frau verliebt, die bereits verheiratet ist, kann durch Zauber einen Zwist heraufbeschwören, der zur Scheidung führt. Wer einen Mann beneidet, kann dafür sorgen, dass er impotent wird oder sein Geschlechtsteil zu einem weiblichen wird und er seiner Frau nicht mehr beiwohnen kann . Wenn Zauberer und Hexen Haare, Nägel oder einen Fetzen von deinem Kleidungsstück in ihren Besitz bringen, können sie damit Macht gewinnen über dich. Ihre Praktiken gehen soweit, dass sie einen frisch Beerdigten ausgraben, seine Haare oder seine Nägel, seine Leber oder bestimmte Knochen an sich nehmen, um sie für ihre schwarze Magie zu gebrauchen. In Siwa gab es noch in neuerer Zeit die Gewohnheit, an solchen Gräbern Wachen aufzustellen (9).

Dem Bösen Blick und der Hexerei begegnet man mit vielfältigen Massnahmen. Die Kinder kann man mit einem Namen rufen, der gar nicht ihr wirklicher Name ist. Wir alle kennen Ägypter, die eigentlich anders heissen als sie genannt werden. Diese Verbergung des wahren Namens erinnert uns an ein berühmtes Märchen, dessen Hauptfigur sich freut: „Ach, wie gut, dass niemand weiss, dass ich Rumpelstilzchen heiß“. Nach dem Besuch einer verdächtigen Person kann man das Haus ausräuchern mit Weihrauch oder speziellen Gewürzmischungen. (10) Vor dem Hauseingang werden Zwiebeln aufgehängt, in der Kleidung von Kindern oder im Schleier der Frauen Fenchel versteckt. Beim Betreten der Toilette murmelt man eine Beschwörungsformel, weil man glaubt, dass Dschinnen oder der Satan selbst sich gerne dort aufhalten. Ähnlich beliebt sind bei ihnen unbewohnte Häuser und Wohnungen. (11) Wenn ich von Reisen zurückkam, habe ich selbst erlebt, dass man während meiner Abwesenheit das Radio laufen liess, welches das Koranprogramm ausstrahlte. Vor allem schützt man sich durch Amulette, die gegen den Zauber wirksam sind. Beliebt sind solche in Form eines Auges oder einer Hand, die nach Fatima, der jüngsten Tochter des Propheten benannt ist. Die „blauen Augen“, auch „Nazar“ genannt, heftet man vor allem Kindern an die Kleidung, aber sie hängen auch an Schlüsselanhängern oder am Rückspiegel von Taxis. In Touristengebieten sind diese Gegenstände zu beliebten Souvenirs geworden. Mit in Henna getauchten Handflächen bestreicht man Wände und Hauseingänge. Die Henna-Farbe wird gewöhnlich benutzt zum Schmuck der Braut und der Hochzeitsgäste, weil man ihr „baraka“ (Segenskraft) und Hilfe gegen Magie zuschreibt. Fromme Muslime lehnen oft solchen Gegenzauber ab, weil sie ihn für شرك „shirk“ (Götzendienst, Aberglauben) halten. Sie schützen sich mit den Mitteln, die ihnen die Religion zur Verfügung stellt: Nach der Geburt eines Kindes lässt man einen Scheich kommen, der dem Säugling den islamischen Gebetsruf ins Ohr flüstert. Man rezitiert die „Sure des Frühlichts“ auf, welche lautet: „Ich suche beim Herrn des Frühlichts Zuflucht vor dem Unheil, das ausgehen mag (…) von einem, der neidisch ist.“ (12) Man sagt islamische Segensformeln auf, betet und verharrt in stillem Gedenken an Allah, wie dies die Derwische tun (13). ————————————————————————-

Anmerkungen

Wikipedia : „Der Böse Blick“; „Le mauvais oeil“; „Hand der Fatima“; „Nazar-Amulett“

(1) Zum Geisterglauben in Oberägypten vgl. Elisabeth Hartung, „Die Geister sind überall“, Leben in Luxor.de Autorenforum

(2) Laura Hindelang, „Das Nazar-Auge und der Mythos um den Bösen Blick“ (stern.de)

(3) Gebhard Sebastian Fartacek, „Unheil durh Dämonen (..) Eine sozialanthropologische Spurensuche in Syrien“, 2010, Böhlau Verlag

(4) „Le mauvais oeil“, openedition.org

(5) Martin Hinds/ El-Said Badawi, A Dictionary of Egyptian Arabic“

(6) und (7) Gebhard Sebastian Fartacek, s.o.

(8) und (9) Fathi Malim, „L’Oasis de Siwa vue de l’intérieur. Traditions, coutumes et sorcellerie“, Al Katan, Le Caire 2003

(10) Fartacek, s.o. (11) Fathi Malim, s.o. (12) Fartacek, s.o.

(13) Zum „stillen Zikr des Herzens“ und dem lauten Zikr der Derwische vgl. Hans Mauritz, „Allahs Namen nennen. Zikr , Sufi-Rituale in Oberägypten“, Leben-in-Luxor.de Autorenforum.

Forschung in Nepal und …

. . . ZUHAUS.

(Wie alle Interessen sich biografisch zusammenfügen – ohne Harmonie und gegen alle Wahrscheinlichkeit.)

Ein Wendepunkt

Wo mir der Name zum ersten Mal hätte begegnen können (1988):

Gutschow!

Zugleich enthält das Vorwort alle Hinweise, die mich auf Distanz gehalten haben („Geisterglaube“). Der alte Widerspruch Adorno/Indien, der mich seit etwa 1960 beschäftigt.

Gert-Matthias Wegner (Info)

Ein letztes Wiedersehen mit Dhruba Ghosh in der Elbphilharmonie Hamburg

Indische Musik in der Elbphilharmonie

Nachruf im folker Nr. 5/2017

Niels Gutschow heute, der vielseitige Architektur-Forscher an seinem Arbeitsplatz

ZITAT

Vor gut einem Jahr erschütterte eine Erdbebenserie die Region am Himalaya. Das Epizentrum des stärksten Bebens, das sich am 25. April 2015 ereignete, lag in der Nähe der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu. Nach Schätzungen starben infolge der Erdbeben allein in Nepal fast 10.000 Menschen – die meisten davon in den Trümmern eingestürzter Bauten. Bei den Erdbeben wurden zahlreiche bedeutende Kulturgüter zerstört oder stark beschädigt – darunter auch mehrere der berühmten und zum Weltkulturerbe gehörenden Pagoden, Tempel und Paläste in den drei Königsstädten Kathmandu, Bhaktapur und Patan. Diese sollen nun nach und nach wieder wiederhergestellt werden. Gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt unterstützt die Gerda Henkel Stiftung mehrere Wiederaufbauprojekte in Nepal, unter anderen ein Projekt des Architekten, Denkmalpflegers und Bauhistorikers Prof. Dr.-Ing. Niels Gutschow. Wir haben ihn im Odenwald besucht.

Project
Two severe earthquakes hit Nepal on 25 April and 12 May 2015. Thousands of people lost their lives. Apart from the humanitarian disaster, the earthquakes also had a devastating impact on human cultural heritage. Numerous buildings of historical importance in Nepal were partly or completely destroyed, and a great many houses and temples collapsed and cannot be rebuilt. Since 1979 the architectural legacy of Kathmandu Valley has been a UNESCO World Cultural Heritage Site and even before the most recent earthquakes was greatly endangered by the population explosion, environmental problems, climate change, fires, and earlier earthquakes. From 2003 to 2007 Kathmandu Valley was on the List of World Heritage in Danger.

Immediately after the earthquake on 25 April 2015 the German Federal Foreign Office and Gerda Henkel Foundation decided to pool their resources to preserve and restore the cultural heritage of Nepal. The initiative aims to supplement humanitarian aid with measures that strengthen the country’s cultural identity. There is a very strong connection between the population and cultural heritage in Nepal; in many villages individual families tend to the local temple and integrate the temple’s gods into their everyday lives. There is a tradition of good relations between Nepal and Germany as regards cultural preservation. In the 1970s German architects, engineers, scientists and conservationists were the first members of a foreign state to begin restoring the cultural monuments damaged by the severe earthquake in 1934. In subsequent years, a great many projects were initiated. For example, in keeping with the promise German Chancellor Helmut Kohl made during a state visit in 1987, a temple lost in Bhaktapur in 1934 was reconstructed. It survived the quake of 2015 undamaged.

ZITAT = Einleitung zu dem folgenden Interview (dieses im Link live auf deutsch):

https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/gespraech_mit_niels_gutschow_ueber_das_leben_und_die_arbeit_eines_forschers_nepal?nav_id=7104&language=en hier

Ethnographische Episoden aus dem Leben des Forschers Niels Gutschow

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Und von Katastrophen einer anderen Welt

https://www.fr.de/kultur/ersehnte-katastrophe-11212310.html hier

https://www.zeit.de/1988/02/die-ersehnte-katastrophe/komplettansicht hier

In Deutschland hatte Adolf Hitler 1933 mühelos Städtebauer und Architekten mitziehen, wenn nicht gar mit reißen können. Wie viele Berufsverbände, so kam auch der Bund Deutscher Architekten der Gleichschaltung zuvor. Für die einen bedeutete dies Berufsverbot, die anderen bekamen Aufträge noch und noch. Als Hitler dann 1940 eine gigantische Inszenierung des scheinbar bevorstehenden Endsieges plante, kannte die Euphorie keine Grenzen. Nach dem Sieg über Frankreich im Juni 1940 – die Planer sprachen fortan von der Zeit „nach Compiègne“ – sollten nun die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Im selben Monat hatte Hitler verlangt: „Berlin muß in kürzester Zeit durch seine bauliche Neugestaltung den ihm durch die Größe des Sieges zukommenden Ausdruck als Hauptstadt eines starken neuen Reiches erhalten. In der Verwirklichung dieser nunmehr wichtigsten Bauaufgabe des Reiches sehe ich den bedeutendsten Beitrag zur endgültigen Sicherstellung des Sieges.“ München, Linz, Hamburg und Nürnberg sollten als „Führerstädte“ neu gestaltet werden, aber auch alle anderen Gauhauptstädte wetteiferten bereits im Bemühen, den „Sieg sicherzustellen“.

Deutschlands Planer und Architekten ließen sich von einer Welle der Begeisterung tragen, und es waren nicht nur die Großstädte, die eine städtebauliche Aufrüstung betreiben wollten. Für alle Bereiche der Planung… (Forts. siehe Link )

Autor: Niels Gutschow

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Neuerdings: Aus dem Literaturverzeichnis der großen Arbeit „Drumming in Bhaktapur“ von Gert-Matthias Wegner:

Aus der Geschichte meines Vaters

Nachricht über meinen Vater

Jahreszeiten – Lebenszeiten

Luftschlösser und Städtebau

Es hat mich immer interessiert, auf welchen Wegen die Familien der Reichows von Pommern nach Westdeutschland (Hamburg bzw. Westfalen) gekommen sind und wie sie an welchem Ort Fuß fassen konnten. Es gab eben dort oben „die Hamburger“ und hier unten „die Bielefelder“, die sich eigentlich durch das kleine Dorf Lohe bei Bad Oeynhausen definierten, aus dem meine Mutter stammte; es war unsere Anlaufstelle am Ende des Krieges. Wie es in Hamburg gelaufen war, fand ich in großen Zügen in einem Erinnerungsbuch, dass meine Cousine Daniela für ihre Familie geschrieben hat.

   

 

Da kommt also ein anderer Name ins Spiel, der eines Studienfreundes, der als Architekt in Hamburg fest etabliert war: Konstanty Gutschow, ein Glücksfall für die zuwandernde Familie, wenn auch, möchte man aus heutiger Sicht anmerken, eine Zumutung für die ansässige. Eine ausgreifende historische Reflexion von dieser Seite sähe wohl ganz anders aus. Die großen antipodischen Leitbegriffe könnten sein: „Stadtlandschaft“ und „Ordnungswahn“. Oder: von der allmählichen Neu-Orient-ierung…

(Fortsetzung folgt)

Weiterhin postkolonial denken!

Aber was heißt das?

DIE ZEIT 25.07.24

Ich kenne das aus meiner Zeit und nun auch noch aus der der übernächsten Generation. Ein bisschen Grundlagenstudium täte gut. Wikipedia, bitte!

ZITAT

Erste Denkansätze des Postkolonialismus gab es bereits 1947, als sich Indien vom British Empire trennte und als unabhängiger Staat dem Commonwealth of Nations beitrat. Seit den 1950er Jahren stieg das Interesse der Linksintellektuellen an der „Dritten Welt“ stetig an. Ab Mitte der 1970er Jahre etablierte sich die kritische Infragestellung der lange positiv bewerteten Kolonialisierungsgeschichte als postkolonialistische Theorie im interdisziplinären wissenschaftlichen Rahmen an zentralen Universitäten.

Wegweisend für diese Entwicklung wurde Edward Said’s wirkungsreiches Werk Orientalism (1978), an dessen Veröffentlichung sich die leidenschaftlich und kontrovers geführte „Orientalismusdebatte“ anschloss und das heute zahlreichen Vertretern als „Gründungsdokument“[4] des Postkolonialismus gilt. Said selbst verwendet den Begriff „Postkolonialismus“ in seinem Buch nicht. Er formuliert in seinem Text zwei grundlegende Thesen, die den öffentlichen Diskurs prägten: Erstens hätten westliche Wissenschaftler, „Orientexperten“, in ihrer Darstellung der fremden Kultur diesen Gegenstand ihrer Forschung zunächst als unterlegenes Anderes konstruiert und ihn auf diese Weise schließlich geschaffen. Zweitens sei das so produzierte Wissen dafür instrumentalisiert worden, koloniale Machtstrukturen zu verfestigen und zu legitimieren, indem es alternativlos in den Bildungskanon der kolonisierten Subjekte implementiert wurde.

Siehe Wikipedia hier Zu Edward Said: hier

Beispielseiten aus Said’s Werk:

Homi Bhabha und die Vermischung der Kulturen hier / Wiki Homi Bhabha

Und nun eine Kostprobe des ZEIT-Artikels (s.o.), der den Stein im rechten Moment wieder ins Rollen brachte.

Zur Kenntnisnahme empfohlen: Staat Palästina plus weitere Links a.a.O.

DIE ZEIT 25.Juli 24 Seite 31 Ein bisschen wütend An großen Universitäten brodelt es wegen des Kriegs in Gaza. Die Verantwortung dafür wird oft einer zunehmend populären Denkschule gegeben. Eine Spurensuche in Seminaren zum Postkolonialismus / Von Maximilian Probst und Yannick Ramsel

– zu aufgeladen sei das Thema. Der Postkolonialismus scheint ihr ohnehin nicht ge-

diese Kolumne – oben die mit der Überschrift „Hamburg“ betrifft direkt mich und die Rolle, die in den frühen 60er Jahren der Orient, speziell Indien, für mich spielte. Wobei mich das prinzipiell inklusive Vorgehen in Indien nach kurzer Zuneigung (Aurobindo!) ebenso abstieß.

Die neueste Form des Kolonialismus (dingfest gemacht in der ZEIT 22.08.24)

Quelle DIE ZEIT 22.08.24 Der neue Kolonialismus / Über den obszönen Massentourismus und seine Folgen – eine Abrechnung / Von Jens Jessen

Der Artikel kam auf den Tisch genau einen Tag, nachdem ich per Zufall im Fernsehen den Film über die historische Eisenbahn quer durch Borneo gesehen hatte, dessen Intensität mich erst nachträglich immer mehr erstaunte. Weil er so unspektakulär war. Und doch in seiner scheinbaren Harmlosigkeit soviel Gedanken freigab, die ich nicht aufschreiben konnte. Die wunderbare Länge, die Ereignislosigkeit, – die Nachvollziehbarkeit, dort zuhause zu sein.

Z.B. auch, dass die eingeborenen jungen Frauen durch social medias auf die wunderliche Idee kamen, die 50 Km lange Zeitlupen-Fahrt zu unternehmen. Ein  Jahr lang abrufbar!

HIER abrufbar bis 20.08.24

Keine Kontroverse – Lanz & Precht

Einfach nur ZUHÖREN ?

Natürlich erwartet man an dieser Stelle, dass die Fetzen fliegen. Aber kann man denn nicht wirklich einfach nur zuhören, wenn lediglich zwei das Wort haben und die öffentliche Meinung sich an anderen Wortwechseln entzündet hat, die so nicht angelegt waren: die Diskussion ist natürlich offen, muss jedoch nicht besonders rabiat sein, nur weil die beiden Kontrahenten auf dem erleuchteten Podium sitzen und wir im Halbdunkel davor. Kurz: ich könnte in meinem Wohnzimmer soviel schimpfen, wie wie ich will, aber nicht einmal dort andere Zuhörer*innen behindern, irritieren oder in ihrer Meinungsbildung beeinflussen. Hinterher kann ich versuchen, eine eigene, faire Diskussion zu führen (?) oder zuzulassen, aber nicht auf der Grundlage von Stimmungen, wie z.B. – das sind mir zuviel Worte, der Lanz labert sowieso endlos und unterbricht notorisch, er will nur mit seinem naseweisen Bescheidwissen prunken. Tut er es auch hier (wenn er keinen Politiker vor sich hat) oder geschieht es etwa nur zugunsten spontaner Einfälle, die keinen Aufschub dulden und nun einmal zu einem lebendigen Gespräch gehören? Im letzten Podcast, der zur Diskussion steht, habe ich jedenfalls offensichtlich etwas gelernt, wollte jedoch auch noch einigen Namen und Begriffen nachgehen, die mir neu waren oder mich gereizt haben, das Handy als Lexikon hinzuzuziehen, was die Konzentration auf den Gesprächsverlauf mindert. Weder Lanz noch Precht hegt die Absicht, die Zuhörenden absichtlich zu verwirren, das darf man ihnen zugestehen. Und wir: sind halt gutwillig und tolerant, – das ist keine Schande. (Wenn Sie die Sendung schon gut genug kennen, – vermeiden Sie doch einfach diesen Zeitverlust im Blog. Ich will damit nicht glänzen, sondern einfach meine Zeit nutzen.)

Mich interessiert vor allem das Thema „westliche Werte“ – kann man diese Werte wirklich so dem Westen zuordnen? Sind es nicht menschliche Werte schlechthin? Wir neigen – in vorauseilender Selbstkritik – instinktiv dazu, die Werte – ähnlich wie Geschmacksunterschiede -als relativ zu betrachten, – andere Kulturen, andere Werte. Oder aber nein, das ist falsch verstandene Toleranz: zum Beispiel weibliche Genitalverstümmlung darf in keiner Kultur der Welt etwa „aus einer ehrwürdigen Tradition“ heraus als gültiger Brauch, als Wert gelten. Dennoch muss ich diese Auffassung begründen können, ohne als logikversessener „weißer alter Mann“ diffamiert zu werden…

Stichworte:

21:20 Timothy Garton Ash siehe Wikipedia hier

s.a. hier Vortrag: Timothy Garton Ash, ist Europa noch Vorreiter der Freiheit? | EuropaCamp 2021 ( bis 15:33, dann Diskussion)

42:43 Westliche Werte gemeint als MENSCHENRECHTE (gelten nach Kant immer und universell)

49:38 https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Moskau-Connection hier

51:38 … alles Gedanken aus der Aufklärung Montesquieu etc. , „Gewaltenteilung“ Wiki hier Kant 52:04

(Fortsetzung folgt)

Heinz-Dieter Reese

Der beste Kenner japanischen Geistes

„Ich melde mich bald wieder“

Zwischen uns war es gerade wieder zu einem regen Mail-Wechsel gekommen.

Das ist jetzt für immer vorbei, ich bin sehr traurig und denke an ihn, in dem Moment,

wo die Gedenkfeier in der Trauerhalle Kippekausen (Bergisch-Gladbach) für ihn stattfindet.

Ich werde versuchen, alle Beiträge aufzusuchen, die ich letztlich ihm verdanke. Zuletzt hier:

ZEN als Verwandlung

Was ist die TENRI Kulturwerkstatt, die auf der Todesanzeige genannt wird? Siehe HIER.

In Gedanken auf Texel (1.-11.März 2024)

2.3. Am Morgen in Richtung Den Burg

6.3. Am Abend vor Paal 15

„mors certa, hora incerta“

Die Riefenstahl-Bilder der NUBA

Zur Information

Im mittleren Sudan, in der Provinz Kordofan lebten in den Nubabergen seit Ausbruch des Bürgerkrieges im Jahre 1983 noch zwischen 8000 bis 10.000 Masakin-Quisar-Nuba der insgesamt eine halbe Million zählenden Nubastämmen, in verschiedenen Sprachgruppen – fern aller Zivilisation. Der österreichische Anthropologe S.F. Nadel berichtete, daß es 105 verschiedene Nubasprachen gegeben haben soll, keine Dialekte, sondern so verschieden, wie es die Sprachen in Europa sind.

Mit diesen aufsehenerregenden Bildern setzt Leni Riefenstahl dem unkriegerischsten Volk Afrikas ein bleibendes Denkmal.

(Scan-Quelle folgt)

http://www.leni-riefenstahl.de/deu/dienuba/1.html HIER

Wikipedia über Leni Riefenstahl hier

Warum diese Information heute und an dieser Stelle? (Am Morgen nach der Rückkehr aus Texel.)

Ich habe das Zeit-Magazin gelesen: Navid Kermani. Nach wie vor motiviert durch die frühere Begegnung mit den Veröffentlichungen Ivo Streckers. (Siehe hier).

Siehe auch Wikipedia SUDAN hier

AM RAND DER WELT

Eine Geschichte, von der man nicht loskommt, erzählt von Navid Kermani, Fotos: Moises Saman.

ZEIT-Magazinnind die Nuba?

erwwww sind die Nuba?

Ethno-Film

Wie kommt man eigentlich zu solchen Spezialinteressen?

Rekapituliert nach der Lektüre von Eliot Weinbergers Essay in „Kaskaden“ Seite 219 ff und (über Ash und Chagnon) Seite 236 ff „Die Kameramenschen“:

Quelle Eliot Weinberger: Die Kameramenschen (engl. 1995) / in: Kaskaden, Essays, edition Suhrkamp Frankfurt am Main 2003

Beginn dieses Filmes („Moana“)

https://de.wikipedia.org/wiki/Moana_(Film) hier

Yanomani – Yanumamö ?

Towards an Indigenous economics

darin:

„These descriptions are also echoed by Phil Agland in his TV documentaries on the Baka tribe in the rainforest of Cameroon.“ ( Siehe auch oben bei Weinberger, auf gescannter Seite)

The Ax Fight thus operates on several levels. It plunges the viewer into the anthropology of Yanomamö kinship, alliance, and village fission; of violence and conflict resolution. At the same time it raises questions about how anthropologists and filmmakers make sense of and translate their experience into meaningful words and coherent, moving images.

https://store.der.org/the-ax-fight-p180.aspx hier –  –  –  bei Weinberger Seite 237 f

https://www.livinganthropologically.com/yanomami-science-violence-empirical-data-facts/ hier

https://www.polsoz.fu-berlin.de/ethnologie/studium/magister/visuelle_anthropologie/media/Filmarchiv_IfE.pdf hier

Im Zusammenhang mit meinen fernen, ersten Bali-Eindrücken (aus Bielefeld Ende der 50er?) der Murnau-Film TABU

https://www.deutsche-kinemathek.de/de/sammlungen-archive/sammlung-digital/murnaus-tabu hier

Die nachdrücklichsten, späteren Eindrücke von ethnischen Realitäten: anhand der LP von Ivo Strecker „Musik der Hamar“ und einer persönlichen Begegnung mit ihm im Büro WDR Köln.

Text-Beispiele

Im Schallplatten-Cover fand ich noch einige Papiere, die ich damals gesammelt hatte; ich kopiere 2 Seiten, um mich hier daran zu erinnern (es würde sich lohnen, den Artikel später vollständig zu scannen):

Im TV habe ich eines Nachts (vor Jahren, aber unvergessen) „Dukas Dilemma“ gesehen. Intensiv und ethnologisch eindringlich. Leider im Internet nicht auffindbar…

http://www.interview-im-dokumentarfilm.de/filmemacher/ivo_strecker hier

https://www.cinema.de/film/dukas-dilemma,1293533.html hier

http://www.ityopis.org/Issues-Extra-1_files/ityopis-extra-strecker.pdf

Die folgende Arbeit zu studieren, habe ich mir vorgenommen: https://eprints.soas.ac.uk/35510/1/Trojer_2021.pdf – ich stieß darauf bei der Suche nach Ivo Streckers Film, er wurde im Literaturverzeichnis aufgeführt:

Strecker, Ivo. 1988. ‘Filming among the Hamar’. Visual Anthropology 1 (3): 369–78.
https://doi.org/10.1080/08949468.1988.9966494 hier. (nur abstract)

Statt eines Nachwortes (ein Brief, der mich per Facebook erreichte):

„Visuelle Anthropologie“ war in den 1980-90ern ein in der Kölner „Völkerkunde“ hochaktuelles Thema. Kurt Tauchmann hat damals Semester-weise Seminare dazu gehalten und über das IWF zahlreiche Filme als Kopien besorgt: Dziga Vertov, Robert Flaherty, Robert Gardener, Ivo Strecker etc.etc. Alle in voller Länge gesehen.
War eine tolle Zeit, in der ich viel für meine eigenen späteren Video-Projekte habe lernen können.
Nur Tauchmanns zahllose ‚Filterlose‘ (Rothändle, Reval) waren in den Vortragsräumen (!) ‚gewöhnungsbedürftig‘ … so etwas ist heute undenkbar … die Filmseminare leider auch …

 

*    *    *

Was mich persönlich betrifft: Woher kam die Leidenschaft („Interesse“ wäre zu wenig gesagt) für das Ethnische der Südsee? Kindheit! Es war nicht die exotisch-erotische Wirkung, die im Westen überhaupt eine Rolle gespielt haben mag. (Das kam vielleicht später hinzu.) Über das Märchenhafte hinaus, mit einer starken Prise durchaus ethnologischen Stoffes: zunächst – in der Zeit, als ich gerade lesen konnte (Lohe): „Robinson Crusoe“, dann unbedingt: „Mut, Mafatu“: alles daran war wichtig, das Fremdartige, die vergleichbare persönliche Situation (?), das zur Identifikation Einladende, die Einsamkeit, die Umwandlung der Schwächen in Stärken, die Verbundenheit mit den Tieren (Hund und Vogel), die Bewährung in Abenteuern, die Rückkehr nach Hause, die Anerkennung durch den Vater (!).

 

Viele Szenen, ganz besonders aber den Schluss habe ich oft in der Phantasie nachgespielt, war allerdings nicht ganz zufrieden damit, dass all dies weit in der Vergangenheit zurückliegen sollte, und las immer wieder in den „enzyclopädischen“ Anhang hinein, der mich etwas überforderte.