Archiv für den Monat: Mai 2015

Wovon ich nichts verstehe (eine Schande)

Gewiss, ich verstehe nichts von Wirtschaft. Und von Politik nur das, was ich den Zeitungen entnehme. Ich weiß auch nicht, ob die Politik die Bedingungen der Wirtschaft lenkt oder ob wirklich, wie viele behaupten,  die Wirtschaftsbosse den Politikern die Richtlinien diktieren. Angenommen, ich wollte mir einen Weg zu einem besseren Verständnis des Verhältnisses zwischen Regierung und Ökonomie bzw. zwischen Macht und Wirtschaft erschließen und jemand gäbe mir den Tipp: versuche es doch mit den alten symbolischen Darstellungen, die sich dir einprägen und die sich dann irgendwie auf die gegenwärtigen Verhältnisse beziehen lassen, so müsste ich wohl mit den beiden Bildern beginnen, die gleich folgen. Jemand hat mich auf die Idee gebracht, und ich werde darüber auch Auskunft geben. (Bilder anklicken und zu deuten versuchen!)

Leviathan_by_Thomas_Hobbes + HOBBES 1651

Amthor Oeconomica + AMTHOR 1716

Die Arbeit kann beginnen. Ich habe mir das nicht gewünscht, aber es scheint unvermeidlich. Also: Worum handelt es sich?

Es geht zunächst um Thomas Hobbes, (Nach-) Shakespeare-Zeit, und seine staatstheoretischen Lehren. Zitat:

[Sie] sind Gegenstand seines Hauptwerks, des Leviathan von 1651. Dort beschäftigt er sich mit der Überwindung des von Furcht, Ruhmsucht und Unsicherheit geprägten gesellschaftlichen Naturzustands durch die Gründung des Staats, also der Übertragung der Macht auf einen Souverän.

Dies geschieht durch einen Gesellschaftsvertrag, in dem alle Menschen unwiderruflich und freiwillig ihr Selbstbestimmungs- und Selbstverteidigungsrecht auf den Souverän übertragen, der sie im Gegenzug voreinander schützt. Rechtlich gesehen wird er zu Gunsten des kommenden Souveräns geschlossen. Weil der gar kein Vertragspartner ist, gibt der Vertrag also den ihn Schließenden ihm gegenüber weder ein Kündigungs- noch ein Widerstandsrecht.

Will man den Souverän stürzen, ist es immer Hochverrat. Stürzt man ihn dennoch und ersetzt ihn, so schließen die kommenden Untertanen einen neuen entsprechenden „Vertrag zu Gunsten Dritter“. Hobbes wird oft wegen seines Leviathan angeführt, jedoch wird seine Theorie als Rechtfertigung absolutistischer Herrschaft auch kritisiert.

Quelle Wikipedia hier.

Zum Titelbild des Leviathan (s.o.):

Zu sehen ist der Souverän, der über Land, Städte und deren Bewohner herrscht. Sein Körper besteht aus den Menschen, die in den Gesellschaftsvertrag eingewilligt haben. In seinen Händen hält er Schwert und Hirtenstab, die Zeichen für weltliche und geistliche Macht. Überschrieben ist die Abbildung durch ein Zitat aus dem Buch Hiob: „keine Macht auf Erden ist mit der seinen vergleichbar“.

Quelle Wikipedia hier.

Des weiteren sollte ich mich über Christoph Heinrich Amthor informieren, (frühe) Bach-Zeit; als sein bedeutendstes Werk gilt das Project der Oeconomic in Form einer Wissenschaft (1716). Zitat:

[Eine] der ersten systematischen Darstellungen der Ökonomie im Verhältnis zu den anderen Wissenschaften […]. Amthor kennt bereits den Begriff der Politischen Ökonomie, die er einerseits als die der Privathaushalte definiert, andererseits als die von Städten und Ländern, die durch Polizeiordnung in gutem Stand gehalten werden soll. Amthors positiver Arbeitsbegriff wird bereits in Paragraph Eins des Werkes deutlich: Alle Menschen sind zur Arbeit geboren.

Quelle Wikipedia hier.

ZITAT zur zweiten der obigen Abbildungen (betr.: „schändliche Faulheit“):

Bei allen Analogien in der vertikalen und horizontalen Bildgestaltung werden geradezu Antithesen zur Hobbes’schen Begriffsallegorie formuliert. So liegen zu Füßen der Ökonomie eben nicht verschiedene Praxisfiguren, die dann von einer personifizierten Staatstheorie überwölbt und dominiert würden. Es ist ganz und gar umgekehrt: Am Boden und gleichsam funktionslos geworden lagern vielmehr diverse Gestalten des Müßiggangs, die sich unschwer – wie die Bild-Inskriptionen und Amthors Kommentar dazu klarstellen – als Variationen untätigen Philosophierens und Spekulierens ausweisen: von „Divinus Plato“ und „Summus Aristoteles“ über „Philosophus Plagiosus“ (einer Höflingsfigur) bis zum mönchischen „Eremita“. Von oben herab und aus dem Mund der ökonomischen
Allegorie wird das Verdikt gefällt: „Odi ignarum vulgus“, „Ich verabscheue das unwissende Volk“. Platonische Ideen, aristotelische Wissenschaft, höfisches Nichtstun und klösterliche Kontemplation werden, wie es auch in Amthors Widmungstext heißt, nicht nur als Exempel „Schändliche[r] Faulheit“ mit einem „belieben zum Müßiggange“ disqualifiziert, in ihnen können zudem regelrechte Feinde der ökonomischen Wissenschaft ausgemacht werden. Für sie ist die Verfassung des neuen Erfahrungswissens „allzu unrein und gefährlich“. Dies ist ganz im Sinne der neuzeitlichen Verwendung des Ökonomiebegriffs und der damit verbundenen „practicalischen Philosophie“ gesprochen, die die Techniken und Künste, die
„bürgerlichen Tätigkeiten“ insgesamt aus dem Schlaf im „Herzen der Kontemplation“ befreien will.

Quelle Joseph Vogl: Der Souveränitätseffekt / Verlag diaphanes Berlin Zürich 2015 (Seite 12)

Mit diesem letzten Zitat bin ich beim eigentlichen Anlass meiner aktuellen bürgerlichen Arbeit (Lektüre) angelangt. bzw. deren privater und äußerer Begründung.

ZITAT (zum Trost bei Lese-Stockung):

Seinem [Vogls] aufklärerischen Ansatz zum Trotz ist „Der Souveränitätseffekt“ leider ein ausgesprochen umständliches Buch, eine Melange aus den sprachlichen Zumutungen von Finanzmarktterminologie und Geisteswissenschaft. Auf seitenlange Zitate aus Gerichtsurteilen folgen noch längere Nacherzählungen aus historischen Journalen, die den Eindruck machen, Joseph Vogl wolle seine Leser allzu bereitwillig an den Mühen seiner Recherche teilhaben lassen. Das ist bedauerlich, denn stark wird „Der Souveränitätseffekt“ immer dann, wenn sein Autor sich in aktuelle politische Kontroversen stürzt. Joseph Vogl schreibt dann zum Beispiel von einer Pervertierung des politischen Souveränitätsbegriffs: „Souverän ist, wer eigene Risiken in Gefahren für andere zu verwandeln mag.“

Quelle Der Spiegel, 10.03.2015, Kontrolle der Finanzmärkte: Wie Politik sich dem Kapital beugt. / Von Oskar Piegsa / Link s.o. unter „Begründung“. Weiteres hier.

Joseph Vogl zu den beiden Bildtafeln:

Man könnte also sagen, dass beide Bildtafeln zusammen – und emblematisch – eine Art Doppelporträt neuzeitlicher Macht vorführen, in dem der rechtlich-philosophischen Konzeption souveräner Gewalt die ökonomisch-praktische Dimension des Regierens gegenübertritt.

Damit beende ich die Phase meiner Selbstermutigung, erst in der historischen Anbindung fühle ich mich einigermaßen wohl (Shakespeare, Bach!) und schreite voran zur geduldigen Lektüre des Vogl-Buches. Aber es steht in den Sternen, ob ich eines Tages einen Erfolgsbericht anschließen kann. Immerhin war es ja nicht der erste Versuch. (Siehe hier.)

Empfehlung (1. Juni 2015)

Man könnte es sich mit dem sehr wichtigen Buch von Joseph Vogl einfacher machen (eine alte Methode, die ich schon des öfteren angewendet habe): in Form eines Schnelldurchgangs. Alle Kapitelanfänge der Reihe nach durchgehen, verweilen, wo es historische Augenblicke zu erfassen gilt, – aber: weitergehen, immer weiter. Für mich war es hochinteressant, bei Genua innezuhalten (hatte ich nicht gedacht, das moderne Finanzsystem sei in Siena oder Florenz entstanden!?), später: bei den Niederlanden, Amsterdam als Zentrum, dann England usw. Das ist alles Geschichte. Hintergrundwissen.

Aber dann ganz gründlich die letzten Kapitel: „Universeller Gläubiger“ und Souveränitätseffekt“. Das sind vielleicht 2 Din-A-4-Seiten. Wahrscheinlich haben Sie dort alles, wonach Sie suchten. Von nun an kann man an jeden Punkt rückwärts springen und ein paar Seiten lesen… Man weiß dann überall, worum es auch geht, auch schon in den „historischsten“ Details: TUA RES AGITUR. Es geht um jeden von uns!

Tempo! Tempo!! Tempo!!!

Jawohl, alle klagen über den Zeitdruck, über den Zwang sich abhetzen zu müssen, die wahnsinnige Betriebsamkeit in den Großstädten, die Beschleunigung aller Tätigkeiten und aller Fahrzeuge, in denen wir scheinbar ruhig sitzen, und auch im Urlaub halten viele von uns nicht still, ja, selbst in der musikalischen Arbeit setzen wir uns Termine, versuchen wir ein Prestissimo schneller zu spielen, als unsere Finger wollen, rühmen wir einen Violin-Weltrekord im „Hummelflug“, – die arme Hummel, ausgerechnet dieser gemütliche Geselle („Megabombus“), der dem „Verein für Entschleunigung“ als Leitfigur dienen könnte. Merken Sie, dass mein Gejammer ganz allmählich unglaubwürdig wird? Ich meine den Kampf gegen das schnelle Tempo in der Musik natürlich nicht ernst, wir brauchen es genauso wie alle Spielarten der Langsamkeit bis hin zum Stillstand und zur Entrückung. Der wirkliche Tod der Musik ist und bleibt nun mal – die Langeweile.

Was hilft es mir, wenn jemand behauptet, Beethoven habe für seine Hammerklavier-Sonate eine Stunde gebraucht und heute gebe es junge Pianisten, die das Werk in 35 Minuten unterbringen. Das ist absurd. Erstens glaube ich das nicht, jede ernstzunehmende Aufnahme, die man auf youtube hören kann, dauert an die 50 Minuten, wenn auch die Künstler nicht mehr ganz jung sein mögen. Und schon behauptet derselbe Mann im andern Zusammenhang, es sei Franz Liszt gewesen, der eine  Stunde gebraucht habe. Na prima, ausgerechnet ein besonders virtuoser Vertreter seiner Zunft, – das könnte er natürlich als Erz-Romantiker allein im langsamen Satz herausgeholt haben.

Jeder Musiker, der die letzten Jahrzehnte wachen Sinnes erlebt hat, weiß, welche Tempi angeschlagen worden sind, gerade in der Alten Musik, und dass es insbesondere um die Beethoven-Tempi heftige und intelligente Diskussionen gegeben hat, weil der Komponist angeblich unspielbar schnelle Tempi gefordert hat (Kolisch, Leibowitz); jeder weiß auch, dass hinter der Neuen Langsamkeit nur einer stecken kann und stecken konnte: Willem Retze Talsma (und – nach seinem Vorbilde – Grete Wehmeyer). So auch in diesem Fall. Und in aller Kürze sage ich nur: er irrt.

Doch davon soll keine Rede sein. Es gibt ein neues Buch, offenbar sehr empfehlenswert, und nach dem, was ich sonst von Ralf Konersmann gelesen habe, pflichte ich freudig dem Tenor bei, den die Buchbesprechung in der FAZ vorgibt. Ein Lob der Unruhe! Mag es auch in der Bibel als Fluch und nicht als Verheißung gemeint sein: „Rastlos und ruhelos wirst du auf der Erde sein!“

Im Lauf ihrer Geschichte ist die Unruhe vom Schreckbild der biblischen Erzählung zum Normalzustand geworden. Mehr noch, sie ist ein „hoffnungsfrohes Taumeln, ein massenhaftes Sehnen und Drängen, das die Unterscheidung von Treiben und Getriebensein nicht kennt“. Und selbst noch die zeitgeistige Sehnsucht nach Entschleunigung, nach einer Auszeit oder nach meditativer Gelassenheit findet für Konersmann vor dem Hintergrundrauschen der Unruhe statt. Stress, Arbeitsverdichtung oder Burn-out werden für ihn zu Symptomen eines verzerrten Diskurses: Statt Unruhe als solche, als historische, kulturelle Erscheinung zu erkennen, werde sie heutzutage ins erschöpfte Selbst verlegt, als therapierbar, also überwindbar betrachtet. Dass dem nicht so sein kann, ist eine der vielen überraschenden Einsichten dieses Buchs.

(Fortsetzung folgt)

Quelle Frankfurter Allgemeiner Zeitung FAZ 29. Mai 2015 Stress des Alltags Wie wir gelernt haben, die Unruhe zu lieben Besser als alle Ratgeber zur Lebenskunst: Ralf Konersmann zeigt, wie unser rastloses Leben zur Norm wurde – und warum wir das für therapierbar halten. Von Thorsten Jantschek.

Quelle der Quelle Ralf Konersmann: „Die Unruhe der Welt“. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015. 464 S., Abb., geb., 24,99 Euro.

Weshalb ich dem Namen unbedingt vertraue: zu den wichtigsten, jederzeit repetierbaren Lektüren meines Bücherschrankes gehört die Kulturphilosophie zur Einführung von Ralf Konersmann/ Junius Verlag Hamburg 2003 / ISBN 3-88506-382-4 (Es gibt inzwischen eine vollständig überarbeitete Fassung, 2010.)

Wenn man den Link (oben im Wort „Fortsetzung folgt“) anklickt und sich im Artikel der FAZ den irgendwie unpassenderweise angefügten Film ansieht, wird man entdecken, dass der Vorsitzende  des „Vereins zur Verzögerung der Zeit“, so wie er über Geduld spricht, durchaus nicht entspannt  wirkt, sondern eher als unruhiger Geist, der einer gewissen Entspannung bedarf. Das könnte im Leben durchaus eine wichtige Rolle spielen, aber die Kunst dient nun einmal nicht vorrangig der Entspannung und nicht einmal der Gesundheit. Sie hat eher mit Erkenntnis zu tun.

Beethoven sehnte sich in der Zeit, als er die Hammerklaviersonate schrieb, nach einem Bauernhof und der Ruhe des Landlebens, – dazu gibt es eine Notiz -, aber das bedeutet nicht, dass sein Werk damit auch nur das geringste zu tun hat.

Man erlaube mir, mich zum Thema selbst zu zitieren: den Text zu Beethovens Opus 1 schrieb ich im Jahre 1987 (LP-Text, seit 1994 auf CD), damals schlugen die Wellen hoch, die Frage des richtigen musikalischen Tempos wurde durchdiskutiert und teilweise zu einer weltanschaulichen dramatisiert. (Die immer noch hörenswerten Aufnahmen des Abeggtrios sind bei TACET hier zu finden.)

Beethoven ZEIT TEXT: Jan Reichow (1987)

Siehe auch die Artikel Tastentiefe und Geläufigkeit-wozu.

Texel-Türen und -Tiere

Den Hoorn: Variationen mit Reprise

Tür 1 Tür 2Tür 3 Tür 4 Tür 5 Tür 6 Tür 7 Tür 8

Ruhe vor der Kirchenwand

Texel Kirchenwand Bank

Begegnung im nahen Naturschutzgebiet

Pferdebegegnung Texel 26 Mai 2015 Bitte anklicken!

Highland-Begegnung Texel 26 Mai 2015  Und anblicken!

Hab-Acht-Stellung oder ein gewisses Wohlwollen? Vielleicht durfte ich keinen halben Meter näher treten…

Handyfotos JR 26.Mai 2015

Nein, ich glaube nicht, dass es gefährlich war. Aber es wurde dokumentiert, schon für den Fall, dass mein Handy den Augenblick meines letzten Stündchens nicht übersteht. (Fotos ER)

Texel JR & Pferd ER kl Texel JR & Rind ER kl-

(siehe zum anderen auch – alles gehört zusammen, falls es sich nicht um um einen Joke handelt, aber dann erst recht – die Verbindung zum Beitrag vom letzten Jahreswechsel HIER)

(und eine Verbindung zur Spiegellektüre „Böse Geister sind Realitäten“ – der Blick auf einen Acker mit dem Riesenschild: „Het Eiland voor de Heiland“ – und quer durch Europa in den Stuttgarter Raum: HIER) … und jetzt der wirkliche Themenwechsel: Abschied. Alles vorbei.

Voorbij de horizon

Texel Grab ohne Stein x Texel Grab mit Stein x Texel Kinder Hinter dem Horizont    Texel Abschied Möven 27 Mai 2015 27.Mai 2015 11.15 Uhr

Das Wort, in einer taumelnden Welt

(Z.B. am Morgen ratlos erwachend)

Heute war es etwa die Erinnerung an die gestrige Lektüre der FAZ, Donnerstag, 21. Mai, die Sonne schien, ein starker Wind wehte, der Wald – in 20 Metern Entfernung – stand grün und rauschte, der Buchfink schlug „ohn‘ Unterlass“. Nichts Finsteres. Es war die Überschrift – „Der frechste Dichter aller Zeiten“ – und die Tatsache, dass damit DANTE gemeint ist, und die Schlusszeilen – mit der Kenntnis des ganzen Artikels:

Ein Freudenfest der Sprache, ein Triumph der Poesie über Politik, Poesie und, notabene, Theologie. Als wäre die Dichtung, als wäre die Kunst das einzig Konstante in einer taumelnden Welt.

Und dann am nächsten Morgen Schubert hören (mit Kirschnereit), ein Buch von Georgiades aufschlagen und die Zeilen über Beethoven lesen (‚dona nobis pacem‘), warum er diese Überschrift dafür wählte: ‚Bitte um innern und äußern Frieden‘.

Auch dies erscheint als Folge dieser eigentümlichen Haltung, die das Wort als gegenwärtiges Geschehen, als Handeln auffaßt. Denn wir können sagen: Das Wort entsteht bei dieser Einstellung dort, wo das Ich auf die Außenwelt stößt. Innenwelt kann hier nicht ohne Außenwelt existieren. Dies ist das wesentliche Merkmal der Wiener klassischen Musik, ein nur ihr eigenes Merkmal. Dieser Drang nach Vergegenständlichung des Ich, nach Verinnerlichung der Außenwelt prägte auch die Eigenart von Beethovens Komposition und veranlaßte die Überschrift ‚Bitte um innern und äußern Frieden‘.

Da habe ich also den Katalysator, wissend, dass es an dieser Stelle auf Schubert hinausführen soll, den ich gerade gehört habe, zu dem ich eine schöne Einführung des Pianisten gelesen habe (über die Wanderschaft als Prinzip). Und zugleich ist da dieser Zeitungsartikel über „die Attraktivität der ‚Commedia‘ mit ihrem Jenseitskonzept als Spiegel des Diesseits“:

In den Berlusconi-Jahren wurde Dante fast zum Massenautor, vor allem dank Roberto Benigni. Ich kann nur empfehlen, auf Youtube zu schauen und zu hören, wie Benigni in großen Sälen, auf großen Plätzen Dante sprechend lebendig macht.

Und schon habe ich alles zusammen, was ich brauche, um aus eigenem (?!) Antrieb aktiv zu bleiben. Meine Außenwelt (Dante – aufgrund der Empfehlung von Kurt Flasch, der von FCD als Auslöser genannt wird, mir aber voriges Jahr in Bonn in ähnlicher Funktion begegnet ist), Schubert, Georgiades, ein vorläufig unbestimmbares neueres Erinnerungsfragment, das die Erscheinungweisen von Musik betrifft, die geöffnete Tür, den Wald, den Buchfinken, 1 CD, 1 Zeitungsseite. Der Autor: Friedrich Christian Delius. Merkwürdig genug, dass er auf Dante gekommen war wie ich, aber eigentlich gar nicht so merkwürdig, wenn man dies liest:

Ungelesen, angelesen, achtel- oder halbgelesen, wahrscheinlich gibt es kein Buch in den Regalen der Literaturfreunde in aller Welt, das so selten komplett gelesen wurde wie Dantes „Göttliche Komödie“. Auch ich brauchte mehrere Anläufe. Vier Jahrzehnte lang wollte der goldverzierte 100. Band der Fischerbücherei, den mein Vater, hessischer Landpfarrer und Italien-Freund, in den fünfziger Jahren gekauft und nicht gelesen hatte, von mir aufgeschlagen und gewürdigt werden. Hin und wieder fasste ich Mut, jedes Mal auf den ersten Seiten scheiternd. (…)

Es musste erst Kurt Flasch 2011 mit den zwei großformatigen Bänden, mit seiner präzisen Prosafassung und der „Einladung, Dante zu lesen“ kommen, damit ich die 14 233 Verse noch einmal von vorn und dann bis zum Ende las.

Meer Hafen Texel

In der Tat ging es mir ähnlich, angefangen von dem 100. Fischer-Buch-Band in den 50er Jahren bis hin zum 13.12.2011, als ich erlebte, wie Kurt Flasch seine neue Übersetzung in der Buchhandlung Böttger in Bonn vorstellte und ich „von Stund‘ an“ das Inferno las.

Und folge FCD weiterhin mit Zustimmung und Anteilnahme:

Aber warum? Die Lektüre bleibt ja strapaziös. Bei aller Begeisterung für poetische Raffinesse, bei aller Bewunderung der Phantasiekraft, bei aller Neugier auf den politischen Dante – es gibt genügend öde Passagen, die uns heutige Leser resignieren lassen. Wir verzweifeln an unserer Unbildung, wir ermüden auf den kosmologischen, philosophischen, mystisch-theologischen Etappen am Läuterungsberg und im Paradies. Warum ich durchhielt, kann ich nur erklären, wenn ich ein Betriebsgeheimnis preisgebe.

Ja, bitte – aber welches denn? Warum geht das Zitat nicht weiter? Damit der Leser, die Leserin selbst, sage ich mir, ähnliche Überlegungen anstellt wie ich, – der ich heute morgen gewissermaßen das gleiche Betriebsgeheimnis – wie so oft – in die Praxis umgesetzt habe. Ich höre Schuberts Sonate a-moll D 845, die ich mir schon Mitte der 50er Jahre in den Noten meines Vaters durchgesehen hatte, später war es die andere, frühere Sonate in a-moll, die ich 1959 gründlich studiert habe (als privater Schüler von Hanns-Ulrich Kuntze in Detmold), mühsam fand ich Zugang – mir erschien sie unnötig schwer – , nur der Ernst des Lehrers vermittelte eine leise Vorstellung davon, dass in der Musik etwas ganz anderes passierte (und passieren musste), als ich ahnte. Aber erst Jahre später (durch das Schubert-Buch von Gülke)  begriff ich, dass dies auch in Worten angedeutet werden sollte. Dass dies vielleicht sogar die Voraussetzung sei, zu Schubert vorzustoßen und nicht nur im Vordergrund bei 1000 „schönen Stellen“ stehenzubleiben.

Und auch heute noch geht es mir so, dass ich beglückend finde, wenn jemand, der Schubert wunderbar in klingende Musik übersetzt, zugleich (wie Alfred Brendel) imstande ist, eine Ahnung davon verbal zu übermitteln. Die Anwendung des Betriebsgeheimnisses also heute morgen: Die ebenso einfache wie ohrenöffnende Einführung des Pianisten Matthias Kirschnereit in sein Schubert-Programm zu lesen, zu beherzigen und dann die große Sonate in a-moll von ihm zu hören. Er ist kein effektvoller Redner, was ihn auszeichnet, ist Glaubwürdigkeit:

Mein Klavierlehrer in Windhuk, Namibia, gab mir einst das Scherzo in B von Franz Schubert auf – es sollte das erste Werk des Komponisten sein, welches ich spielte. Ich mochte das kleine Stück: pianistisch nicht sonderlich anspruchsvoll, charmant und heiter – und schon damals faszinierte mich der Umstand, dass der launige Hauptgedanke mal wienerisch behaglich, mal frech und kapriziös daher kommt. Das Erzählen von Geschichten auf dem Klavier hat mich von Anbeginn fasziniert und ich lese hinter den Tönen und Harmonien, Phrasen und Perioden, Seelen- und Naturzustände.

Jahre später erlernte ich während des Detmolder Studiums die a-Moll-Sonate op. 42. Hier bekam ich erstmals eine Ahnung von Schuberts Abgründen, Schuberts Sehnsucht und – von Schuberts Wandern. Ich meine, dass in der Musik Franz Schuberts die Idee des Wanderns ein stilbildendes Charakteristikum darstellt. Dabei ist das Wandern gewiss vielschichtig zu verstehen. Zum einen im wörtlichen Sinne als das Wandern durch Stadt und Land, mal beschaulich, mal rastlos. Zum anderen sehe ich in Schuberts Wandern eine Metapher für die mehr oder weniger permanente Sehnsucht nach glücklicheren Umständen, bis hin zum erlösenden Tod. Besonders eindrücklich manifestiert sich dieses Sujet in den Liederzyklen „Schöne Müllerin“, wo das rauschende Bächlein zum engsten Vertrauten des Protagonisten wird, sowie in der „Winterreise“, wo auch die letzten verbliebenen Hoffnungen zu erfrieren scheinen.

So oder ähnlich hat man es vielleicht oft irgendwo gelesen, aber in dieser einfachen Form – ohne intellektuelles Muskelspiel – und im Zusammenhang mit einer vollkommen glaubwürdigen Interpretation bedeutet es mir als Motivation viel mehr als ein paar Seiten Moments musicaux von Adorno, so sehr ich sie schätze, und in anderen Fällen als Betriebsgeheimnis zu Rate ziehe. – Doch dazu Weiteres von FCD, dem Schriftsteller:

Jeden Morgen vor der Arbeit an einem Prosatext pflege ich mich mit einem Klassiker zu dopen. Zwei, drei Seiten inhalieren, wenige Minuten nur, es kann „Dichtung und Wahrheit“, Jean Paul oder Joseph Roth sein, auch die neuen Übersetzungen der „Kartause von Parma“ oder „Tristram Shandy“, derzeit ist es Jaroslav Hašeks „Die Abenteuer des guten Soldaten Svejk im Weltkrieg“. Mit dem Echo solcher Meisterprosa im Ohr wird es leichter, die Kriterien scharf zu halten und die eigene Sprachmelodie zu finden.

Flaschs Dante half mir 2012 bei der Erzählung „Die linke Hand des Papstes“. Ich arbeitete in Rom, jonglierend mit meinen Erfahrungen, Beobachtungen und Entdeckungen aus zwölf und mehr Rom-Jahren. Da tat es gut, jeden Morgen vor der Arbeit einen Gesang, also rund 140 fein rhythmisierte Zeilen aus der „Göttlichen Komödie“ zu lesen, teils im Original, teils im Flasch, teils im Vezin, mit möglichst wenig Kommentar. Schnell war mit klar, dass Dante mein Verbündeter war.

Was für gute Worte! Genau das möchte ich auch: Franz Schubert zum Verbündeten gewinnen. Nicht unbedingt dank Kirschnereits Interpretation, es begann ja viel früher. Und ich will auch die kleine Ernüchterung nicht unerwähnt lassen, die mir das Werbevideo bereitet, das der Verlag oder die Agentur bereitstellt. Nicht die Worte, die in etwa dasselbe wiedergeben, was der CD-Text des Künstlers schon in aller Kürze bot. Mich interessiert nicht, wie der Künstler einherschreitet oder probeweise die Posen einnimmt, die zu einem nachdenklichen Foto führen mögen. Die Musik bedarf dessen nicht, und der Künstler eigentlich auch nicht.  Hier  Die Kurzweil der fragmentierten Augenblicke ist es kaum, die den Unschlüssigen zu überreden vermag, sondern vor allem die konzentrierte Beobachtung der langen Wanderung von Sonatenanfang bis Sonatenende. Inbegriffen Momente der Ratlosigkeit und des Zweifels. Nonstop 37 Minuten. Man sollte nicht glauben, mit einem Querschnitt auch nur einen Abglanz dessen wahrzunehmen, was den ganzen Schubert ausmacht. Meine Empfehlung: die CD aufzulegen und zuerst die Sonate von Tr. 4 – 7 zu hören. Anschließend – nach einer Bedenkpause – die drei kleineren Stücke Tr. 1, 2 und 3. Und dann könnte wiederum ein Wort aus Kirschnereits Text den Schlüssel liefern, bevor man sich dem „Rest“ der CD überlässt, ein Wort, bei dem allzu feinsinnigen Schubert-Interpreten das Blut in den Adern gerinnt: „eine der triumphalsten Kompositionen Schuberts überhaupt“ – die Wanderer-Fantasie.

Man vergisst, wie oft sich in seinen bedeutendsten Werken „ein dem Leben zugewandter, ausgelassener und gar verwegen draufgängerischer Schubert zeigt“. Das tragische Klischee ist zu einer Wahrnehmungsbehinderung geworden. Denn das Damoklesschwert des Todes hängt über uns allen, – dass wir es wissen, macht uns zu Menschen – aber worauf es ankommt, ist nicht die ziellose Angst und Ratlosigkeit, sondern die erfüllte Zeit, die wir im Zeichen der Kunst verbringen.

Ein letztes Zitat von FCD, damit ich nicht vergesse, weshalb ich mir z.B. eins seiner Bücher besorgen will (gegensätzliche Rezensionen verkraftend, siehe hier):

Ein spezielles Vergnügen also, im skandalsatten und korrupten Rom den Moralisten Dante täglich zehn Minuten bei seinen Gängen und Visionen zu begleiten, bevor ich daran ging, von den Konflikten eines Fremdenführers zu erzählen, vom Geheimnis der linken Hand des Papstes und vom Coup des Augustinus, die Erbsünde zu erfinden und diese Idee dank Bestechung mit achtzig arabischen Zuchthengsten bei Kaiser und Papst durchzupauken. Vergil und Dante mit größtmöglichem Abstand und Respekt in heiterer Bescheidenheit zu folgen, das kann auch im 21. Jahrhundert kein Irrweg sein.

Endlich hatte ich begriffen: Hier schreibt der frechste Dichter aller Zeiten. Und das nicht nur als Gesellschaftskritiker, der seine politischen Gegener und die Schufte seiner Zeit, Päpste und Kaiser inklusive, stracks in die Hölle befördert. Seine größte Frechheit ist keine politische, sondern eine theologische.

Der Dichter schwingt sich zum Weltenrichter auf. Mit der Fiktion seiner Wanderung durch Inferno, Purgatorio und Paradiso nimmt er, natürlich in frömmster Absicht, Gott die schwere Arbeit des millionen- oder milliardenfachen Menschensortierens ab und entthront ihn, zumindest vorläufig, auch wenn er ihm inbrünstig unterworfen bleibt. Das ist der erheiterndste Widerspruch der Commedia, die zu anderen Zeiten als Ketzerei verfolgt wurde.

Quellen

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. Mai 2015 Seite 13 Der frechste Dichter aller Zeiten Wer in  die Hölle kommt und wer ins Paradies, entscheidet dieser Poet: Vor 750 Jahren wurde der Weltenretter Dante geboren / Von Friedrich Christian Delius

EDEL Kultur 2012 (Berlin Classics) 0300302BC Franz Schubert Wanderer Fantasie / Matthias Kirschnereit, Klavier

Thrasybulos Georgiades: MUSIK UND SPRACHE Das Werden der abendländischen Musik dargestellt an den Vertonungen der Messe. Springer-Verlag Berlin Göttingen Heidelberg 1954

Nachtrag 1

Angefügt seien ein paar Links zu dem von FCD hervorgehobenen Roberto Benigni: Er rezitiert den ersten Gesang aus dem INFERNO, den Anfang der ganzen Divina Commedia von Dante Alighieri: HIER. Text-Synopse (zum Mitlesen) HIER.

Nachtrag 2 (27. Mai 2015)

Ein Gespräch mit Kurt Flasch in DIE WELT: Hölle, Hölle, Hölle!

Dank an Berthold!

***

Nichts Finsteres. (Zu Pfingsten auf Texel)

WALD Texel

Goldberg-Bass und Kanon

Nein, der Bass der Goldberg-Variationen stammt nicht von Goldberg ebensowenig wie sie ihm gewidmet sind. Der Bass war Allgemeingut wie viele andere auch, etwa der (ein) Bass der Chaconne, der Passacaglia u.a., man sehe unter Ground, Ostinato oder Division (divisions sind bereits Variationen über einem Ground). Hier ein Beispiel von John Banister aus „The Division-Violin“  (Playford 1685, Bachs und Händels Geburtsjahr!):

Banister Ground (bitte anklicken! Ground in der letzten Zeile)

Goldberg Bass „Ground“ und Goldberg-Bass Var. 30 in B

Bei Wikipedia findet man die originale Folge der Fundamental-Töne des Bachschen Themas in G (Own edition of the „Fundamental-Noten“ of BWV 988, J. S. Bach’s Goldberg-Variationen User: Dr. 91.41 3.12.2008)

Goldberg BWV988_Fundamental-Noten

Der Bach-Forscher Christoph Wolff vermutet, dass die Goldberg-Variationen „von Anfang an in das Gesamtkonzept der Clavier-Übung eingebunden waren und deren grandioses Finale darstellen.“ Und weiter schreibt er:

Die Variationen basieren auf einem 32 Takte umfassenden Thema, das in der Baßstimme einer Aria eingeführt wird und dessen Anfangsteil identisch ist mit dem Ostinato.Baß von Händels Chaconne avec 62 variations HWV 442, einem Werk, das 1703-1706 entstand und 1733 innerhalb dessen Sammlung von Suites de Pièces pour le Clavecin veröffentlicht wurde. Die Chaconne war als Einzelstück bereits 1732 bei Witvogel in Amsterdam erschienen, einem Verleger, der Bach als Vertriebsagenten der Cembalowerke des deutsch-holländischen Virtuosen Conrad Friedrich Hurlebusch bemühte […]. Bach wird die Amsterdamer oder Londoner Ausgabe von Händels Chaconne gekannt haben, und ihm muß der schlichte zweistimmige Kanon (einschließlich der Mängel seiner kontrapunktischen Konstruktion) aufgefallen sein, der die Schlußvariation bildet. Seine Betrachtung des von Händel verwendeten traditionellen achttönigen Ostinatomodells löste jene Art komplexer Kettenreaktion aus, wie sie im Nekrolog beschrieben wird: „Er durfte nur irgendeinen Hauptsatz gehöret haben, um fast alles, was nur künstliches darüber hervor gebracht werden konnte, gleichsam im Augenblicke gegenwärtig zu haben.“ Und so resultierte Bachs forschendes Experimentieren mit dem kanonischen Potential des achttönigen Themas in einer Serie von Vierzehn Kanons BWV 1087, die er später in sein Handexemplar des vierten Teils der Clavier-Übung eintrug. Im Fall des Variations selbst beschloß Bach, sich weder vom engen Grundgerüst der acht Fundamentalnoten noch von den begrenzten Möglichkeiten eines rein kanonischen Werks in seiner Kompositionsarbeit einschränken zu lassen. Und so erweiterte er den ursprünglichen Ostinatobaß beträchtlich, sa daß er der harmonischen Untermauerung einer Aria dienen konnte, deren bezwingende Melodie raffiniert von der Baßstimme ablenkt und damit auch vom eigentlichen strukturellen Rückgrat des Variationenzyklus.

Quelle Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach S.Fischer Verlag Frankfurt am Main 2000 ISBN 3-10-092584-X (Seite 407) Die Anmerkungsziffern wurden in diesem Zitat weggelassen.

Die erwähnte Händel-Chaconne (Anfang – vgl. den Bass mit dem Bachs – und Ende, mit dem von Wolff hervorgehobenen Kanon der Var. 62):

Händel A

Händel Z

Und all dies hat letztlich auch mit dem Notenblatt zu tun, das uns Bach auf dem berühmten Porträt zur Kenntnisnahme vorzuweisen scheint. Ein Kanon, der offenbar jetzt erst endgültig entschlüsselt ist. Wie Jan Brachmann am 18.04.2014 in der FAZ berichtete:

Der Musikverleger Johann Anton André hatte 1840 eine Lösung präsentiert, die annehmbar, aber nicht ganz frei von Stimmführungshärten ist. Jetzt hat der englische Dirigent John Eliot Gardiner eine neue Lösung gefunden, die glatt aufgeht und ziemlich verblüfft: Man muss das Notenblatt umdrehen und gegen das Licht halten. Dann sieht man die fehlenden drei Stimmen [„Canon triplex a 6 vocibus“]. Dabei wird jede Notenzeile gespiegelt und ist rückläufig (im Krebsgang) zu lesen. Es handelt sich also um einen dreifachen Spiegelkrebskanon. Durch die Umkehrung der Blickrichtung wird aus Alt – Tenor – Bass die Stimmenfolge Bass – Tenor – Alt. Mitgeteilt ist diese elegante Lösung in Gardiners neuem Buch „Music in the Castle of Heaven. A Portrait of Johann Sebastian Bach“ (London 2013)

Bach (1)

Eine angenehme Vermittlung des Grundwissens und solcher Neuigkeiten zur Entschlüsselung des Kanons finden wir in den beiden Filmen, die das Bachhaus Eisenach in Auftrag gegeben hat. Manches wird Ihnen bekannt sein, manches ist noch einmal – munter wie für Kinder – zubereitet, aber: lassen Sie sich darauf ein. So werden Sie es nicht vergessen, und selbst die Zahlenmystik Bachs wird auf eine Weise dargestellt, dass man sich nicht in fruchtlose Spekulationen verwickelt sieht.

Das Musikbeispiel, das Sie im ersten Film bei 1:52 hören werden – die unterste Zeile des Notenblattes, das Bach in der Hand hält -, ist im gedruckten „Vierzeiler“ dieses Artikels (s.o.) die erste. Aber Achtung, es kommen andere hinzu, auch solche Stimmen, die gar nicht dazustehen scheinen, und sie ergänzen sich zu einem Wunderwerk, dessen von Bach ersonnenes schriftliches Kürzel der Maler Haussmann getreu wiedergegeben hat, – auch wenn man es in der obigen Reproduktion nicht genau erkennen kann. Ebensowenig wie die volle Zahl der 14 Knöpfe an der Jacke…

HIER (klicken!) Sollte es nicht gelingen, verwenden Sie das seltsame Suchwort „buchstabenschubser“.

Tastentiefe

Durch eine Bemerkung am Ende des Artikels „Geläufigkeit“ ausgelöst, kamen mir Zweifel, ob die Idee vom bloßen Anrühren des Druckpunktes der Tasten in dieser Etüde verallgemeinerbar ist oder ob man nicht vielmehr vor der Verallgemeinerung warnen soll. Ich erinnere mich an eine Schülerin, die sich weigerte, forte oder gar fortissimo zu spielen. Offenbar hielt sie dies für unmusikalisch. Künstler sind für manche Menschen zartfühlende Wesen, was sie ja in bestimmten Grenzen wirklich sind. Sie sind aber zugleich auch kraftvolle Zusammenfasser und zuweilen sogar lebensfrohe Berserker. Es ist interessant, was Heinrich Neuhaus über sogenannte „Drescher“ schreibt, zu denen offenbar in jüngeren Jahren auch Emil Gilels gehört hatte. (Zitat?)

Ich will nicht vollständig zitieren, was Ceslaw Marek in seinem Mammutwerk von der „Lehre des Klavierspiels“ über den Anschlag der Finger schreibt, so dass man auch hier nicht verallgemeinern kann. Er analysiert 3 Phasen der Anschlagsbewegung (1 Heben 2 Fallenlassen 3 Niederdruck), und zwar ausführlich innerhalb einer Fingerübung (!), – ich beschränke mich auf die 1. Phase:

Der übende Finger wird so rasch und so hoch, als es ihm ohne forcierte Anstrengung möglich ist, gehoben und eine Zeit lang in der von ihm erreichten Hubhöhe unbeweglich gehalten. Beides erfordert kontrollierte Aktivität seiner Muskeln. Die Hub- und Halteenergie darf dabei keine synergetische Mitwirkung der Armmuskulatur zu Hilfe nehmen und auch keine Mitbewegung, kein Zucken des Armes bewirken. (Seite 259)

Für die 2. Phase betont er, dass es sich um ein passives Fallenlassen des Fingers handle, sowie um einen geräuschlosen Niederdruck des Taste, nicht um einen Schlag. Auf der nächsten Seite erläutert er, warum der Finger überhaupt so hoch, als es ihm möglich sei, gehoben werden soll, wenn der ‚Anschlag‘ doch aus einer niedrigeren Hubhöhe erfolgen soll. „Für den ‚Niederdruck‘ der Taste würde doch diese Hubhöhe genügen, welche der niederzudrückenden Tastenhöhe entspricht. Der übende Finger dürfte in diesem Fall den Kontakt mit der Taste, d.h. die Berührung ihrer Oberfläche, überhaupt nicht aufgeben.“

Antwort:

Die letzte Folgerung ist insofern durchaus berechtigt, als sie für vollendet durchtrainierte, in ihrer Kraft, Beweglichkeit, Treffsicherheit und in dynamischer Anschlagsdifferenzierung die höchste Stufe der Virtuosität beherrschende und auf alle Ausdrucksnuancen präzis reagierende Pianistenhände – aber nur für solche – absolut zutreffend ist. Von solcher Vollendung sind aber nicht nur Klavierstudierende, sondern auch die meisten Klavierlehrer weit entfernt.  (Seite 260)

Das soll genügen. Und wenn ich mich selbst zu dieser Species der „Von der Vollendung weit Entfernten“ zähle, ändert das doch nichts an der Tatsache, dass mir beim Üben des Terzentrillers in Chopins Etüde die niedrigste Hubhöhe der Finger angemessen erscheint.

Als Nächstes hätte ich vielleicht den Einwand zu gewärtigen: Was nützt ein solcher Blog-Eintrag dem Normalverbraucher? Antwort: 1. schreibe ich vielleicht gar nicht für (kunstfremde) Normalverbraucher, oder nur für solche, die mindestens die gleichen Ansprüche an sich selbst stellen wie ich. 2. gelten solche Methoden cum grano salis für jede andere Übung, ob man nun ein Handwerk betreibt oder eine diffizilere Sportart. Wir arbeiten im Vertrauen auf unsere Physis und auf die Naturgesetze, die für alle gelten, – selbst für die, die mit dem Kopf gegen die Wand rennen und sich möglichst effektiv Schaden zufügen wollen.

Kurz und gut: Ich übe auch das bewährte Material von Stoyanov an der Grenze des Hörbaren ebenso wie im Fortissimo.

Quelle Czesław Marek: Lehre des Klavierspiels / Zweite, revidierte und erweiterte Auflage, Atlantis_Musikbuchverlag Zürich und Freiburg i. Br. 1977)

Das Beispiel aus dem hervorragenden Übungsheft von Andrey Stoyanov ist so verblichen, dass ich es mit Tusche nachziehen musste; entsprechend sieht es aus, erfüllt aber wohl seinen Zweck:

Stoyanow

Endlich… (ein Selfie-Rätsel, halbgelöst)

Endlich fügt es sich, dass Freund Klaus G. mir – direkt aus der Thomaskirche in Leipzig – ein Original-Selfie mit Bachs Fugen schickt. Kein Wort zu den Blutstropfen, auf die er verwies, die aber möglicherweise nicht echt sind, während die Füße, wohlbeschuht, durchaus die des Meisters sein könnten, der die Pedale mit Füßen so schnell bediente wie andere nicht mit Fingern die Tasten!

Bachs Fugen

Dem realen Freund zu Ehren ergänze ich die Mär durch den Hinweis auf eine namenlose Pflanze, zuweilen irreführend „Unkraut“ genannt; der lateinische Name könnte vorwitzig auf das obige Foto bezogen werden (Aegopodium), deutet jedoch zugleich auf eine heilende Wirkung (podagraria), die gern der Musik zugeschrieben wird und dem heutigen Träger des Namens (und der Schuhe) durchaus zu wünschen wäre.

Namenlose Pflanze

Als psychologische Hilfe könnte ein Face Fake Selfie aus dem 20. Jahrhundert aufgefasst werden, das lange Zeit dem Thomaskantor selbst zugeschrieben wurde.

Bach Fake

Was mir aber an besonders unpassender Stelle zu denken gibt, nämlich bei der allabendlichen Lektüre in Elizabeth Kolbert’s sehr ernstem Buch „Das 6. Sterben“: ich bin in einem Kapitel angekommen, in dem sie ein berühmtes Museum meiner Heimat besucht, – ich benutze das Wort Heimat mit aller Vorsicht -,  im Neandertal (heute ohne th) bei Düsseldorf. Und sie schreibt ganz korrekt:

Unmittelbar hinter dem Museumseingang steht ein Modell eines ältlichen, freundlich lächelnden Neandertalers, der sich auf einen Stock stützt. Er ähnelt einer ungepflegten Version des Baseballspielers Yogi Berra. Gleich daneben wartet die größte Attraktion des Museums: die sogenannte Morphing-Station. Für drei Euro können Besucher sich im Profil fotografieren und die Aufnahme anschließend bearbeiten lassen. In der bearbeiteten Version haben sie ein fliehendes Kinn, eine fliehende Stirn und einen wulstig vortretenden Hinterkopf. Kinder lieben es, sich – oder noch besser ihre Geschwister – in Neandertaler verwandelt zu sehen. Das finden sie zum Schreien komisch. (Seite 239)

Neandertala_homo,_modelo_en_Neand-muzeo Foto: Wikipedia

Jahrzehnte vor dieser Rekonstruktion hatte mir ein rheinisch-grobknochiger Musiker mal ganz unbefangen erzählt, in der Schulzeit sei es ihm auf Klassenfahrten oft passiert, wenn es am Neandertal vorüberging, dass die Mitschüler ihn ermunterten: „Müller-Lüdenscheid*, aussteigen!!!“ Er lachte, aber ich fühlte mich irgendwie unwohl. Jetzt fiel es mir wieder ein, und ich kann nicht leugnen, dass ich heute sofort nachgeschaut habe, wer denn dieser Yogi Berra ist oder war. Muss ich sein Incognito wahren? Sehe ich mich nicht selbst mit anderen Augen, wenn ich heute vor den Spiegel trete, – zumal es doch wenig später heißt:

Vor etwa vierzigtausend Jahren kamen moderne Menschen nach Europa, und sobald sie in einer Region auftauchten, verschwanden die dort lebenden Neandertaler, wie archäologische Funde belegen. Vielleicht wurden sie aktiv verfolgt oder einfach nur von der Konkurrenz aus dem Feld geschlagen. Jedenfalls passt ihr Niedergang in das bekannte Muster, wenngleich mit einem wesentlichen Unterschied: Bevor die Menschen die Neandertaler verdrängten, hatten sie Sex mit ihnen. Infolge dieser Kontakte sind die meisten heute lebenden Menschen zu einem geringen Teil – bis zu vier Prozent – Neandertaler. Nicht weit von der Morphing-Station entfernt gibt es ein T-Shirt zu kaufen, das dieses Erbe so weit wie möglich ausschlachtet: „Ich bin stolz, ein Neandertaler zu sein“, verkündet es in Großbuchstaben. Da mir das T-Shirt gefiel, kaufte ich eins für meinen Mann, aber vor Kurzem fiel mir auf, dass ich es kaum je an ihm gesehen habe. (Seite 241)

Ich spiele mit dem Gedanken, mir eine Kollektion dieser T-Shirts zuzulegen und sie bei bestimmten fremdenfeindlich getönten Demonstrationen kostenlos zu verteilen.

* Der Name wurde vom Zitator geändert.

Quelle der letzten Zitate: siehe HIER.

Zum Beispiel Griechenland

Was tun?

Gesetzt den Fall, ich habe keine Ahnung vom Geld „im großen Sinne“ (was richtig ist), besitze aber das Buch „Philosophie des Geldes“ von Georg Simmel und sage mir immer wieder, dass es nicht genügt es zu besitzen und immer mal durchzublättern, um dann immer wieder zu sagen, dass ich es wirklich einmal – wie Goethe sagt – (im geistigen Sinne: das Buch, nicht das Geld:) erwerben müsste, um es zu besitzen. Schluss damit! Ich darf nicht mich und die Leser mit guten Worten und Vorsätzen hinhalten. Gesetzt den Fall also, ich brauchte einen anderen aktuellen Weg, dieser „Wirklichkeit“, die ich täglich andeutungsweise in der Zeitung finde, näher zu kommen, – was soll ich tun?

Einen Sprung wagen in die spezielle und hochgefährliche Wirklichkeit, in der z.B. jemand sagt:

Ich habe eben drei Punkte genannt, diese drei Punkte stellen sich in dem Fall – wir retten Griechenland vor dem Staatsbankrott oder nicht – diametral anders da. Also, es ist a) unheimlich kontrovers, die Diskussion um Griechenland-Hilfe; zweitens: Überaus harte Bedingungen werden gestellt; und drittens: Es wird sich auf Regelwerke berufen, die zum Teil extra geschaffen worden sind, aber von denen man sagt, sie müssen strikt eingehalten werden. Was sagt das über das Verhältnis von Demokratie und Kapitalismus einerseits und über Machtverhältnisse andererseits?

Ja, wenn ein Gespräch so beginnt, und ein vertrauenswürdiger Fachmann angesprochen ist, interessiert mich alles, was da gesagt wird. Ein Glücksfall, ich kann es hören und sogar nachlesen!

Der fragende Redakteur heißt Hermann Theissen, er stellt die Frage für den Deutschlandfunk an Joseph Vogl, der an der Humboldt-Universität zu Berlin Literatur- und Kulturwissenschaft lehrt und Professor ist am Department of German der Princeton University. 2015 veröffentlichte er sein Buch „Der Souveränitätseffekt“. Im gleichen Verlag erschien 2010 der Essay „Das Gespenst des Kapitals“.

ZITAT

Das Drehbuch der Lehman-Pleite hätte auch aus der Feder Heinrich von Kleists stammen können. Und der Finanz-Crash 2008 war eine wahrhaft revolutionäre Situation: Joseph Vogl betrachtet die Weltwirtschaft von der Warte der Kulturwissenschaft. Im Gespräch mit dem DLF weist er Wege aus dem „Gefängnis der Märkte“

Hermann Theißen: Joseph Vogl, in Ihrem jüngsten Buch führen Sie wunderbar vor, wie man jene Tage im September 2008, als die Investmentbank Lehman Brothers pleite ging und die Weltwirtschaft aus den Fugen geriet, als Novelle Kleistschen Zuschnitts interpretieren kann. Was macht diese Ereignisse im September 2008 zum Stoff einer solchen Novelle?

Wo geht’s weiter? HIER.

http://www.deutschlandfunk.de/krise-des-kapitalismus-natuerlich-gibt-es-auswege-aus-dem.1184.de.html?dram:article_id=315395

ZITATE (Joseph Vogl)

Eine völlig andere Situation betrifft nun Griechenland, weil man es hier mit zwei völlig unterschiedlichen Konsortien oder Gruppen oder, wenn man so will, auch Vertretern von Bevölkerungen zu tun hat, nämlich auf der einen Seite ein interessiertes Finanzpublikum, die internationalen Finanzmärkte, deren Vertreter, deren Investoren und natürlich die Gläubigerinstitutionen, und auf der anderen Seite plötzlich so etwas wie Bevölkerungen, die sich in demokratischen Regierungen repräsentiert glauben. Und an dieser Stelle gab es tatsächlich, wenn man so will, einen elementaren politischen Konflikt, der auch, wie spätestens nach den letzten Wahlen in Griechenland, nun auch heftig ausgebrochen ist.

(…)

Ein schwedischer Ökonom, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr renommiert war, hat es einmal in einer fast zynischen Formulierung definiert und er sagte: Es geht eigentlich darum, die Finanzökonomie gegen die Tyrannei der zufälligen Mehrheit von Volksvertretungen zu schützen. Ich glaube, diese Überschrift steht über sehr vielen dieser Verhandlungen.

(…)

Ich denke, es entspricht exakt der marktkonformen Demokratie, dass eben gerade unter demokratischen Prinzipien, unter demokratischen Regierungsformen, das heißt also unter dem Vorzeichen dessen, was wir repräsentative Demokratie nennen, bestimmte Institutionen – und das betrifft eben insbesondere Institutionen der Finanz – aus diesen demokratischen Kontrollprozeduren ausgenommen werden.

(…)

Dass es für alle nicht reicht, ist die Definition des Kapitalismus. Der Kapitalismus oder die Kapitalwirtschaft im weitesten Sinne, dieses ökonomische System funktioniert unter der Bedingung, dass die Güter knapp sind. Das heißt also, dass das Brot, das ich nicht esse, jemand anderem trotzdem fehlt, nur unter dieser Bedingung lässt sich das System erhalten. Das heißt, es funktioniert unter der Bedingung, dass zwangsläufig nicht alle satt werden, satt werden dürfen, ansonsten würde das System kollabieren.

Unter Hekubas Leitung

Es ist eigentlich unglaublich, was für ein Gewese aus der Wahl eines Chefs für die Berliner Philharmoniker gemacht wird. Was für ein Hype! Natürlich ist es wichtig für die Künstler, die wissen, dass sie unter diesem künstlerischen Leiter als „Aushängeschild“  weiterhin ihre Einzigartigkeit in Permanenz unter Beweis stellen werden. Die Welt schreit nach Superlativen und „Alleinstellungsmerkmalen“ – und wird sie gehorsamst entdecken, wenn nur die Entscheidung erst da wäre…

Hat man etwas gelernt aus der Karajan-Ära? Kein ehemaliger Chef der Berliner ist im musikalischen Fachgespräch so out wie dieser Streamliner, der doch den Klang der Berliner über Jahrzehnte geprägt hat. Gelernt hat man von den Karajan-Antipoden, allen voran die Alte-Musik-Fraktion, die sich im Laufe der Jahre bis Wagner, Ravel und Bartók vorarbeitete. Und am Ende haben die Berliner selbst ja auch gelernt, indem sie Reinhard Goebel zu Sonderkursen in Sachen Alte Musik bestellten.

Heute dreht Frau Lemke-Matwey wieder einmal eine philharmonische Pirouette in der ZEIT. Und es gibt gleich zwei Artikel an einem Tag in der Süddeutschen (Seite 4 und Seite 11):

Berliner b

Berliner a

Rätselhaft, dass man sich nicht um all die anderen Baustellen der Kultur in Deutschland kümmert. Es macht mehr Spaß, dort zu eifern, wo es quasi von selbst läuft. Warum nicht Bonn, warum nicht Baden-Baden/Freiburg, warum nicht die Kulturradio-Programme im Norden? Was führt eigentlich Tim Renner im Schilde?

Man muss es offenbar noch einmal laut und unmissverständlich sagen: Der Staat stellt Geld zur Verfügung, damit die Künste damit tun und lassen, was ihnen gefällt. Investitionen in Kultur sind nicht an Mehrwerte gekoppelt, sie stehen weder bei pädagogischen noch sozial- oder kulturpolitischen Zielen in der Pflicht. Nicht die Künste haben der Kulturpolitik zu dienen, sondern umgekehrt die Kulturpolitik den Künsten.

Das ist der Deal. Tim Renner kündigt ihn auf. Er betreibt nicht Kulturpolitik, sondern Kreativitätswirtschaftsmarketing. Was Kunst ist, soll mehrwertproduzierende Best Practice werden.

In Gänze nachzulesen bei Dirk Pilz („Nachtkritik“) hier.

Was war es noch, das einst Hamlet so entsetzte?

Sein Auge nass, Bestürzung in den Mienen, / Gebrochne Stimm und seine ganze Haltung / Nach seinem Sinn. Und alles das um nichts! / Um Hekuba! / Was ist ihm Hekuba, was ist er ihr, / Dass er um sie soll weinen?

Shakespeare auf jeden Fall, zum Beispiel auch heute abend: Macbeth in Bochum. Man kann viel von ihm lernen. Auch im Machtgefüge des Kulturbetriebs.

Macbeth Bochum 150514 v.r.: Christoph Wehr,Gerh.Roiß,Kath.Brenner