Nur Klavierübung – keine Musik?

Welchen Wert Hanon in der Praxis hat

Wikipedia: „Die Übungen sind teilweise der Kritik ausgesetzt, unmusikalisches Musizieren zu fördern“

Ist es ein Joke…unglaublich, wieviel Kommentare diese kleine Zugabe produziert hat:  HIER

Zugang zu Hanon für die Praxis: HIER

Themenwechsel (oder im Gegenteil: beim Thema bleiben)

Es wird oft kolportiert, dass Ravel selbst gesagt habe, der Boléro sei vieles, aber „keine Musik“. Man hat seine Aussage zum Bonmot getrimmt, aber nichts dergleichen hat er gemeint, wenn er sich dagegen wehrte, dass dies weltbekannte Werk sein bestes sei. Gute Übung: ein Lob dieser Komposition zu formulieren, ohne die Instrumentationskunst zu rühmen. Die einzigartige Melodie zum Beispiel, die unendlich wiederholbare…

Was ist nun mit Hamelins Hanon, – ein Joke oder nicht? Erheitert es nur im seriösen Umfeld … Denn: ihn wirklich „musikalisch“ zu spielen, – wie große Musik -, wirkt parodistisch.

Aber wie verhält es sich bei eintöniger Musik? Was ist das überhaupt? Monotonie – und kumulativer Effekt. Wenn die bloße Spielanweisung genügt…

Im Ernst, man kann ja im Unterricht darüber diskutieren… ob es eine reine Mechanik des Klavierspiels gibt, die es zu beobachten lohnt? Es wäre ja dumm, die Musik als pure Bewegung des Geistes zu betrachten. Sie beginnt mit der Geste, die als körperliche Aktion eine Regung des Gemütes spiegelt, begleitet oder – sogar verstärkt. Aber was ist z.B. mit einem krampfartigen Wutausbruch? Oder dem echten Akt des Einschlafens? Nachahmenswert? Übrigens ist „ausdruckslos spielen“ – non espressivo – auch eine Ausdrucksbezeichnung!

Achtung (bei Ohren-Kopfhörern): bei 2’25 kurzer Lärmschock

(Fortsetzung folgt)

Einstein und mein Blick ins Universum

Die Wiederkehr der alten Themen

Ich hätte ebenso einen Titel wählen können, der scheinbar das Gegenteil besagt, etwa E. und mein Blick ins Innerste, oder mit Goethes Faust auf das, was die Welt (=das Universum), „im Innersten zusammenhält“. Mit Sicherheit hätte ich nicht bedacht, dass die Frage – in dieser Allgemeinheit (Abstraktion) gestellt – gar nichts besagt (und gar nichts fragt). Mir schien die Physik intuitiv am nächsten „dran“, am Konkreten. Wo nicht nur leere Worte lauern.

Am 6.12.2024 als Geschenk von Freund Uli Sch., den ich seit 1965 kenne.

Und Einstein?

Mit vierzehn Jahren entdeckte ich ihn, wahrscheinlich in den Ferien auf Langeoog, zugleich mit der „Fischer Bücherei“, – neue erschwingliche Taschenbücher: Lincoln Barnett „Einstein und das Universum“, wenig später Platon „Sokrates im Gespräch“ und Julian Huxley „Entfaltung des Lebens“, dann die Reihe, die mir nicht nur Wissen versprach, sondern – wie ich meinte – die Gesamtheit des Wissens: „rowohlts deutsche enzyklopädie“ . Und in einem irrte ich mich nicht: die Themen sollten mein Leben lang lebendig bleiben.

Aug.1955 Aug.1956

Jan.1957

Auch die relativierende Behandlung des modischen Relativitätsthemas habe ich (zähneknirschend) zur Kenntnis genommen. 50 Jahre später.

Süddeutsche Zeitung 30.9./1.10.1995 Autor: Heiko Joosten

Und bis heute bin ich des Themas nicht überdrüssig geworden. Es gehört zu den Konstanten meines Lebens, obwohl ich sowohl in Physik als auch in Mathematik nie über die Rahmenbedingungen hinausgekommen bin, ja, es ärgerte mich, wenn die Leute behaupteten, dass musikalische Begabung mit mathematischen Fähigkeiten korrelierten. Ich behauptete das Gegenteil, und berief mich darauf, dass es ein Denken in Bildern, Worten und Tönen gebe, das mit der abstrakten Welt der Mathematik nichts zu schaffen habe. Und das sei gut so.

(Fortsetzung folgt) nicht

Damit könnte ichs einstweilen bewenden lassen: indem die Fragen von damals, die sich in Pläne, Vorsätze und Projektionen verwandelten, also in Versprechen eines Lebens, auf deren Einlösung ich bis zum St.Nimmerleins-Tag warten könnte. Wobei ich ganz zweifellos meinem Leben eine durch nichts begründete Wichtigkeit beimaß. Hätte ich das gewusst – wie heute -, hätte ich wie gelähmt, jedenfalls tatenlos, meine Hände sinken lassen, andererseits: da war nun mal ein Körper. Und eine Außenwelt. Und ein Mittelding: die Musik, die alle Fragen erübrigte, oder durch jeweils neue, „wirklich“ existierende Werke (und ihre Urheber) lösbar erscheinen ließ.

Algier und die koloniale Idee

Schule des Südens / Die kolonialen Wurzeln der französischen Theorie

https://www.matthes-seitz-berlin.de/fs/products/schule-des-suedens/msb_erdur_schule-des-suedens_leseprobe.pdf hier (Einleitung TEXT!)

In den Quellenangaben (Seite 334) aufgeführte Filme:

Die Rezeption von Jacques Derridas Œuvre in der arabischen Welt  hier

Tanzen Tiere?

Beobachtungen an Gibbons

Hinweis entdeckt in der Zeitschrift Natur / Festhalten um einen Anfang zu machen

https://www.scinexx.de/news/biowissen/video-gibbons-im-tanzfieber/

hier der „Robotertanz“ im Bild (die Musik ausschalten, bloße Irreführung!)

https://www.hhu.de/news-einzelansicht/tanz-gibbon-tanz hier

https://link.springer.com/article/10.1007/s10329-024-01154-4 hier

daraus (und dort per Link abzurufen):

Zur Situation der Komik

Ist die Humorfront ein vermintes Gebiet?

Quelle Süddeutsche Zeitung „Alter weißer Mann“ im Kino Fühlt sich so real an Von Josef Grübl 30.10.24

Eine Stoffsammlung? Wann habe ich denn das Lachen – z.B. bei Schopenhauer – zum erstenmal nicht nur mit Interesse wahrgenommen, sondern zum Thema gemacht? Vielleicht hier? Oder hier? Auch noch hier! Vielleicht bei der künstlichen Intelligenz wie hier.

Nein, ich suche nicht weiter, habe ich den vielleicht schon mal irgendwo erzählt:

Der Bratscher hört das Baby schreien und fragt seine Frau: „Soll ich dem Kind vielleicht noch ein Schlafliedchen spielen?“ Sagt sie: „Ach, lass es uns doch zuerst nochmal im Guten versuchen.“

Einen andern Witz, den ich früher immer auf Lager hatte, wenn ich damit mehr irritieren als zum Lachen anregen wollte:

„Die Erna ist mit den Milchkannen auf der Treppe gestürzt!!!“ – – – „Ging sie hinauf oder hinunter?“

https://de.wikipedia.org/wiki/Komik hier

Grundsätzlich kann über Komik gesagt werden, dass sie Erwartungshaltungen durchbricht. Die überraschende Konfrontation mit Missverhältnissen oder -verständnissen zeitigt unwillkürliches Lachen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Witz hier  – Bester Witz der Welt[52]

„Zwei Jäger sind im Wald unterwegs, als einer von ihnen zusammenbricht. Er scheint nicht mehr zu atmen, und seine Augen sind glasig. Der andere Typ zückt sein Telefon, ruft den Notdienst an und stößt hervor: ‚Mein Freund ist tot! Was kann ich nur machen?‘ – Darauf der Telefonist: ‚Beruhigen Sie sich. Ich kann Ihnen helfen. Zuerst sollten wir sicherstellen, dass er tot ist.‘ Kurze Pause, dann ein Schuss. Zurück am Telefon sagt er: ‚OK, was jetzt?‘“

Ich kannte ihn schon in leicht abgewandelter Form, konnte also nicht mehr drüber lachen. Könnte aber noch beurteilen, ob er als bester Witz der Welt gelten kann. Antwort: Nein.

Quelle DIE ZEIT 30. November 2024 Seite 38 Sven Regener »Humor und Mitleid schließen sich aus« Wenn einer was weiß zum Thema Humor in der Literatur, dann Sven Regener, der Autor der Herr-Lehmann-Romane. Im Gespräch mit David Hugendick erklärt er, was lustig ist.

(Fortsetzung folgt)

Hans Mauritz: Alt sein in einem alten Land

„Inch’Allah“ und „el-hamdu lillâh“

Vor ein paar Wochen hat mir eine Bekannte Elke Heidenreichs Buch “Altern” geschenkt (1). Eine passende Gabe für einen Mann, der 85 Jahre alt ist. Dieses Buch ist so lebendig, so persönlich und frech geschrieben, dass mich nach der Lektüre die Lust gepackt hat, über mein eigenes Altsein auf der Westbank von Luxor zu schreiben, dabei einen Blick auf meine Mitresidenten zu werfen und mein Altern mit dem meiner ägyptischen Nachbarn und Freunde zu vergleichen.

Dass Altern im Deutschen einen anderen Stellenwert hat als im Arabischen, zeigen die Vokabeln. Im Deutschen sagt man nur in gehobener, leicht unehrlich klingender Sprache, dass „die Betagten in einer Seniorenresidenz leben“. Das Wort „alt“ dagegen hat einen mehr oder weniger negativen Beigeschmack, wie die Synonyme zeigen, die im „Deutschen Wortschatz“ (2) zusammengestellt sind: „greisenhaft, senil, verlebt, verbraucht, verkalkt, verrostet“. Spöttisch gemeinte Ausdrücke im Zusammenhang mit dem Alter sind „alter Knacker“, „alte Schachtel“, „alte Vettel“ oder „alte Hexe“. Im Arabischen heisst „alt“ kabîr es-sinn“, „gross an Jahren“. Da man den Zusatz in der ägyptischen Umgangssprache weglässt, wird der alte Mensch als „kabîr“, كبير bezeichnet, dem Wort, welches das Wörterbuch mit „gross, bedeutend, mächtig, angesehen, wichtig, herausragend“ übersetzt (3).

Während es im Deutschen wohl kaum einen Titel gibt, den man gebraucht, um seine Achtung vor alten Menschen auszudrücken, verwenden die Ägypter regelmässig die Anrede „ya scheich“ oder „ya hâg“. „Scheich شيخ ist eigentlich der Titel „für Männer, die im geistlichen, weltlichen oder sozialen Leben irgendwelche Bedeutung“ haben, speziell für Männer, die einen islamisch geprägten Beruf ausüben wie den Koranrezitator oder den Leiter eines Sufiordens. Den Ehrentitel „Hâg“ حاجّ bzw. „Hâgga“ حاجّة gibt man Männern und Frauen, welche die Wallfahrt nach Mekka unternommen haben (4). Aber die Anrede „Pilger, Wallfahrer“ gebührt nicht nur jenen, welche diese für die allermeisten unerschwingliche Reise hinter sich haben, sondern ganz selbstverständlich allen alten Menschen. Es ist so, als ob man dem Altsein und der Lebenserfahrung einen Wert zuweist, der geistlichen Würdenträgern und Mekkapilgern ebenbürtig ist. Der Schreibende selbst wird oft so angesprochen und lächelt insgeheim, wenn ihm bewusst wird, dass er Menschen auf der Strasse mit „ya Hâg“ begrüsst, die vermutlich jünger sind als er selbst.

Elke Heidenreich hat ihr Buch geschrieben, um am Beispiel ihres eigenen Alterns aufzuzeigen, dass dies ein wertvoller Lebensabschnitt ist, den man zufrieden und dankbar geniessen sollte. Altern bedeutet keineswegs „noch nicht tot sein“. Die Verluste, die es mit sich bringt, werden kompensiert durch andere, neue Lebensqualitäten, welche uns die Lebenserfahrung schenkt. Sie zitiert die Schriftstellerin Marie Luise Kaschnitz: „Das Alter ist für mich kein Kerker, sondern ein Balkon, von dem man zugleich weiter und genauer sieht.“ Elke Heidenreich ermuntert die Alten, gegen Einsamkeit, Langeweile und Lethargie anzukämpfen und zu akzeptieren, dass zwar der Körper altert, nicht aber das Bewusstsein. Wichtig ist, die Neugier nicht zu verlieren und den Glauben an die Zukunft. „In dem Alter, das ich nun erreicht habe, bin ich immer noch auf dem Schiff Hoffnung und glaube nicht an seinen Untergang“, hat der französische Schriftsteller Julien Green mit 97 Jahren gesagt.

Wie steht es in dieser Hinsicht mit den ausländischen Bewohnern auf unserer Westbank? Zunächst gilt es, den Mut zu würdigen, den es braucht, im Alter in einem fremden Land und einem fremden Sprachraum zu leben. „Das Altern ist nichts für Feiglinge“, hat die amerikanische Schauspielerin Bette Davis drastisch formuliert. Im Lauf der Jahre haben einige von uns Ägypten unwiderruflich verlassen, weil sie sich das Reisen und das Leben in der Fremde nicht mehr zutrauen. Unter denen, die geblieben sind, fallen jedoch solche auf, die auch im Alter noch erstaunlich aktiv sind und sich nützlich machen für ihr Gastland und ihre Mitbürger. Sie engagieren sich in karikativen Institutionen, Hilfswerken und Krankenhäusern, organisieren Ausstellungen zeitgenössischer ägyptischer Künstler oder vertiefen sich so sehr in das Studium der pharaonischen Geschichte und der Zeugnisse altägyptischer Kunst, dass sie es fast mit professionellen Altertumsforschern aufnehmen können. Bewundernswert, mit wie viel Elan alte Menschen sich ein altes Land zu eigen machen.

Die Neugier treibt auch den Schreibenden an. Er ist dankbar für den Gewinn, den das Studium einer fremden Sprache, Religion und Kultur mit sich bringt. Wer die fremde Sprache (sei es auch unvollkommen) spricht und versteht, erfährt eine Nähe, welche der Gebrauch des Englischen kaum zu erreichen vermag. Wer sich nicht verschanzt hinter den Mauern seiner Villa, hat Nachbarn und Freunde, teilt ihre Sorgen und Hoffnungen und nimmt, aus einem gewissen Abstand oder ganz aus der Nähe, Teil an ihren Traditionen und Gebräuchen. Zu ihren Hochzeiten braucht es nicht einmal eine Einladung. Das ganze Dorf kommt und lauscht der lauten Musik. Wenn jemand stirbt, wird vor dem Haus ein Zelt aufgebaut, wo drei Tage lang die Männer des Dorfes schweigend dasitzen und dem Scheich zuhören, der aus dem Koran rezitiert. Die Frauen strömen schwarzgekleidet in den Hof des Hauses. Ihre Aufgabe ist das Klagen um den Toten, aber so mancher sieht man heimliche Freude an, denn der Tod der Nachbarn ist für sie eine der wenigen Gelegenheiten, ihr eigenes Haus zu verlassen. Wer offene Augen und Ohren hat für das Leben seiner Mitbürger, erlebt, was diese beschäftig: den Fastenmonat Ramadan, den Geburtstag des Propheten, die Beschneidung der Knaben oder die grossen Dorffeste (halb Wallfahrt, halb Jahrmarkt), „Mûlid“, مولد Geburtstag“ genannt, weil sie den Lokalheiligen feiern, wie „Abu al-Gomsan“ in al-Qurna oder Abu al-Haggâg in Luxor.

Die Alterseinsamkeit, in Europa oft beklagt, existiert hier nicht. Die Alten sind nicht „unsichtbar“, wie oft in Europa gesagt, sondern geachtet und geliebt. Sie werden nicht in ein Heim abgeschoben, sondern sind aufgehoben im Familienverband und beschäftigt mit den Aufgaben, die sie noch erfüllen können. Die alten Männer machen sich nützlich auf dem Feld und bei der Betreuung der Tiere. Die Frauen thronen draussen im Hof, umgeben von Töchtern, Schwiegertöchtern, Enkelinnen und einer ansehnlichen Schar von Kindern, die zur „gidda“ جدّة ein enges Verhältnis haben. Wir Europäer werden, sofern wir das wünschen, in diese Gemeinschaft aufgenommen. Einsam sind wir nicht, weil wir sehr schnell Freunde gewinnen. Im Gegenteil: der Schreibende musste für ein gewisses Alleinsein kämpfen. Allzu oft wurde er bei seiner Lektüre und beim Schreiben gestört, weil seine Nachbarn Mitleid hatten mit dem armen Mann, der so einsam in seiner Wohnung hockte. Die Hochachtung vor dem Computer hat schliesslich geholfen, auch wenn nicht alle verstehen, was der Fremde damit treibt. Der Mann am Computer bleibt jetzt weitgehend ungestört.

Unter Langeweile leiden wir Fremden nicht, weil es so viel Neues und Überraschendes zu entdecken gibt. Und Langeweile bemerke ich auch bei den alten Ägyptern nicht. Wenn sie nicht mit Aufgaben innerhalb der Familie beschäftigt sind, sitzen sie gelassen da, schauen vor sich hin oder in sich hinein und scheinen gelernt zu haben, was Elke Heidenreich den Alten in Europa rät: das Loslassen. Vermutlich fällt ihnen dies leichter als manchen ihrer europäischen Altersgenossen. Die Ägypter und speziell die Muslims haben ihr Leben lang gelernt, „inch’Allah„so Gott will“ ان شاء الله und „al-hamdu lillâh“ الحمد لله zu sagen und damit alles, was ihnen widerfährt, in Gottes Hand zu legen. Wer „inch’Allah“ sagt, dem wird vom Gesprächspartner mit derselben Formel geantwortet.. „El-hamdu lillâh“ („Gott sei Dank“) sagt man keineswegs nur bei guten Ereignissen. Wenn Dir etwas schief läuft, wenn z.B. dein Auto gerammt wird, schärft man dir ein, noch bevor du deinem Ärger Luft verschaffst: „Sag el-hamdu lillâh“, und du tust es. Wir Europäer mögen uns vielleicht stören an einem Verhalten, das die Verantwortung für alles in Gottes Hände legt. Wenn du einen Kettenraucher auf die Gesundheitsgefahr ansprichst, wird er dir antworten: „Allah liebt mich, el-hamdu lillâh.“ Für alte Menschen, die das Akzeptieren und Loslassen lernen müssen, ist diese Haltung selbstverständlich. Sie zeigt sich oft deutlich im Gesicht der Alten. Alte Frauen und Männer haben ihre eigene Schönheit, sie leuchtet in ihren Augen von innen heraus.

Auch wenn wir stolz darauf sind, in Europa die Diskriminierung des weiblichen Geschlechts überwunden zu haben, ist sie in Bezug auf das Altern noch immer präsent. „Die Frau verblüht, der Mann reift“, bemerkt Elke Heidenreich. Dass „reife“ Männer eine wesentlich jüngere Frau heiraten, wird akzeptiert. Wenn aber ältere Frauen sich einen jüngeren Liebhaber zulegen, wird das als peinlich empfunden und geächtet. Erstaunlicherweise wird dies bei uns in Ägypten im Zusammenleben von Ausländerinnen und Einheimischen als weitgehend normal erlebt. Ältere Frauen aus Europa reisen nach Ägypten, verlieben sich in einen weit jüngeren Mann, heiraten ihn und leben mit ihm in ihrer neu gebauten Villa. Es ist nicht zu leugnen, dass eine solche Verbindung manchmal desaströs und tragisch endet. Aber wir kennen alle Beispiele dafür, dass eine solche Ehe funktioniert. „Im Innersten ist man nie alt“, hat der 97 jährige Julien Green behauptet, „die Zeit existiert nicht für die Liebe“. Und Elke Heidenreich betont: „Das Fieber der Leidenschaft lässt nach, aber doch nicht Liebe und Zärtlichkeit.“ Diese Beziehung gelingt vor allem, wenn die Frau Toleranz und Verständnis für die Gegebenheiten ihres Gastlandes aufbringt. Sie muss akzeptieren, dass sie früher oder später ihren Mann mit einer ägyptischen Ehefrau teilen muss, sei es auch nur, weil seine Umgebung und seine Eltern darauf drängen. Die Tradition und die ausgeprägte Liebe zu Kindern zwingt ihn dazu, die Familie mit Enkeln zu beglücken. Den ausländischen Gattinnen erwächst daraus eine neue Aufgabe. Da die öffentlichen Schulen so mangelhaft sind, empfiehlt sich der Besuch der Privatschulen, die für die meisten Ägypter zu teuer sind. Die Fremde, in die Familie aufgenommen, übernimmt die Kosten für die Ausbildung der neuen Generation und tut damit wohl das Beste, was wir in unserer Gastheimat leisten können. Inch’Allah, wir Alten in einem alten Land bleiben jung, wenn wir uns um die Jungen kümmern.

Und damit erfüllen wir Elke Heidenreichs Maxime: „Die Kunst des Lebens besteht darin, jung zu sterben, das aber so spät wie möglich.“

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(1) Hanser Berlin, 11/2024

(2) Wehrle/Eggers, „Deutscher Wortschatz“, Band 1 und 2, Fischer Bücherei, 1968

(3) und (4) Hans Wehr, Arabisches Wörterbuch, Wiesbaden 1952

Dr. Hans Mauritz in Ägypten

Gegeigte Opernszenen

Nochmals zu Goebels Booklettext

Angesichts mancher Missverständnisse bei der gründlicheren Lektüre, ist meine These: die meisten Mozart-Fans geben sich zu wenig Mühe mit den Frühwerken, und Reinhard Goebel setzt zuviel voraus, verrät seine fabelhafte Kenntnis in Anspielungen. Man nimmt es hin, aber niemand folgt seinen Spuren (behaupte ich – und fange erst heute an).

Es geht um die beiden Violinkonzerte KV 207 B-dur und KV 211 D-dur, die noch nicht zu der berühmten Dreiergruppe zählen (in G, D, A), die insgesamt im Jahr 1775 entstanden sind. Von den anderen beiden gehört das zweite ebenfalls in oder vor die Dreiergruppe, ich behaupte einfach: als Lernstück; das erste aber in eine andere Zeit, wie Wikipedia sagt: Dieses Violinkonzert entstand im Frühjahr 1773 auf einer Italienreise Mozarts; es wurde am 14. April 1773 fertiggestellt. Siehe hier (mit Notenbeispielen). Noch einmal Wikipedia:

Vom 24. Oktober 1772 bis zum 13. März 1773 folgte die dritte Italienreise zur Uraufführung des Dramma per musica Lucio Silla (KV 135), die am 26. Dezember 1772 im Teatro Regio Ducal in Mailand stattfand. Während dieser Zeit komponierte er auch das Exsultate, jubilate für den Sopranisten Venanzio Rauzzini. Nach einigen Monaten in Salzburg folgte von Mitte Juli bis Mitte Ende September 1773 die dritte Reise nach Wien.[19] Im selben Jahr entstand sein erstes Klavierkonzert.

Goebel bezieht sich auf genau diesen Zeitraum, und ich wage zu behaupten, dass da, hier oder dort, ein kleiner Fehler vorliegt. Booklet Seite 5, unten linke Spalte:

Doch zurück ins Salzburg des Jahres 1773. Gleich im Frühjahr komponiete Mozart sein erstes eigenhändiges Konzert, das Konzert KV 207 in B-Dur für Violine. Es figuriert chronologisch falsch im Köchelverzeichnis, steht hinter den später entstandenen Konzerten für Klavier KV 175, Fagott KV 191 und dem Concertone KV 190, da sowohl Vater als auch Sohn an den ursprünglichen Datierungen manipuliert haben, so auch bei den Autographen der vier folgenden Konzerte, die wohl alle in einer Tour de force zwischen Juni und Dezember 1775 komponiert wurden.

Dann spricht Goebel vom Gebrauch „kriminaltechnischen Methoden“, die bei der Ermittlung der Datierung zur Seite standen. Da strecke ich die Waffen…

… zwischen Juni und Dezember 1775…, ja, wenn ich mit dem KV 211 beginne, aber da gerade von dem KV 207 die Rede war – da schien doch der 14. April 1773 gesichert – nach Wikipedia und wohl auch nach Goebel („Frühjahr“).

Worum es mir geht – und wo ich genau das lernen will, was Goebel so plausibei entwickelt, und was bei mir unter dem Stichwort Entwicklung der „Ereignisdichte“ haften blieb, das finde ich im Booklet ab Seite 7 rechte Spalte und betrifft die Anlage der Kopfsätze . . . – „ein wenig bieder noch im Konzert KV 211, stets riskanter, übermütiger und buffonesker dann in den Folgewerken.“ Ja ! wunderbar !

Aber irgendetwas war ja schwer zu begreifen, an der formalen Anlage der Kopfsätze, und Goebel gibt sich alle Mühe, den dramaturgischen (!) Aufbau dieser Sätze plausibel zu machen, nicht ohne die üblichen Fehlversuche zu brandmarken. Ich zitiere:

Um die formale Anlage dieser Sätze hat man lange weniger gerungen als vielmehr herumgeredet, entziehen sie sich doch aufgrund ihrer Kleinteiligkeit der klassischen Sonatensatz-Diskussion und dem damit verbundenen Wortschatz. Konrad Küster wies 1991 darauf hin, dass in einzelnen Bravour-Arien des Mailändere Lucio Silla aus dem Jahr 1772 das dem Wort der Dichtung verpflichtet folgende Form-Vorbild der Violinkonzert-Kopfsätze zu finden sei. Atmosphärisch war dieser repräsentative, darstellende, ja fast poykinetische Bühnen-Gestus wohlbekannt, aber anstatt ihn „auszuspielen“, wurde lange Zeit alles daran getan, dem zerklüfteten Material Glätte und Klassizität nicht nur einzuhauchen, sondern mit Gewalt aufzuoktroyieren: eine Quadratur des Kreises, die zu den wunderlichsten Verspannungen geführt hat.

Bezeichnet man Vivaldis Opern-Arien als gesungene Violinkonzerte, so sind Mozarts Violinkonzerte also „gegeigte Szenen“, die ein deutlich anderes Verhältnis zwischen Solist und Orchester fordern, als es beim „echten“ Violinkonzert der Fall ist. Im „solistischen“ Idealfall kann ohne Punkt und Komma durchgefiedelt und das Accompagnement von allenfalls zwei Violinen ohne Viola und Basso, geschweige denn Blasinstrument bis zur völligen Unhörbarkeit zurückgedrängt werden. Hingegen muss es selbst in den vokalen Hauptteilen einer Arie kurze, wohlgemerkt gesungene Ruhestellen geben, in denen das Orchester thematische Aktivität übernimmt, entfaltet und wieder zurückspielt:  es sind also immer wieder meist zweitaktige Einschübe mit Rollentausch zu finden. Ökonomischer und kunstvoller noch ist bisweilen die lang ausgehaltene Note, die mit einem messe di voce bzw. einem Triller verziert gleich zum Ereignis, vor allem aber auch zum Einstiegspunkt von höchstem dramaturgischen Effekt ist.

Autor: Reinhard Goebel im Booklet zu „MOZART 6 Concerti per il Violino“ mit Mirijam Contzen und der Bayerischen Kammerphilharmonie. OEHMS CLASSICS OC 862

Machen Sie die Probe aufs Exempel: die Oper „Lucio Silla“, und  daraus eine groß angelegte Sopran-Arie, die derartig von Leidenschaft und wechselnden Affekten überquillt, dass man kaum der Idee nachgehen mag, dass sie als Vorbild eines Konzertes für die feinsinnige Geige dienen könnte. Aber wieso eigentlich nicht? Wenn ein ganzes Orchester ihr Schützenhilfe leistet und im steten Wechselspiel die lebhaftesten Phantasien entfesselt. Hören Sie von 9:20 bis 16:40 und denken Sie sich eine durchdringende, aber edle Violine im Vordergrund, die alle hören wollen, weil sie wirklich etwas zu sagen hat… Nicht um die Lautstärke geht es, – es geht um Ereignisdichte.

Und dann hören Sie bitte in das Violinkonzert  KV 211, danach wieder die Arie, anschließend das Violinkonzert KV 218. Erkennen Sie, wie das vielteilige Gewebe entsteht und wächst?

Zu allem Überfluss muss ich noch zwei weitere Aufnahme heranziehen, mit dem (für mich unvergesslichen) Andrew Manze (2006), den ich an anderer Stelle schon ausgiebig gewürdigt habe, und mit der wahrhaftig unvergleichlichen Geigerin Isabelle Faust (2016). Obwohl ich keinen Augenblick versucht bin, ihr zuliebe das Mozartspiel von Mirijam Contzen zurückzustufen.

Was mich an der CD von vornherein besticht, ist die Beteiligung eines kompetenten Geistes, der in diesem Fall auch verantwortlich für die Kadenzen zeichnet, nämlich Andreas Staier. Bei Mirijam Contzen finde ich keinerlei Hinweis, – soll das heißen, dass sie selbst tätig wurde? Das wäre erstaunlich. Darüberhinaus gibt es hier auch einen in aller Kürze (!) lesenswerten und zuverlässigen Text von Florence Badol-Bertrand.

Andrew Manze

Zuviel Menschen?

Falls ich mich überflüssig fühle…

Gerade leben rund 8,11 Milliarden Menschen auf der Erde (Stand Juli 2024). Die Marke von acht Milliarden Menschen wurde bereits 2022 überschritten. Alle zwei Jahre gibt die UN neue Prognosen zur Weltbevölkerung ab. Am Weltbevölkerungstag 2024, am 11.07.2024, veröffentlichte die UN ihre neuen Zahlen, die auf Daten aus dem Jahr 2023 beruhen.

Weltbevölkerung schrumpft ab 2084

Wie auch das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung berichtet, dürfte laut UN-Prognose der Höhepunkt des Bevölkerungswachstums in den 2080er-Jahren erreicht sein. Erst ab dem Jahr 2084 soll die Weltbevölkerung wieder schrumpfen – bei dann knapp zehn Milliarden Menschen.

Quelle: ARD 1 alpha hier

Verlag Knesebeck, München. Zum 6.12.10 ein Geschenk aus Schöngeising; das war vor 14 Jahren (wiki später)

daraus das Zitat (S.255), 1 einfacher Mensch in China sagt:

https://woerterbuch.hantrainerpro.de/chinesisch-deutsch/bedeutung-ren_humane.htm hier

Quelle: Süddeutsche Zeitung 5./6.November 2022 Seite 32/33

Heute DIE ZEIT 21.11.24 Seite 84 Dana Schmalz

Das reichste Prozent der Menschen verursacht  16,9 Prozent der Emissionen. Das Problem ist nicht die Zahl von Menschen, sondern ihre Lebensweise. Heute wissen wir: Die Emissionen müssen nicht steigen, um in Wohlstand zu leben. Global sollte unser Leitbild der gerechte Verbrauch sein. Wir sollten weniger über Migration sprechen und mehr über die extrem ungleichen Emissionen.

A propos: eine Klimakonferenz geht zuende. Siehe u.a. Wikipedia hier

Jürgen Giersch

50 Jahre sind vergangen

Hamburg 1974 (2024)

(Blick in die Ferne – ein Trost nach dem Beinbruch)

Wer ist Jürgen Giersch?

Es ist schön, den ganzen Formenreichtum vorüberstreichen zu lassen, der im Laufe eines Lebens entsteht, Bild für Bild, sehenden Auges und in der Imagination versunken. Zurückkehrend das eine Bild zur Wirkung aufsteigen zu sehen, von dem du ausgegangen bist und bei dem du verweilen möchtest. Ein Stück Welt als Abbildung, die zu dir spricht und keiner Worte bedarf. Es hat Ähnlichkeit mit einem differenzierten Klang. (JR)