Man muss es genau lesen und verstehen: Nicht nur die Bach-Suiten, dieses zentrale Werk aller Cellisten in der Welt, wurden hier solistisch (Bass-Instrument ohne Begleitung) und in eigener Regie eingespielt, was ja bei Künstlern durchaus erwartet wird, aber auch die Instrumente wurden vom Interpreten selbst geschaffen, eine handwerkliche Meisterleistung: das Cello und die Viola da Gamba ganz und gar, das historische fünfsaitige Cello aus Ungarn (Suite VI) perfekt restauriert. Nicht genug: Die Tonaufnahmen wurden mit eigener Technik erstellt, realisiert und geschnitten, eine unglaubliche Arbeit (Toningenieur und Tonmeister in einer Person!), und schließlich auch noch Booklet und Box (letztere – zugegeben – als Fertigteil), die drei CDs umfasst.
Es ist kaum zu begreifen, wieviele verschiedene Begabungen hier ineinandergreifen und funktionieren müssen. Und am Ende ist es Musik, ein Dokument ganz großer Musik – von Johann Sebastian Bach.
Viele Jahre lang, als Peter Lamprecht noch Solocellist der Bergischen Symphoniker in Solingen war, sind wir hier mit barocken Programmen gemeinsam aufgetreten, ehe wir feststellten, dass wir praktisch am selben Tage des Jahres 1967 in der Kölner Musikhochschule Reifeprüfung gemacht haben. Während des Studiums sind wir uns – obwohl gleichaltrig – seltsamerweise nicht begegnet. Unter seinen Begabungen, die in den Jahren der Solinger Praxis hervortraten, ist eine noch nicht genannt: die pädagogische. Sein Sohn Christoph ist dank solider Ausbildung (zuhaus) ebenfalls ein renommierter Cellist und Kammermusiker geworden (hier).
Besonderen Dank schulde ich Peter Lamprecht, weil er meine kostbare afghanische Laute RUBAB, die vor ein paar Jahren durch einen Sturz vom Wohnzimmerschrank lädiert war, mit größter Sorgfalt restauriert hat: nun ruht sie dort auf dem schwarzen Eichenbrett, und kein Tag vergeht, an dem ich dort vorbeigehe, ohne dass ich an den Spieler des Instrumentes 1974 in Kabul zurückdenke, Ustad Mohammad Omar, und zugleich an den liebevollen Rubab-Restaurator in Solingen, Peter Lamprecht.
Mohammad Omar 1974 (Foto JR)
Und da die heutige Präsenz des Internets es erlaubt, in jene Zeit zurückzukehren und dies gar im Zeichen des alten afghanischen Instrumentes, das nun wiederum mich und den außergewöhnlich vielseitigen Solinger Künstler auf besondere Weise verbindet, uns beide aber, ob wir es wissen oder nicht, auch mit jenem bedeutenden Musiker, den ich damals im fernen Kabul kennenlernen, hören und aufnehmen durfte: nicht ahnend, dass eine solche Zeit der freien Musik dort nie mehr wiederkehren würde… darum steht jener am Ende dieses Artikels – zu Ehren eines Solinger Interpreten.
… einer schlechten Rezension. Unbegreiflich eigentlich, dass dergleichen in einer großen Tageszeitung durchgeht. Da wird der Eindruck erweckt, es gehe um eine Neuaufnahme, nämlich die im Mittelpunkt abgebildete, in Wirklichkeit gilt ihr nur ein Bruchteil des Textes. Am meisten ist von Gillesberger die Rede, der nun wirklich einem glücklich überwundenen Zeitalter der Bach-Interpretation angehört.
Was hat die Zeit der frühen Wiederentdeckung Bachs, die ganze historische Ahnungslosigkeit jener Wendezeit (Respekt für Zelter, Goethe und andere große Geister!) mit der heutigen Zeit der Gesamtfassungen zu tun? Steht etwa Hans Gillesberger für die alte unbefangene Zeit der großen Gefühle und der kurzen Geduld? Und gibt es tatsächlich kein anderes diskutables Aufführungsereignis der vergangenen 60 Jahre als John Neumeyers Ballettfassung? Nichts von Ton Koopmann, J.E.Gardiner, René Jacobs, Peter Dijkstra? Und wenn man neue Interpretationen prinzipiell pars pro toto behandeln will, – warum diese dumme Rede von der angeblich „schwarzen Pädagogik“ des Bass-Rezitativs, das sich auf Bibelworte bezieht? Samt der anschließenden Gamben- Arie, wobei suggeriert wird, dass diese irgendwo auch mal von einem Knaben oder Kind gesungen worden sein könnte. Da wird in kryptischen Anspielungen eine nicht vorhandene Kennerschaft vorgespiegelt. Es ist ein Bass, und muss so sein.
Die beiden zitierten Texte haben offensichtlich mit den Stichworten des Evangelisten zu tun, wo vom „Kreuzigen“ die Rede ist und davon, dass die Leute einen Mann namens Simon ZWANGEN, das Kreuz zu tragen, was dann – im Kommentar – auf jedermann, jede/n von uns projiziert wird: „Ja! freilich, will in uns das Fleisch und Blut gezwungen sein, je mehr es unsrer Seele gut, je herber geht es ein“. Und das soll nur ein gestandener Bass singen dürfen und kein Kind, weil sich sonst die Gemeinde nicht identifizieren kann? Die Begründung ist absurd. Was für ein kindliches Denken! Tatsächlich ist es ja eine Bass-Partie, und der Rhythmus der Solo-Gambe in der nachfolgenden Arie spricht von Schlägen des Rohrs, von der Geißelung, die Jesus erlitten hat (s. vorvoriges Rezitativ). Ein Kind steht gar nicht zur Debatte, obwohl allen bekannt ist, dass wir sämtlich Kinder Gottes sind, erst recht Jesus selbst. Der übrigens auch kein „gestandener Bass“ gewesen sein müsste, obwohl seine Christus-Worte grundsätzlich dem Bass zugeteilt sind. – Wenn es heißt, dass von den „zween falschen Zeugen“ einer Falsettist singt (was erstens Bach nicht vorschreibt und zweitens schlechtes Deutsch ist), dann soll das gewiss nicht signalisieren, dass er „ein falscher Sopran“ ist, wie der Rezensent meint. Er oder sie ist Alto, wie es wohl in der Partitur steht.
Und noch ein anderes Detail, das hier zur Schlüsselszene erklärt wird (wobei zu bedenken ist, dass die Passionsgeschicht vor allem aus Schlüsselszenen besteht):
„Herr, bin ich’s?“ Das sind 5 schnelle Frage-Takte, die von der darauf folgenden Antwort des Chorals leben: „Ich bin’s, ich sollte büßen“. Soll man glauben, dass irgendein Chor der Welt oder einzelne Chorsolisten diese Frage jemals „herausbrüllen“ durften? Und dass nur in einer ängstlich verschüchterten Interpretation „der Schrecken seine tiefe Wirkung“ entfalten kann, eine Wirkung, die für jedes empathisch mitfühlende, mitbüßende Herz gewiss erst im Choral zutagetritt.
Da ist einerseits die vorgespiegelte Sensibilität der Detailkenntnis, andererseit ein unglaublich pauschales Denken: wer vergleicht denn schon Bach mit Schütz, wenn es um eine Matthäus-Passion geht!? Was für eine Taktlosigkeit! Was für ein Sprachverständnis, was für eine Spiegelfechterei, hier zwischen dem gesprochenen und dem vertonten Wortklang zu unterscheiden. Nichtmuttersprachler! Was für ein Dilettantismus, was für ein jämmerlicher Versuch, den Dilettanten zu imponieren! Und solch ein Schreiberling spricht von Einspielungen vergangener Jahrzehnte als einem Wettbewerb um „den originalsten Instrumentalklang oder die plakativste Dramatik, bis hin zum musikalischen Schmierentheater“. Das Wort „Gehirnwäsche“ scheint ernst gemeint. Und da soll eine neue Unaufgeregtheit als Tugend ausgerufen werden??? Sind denn Blitz und Donner jetzt endgültig in Wolken verschwunden? Ich hoffe nicht. Und werde mir heute Nacht die „Pygmalion“-Aufnahme anhören. Hoffentlich nicht ohne die zugehörige Erschütterung, die mir durchaus ein bisschen wie Aufgeregtheit vorkommen darf. Es wäre nur angemessen.
Mit einer verkappten Unverschämtheit geht die Rezension zuende:
Und doch dienen alle kunstvollen Mittel hier nur einem Zweck: der Erhebung des Menschen, wie man das damals pathetisch sagte, durch die Kunst.
… Erhebung des Menschen??? Hybris statt Demut? Bach jedenfalls hat „als Finis und Endursache“ aller Musik immer „Gottes Ehre“ hervorgehoben und dann erst „die Recreation des Gemüts“. Sonst sei es ein „teuflisches Geplärr und Geleyer“. Aber vermutlich will der Rezensent nur eine zeitgemäße Anspielung unterbringen, – und will gleichzeitig nichts gesagt haben:
In Zeiten, in denen gute Kunst allerdings nur von guten Menschen hervorgebracht werden kann, wird das schwieriger. Gut, dass wir von Bachs Privatleben so gut wie nichts wissen.
* * *
A propos Gillesberger: Harnoncourt soll sich angeblich an dessen Stelle aufs Cover der CD-Fassung katapultiert haben? Rufmord. Mir schien, jener hat die Chorpartien einstudiert, dieser den Concentus Musicus geleitet. Wer hat vorn gestanden? Nun stehen sie wohl beide auf dem Cover, und es ist klar, welcher Name nach so vielen Jahren aus Sicht der Firma attraktiver war. Die optische Aufteilung entspricht halt der gefühlten Realität. Und da sollte man einfach nochmal gründlich recherchieren, wer von beiden die respektablere Lebensleistung präsentieren kann. Gerade im Blick auf Bach. Wie dem auch sei: man spürt eine latente Demagogik. Mit einer Korrektur beginnen könnte man z.B. hier. Aber es lohnt sich auch, eine Reihe von Aufnahmen durchzuschauen, in denen ein Chor mitwirkt, dessen Leiter einmal die Gesamtleitung innehat (z.B. Tölzer Knabenchor: Gerhard Schmidt-Gaden), während sie ein anderes Mal bei jemand anderem liegt (Gustav Leonhardt), ohne dass man eine listige Amtserschleichung argwöhnen muss. (Beispiele ganz unten)
Es folgt die Kostprobe einer Promo-Aufnahme mit „Pygmalion“ und Raphaël Pichon („Sind Blitze, sind Donner“):
Andere Ausschnitte gibt es bei dem Journalisten Manuel Brug, der es allerdings nicht einmal schafft – pars pro toto – den Namen des Bass-Solisten (Christian Immler, nicht Irmler!) in einer vorproduzierten Radiosendung korrekt auszusprechen, hier (bei 4:24)…
Beispiele einiger CD-Titel (soeben – fast wahllos – abfotografiert)
P.S. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass es mir nicht um Kritikerschelte überhaupt geht; eine gründliche Rezension ist für musikverständige Menschen eine nicht zu verachtende Entscheidungshilfe. Als sehr positives Beispiel kann die Besprechung zweier Neuaufnahmen – darunter ebenfalls die von Raphaël Pichon – gelten, ich gebe das Handyfoto wieder, das mir ein Freund zugeschickt hat. Ich merke mir den Namen des Kritikers und werde bei Gelegenheit gern die FAZ bevorzugen, wenn ich musikalischen Rat suche: Gerald Felber. Hier ist der Artikel – wie ich hoffe – abrufbar, zudem mit schönen Links versehen. Mustergültig! Ansonsten hier die etwas mühsamer lesbare Nachhilfe-Kopie für alle Fälle:
Zur Diskussion (bzw. Nach-Denken):
Nach der Lektüre einer Kritik (20.03.) in der Rheinischen Post Düsseldorf –
Johannes-Passion neu Gardiner, nachzuhören bis 10. Juli hier
HIER weiterblättern… oder auch hier (auf deutsch, wie folgt:)
Anlass heute: die CD von Andreas Gilger, sein flexibles Spiel, die Mikro-Nuancen zwischen zwei Zählzeiten, die traumhaften Tempoabstufungen zwischen den Tanzsätzen, die sensible Verzögerung einzelner Akzente, die bezaubernden Fiorituren, das suggestive Tempo rubato der beiden Préludes (Tr. 1 und 29), die vom Künstler zielsicher intonierte Feinstimmung und überhaupt – der einfach wunderschöne Klang seines Instrumentes: einer Vaudry-Kopie von Matthias Griewisch. All dies hat mich beglückt, seit ich die Aufnahmen auf dem Handy mit Kopfhörern Track für Track verfolgte, ohne irgendetwas sonst darüber zu wissen. Es sollte eigentlich nur eine Hörübung sein. Ein Zeitvertreib, siehe hier. (Dank an JMR!)
Aber abgesehen von der Musik, deren Interpretation fasziniert – höchstes Lob für die konzise Gestaltung des Booklets: es bietet inhaltlich alles, was man an Rüstzeug braucht, auch wenn man noch nicht mit der Musik in Versailles um Ludwig XIV. vertraut ist. Oder auch von Rhetorik und deren Bedeutung für die Musik weniger gehört hat als von weitgespannten Melodiebögen und romantischer Ausdruckskunst. Man muss die Quellen, denen ich oben nachgegangen bin, nicht studiert haben – es genügt fürs erste dieses schmale, schön gegliederte und bebilderte Booklet.
Diese emotionale Verbindung zum Publikum versuche ich durch das Studium historischer Quellen und Befolgung ihrer Anweisungen aufzubauen. Die meisten musikalisch Kreativen sind keine mystischen Genies, sondern Normalsterbliche mit Emotionen, die sie mit ihrem Publikum kommunizieren wollen. Nicht, indem sie über ihre Gefühle sprechen, sondern sie beim Publikum direkt auslösen. Da Kunstschaffende des 17. Jahrhunderts ihre Werke als Werkzeuge schufen, um Affekte in anderen auszulösen, erscheint es mir nur logisch, herauszufinden, wie sie sich die Verwendung dieser Werkzeuge vorstellten. Offensichtliche Anhaltspunkte dazu sind historische Quellen zum Musizieren. Um dafür ein umfassendes Verständnis zu erlangen, muss allerdings in den Bereich der Rhetorik vorgedrungen werden. „Rhetorik“ ist ein Schlagwort in der Alten Musik, wobei nur wenige eine klare Vorstellung des Begriffs haben, geschweige denn davon, wie der Begriff im Barock verstanden wurde. Ja, den meisten ist klar, dass „Rhetorik“ die Kunst der Überzeugung mittels sorgfältig ausgewählter Wörter bezeichnet. Die Autoren des Barocks gehen allerdings deutlich weiter und beziehen die Ausführung des Texts, also Gestik, Mimik, Stimmmodulation etc. mit ein. Quasi alle Quellen halten die Ausführung sogar für wichtiger, als die tatsächliche Wortwahl. […]
Beim Studium der Quellen zu öffentlichem Reden, Deklamationen und Schauspiel wird schnell klar, dass Gesten üblicherweise viel größer waren, die Stimme flexibler gestaltet wurde, und grundlegende Wandlungen im Charakter innerhalb eines Abschnittes, Monologs, etc., häufiger auftraten als heutzutage. Im ersten Moment scheint solch ein pompöser Stil modernen Geschmäckern hoffnungslos übertrieben. Aber wie man von einem Stummfilm berührt wird, wenn man die erste Konfrontation des fremden Schauspielstils überwunden hat, so bin ich davon überzeugt, dass Barockmusik in einem uns fremden Stil vorgetragen wird. Es mag verziehen werden, wenn man die Übertragung rhetorischer Prinzipien auf Musik zunächst als weit hergeholt empfindet, doch etliche historische Quellen ziehen Parallelen und Vergleiche zwischen Rhetorik und Musik. Damit wird offenkundig die Annahme widerlegt, dass Musik – sogar die, die auf Tanzformen basiert – ausschließlich unter der Tyrannei eines unerbittlichen Metrums aufzuführen sei, oder dass Zurückhaltung das herrschende Prinzip musikalischer Aufführungen des späten 17. Jahrhunderts war. Im Gegenteil: Wenn wir Zeichnungen und Gemälde le Bruns mit den verhaltenen Aufführungen vergleichen, die in der Alten Musik über Jahrzehnte usus waren, entdecken wir eine Inkongruenz, welche die Musizierweise, die ich und etliche Kolleg:innen propagieren, zu beseitigen sucht. Le Brun verlangt, dass die Affekte in all ihrer Schönheit, all ihrer Weichheit, all ihrer Gewalt gemalt werden. […]
Text: Andreas Gilger (aus dem Booklet, rote Markierungen JR)
Es beginnt mit einer erstaunlichen Reise, 13 Sätze in G-dur, deren Strukturen das Ohr angenehm beschäftigen können, wie die geometrische Gartenanlage des Schlossparks draußen das vergnügte Auge. Und es liegt nicht unbedingt auf der Hand, darin nach den Emotionen zu suchen, die von den beigegebenen Portraits aus Le Bruns Feder insinuiert werden: „Haine ou Jalousie“, „Veneration“ und „l’Effroy“, tatsächlich sind dies die Extreme, die der gleichmäßige Klang des Cembalos eher verschleiert als bloßlegt. Ähnlich wie die Etikette der höfischen Konversation, sie walten subkutan und vielleicht ganz offen in den Theateraufführungen, die in höfischen Causerien und Plaudereien von ferne reflektiert wurden. Man fühle nur den Übergang von G-dur nach D-moll (Track 13 nach 14), um zu ahnen, was eine Tonart bedeutet, in deren Rahmen all diese Nuancen eingebettet sind. (Man lese auch den interessanten Lebenslauf des Komponisten Henry Dumont oder du Mont, der – aus Lüttich und Maastricht stammend – den „Generalbass“ in die französische Musik eingeführt haben soll).
Vielleicht greift man sich auch mal die Chaconne Tr. 21 (Jean-Nicolas Geoffroy) heraus, um sie wie das Mienenspiel einer erzählenden Person zu studieren. Um sich danach dem rührenden Gesicht der „Allemande la Rare“ zuzuwenden (Tr.22), anschließend auch der koketten Courante usw. – man wird sich den Namen Jacques Champion de Chambonnières merken wollen, des Cembalisten, den man seinerzeit lobte für „…die Schönheit seiner Werke, den schönen Anschlag, die Leichtigkeit und Geläufigkeit der Hände zusammen mit einem sehr feinen Ohr, so dass man sagen kann, dass dieses Instrument seinen letzten (größten) Meister gefunden hat.“ (Mersenne). Nein, nicht den letzten…
Hervorzuheben ist auch das viersätzige Kleinod von Louis Couperin,Tr. 29 bis 33 mit dem phantastischen Prélude, den resoluten „Rückungen“ am Ende der Allemande und der ebenso wild entschlossenen Passacaille, Zielpunkt der langen, bilderreichen Reise dieser CD.
Eher speziell für mich als vielleicht für andere, die vorwiegend mit dem bloßen Gehör arbeiten oder überhaupt die Musik nicht als Arbeitsfeld betrachten, füge ich zwei Seiten aus einem musikanalytischen Werk bei, das mich mit meinen Schwächen konfrontiert hat, – denke ich jedenfalls. Sie beziehen sich hier noch nicht so auf Beethoven, wie die Seiten-Überschrift ankündigt. Und mich bewegt unterschwellig beim Hören dieser CD ohnehin die (kaum fühlbare) Nähe zu Bach (Französische Suiten), bzw. ihre Position zwischen Monteverdi und Bach:
Quelle Folker Froebe: Motivisch-thematische Analyse – Ludwig van Beethovens Klaviersonate op. 10 Nr. 1 / ins: Musikalische Analyse / Begriffe, Geschichten, Methoden / Herausgegeben von Felix Diergarten / Laaber-Verlag 2014 (S.95-140)
EILT Mehr aus der Welt der französischen Rhetorik: Molière EILT
HIER („eilt„, weil nur noch bis 3. Mai 2022 abrufbar) Stop: HIER allerdings noch bis 1. Juni 2022
Anlässlich des 400. Jahrestages von Molières Taufe zeigt der Film einen Autor, Ensembleleiter und Schauspieler, der treu ergeben die Vergnügungen Ludwigs XIV. organisierte und gleichzeitig in seinen Stücken große Radikalität an den Tag legte, der sich auf der Bühne ebenso wohlfühlte wie in den Salons, der strategisch dachte und dabei frei war, der durch sein Genie und seine Komplexität fasziniert. Molière erweist sich als Erfinder eines Theaters, das seit beinahe vier Jahrhunderten eine unerschöpfliche Quelle von Inspiration und Bewunderung ist. (aus dem ARTE Pressetext)
„Getrieben, gezogen, gelocht, gestopft“ – Den Geheimkünsten barocker Bläserzünfte auf der Spur
Eine Hörfunksendung im DLF HIER(anklicken, geduldig warten) Musikszene Sendung vom 02.11.2021 Kurztitel: Geheimkünste barocker Bläserzünfte / Autor: Bernd Heyder
Achtung: nicht durch das erste (sehr lange) Zitat abschrecken lassen (Johann Mattheson 1713), auch nicht durch den Sendungstitel, der auf abseitige Interessen zu spekulieren scheint, es geht um den differenzierten, alltäglichen Umgang mit den scheinbar problemlos strahlenden Blechinstrumenten.
Friedemann Immer: „Man kann mit einer Barocktrompete nie zu laut sein“. (39:31 rückwärts gezählt) F.I. spielt die Naturtonreihe.
Wolfgang Auhagen über Naturtonreihe (nochmal gespielt) Fr.Immer weiter Interview
Thema Joh.Seb. Bach 2.Brandenburgisches / Tonart F-dur (Fr. Immer:) Kammertöne / Hof in Köthen sehr französisch, F-dur = Klang Es-dur.
1950er Jahre Cappella Coloniensis + Concentus Musicus, erste Kopien der alten Instr. Clarintechnik wiedergewinnen, „unreine“ Töne der Nat.tonreihe? Wolfgang Auhagen… „Treiben“ (Hochtreiben der Naturtöne mit den Lippen) neben der optimalen Resonanz, etwas Leiser, mühsam lange zu halten. Seit 1960 zu Korrektur Löcher gebohrt, 1 zur Veränderung der absoluten Stimmlage, andere zur Erleichterung des Spiels im hohen Bereich. Die Löcher verhindern, dass man in eine falsche Schwingung gerät. Initiative von Otto Steinkopf
Friedemann Immer verwendet die Drei-Loch-Technik und führt sie vor. 31:27 Zunächst Tonhöhe nur durch Treiben korrigiert, dann (anderes Instr.) mit Hilfe der Korrekturlöcher. „Den Klang des Instrumentes macht aber wirklich das Mundstück! Nat. im Zusammenhang mit der Mensur usw.“D ie Dreilochtechnik ist erfunden worden durch Walter Holy zus. mit Steinkopf u. Helmut Winkel (?)“. Später: Michael Laird, London, 4-Loch-System erfunden, höchst interessante neue Quelle: Lorenz Christoph Mitzlaff ehemaliger Schüler J.S.Bachs, zitiert 1743 den Kantor Joseph Christoph Hille aus Glauchau (Halle a.d.Saale) 30:15 über die ungelöcherte, ohne Züge… „der Anfang der Trompete“, „wir wussten, nicht dass es damals schon die gelöcherte Trpt. gab!“ Bach-Zeit!