Die Menschheit steht vor existenziellen Konflikten über die Nutzung und Verteilung unserer wichtigsten Ressource. Wasser ist knapp, aber der weltweite Bedarf steigt exponentiell. Vor allem in der Landwirtschaft verschwenden wir weltweit kostbares Süßwasser. Welche Folgen hat die Art, wie wir leben, konsumieren und uns ernähren, auf die Wasserkreisläufe unseres Planeten?
Entlang von sechs Flüssen auf vier Kontinenten geht die Dokumentation „Wohin die Flüsse verschwinden“ der Frage nach, warum die existenzielle Ressource Wasser immer knapper wird und wer dafür die Verantwortung trägt. Mit 70 Prozent ist die Landwirtschaft der Hauptverbraucher von Süßwasser. Und davon geht ein großer Teil in die Produktion von Futtermitteln. Unser übermäßiger Fleischkonsum ist mitverantwortlich dafür, dass mächtige Flüsse wie der spanische Ebro oder der Colorado in den USA und Mexiko austrocknen. Große Agrarkonzerne verdienen damit Milliarden. Die Filmemacher Manuel Daubenberger und Felix Meschede sprechen mit den Verursachern und den Leidtragenden.
Mit der Übernutzung von Wasser geht häufig auch die Verschmutzung dieser überlebenswichtigen Ressource einher. Europa hat seine schmutzigsten Industriezweige in Länder wie Indien ausgelagert. Etwa 20 Prozent der weltweiten Wasserverschmutzung geht auf die Textilindustrie zurück. Der Dokumentarfilm gewährt seltene Einblicke in die indischen Fabriken und das Leben entlang ihrer Abwässer. Doch der Film zeigt nicht nur Probleme auf, er trifft auch Menschen mit Lösungsansätzen: In Frankreich werden Staudämme abgerissen, um Flüsse wiederzubeleben, in einer ägyptischen Oase experimentieren die Bewohner mit Hydrophonie und in Indien nutzt der sogenannte Wassermann eine jahrtausendealte Technik, um mitten in der Wüste Flüsse wieder fließen zu lassen, die Jahrzehnte ausgetrocknet waren. „Wohin die Flüsse verschwinden“ ist ein Dokumentarfilm, der zum Nachdenken anregt und zugleich Hoffnung macht.
Die bewährten Wege in die andere Kultur existieren noch!
Ich werde erzählen, welche ich als richtungweisend empfinde. Dank Internet sind es nämlich fast unübersichtlich viele geworden. Nach wie vor gibt es die Verbindung „India Instruments“ , an die ich mich halte, – wobei die Alarmzeichen nicht zu übersehen sind. Eine der lebendigsten Lehr- und Lern-Quellen, die in Rotterdam (Joep Bor, Wim van der Meer – mit Hariprasad Chaurasia), verliert die Frischwasserzufuhr, was auf gut deutsch heißt: öffentliche Förderung und Geld. Trotzdem beginne ich nicht mit einem Klagegesang, sondern mit dem, was mich nach wie vor begeistert, seit meinen ersten Live-Begegnungen ab 1969 mit Meistern wie den Ali Brothers und Bismillah Khan, mit Nikhil Banerjee, Ali Akbar Khan und den Familien des Imrat Khan und Nikhil Ghosh) .
Man kann den Text mitlesen im TRANSKRIPT (unter Youtube-Video anklicken).
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Der Weg ins indische Dorf (ein pädagogisches Projekt in Indien)
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Raga-Studiengang in Rotterdam geschlossen – Globales Musikverständnis im Abseits
– Hintergrundbericht von Yogendra –
1987 startete an der Hogeschool voor Muziek en Theater Rotterdam (heute Codarts University for the Arts) der erste Studiengang für Praxis der klassischen nordindischen Musik in Europa – ein einzigartiges, mutiges Experiment, das jetzt nach rund 35 Jahren zu Ende geht. Die letzten Bachelor-Studierenden haben dieses Jahr ihre Abschlüsse gemacht und der Studiengang ist geschlossen worden. Ein Master-Studium indische Musik wird zwar noch angeboten, aber ohne Bachelor-Unterbau und ohne feste Lehrkräfte dürfte der kaum Perspektive haben. Schon seit einigen Jahren war das Indische-Musik-Programm durch Budgetkürzungen ausgehöhlt worden. Die künstlerische Lehre als Herz des Studiums erfolgte nur noch durch Gastdozent*innen, ohne künstlerische Leitung. Die Zahl der Bewerber*innen war stetig zurückgegangen. Und durch die Corona-Pandemie kam das Programm vollends zum Erliegen. Dieses Schicksal teilt es mit den Studiengängen für Tango und für Flamenco – auch die sind geschlossen worden. Vom einst breit aufgestellten World Music Department bleiben jetzt nur noch die Abteilungen für türkische und für lateinamerikanische Musik übrig.
Die Idee für den Studiengang war aus einer 5-köpfigen Kerngruppe entstanden: Sarangispieler Joep Bor und Khyal-Sänger Wim van der Meer waren Musikwissenschaftler mit langjährigen Studienzeiten in Indien. Huib Schippers, Jane Harvey und Toss Levy lernten bei dem in Amsterdam ansässigen Sitaristen Jamaluddin Bhartiya und gaben einen Newsletter für indische Musik heraus. Gemeinsam gründeten sie 1986 ISTAR Netherlands als freie Schule für indische Musik und indischen Tanz. Die Resonanz war groß, aber es wurde schnell klar, dass eine langfristige Arbeit nur im Rahmen bestehender Musikinstitutionen funktionieren würde. So entwickelte die Gruppe kurzerhand ein Konzept für einen Studiengang Indische Musikpraxis am Rotterdam Conservatorium. Dazu wurde die traditionelle indische Guru-Shishya-Parampara Lehrform an die formalen Anforderungen einer europäischen Musikhochschule angepasst. Die zentrale Rolle des Gurus blieb erhalten, aber wichtige Inhalte wurden in getrennten Fächern vermittelt und es wurden Anforderungen und Leistungsprüfungen und eine Studiendauer definiert. Außerdem mussten neben indischer Musik auch Grundlagen westlicher Musik studiert werden, um Kompetenz für genreübergreifende Zusammenarbeit aufzubauen. Umgekehrt entstanden aus dem Indische-Musik-Programm im Lauf der Jahre auch übergreifende Lehrangebote für modale Improvisation, Arbeit mit zyklischen Rhythmen und Gehörbildung mit relativer Solmisation, die für Studierende anderer Traditionen neue Horizonte eröffneten. „Towards a Global View on Music“ war das Motto, mit dem Mitgründer Joep Bor das Konzept erfolgreich präsentierte.
Seine Blütezeit erlebte das Indische-Musik-Programm in den langen Jahren unter der künstlerischen Leitung des großen Bansuri-Meisters Hariprasad Chaurasia. Das Charisma des weltweit konzertierenden Stars zog Studierende aus ganz Europa an. Hariprasad verbrachte regelmäßig so viel Zeit dort, dass ein intensives mehrjähriges Studium bei ihm möglich war. Neben Hariprasad waren mit dem Sitarvirtuosen Budhaditya Mukherjee und dem Tablameister Faiyaz Khan zwei weitere indische Musiker von Weltrang viele Jahre als regelmäßige Gastdozenten aktiv. Und wenn die renommierten Gurus nicht vor Ort waren, betreuten in den Niederlanden ansässige Tutoren die Studierenden weiter. Der Erfolg und die Bedeutung dieser langjährigen Arbeit werden klar bei einem Blick auf Absolvent*innen aus dieser Zeit, die sich nach dem Rotterdamer Studium selbst einen Namen als Performer*innen indischer Musik gemacht haben – z.B. die Flötist*innen Henri Tournier, Julia Ohrmann und Stephanie Bosch, die Sitarist*innen Siddharth Kishna, Rohini Sahajpal und Tammo Heikens, die Cellistin Saskia Rao-de Haas, die Geigerin Lenneke van Staalen, der Sarodspieler Martijn Baaijens, die Dhrupad-Sängerin Marianne Svasek und die Tablaspieler Heiko Dijker und Florian Schiertz.
Die Gründe dafür, warum das Programm letztlich nicht mehr genug Interessenten angezogen hat, sind vielschichtig. Die Codarts University for the Arts Rotterdam musste in den letzten 20 Jahren streng reglementierte Bachelor- und Masterstudiengänge einführen, Effizienz steigern und Kosten reduzieren, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Aus dem Indische-Musik-Gründungskreis war zum Ende nur noch Jane Harvey an Bord; die anderen vier hatten sich im Lauf der Zeit anderweitig engagiert. So fehlten kräftige Stimmen, die dem Programm Aufmerksamkeit und Resonanz verschafften, innerhalb von Codarts ebenso wie bei anderen Institutionen und in der Öffentlichkeit. Außendarstellung und Werbung wurden vernachlässigt. Fatal dürfte gewesen sein, dass an Hariprasad Chaurasia als künstlerischem Leiter bis weit über sein Rentenalter hinaus festgehalten und kein Nachfolger mehr eingesetzt wurde. Ohne einen charismatischen Guru als Mittelpunkt fehlte dem Programm wohl das Herz.
Aber auch die jüngere Geschichte hat dem Programm entgegen gearbeitet. In seiner Gründungszeit, nach dem Ende des Kalten Krieges, gab es eine enorme Aufbruchsstimmung. Plötzlich schien es möglich, dass Kulturen sich auf Augenhöhe begegnen. Multikulti war in Europa eine positive Vision, und das Zusammenwachsen der Welt in der Globalisierung erschien als Lösung vieler Probleme. In der Musikwelt hatte sich World Music als neue Kategorie etabliert mit dem Anspruch, Musikkulturen aus aller Welt gleichberechtigt mit populären und klassischen westlichen Genres zu sehen. Gegenseitige Akzeptanz und Befruchtung war die Idee. Aber die Zeiten haben sich geändert. Neue Konflikte und Fronten sind entstanden. Die digitale Revolution hat zwar Musik aus aller Welt prinzipiell jederzeit und überall verfügbar gemacht. Aber gleichzeitig sehen Kulturen sich wahlweise als bedroht oder als überlegen und grenzen sich voneinander ab statt einander zu befruchten. Statt Gemeinsamkeiten als Menschheit werden die Unterschiedlichkeiten verschiedener Gruppen betont. Identitätspolitische Aktivist*innen reklamieren mit dem Kampfbegriff „Kulturelle Aneignung“ Besitzansprüche. Und globale Krisen wie die Corona-Pandemie oder der Klimawandel sorgen für zusätzlichen Druck. Das sind schwierigste Bedingungen für ein kleines Nischenfach wie indische Musik an einer Musikhochschule.
Musik ist immer gelebte Praxis. Darin gleicht sie den Sprachen. Exklusive Verfügungsmacht über eine gelebte Praxis ist nicht nur unmöglich sondern auch widersinnig. Populäre Musik im weitesten Sinn ist heute ein durch und durch globales Phänomen, in dem alles mit allem kreativ kombiniert werden kann. Und auch in künstlerisch ambitionierter Musik mit kleiner wirtschaftlicher Bedeutung sind längst alle Grenzen durchlässig geworden. Wenn aber alles geht, heißt das eben auch, dass traditionelle Praktiken wie die klassische indische Musik weiter ihre Existenzberechtigung haben – sowohl um ihrer selbst willen, als auch als Basis und Quelle der Inspiration für neue Formen. In diesem Sinn kann sich ein Studium indischer Musik auch heute noch lohnen. In welcher Form auch immer. Das Verschwinden einer Studienmöglichkeit an einer Hochschule ist deshalb ein beklagenswerter Verlust.
Die Einsatzmöglichkeiten von sogenannter Künstlicher Intelligenz (KI) in der Musikindustrie sind zuletzt rasant größer geworden. KI kann beim Mischen und Mastern für die Musikproduktion Prozesse optimieren. Sie kann regelkonform Melodien, Harmonien und Rhythmen erstellen, unvollständige Stücke komplettieren oder sogar ganze Stücke generieren. Auch klassische indische Musik hat KI inzwischen gelernt. Sie kann neue Ragas erfinden, in bestimmten Ragas und Talas Kompositionen ausspucken und stilgerechte Variationen dazu entwickeln, die üblicherweise improvisiert werden. Seit kurzem kann KI auch Stimmen von Sänger*innen so perfekt imitieren, dass Deep Fake Aufnahmen möglich geworden sind. Längst verstorbene Größen singen jetzt aktuelle Hits, verschlissene Stimmen gealterter Stars klingen wieder jugendlich frisch, Stimmen von VIPs aus allen Bereichen rappen und singen was das Zeug hält. Juristische Fragen, die sich daraus ergeben, werden wohl erst viel später beantwortet werden. Technisch scheint es keine prinzipiellen Grenzen zu geben. Auch die potenzielle Reichweite ist gigantisch – wird doch heute die überwältigende Masse aller Musik digital produziert und konsumiert. Aber jetzt hat die US-amerikanische Recording Academy Stellung bezogen gegen eine völlige Vereinnahmung durch KI. In den Regeln für ihre 66. Grammy-Verleihung hat die Recording Academy im Juni festgelegt, dass Werke, die keine menschliche Urheberschaft beinhalten, in keiner Kategorie zulässig sind. Der wichtige Musikpreis soll weiterhin nur an menschliche Schöpfer gehen. Vielleicht ein Weckruf?
Wie geht eigentlich (indische) Musik? (31) – Handy-Etikette im klassisch indischen Konzert
– Zitat von Nayan Ghosh –
In der Reihe „Wie geht eigentlich (indische) Musik?“ bringen wir seit Frühjahr 2016 assoziative, prägnante Anregungen von Künstler*innen und Intellektuellen.
Die Handys der Zuhörer sind auf lautlos gestellt. Einschalten nur für Notfälle. Das Handy des Interpreten muss auf Flugmodus gestellt werden. (…) Die Zuhörer sollten bereit sein, der Darbietung ihre ausschließliche Aufmerksamkeit zu schenken, andernfalls sollten sie ein Konzert einfach nicht besuchen. Ebenso sollte man nicht in ein Konzert gehen, wenn man erkältet ist oder Husten hat. Ein Mindestmaß an Disziplin und Höflichkeit sollte eine akzeptierte Norm sein. (…) Schließlich bin ich der festen Überzeugung, dass niemand eine Aufführung während des Konzerts filmen sollte, es sei denn, der Künstler und/oder die Organisatoren haben es erlaubt. Behalten Sie das Erlebnis in Ihrem Gedächtnis und nehmen Sie es mit nach Hause. Wenn Sie filmen, stören Sie nicht nur die Menschen um Sie herum, sondern lenken auch Ihre EIGENE Aufmerksamkeit vom konzentrierten Zuhören auf das Einstellen der Kamera ab. Wann immer ich Gäste in der ersten Reihe gesehen habe, die sich unterhalten oder mit dem Handy telefonieren, habe ich meinen Auftritt unterbrochen und ihnen in aller Bescheidenheit gesagt, dass ich erst weiterspiele NACHDEM Sie Ihre Angelegenheiten beendet haben.
Nayan Ghosh (*1956) wuchs in einer renommierten Musikerfamilie auf und lernte von Kindheit an Tabla, Gesang und Sitar. Zunächst machte er Karriere als Tablabegleiter von Künstlern wie Ravi Shankar, Nikhil Banerjee, Vilayat Khan, Rais Khan, Shivkumar Sharma, Amjad Ali Khan und Pandit Jasraj. Später gelang ihm das Kunststück, sich auch als Solist auf der Sitar zu etablieren. 2014 wurde er für seine Verdienste um die klassische indische Instrumentalmusik mit dem Sangeet Natak Akademi Award ausgezeichnet.
Auf dem Weg, eine berühmte Komposition (Krti) zu erschließen
Die Krti (Gesangskomposition) hören und wie man ihren Tal (rhythmische Gliederung) mitzählt (mit-fühlen lernt): zuerst Rupaka Tala hier (darin ab 6:25 Unterschied zu Rupak-Tal Nord)
HIER (Wiki) WDR-Aufnahme 6.5.1976 WDR Nachtmusik 21.10.1978 / Alapana-Ende und Übergang zur Komposition: 2:26 / ab 6:34 neuer, freier Teil
HIER (Wiki) Kurz-Alapana-Ende und Übergang zur Komposition 0:25
Der Text:
Quelle C. Ramanujjachari: The Spiritual Heritage of Tyagaraja / Sri Ramakrishna Math Mylapore MADRAS-4 INDIA / Second Edition 1966 (S. 514f)
Textverteilung auf die Töne:
Musikalischer Zugang für (westlich „sozialisierte“) Notenleser:innen:
↑ Die vier Saiten (von unten nach oben bzw. von rechts nach links, in der Auf-Sicht) d‘ – a‘ – d“ – a“‘ ; hier werden also die beiden höheren Saiten gespielt, (fast) genau die Töne der ersten Zeile der oben im Druck wiedergegebenen Noten. Wertvoll, weil man genau die Ausführung der Ornamente beobachten kann, auch den Gang in die „dritte Lage“ zum d“‘ und den Abstieg während des Gebrauchs der leeren Saite a“‘. Achtung bei Melodiebeginn: Wechsel vom 1. (!) Finger fis“ auf die tiefere Saite, die auf a‘ gestimmt ist, mit den Tönen es“ und d“ – wegen des Ornaments – und sogleich wieder auf leere Saite d“. (Violine: Vaikam Padma Krishnan)
↑ Version auf westlich gehandhabter Violine (Hintergrund siehe hier)
15, ja fast 20 Jahre sind vergangen… Ich erhielt in diesen Tagen von Purbayan Chatterjee, dem damals zentral mitwirkenden Künstler, einen Einblick in die verschiedenen Stil-Richtungen, die er inzwischen anbietet:
Purbayan Chatterjee:
“MILAAP” my Jugalbandi with Carnatic Mandolin Maestro U Rajesh, brother of the genius late U Srinivas ji. I am attaching our showreel for this: Hier
Ich erinnere mich: diesem Stückchen begegnete ich am 13.03.1976 im Kölner Funkhaus mit Imrat Khan, seine Aufnahme aus 1974 wurde zur ersten LP, zu der ich den Text schrieb; vom Cover stammt der folgende Ausschnitt zu „Vatapi ganapatim“.
Der erwähnte „genius late U Srinivas“ erscheint auch in der Reihe der WDR-Konzerte, und zwar am 26.01.97. Die folgende Seite stammt aus der 15-seitigen Übersicht aller indischen WDR-Aktivitäten 1970 – 2005.
JR im Gespräch mit Aneesh Pradhan, der den Konzertabend 2. Oktober 2004 an der Tabla mitgestaltete.
Also I have a project called “CLASSICOOL” which is my take on the contemporary interpretation of Classical and fusion music of India.
Und wenn dieser Start funktioniert hat, werden Sie verstehen, dass ich ich mich nicht wundere, wenn unter „Fusion“ auch unversehens eines meiner allerersten Klavierstücke, die ich gelernt habe, auftaucht. Bei 0:45, die erste Zeile aus dem Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach.
Noten von 1939
Dass aber die klassische Musik Indiens in dem Fusions-Drang oder -Druck nicht untergeht, lernt man in der folgenden Aufnahme mit der einzigartigen schönen Folge großer nordindischer Ragas von Yaman bis Lalit, im Zusammenwirken zweier Meister des melodischen Dialogs.
If Jugalbandi is of interest to you, then we have our ensemble “SAATH SAATH” with flute maestro Rakesh Chaurasia. Our album was widely appreciated by the International media. We performed in venues like the Barbican in London and Carnegie Hall New York.
Das Grundsätzliche zu den Begriffen Skala, Modus, Makam und Raga ist schneller gesagt als verstanden. Zu den ersten Fakten, die man von einem indischen Musiker lernt, wenn man etwas über seine Kunst erfahren will, gehört: „A Raga is not a scale!“ Trotzdem ist es gut zuwissen, mit welchen Tonleiter(n) er umgeht, also: welches Material er verwendet, wenn man es in aufsteigender Reihe notieren wollte. Vom Grundton bis zur höheren Oktave oder darüber hinaus und zurück. Die Warnung kommt aber nicht von ohnfähr: bestimmte Tongruppen sind schon – geradezu von Natur aus – melodisch vorgefomt. Man sieht es selbst dem bloßen Material schon an: in eine Skala gefasst, bekommt man sie nur in absteigender Folge lückenlos, jedenfalls wenn es sich um Raga Shree handelt, wie im vorangehenden Beispiel. Sobald man ihn aber spielen oder singen will, gibt es von Ton zu Ton Gewichtungen, Formeln, Wendungen, Innehalten, Schleifen, Ornamente. Da sollte man nichts für Zufall halten, es gehört alles „zum Raga“. Das „was unser Gemüt färbt.“ Man kann sich auf die für unser Ohr ungewöhnlichen Tonfolgen vorbereiten, indem man diese „Material-Aufreihung“ singt, dabei bedenken, dass der Ton Fis identisch ist mit dem Ton Ges, und dass unterhalb des Tones C ein H folgen kann, und dass die Folge Des – H – As durchaus nicht „schwierig“ klingt, sondern eben wie Cis – H – Gis. Wenn ihnen das vertraut ist, versuchen Sie, die Töne der Sängerin im Notenbild dingfest zu machen. Eventuell ganz kleine Abschnitte, diese auch oft wiederholend. Den Grundton C (unten und oben) im Sinn behalten, mögen auch andere Töne momentan bedeutender erscheinen.
Vom Modus spricht man, wenn wir uns außerhalb des klassischen westlichen Systems befinden, das wir auch als Dur-Moll-System bezeichnen. Modi sind z.B. die alten Kirchentonarten, aus deren Skalen sich unsere Dur- und Moll-Tonarten herauskristallisiert haben. Weiteres darüber hier. Als Modi sind auch die Tonarten des Orients aufzufassen, im indischen Sprachraum Raga, im arabisch-türkischen Sprachraum Makam bzw. Maqam (Betonung auf der zweiten Silbe), im iranischen der Dastgah. Im Raga spielt der Rahmen der Oktave eine wesentliche Rolle, nebst vorgeprägten Tonverbindungen und Ornamenten, in den makam-ähnlichen Modi der Quartraum (Tetrachord), vergleichbar der Aufteilung unserer Dur-Tonleiter etwa in die aufsteigenden Abschnitte C – F und G – C. In den makam-ähnlichen Modi beginnt die melodische Darstellung (fast) immer im Quart- (oder Terz-) Rahmen, nebst melodisch vorgeprägten Formeln oder „Zügen“.
Der folgende Text stammt von Yogendra (Jens Eckert), veröffentlicht in seinem Newsletter India Instruments (es ist nur der Anfang, Fortsetzung zum Weiterlesen am Ende dieses Artikels). Ich habe lediglich einige Links eingefügt und ein paar farbige Markierungen vorgenommen. (JR)
Ideal und Wirklichkeit – The Disciple
– Eine Filmbesprechung von Yogendra –
International erfolgreiche Spielfilme, in denen klassische indische Musik eine zentrale Rolle spielt, gibt es nur alle paar Jahrzehnte. In Jalsaghar (Das Musikzimmer) zeigte Oscarpreisträger Satyajit Ray 1958 einen elegischen Abgesang auf die untergehende indische Aristokratie als Patronin von Musik und Tanz [Musikauswahl: Vilayat Khan]. Die klassisch indische Musiktradition selbst war dagegen schon erfolgreich den Weg vom höfischen Patronat in die demokratische Öffentlichkeit gegangen und stand in hoher Blüte. Mit Begum Akhtar, Roshan Kumari, Wahid Khan und Bismillah Khan waren herausragende Künstler*innen dieser Zeit in Jalsaghar in phänomenalen Performances zu sehen und zu hören.
Szenen des Filmes hier Mehrere Einzelszenen hier – auch hier (Junge singt + Esraj)
Als 1997 Rajan Khosas Film Dance of the Wind erschien, hatte die klassische indische Musik einen atemberaubenden Höhenflug der Instrumentalstile erlebt und gleichzeitig eine erstaunliche weltweite Popularität gewonnen. In Dance of the Wind weigert sich eine junge klassisch indische Sängerin rituell Schülerin ihrer Mutter und Lehrerin im Sinn der alten Guru-Shishya-Parampara Tradition zu werden. Nach dem Tod ihrer Mutter verliert die junge Sängerin ihre Stimme – und findet sie wieder, indem sie für ein Straßenmädchen selbst zur Gesangslehrerin wird. Der Film erzählte indische klassische Musik als Medium seelischer und spiritueller Heilung durch die erneuerte Anbindung an die alte Tradition.
In The Disciple, seit April 2021 auf Netflix und davor auf internationalen Filmfestivals zu sehen, schildert Chaitanya Tamhane jetzt in 4 ineinander verschachtelten Zeitebenen über etwa 30 Jahre den Lebensweg des fiktiven Khyal-Sängers Sharad Nerulkar. Als kleiner Junge wird Sharad von seinem Vater genötigt, Gesangskompositionen zu lernen statt draußen mit seinen Freunden zu spielen. Mit Anfang 20 ist er einer von drei Schülern eines renommierten Gesangsgurus. Einige Jahre später schlägt er sich als Gesangslehrer und mit kleinen Konzerten durch. Und am Ende sehen wir ihn als Familienvater und Pressesprecher eines Musikverlags. In Sharads Ringen mit sich selbst, mit seinem familiären Umfeld und mit den hehren alten Idealen der klassischen Musiktradition und schließlich in seinem Scheitern an den Bedingungen des kommerziellen Konzertbetriebs zeichnet der Film ein gnadenlos realistisches Bild der klassischen nordindischen Musiktradition im modernen Indien.
Weiterlesenhier (India Instruments Newsletter Übersicht Punkt 5.) Siehe dort auch den Link „Raga-Player“ zum Einhören (oder gleich hier.)
The Disciple ist außer bei Netflix auch bei mega.nz abrufbar.
Stichworte: Haiti Geschichte hier / Anténor Firmin s.a. hier / Paul Broca 19:15 Kongo Kautschuk Alice Sealey Harris Fotos 25:10 Deutsch SW-Afrika HERERO 26:27 Mengele 28:00 Sport in Brit. Kolonien / Calcutta Mohun Bagan 30:00 Fußball (1911) / La Force Noire (1916) 33:00 Senghor / Kenia Nairobi Harry Thuku
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HEUTE: Afrikanische Kunst im europäischen Museum?
ZITAT
So landete die Schau just in jenem Museum, das von seinen Beständen her am tiefsten in der Klemme sitzt. Denn unweigerlich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage von Kulturgutbesitz und eventueller Rückgabe in die Ursprungsgebiete. Ein im Katalog dokumentiertes Begleitprogramm zur Ausstellung befragte alle beteiligten Künstler nach ihrem Verhältnis zu Afrika und zur Restitutionsproblematik. In der Vielfalt der Antworten spiegelt sich die Komplexität dieses Themas. Er sei gegen die Rückgabe, erklärt unumwunden der plastische Künstler Calixte Dakpogan aus Benin, denn die Werke hätten außer Landes einen größeren Wert. Eher, als museale Kunsträume in ihrem Land zu schaffen, sollte man die dort noch lebendigen Kulturoasen der Dörfer und Regionen vor zerstörerischen Entwicklungsprogrammen schützen, erklärt ihrerseits die Gabunerin Myriam Mihindou.
Quelle Süddeutsche Zeitung 29. Juni 2021 Die Epoche Post-Primitivismus / Eine Pariser Ausstellung will mit den Klischees über das afrikanische Kunsterbe aufräumen / Von Joseph Haniman / abrufbar SZ online hier.
Ein Film aus der sechsteiligen Dokureihe mit Christopher Clark (Autor: Gero von Boehm)
Ein Vorbehalt: der Film, insbesondere der weiter unten eingefügte Ausschnitt, will auch ein Beispiel des „immateriellen Erbes“ geben, das naturgemäß schwieriger darzustellen ist als alles andere. Erst recht in den (vielleicht) vorgegebenen 3 Minuten. Letztlich bleibt die Aussage, Yoga sei Musik, in der Erinnerung haften, von der indischen Musik jedoch gibt der Soundtrack des ganzen Films kaum eine Vorstellung, wohl mit Rücksicht auf das unkundige westliche Publikum, das eher visuell zu beeindrucken ist. Eine gewisse Vorahnung dessen, was auch einer heutigen Auseinandersetzung mit dem „spirituellen Reichtum“ Indiens im Wege steht, erhält man, wenn man den im Beitrag genannten Namen nachgeht: also Vivekananda (Wikipedia hier) oder dem Yogi, der als modernes Exempel befragt wird (Yogiraj Rakey Pandey). Dessen im Internet auffindbare, weiterführende Links wirken auf mich eher befremdend, und diesem Effekt würde ich heute sorgfältiger nachgehen. In der westlichen Welt ist man empfindlich gegenüber bestimmten Marktmechanismen (die man zumindest als solche deuten kann): z.B. von vornherein jeglichen Widerspruch auszuhebeln, indem man einfach ALLES integriert. Das gilt auch für „integrale“ Weltbilder (Aurobindo), ganz besonders solche im Drei-Minuten-Format. Sie sind grundsätzlich zu hinterfragen. (JR)
Der Pressetext des Senders:
Indien beheimatet eine Vielfalt von Völkern, Sprachen und Religionen. Anhand legendärer Bauten, Landschaften und Bräuche geht Clark der Frage nach, was die 1,4 Milliarden Menschen Indiens zusammenhält.
Einblick in die spirituelle Welt der Hindus
In Varanasi, der berühmten Pilgerstadt am Ganges, beginnt diese „Welten-Saga“ mit einem Einblick in die spirituelle Welt der Hindus: Seit rund 2500 Jahren kommen gläubige Hindus her, um im Fluss zu baden; Varanasi ist der Ort, an dem sie einmal sterben und verbrannt werden möchten. Von hier aus reist Christopher Clark weiter zur Insel Elephanta vor der Megacity Mumbai. In den Höhlen von Elephanta wird noch heute Shiva verehrt, sie sind ein spirituelles Zentrum des Hinduismus.
Rund 1000 Kilometer weiter nördlich trifft man auf eine ganz andere Märchenwelt: Rajasthan, das Land der sagenhaft reichen Maharadschas. Das Weltkulturerbe Fort Amber ist ihr perfektes Machtsymbol: monumentale Burg und prunkvoller Palast in einem. In der nahen Hauptstadt Jaipur besucht Christopher Clark den märchenhaften „Palast der Winde„, das goldene Gefängnis für die zahlreichen Damen des Hofes.
Vor 1000 Jahren eroberten islamische Heerführer aus Afghanistan Indien und beherrschten es jahrhundertelang als Moguln. Ihnen verdankt die Nation einzigartige Kulturstätten: Das Grabmal des Großmoguls Humayun in Delhi symbolisiert die Harmonie des Paradieses, und das Taj Mahal in Agra ist gar eines der berühmtesten Bauwerke der Welt. Unweit des Taj Mahal erkundet Christopher Clark einen weiteren weltberühmten indischen Schatz: das Yoga. Ein Experte und Lehrer dieser uralten indischen Errungenschaft erklärt ihm, warum der Mensch ein Reisender ist.
Screenshot
Immaterielles Weltkulturerbe Yoga
Die Geschichte der Menschheit spiegelt sich im Welterbe – Stätten mit universellem Wert. Von den Elephanta Höhlen über die imposanten Festungsburgen Rajasthans bis zum immateriellen Weltkulturerbe Yoga. Fünf Schätze Indiens, die besonders herausragen.
HIERExtrabeitrag von 14 min 1. Elephanta 2. Humayun Mausoleum 3. die Bergfestungen von Rajasthan 4. die Kalka-Shimla Gebirgseisenbahn 5.Yoga ab 11:30 (bis 14:32)
Als sich die Engländer vor 300 Jahren in Indien festsetzten, brachten sie die europäische Kultur mit, später Handel, Industrie, Bahnhöfe und Züge. Der Victoria-Terminus, ein im viktorianisch-gotischen Stil erbauter riesiger Bahnhof in Mumbai, ist ein lebendiges Beispiel für diese Epoche. Clark fährt von hier aus in den Nordosten des Landes, an den Fuß des Himalaya. In der zwischen Kalka und Shimla verkehrenden Schmalspurbahn, die auf einer von den Engländern gebauten Bahnstrecke in die Berge führt, erlebt er spektakuläre Aussichten über Schluchten und Wasserfälle und auf das Vorgebirge des Himalaya.
Wikipedia Biographie HIER Der Satz „He was invited to give concerts at Cologne, Belgium and France“ bezieht sich auf die Cooperation WDR Köln (Jan Reichow), BRT Brüssel (Herman Vuylsteke) und Radio France (Pierre Toureille) im Jahre 1980 („West-Östliche Violine“).
Mohr Design Köln
Konzert im WDR Funkhaus
Am 23. Juli 1982 (s.o.) sahen wir uns wieder, siehe auch Website J.R. HIER.
Es handelt sich um die instrumentale Version einer (gesungenen) Krti, einer klassischen Komposition, die von Tyagaraja (Thyagaraja) stammt. Vorangeschickt wird immer eine improvisierte Einleitung im Raga der Komposition, in diesem Fall Charukesi (Skala C D E F G As B C). Die Komposition beginnt dort, wo die Mrdangam-Trommel einsetzt: im obigen Beispiel bei 3:57. Im folgenden, von M. Balamuralikrishna gesungenen Beispiel bei 6:36. HIER. (Beim direkten Vergleich ist zu beachten, dass die absolute Höhe des Grundtons in den beiden Versionen unterschiedlich ist.) Der Text richtet sich an Gott Rama:
Quelle C.Ramanujachari: The Spiritual Heritage of Tyagaraja / Sri Ramakrishna Math Mylapore / Madras 1966 (S. 381)
Die große Künstlerin und Lehrerin ist am 13. Oktober gestorben
Zu Lebzeiten ist sie früh verstummt. Erst aus dem Nachruf erfährt man, dass sie vielleicht ihrem Ehemann (bis 1981) Ravi Shankar den Vortritt gelassen hat. So jedenfalls schimmert es bei George Ruckert durch, der ein vertrauenswürdiger Gewährsmann ist. Hier die Quelle (The New York Times 24.10.2018).
ISBN 81-215-0872-X (1998)
Darin über Ali Akbar Khan Seite 240 („eventually married“?):
…spent learning from the same guru.
In Ravi Shankars Selbstbiographie „Meine Musik, mein Leben“ (Nymphenburger Verlagshandlung 1969) las ich 1974 von den Anfängen:
Annapurna Devi became a very accomplished surbahar (bass sitar) player of the Maihar gharana (school) within a few years of starting to take music lessons from her father Alauddin Khan. She started guiding many of her father’s disciples, including Nikhil Banerjee and Bahadur Khan, in classical music as well as in the techniques and intricacies of instrumental performances. In 1941, age 14, she married one of her father’s talented students, Ravi Shankar. She converted to Hinduism upon marriage.
In the 1950s, Ravi Shankar and Annapurna Devi performed duets in Delhi and Calcutta, principally at the college of her brother, Ali Akbar Khan. But later, Shankar she decided not to reduce and finally stop performing in public. Her student Vinay Ram says that she was uncomfortable accepting payment for concerts, as it was her belief that it was akin to selling Saraswati (the Godess of learning).
Ich werde sie nie vergessen, obwohl ich sie von allen großen indischen Künstlerinnen oder Künstlern am wenigsten kannte. Was von ihrer Musik erhalten ist, ist von dürftiger technischer Qualität, lässt aber ahnen, was sie für die Welt hätte sein können.
Nachtrag 2.11.2018 (Facebook-Hinweis von Manfred Bartmann. Danke!)
Die Web-Zeitung Scroll.in (Wikipedia hier) zitiert am 14. Oktober 2018 aus einer Biographie der verstorbenen Künstlerin: An unheard melody ANNAPURNA DEVI An authorised biographyby Swapan Kumar Bondyopadhyai.
Über das komplexe Verhältnis zu Ravi Shankar (mit interessanten Bildern) HIER!