Archiv der Kategorie: Politik

Politik in aller Breite

Das Erlebnis eines ZEIT-Artikels

Eine Riesenseite politische Theorie, – wer rafft sich dazu auf, das Zeile um Zeile nachzuvollziehen? Nicht hochkompliziert inhaltlich, aber auch nicht journalistisch auf leicht getrimmt. Der Autor ist Professor für Politische Theorie und Philosophie und verleugnet es keinen Moment in seiner Sprache. Wikipedia-Biographie hier.

Ich versuche den Beitrag auf ein Minimum zu reduzieren, – den Kern der Sache nach meinem ersten, vielleicht allzu eiligen Leseverständnis….

Wie anders kann ich darauf reagieren, als mit einem irritierten Blick auf die tagespolitische Diskussion. Und sobald es auf „glaubwürdige Politik“ geht, wird in allgemeinen Formulierungen angedeutet, was sie tun müsste (ohne dass Ross und Reiter genannt werden), stattdessen  der unerwartete Versuch einer starken Bildersprache:  dass die Aufgabe „im nationalistischen Feuer der Gegenwart herkuleisch zu sein scheint“.

Ja, „gerechtigkeitsorientiert“, das ist jederzeit aus jedem Mund ein gutes Wort, aber was geschieht wirklich in Taten? Was bleibt für uns nach dem Lesen zu tun?

Ratlosigkeit… oder war es nur falsch, die Lektüre abzubrechen? Es fehlt nicht mehr viel…

Zitat (Fortsetzung)

… den politisch-ökonomischen Spielraum für gerechtigkeitsorientierte Politik zu vergrößern. Und sie muss auf nationaler Ebene anfangen damit, den Menschen, die nicht wissen, wie sie mit kleinen Einkommen und steigenden Kosten und Abgaben zurechtkommen sollen, das Leben ernsthaft zu erleichtern.

Progressive Politik muss dabei die fatale, faschistoide Verbindung zwischen kulturellem und ökonomischem Ressentiment abschneiden.

Mein Versuch, den Text aufzubrechen und etwas mehr Praxisnähe zu gewinnen. Muss ich die Parteienprogramme entschlüsseln und nachprüfen, was über den nächsten Wahltermin hinaus gelten kann und wo sich eine wirkliche Perspektive des Fortschritts abzeichnet? Eröffnet dieser Text eine solche Perspektive, – geht es über einen Appell an die Wohlmeinenden (die „Menschen guten Willens“, die Gerechten, die verächtlich so genannten „Gutmenschen“) hinaus? Ich lese und lese.

Ich liebe es nicht, mit einer großen, nachdenklichen Sentenz (nur) entlassen zu werden. Aber vielleicht erwartet mich in absehbarer Zukunft eine unerwartete Wirkung ?

Quelle DIE ZEIT 18. Juli 2024 Seite 6 Die falsche Sicherheit / Abschottung ist keiner Antwort aus die rechtsextreme Gefahr. Es braucht eine neue Politik der Gerechtigkeit, meint der politische Philosoph RAINER FORST

Parlamentarismus bei nur zwei Parteien?

Heute

erhielt ich wieder einmal willkommene Post vom Philosophie-Magazin, das oft die Themen trifft, die einen gerade am meisten bewegen:

Liebe Leserinnen und Leser,

nach dem Attentat auf Donald Trump ist die Sorge vor einer noch weiter zunehmenden Spaltung innerhalb der Bevölkerung in den USA groß. Bereits durch den Sturm aufs Kapitol, den Trump maßgeblich befeuert hatte, lag die Gefahr eines Bürgerkriegs in der Luft. Wird sie sich jetzt, da der Ex-Präsident selbst Opfer eines Anschlags wurde, potenzieren?

Es lohnt sich, vor diesem Hintergrund „Masse und Macht“ von Elias Canetti wiederzulesen. Im Kapitel über „Das Wesen des parlamentarischen Systems“ beleuchtet er, inwiefern der Bürgerkrieg in seiner psychologischen Struktur im Zwei-Parteien-System aufgehoben ist. So liegt für Canetti die Errungenschaft des Politischen gerade darin, dass – trotz harter verbaler Auseinandersetzungen – der Tod durch die Sublimationsleistung der Stimmabgabe überwunden und ausgeschlossen wird. Wird diese heilige Regel angetastet, besteht in der Tat großer Anlass zur Sorge, dass der Krieg zurückkehrt.

Unsere politisch hochnervösen Zeiten machen es schwer, in die Entspannung zu finden. Wie komme ich zur Ruhe? So lautet das Titeldossier der aktuellen Ausgabe des Philosophie Magazins, die jetzt – pünktlich zur Sommerpause – im Handel erhältlich ist. Meine Kollegin Theresa Schouwink stellt wegweisende philosophische Strategien von Seneca, Sextus Empiricus, Michel de Montaigne, Martin Heidegger und Simone Weil vor, die uns helfen, runterzukommen.

Ich werde mir gern zu sommerlicher Entspannung verhelfen, wenn das so einfach geht: zum Bahnhof fahren und in der Buch- bzw. Zeitschriftenhandlung nach der aktuellen Ausgabe fragen!

Mehr noch: vorher muss ich bei Elias Canetti nachgelesen haben, was es mit dem „Wesen des parlamentarischen Systems“ auf sich hat. (Ich bin stolz: meine recht zerlesene Ausgabe stammt aus dem Jahr 1982. Weniger stolz, dass ich kaum von selbst auf die Idee gekommen wäre, diese Seiten dort wieder aufzuschlagen.)

Quelle Elias Canetti: Masse und Macht / Fischer Frankfurt am Main 1982 – neu und schonend gescannt wie folgt:

17.07.24 15.00 Uhr. Ich war also am Bahnhof und in der Buchhandlung Jahn (neues Exemplar Canetti „Masse und Macht“  als Geschenk für Emi), – allerdings, was das Philosophie-Magazin angeht, erwies sich der Kauf als ein Fehlschlag: offenbar war der politische Dreh mit Trump und Weltpolitik im Zwei-Parteien-Parlamentarismus eine Irreführung aus aktuellen Gründen. Es gab plötzlich Wichtigeres als den Sommerurlaub und allgemeine Ruhefindung. Aber das Heft war halt schon fertig. Und es liest sich auch gut, erfüllt aber nicht die geweckten Erwartungen…

Inhaltsverzeichnis Philosophie-Magazin

Selbst Svenja Flaßpöhlers Editorial über das Einschlafen lese ich nun mit Widerspruch. Ihr mehrere 100 Jahre altes Haus in der Bretagne, mit den dicken Mauern und dem kleinen Fenster, das den Blick auf den mittelalterlichen Turm einer Stiftskirche freigibt, wirkt auf mich durchaus klaustrophobisch. Ich möchte meine völlig unphilosophische Einschlafmethode dagegensetzen, die sich auf das Atmen oder Nicht-Atmen stützt, also etwas Inneres, und dabei zwanglos einer methodisch einfachen, wiederholten  Zählpraxis von 1 bis 12 folgt.

(Fortsetzung folgt)

Nochmals: was ist mit dem Zwei-Parteien-System, dessen Schwachstelle doch in den USA offenzuliegen scheint? Die Spaltung der Gesellschaft scheint unheilbar, der Populismus hat leichtes Spiel. Selbst die Gefahr eines Bürgerkriegs ist offensichtlich, wie Canetti mit echten Toten statt mit Zahlen und Mehrheiten zu rechnen, scheint nicht absurd. Ich studiere wie immer zunächst, was Wikipedia über das Zwei-Parteien-System mitzuteilen hat: Hier.

Zudem sollte man sich über das Prinzip der Wahl überhaupt klar werden: Hier.

Auch z.B. über das in den USA geltende (problematische!) Wahlmännerverfahen.

Eine sehr hilfreiche Lektüre bietet der Wikipedia-Artikel über das „Politische Spektrum“, von dem man annehmen kann, dass es von der Überbewertung des Individuums bis zur Überbewertung der Masse als solcher reicht, von ganz rechts bis ganz links.  Natürlich ist es komplizierter.

Zum WIKIPEDIA-Artikel

Ein politisches Spektrum ist ein Ordnungssystem, das politische Ideologien mithilfe von geometrischen Achsen vergleicht. Ursprung und bis heute verbreitetste Anwendung ist die eindimensionale Unterscheidung in links und rechts. Zur genaueren Klassifikation politischer Ideologien werden heute aber auch verschiedene andere eindimensionale oder mehrdimensionale Klassifikationssysteme verwendet… (weiter a.a.O.)

(…)

Ein Hauptkritikpunkt ist die extreme Vereinfachung der politischen Landschaft durch die Projektion verschiedener programmatischer Unterschiede auf eine einzige Achse. Für den Philosophen Johannes Heinrichs ist zudem „[d]as Operieren auf der eindimensionalen Achse von Links und Rechts … heute nicht bloß überholt, auch nicht bloß untauglich, sondern friedensstörend und fortschrittsfeindlich.“  (weiter a.a.O.)

Was heißt: politisch denken?

Heißt das etwa, bestimmten Parolen folgen, die uns ein Gefühl von Stärke vermitteln, und zwar mit Hilfe von Mehrheiten, an denen wir teilhaben? Oder etwa die ANDEREN?

Wohl nicht. Es beginnt vielleicht einfach mit intensivierter Zeitungslektüre. Nachdenken. Mitdenken. Ich lese also, wie ein anderer etwas gelesen hat. Hier z.B. zündete es kürzlich gerade bei mir (ein neues Buch ist womöglich fällig, – der Titel wird gleich zu Anfang genannt):

bitte vergrößern durch Anklicken!

Ah, ich hätte auf Anhieb nicht einmal sagen können, was genau eine Liberale Demokratie ausmacht. Also bitte: lies nach. Es ist nur ein kurzer Wikipedia-Artikel! Ja, Gewaltenteilung, das hätte ich auch genannt, diese Balance hat mich schon immer fasziniert. Und da sind auch noch andere Nachschlag-Stichworte… freie Wahlen, Gewaltentrennung, Rechtsstaatlichkeit, Menschen- und Bürgerrechte … Oder soll ich erstmal den Zeitungsartikel weiterlesen?

Da wird des weiteren erläutert, dass dieses Narrativ nunmehr „dekonstruiert“ sei, es sei nämlich eine parteiische Erzählung. Es werde dabei so getan, „als sei die liberale Demokratie die Demokratie schlechthin, alles andere bloß eine elektorale Demokratie, der es zur vollen demokratischen Dignität an der rechtlichen Einhegung des Mehrheitswillens fehle.“  Dann heißt es:

Liberal sind Demokratien nur dann, wenn starke Verfassungsgerichte Gesetze verwerfen können, die von parlamentarischen Mehrheiten verabschiedet worden sind.

Liberale Demokratien in diesem Sinne seien historisch jung. Erst seit 1990 sei die Anzahl der Staaten mit starken Verfassungsgerichten sprunghaft in die Höhe geschossen, weil sich vor allem die osteuropäischen Länder am deutschen Modell orientierten. „Doch selbstverständlich gibt es historisch ehrwürdige Demokratien, die den Akzent ganz anders setzen – man denke an das Vereinigte Königreich.“ Sie hier. (https://de.wikipedia.org/wiki/Politisches_System_des_Vereinigten_K%C3%B6nigreichs)

Man könnte einschnappen bei dem Satz: „Je mehr Quatsch das Volk wählt…“, ebenso, wenn nachher vom „rohen Mehrheitswillen“ die Rede ist. Dabei spricht man privat ständig so über grundsätzliche Bedenken, wenn populistische Sentenzen Wirkung zeigen.

(Fortsetzung folgt)

ABBRUCH mit Quellenangabe

Quelle DIE ZEIT 20. Juni 2024 In welcher Welt werde ich leben? In diesem Buch spielen Kinder eigentlich gar keine Rolle, trotzdem geht es darin um sie: Der Politikwissenschaftler Philip Manow denkt über die Zukunft der Demokratie und ihre selbst gesteckten Grenzen nach / von Ijoma Mangold

(Fortsetzung bald)

Zum Widerspruch – dieses Gespräch mit Bazon Brock

Hatte ich es nicht selbst thematisiert im Jahre 2010 ? hier
Folkwang Universität der Künste in Essen
Symposium „Kulturelles Handeln im transkulturellen Raum“
18. Nov. 11.30 Uhr
„Transkulturelle Verständigung und die Lust, sich musikalisch abzugrenzen“ (Reichow)

Man kann es üben an der gegenwärtigen Aufregung über das Zeichen der „grauen Wölfe“ bei der Fußball-EM, das man tolerieren oder ahnden kann. Gehört es zu der anderen Kultur (oder zu ihren Schattenseiten)?

Auch die Vergangenheit der Moderatorin (im Bazon Brock Video) ist nicht o.k., – spielt das hier eine Rollle? Sie arbeitete von 2014 bis 2021 für den russischen Propaganda-Sender RT DE. Dort moderierte sie von November 2014 bis zur Einstellung im Juli 2020 die Sendung Der Fehlende Part. Danach leitete sie die Social-Media-Abteilung von RT DE. (Siehe Wikipedia hier).

Seine Pauschalisierung ist nicht hinnehmbar. (Forts.folgt)

Keine Kontroverse – Lanz & Precht

Einfach nur ZUHÖREN ?

Natürlich erwartet man an dieser Stelle, dass die Fetzen fliegen. Aber kann man denn nicht wirklich einfach nur zuhören, wenn lediglich zwei das Wort haben und die öffentliche Meinung sich an anderen Wortwechseln entzündet hat, die so nicht angelegt waren: die Diskussion ist natürlich offen, muss jedoch nicht besonders rabiat sein, nur weil die beiden Kontrahenten auf dem erleuchteten Podium sitzen und wir im Halbdunkel davor. Kurz: ich könnte in meinem Wohnzimmer soviel schimpfen, wie wie ich will, aber nicht einmal dort andere Zuhörer*innen behindern, irritieren oder in ihrer Meinungsbildung beeinflussen. Hinterher kann ich versuchen, eine eigene, faire Diskussion zu führen (?) oder zuzulassen, aber nicht auf der Grundlage von Stimmungen, wie z.B. – das sind mir zuviel Worte, der Lanz labert sowieso endlos und unterbricht notorisch, er will nur mit seinem naseweisen Bescheidwissen prunken. Tut er es auch hier (wenn er keinen Politiker vor sich hat) oder geschieht es etwa nur zugunsten spontaner Einfälle, die keinen Aufschub dulden und nun einmal zu einem lebendigen Gespräch gehören? Im letzten Podcast, der zur Diskussion steht, habe ich jedenfalls offensichtlich etwas gelernt, wollte jedoch auch noch einigen Namen und Begriffen nachgehen, die mir neu waren oder mich gereizt haben, das Handy als Lexikon hinzuzuziehen, was die Konzentration auf den Gesprächsverlauf mindert. Weder Lanz noch Precht hegt die Absicht, die Zuhörenden absichtlich zu verwirren, das darf man ihnen zugestehen. Und wir: sind halt gutwillig und tolerant, – das ist keine Schande. (Wenn Sie die Sendung schon gut genug kennen, – vermeiden Sie doch einfach diesen Zeitverlust im Blog. Ich will damit nicht glänzen, sondern einfach meine Zeit nutzen.)

Mich interessiert vor allem das Thema „westliche Werte“ – kann man diese Werte wirklich so dem Westen zuordnen? Sind es nicht menschliche Werte schlechthin? Wir neigen – in vorauseilender Selbstkritik – instinktiv dazu, die Werte – ähnlich wie Geschmacksunterschiede -als relativ zu betrachten, – andere Kulturen, andere Werte. Oder aber nein, das ist falsch verstandene Toleranz: zum Beispiel weibliche Genitalverstümmlung darf in keiner Kultur der Welt etwa „aus einer ehrwürdigen Tradition“ heraus als gültiger Brauch, als Wert gelten. Dennoch muss ich diese Auffassung begründen können, ohne als logikversessener „weißer alter Mann“ diffamiert zu werden…

Stichworte:

21:20 Timothy Garton Ash siehe Wikipedia hier

s.a. hier Vortrag: Timothy Garton Ash, ist Europa noch Vorreiter der Freiheit? | EuropaCamp 2021 ( bis 15:33, dann Diskussion)

42:43 Westliche Werte gemeint als MENSCHENRECHTE (gelten nach Kant immer und universell)

49:38 https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Moskau-Connection hier

51:38 … alles Gedanken aus der Aufklärung Montesquieu etc. , „Gewaltenteilung“ Wiki hier Kant 52:04

(Fortsetzung folgt)

Die Verlockung des Autoritären

Die Zeit wird knapp, aber Demokratie dauert

Aus einem bedenkenswerten Artikel in der ZEIT vom 23. April 2024

Quelle DIE ZEIT 25.April 2024 Seite 46 Maximilian Probst: Die autoritäre Versuchung Weltweit verliert die Demokratie an Attraktivität. Kann es sein, dass sie einfach besser werden muss: entschlossener, schneller, effizienter?

Den letzten Zeilen des Artikels darf man einstweilen „privat“ nachgehen: allzu leichtfertig wittert man heute den Überwachungs-Staat überall und jammert besonders dort, wo man dem quer (oder queer) denkenden Individuum unbegrenzten Freiraum zugestehen will. Es lebt allerdings – bewusst oder unbewusst – immer innerhalb einer menschlichen Gemeinschaft, die dem Einzelnen auch Grenzen setzt.

Was ist überhaupt Individualität? siehe wieder zuerst bei Wikipedia: hier

Das Thema Demokratie ist „in“, aus gutem Grund. Noch einmal DIE ZEIT, aus dem Leitartikel von Peter Dausend, heute 8.5.24 :

„Emotionale Leere“!

Ergänzend „Lanz“ , gestrige Sendung heranziehen, u.a. mit Carlo Masala. Also vom 7.5.24 hier

Ab 12:00 Herfried Münkler: bestimmte öffentliche Äußerungen haben die Landschaft verändert. Zusammenhang: das Denkbare, das Sagbare und das Machbare…. Gaulands „Jetzt werden wir sie jagen!“ = Veränderung der politischen Sprache. Hat nichts zu tun mit dem Beratschlagen zwischen Regierung und Opposition im Bemühen um eine Lösung. Grund-Übereinkunft: Verzicht auf Gewalt in der politischen Auseinandersetzung, Demokratie = Austausch von Argumenten. Schlussphase der Weimarer Republik: Gewalt der Straße (geschickt von oben gelenkt: Goebbels), Wahlkämpfe um die Mehrheit im Parlament, während die Fähigkeit sich zur Wahl zu stellen immer mehr eingeschränkt wurde durch körperliche Bedrohung. Da sind wir am Wendepunkt. Keine Einzelfälle, dahinter stecken Entwicklungsrichtungen, die die Demokratie grundsätzlich in Frage stellen. 15:18 Carlo Masala: Ich werde bedroht, regelmäßig. (z.B…. um ihm zu zeigen, was die Ostdeutschen über Kriegstreiber denken.) Verrohung der politischen Sprache. Es betrifft vor allem die Rhetorik. Die Delegitimierung, Dehumanisierung von Menschen.

Der AfD-Mann macht sich dieses Gefahrenbewusstsein sogleich zueigen, und endet mit dem ironisch gemeinten Slogan“Man finde den Fehler!“ (Trump-Sprech siehe SZ-Beitrag u.a. über den Dialog bzw. Wahlkampf-Duell mit Hillary Clinton Wie man sich gegen Donald Trump behauptet von Peter Modler 6.3.24 im Link unter „Presse“ der SZ-Link).

Bei 52:49 stellt Lanz dem AfD-Mann Lucassen die Frage „Kennen Sie Matthias Moosdorf?“ Der ist im April von einer Moskaureise zurückgekommen, einer der wenigen, die überhaupt noch ganz entspannt nach Moskau reisen können, also keiner von uns hier könnte das. Aber Herr Moosdorf kann das, hat ganz offene Gesprächskanäle. Wie finden Sie das? – Lucassen: Ich war selbst überrascht, das in der letzen Fraktionssitzung zu erfahren…

Um wen es sich handelt, muss ich unter Musikern nicht lange erklären: siehe hier.

Zum Dialogverhalten in Talkshows sagte Wolfgang Thierse etwas sehr Richtiges:

„Wehe, wenn ein Politiker mal fünf zusammenhängende Sätze sagt“

In solchen Polittalkshows werde das Gegeneinander forciert, kritisierte Thierse. „Herr Lanz ist ein Prototyp dafür“, fügte er hinzu. „Wehe, wenn ein Politiker mal fünf zusammenhängende Sätze sagt. Da muss er dazwischenkommen und ihn so lange piesacken, bis er dann den falschen Halbsatz gesagt hat, den er dann als Mühlstein um den Hals gehängt bekommt.“

Quelle (zitiert nach): t-online-Nachrichten 11.05,24

Han: Was ist Macht?

Durchbruch in der Strahlentherapie

Der pathetische Untertitel macht nur für mich Sinn: denn dort habe ich heute in der Klinik gesessen. Schier unendliche Wartezeit, die ich durch dieses Büchlein strukturieren wollte, das ich hauptsächlich wegen seiner Handlichkeit gegriffen und in der Jackentasche mitgeführt hatte. Reclam! Vielleicht der dritte Versuch seit 7. Nov. 2014: immer wieder hatte ich die Lektüre wegen Überforderung oder Langeweile aufgegeben. Zu früh, wie ich heute weiß!

Han: Was ist Macht? Reclam Stuttgart 2005

Beim letzten Mal hatte ich etwa bei Seite 30 (ich sehe es an meinen Unterstreichungen) aufgegeben, nachdem Luhmanns Theorie den Gedankengang bestimmt hatte. Hatte ich etwa nicht realisiert, welche Rolle darin Kafka spielt? Heute

verschmolz er mit der Situation: nach der Einnahme eines halben Liters von dem Kontrastgetränk, das mich für Durch-Sichtigkeit in der Röhre des Computer-Tomographen präparieren sollte, saß ich mit 6-7 Personen im engen Wartezimmer, der Rücken (Vorstufe Hexenschuss) tat weh, während ich versuchte, in die Buchstabenwelt, die sich in meiner Hand befand, einzutauchen. Es gelang, sobald der Philosoph sich mit Elias Canetti beschäftigte, dessen Buch „Masse und Macht“ mich jahrelang begleitet hatte (seit 1983). Interessantes Beispiel von der Macht der Katze über die Maus.

Canetti verfügt offensichtlich nur über einen sehr beschränkten Machtbegriff. Er setzt die Macht weitgehend mit Zwang, Unterdrückung und Unterwerfung gleich. So geht die Machtbeziehung über die Beziehung zwischen Katze und Maus nicht hinaus. (…)

Die Macht ist „geräumiger“ als die Gewalt. Und die Gewalt wird zur Macht, wenn sie „sich mehr Zeit lässt“. Die Macht beruht, so gesehen, auf einem Mehr von Raum und Zeit. Beim Katz-und Maus-Spiel hat aber der Raum nur die Enge eines Vorraumes zum Tod. (…)

Todesversessen vergißt Canetti offenbar, daß die Macht nicht einfach nur tötet, sondern vor allem leben läßt.

Han Seite 35 f

Dann zu Nietzsches Auffassung des „Willens zur Macht“, völlig anders als ich bisher gedacht habe, viel komplexer, ich kann nicht glauben, dass es im Nietzsche-Buch von Jaspers (s.u.) auch nur andeutungsweise ähnlich dargestellt war. Dann Foucault.

Dann wieder zuhaus, instinktiver Griff nach einem vergessenen Heft, in dem sich auf Anhieb ein Essay auftut, den ich als Pendant zu Byung-Chul Han’s Nietzsche-Sicht betr. Wille zur Macht herausfordern oder überprüfen kann. (Ich bin voreingenommen, da es in Wikipedia hieß, Heinrich Meier habe zeitlebens eine rechte Position verfochten.)

in mehr davon hier

Wie Han zur Semantik der Macht bei Nietzsche kommt, sieht man im folgenden Text:

Im Gegensatz zur nackten Gewalt kann sich die Macht mit Sinn verbinden. Vermittels ihres semantischen Potentials schreibt sie sich einem Verstehenshorizont ein. Was bedeutet aber Sinn?

selbst thematisch sein. Die Macht wird sich also einem Sinnhorizont einschreiben oder gar einen Sinnhorizont bilden müssen, um den Verstehens- und Handlungsprozeß effektiv steuern zu können. Sie gewinnt nur dann an Stabilität, wenn sie im Lichte des Sinns oder des Sinnvollen erscheint. Darin unterscheidet sie sich von der Gewalt, die deshalb nackt wirkt, weil sie jeden Sinnes entkleidet ist´. Eine nackte Macht gibt es dagegen nicht.

Nietzsche hat gewiß als erster den komplexen Zusammenhang zwischen  Macht und Sinnerzeugung eindringlich formuliert.

Byung-Chul Hang: Was ist Macht a.a.O. Seite 37 f

Man muss dies an Ort und Stelle nachlesen. Ich habe mir die folgenden Seiten geradezu aufdringlich markiert. Zum Auswendig-Lernen gewissermaßen. Danach folgt auf Seite 40 Han’s Statement:

Der Sinn ist Nietzsche zufolge kein zu nichts gedrängtes Es-ist-so, kein So-sein-der-Welt und der Dinge, das in einer interesselosen Anschauung nur zu entdecken wäre. Beruhte der Sinn auf dem So-sein und nicht auf dem Besitz oder der Herrschaft, so wäre der Namensgeber kein Machthaber, sondern ein Sehender oder Hörender. Nietzsches Monismus der Macht nimmt den Dingen jedes So-sein. Der fehlende Wille zur Macht führte zu einer Sinnleere. (…)

Macht stiftet Bedeutsamkeit.

Mein Fehler lag darin, Nietzsches Formel vorschnell als kryptisch-politische Diagnose im Sinne Macchiavellis zu verstehen, statt ihr „Verständnis“ ständig zu revidieren. Kindisch, – das kommt, wenn man Nietzsche in früher Jugend zu lesen beginnt und es nicht schafft, beizeiten zu Schopenhauer und weiter zu Kant zurückzugehen, um sich methodische Zusammenhänge zu erschließen. Damals gab es noch keinen Byung-Chul Han…

Für wenig Geld erstanden in der „Brockensammlung“ zu Bethel. Der Lehrer Gutberlet, bei dem wir Religion hatten, kommentierte: „Gut, Reichow, mit Schopenhauer kann man anfangen.“ Ich war beleidigt, denn seine Religionsthemen waren durchaus nicht mein eigentliches Ziel.

Im Nietzsche-Buch von  Jaspers hätte ich schon frühzeitig (1965) auf den „richtigen“ Weg kommen können. Letztlich war ich aber noch nicht reif dafür, ich musste mich – wie hier – erst von einer anderen Seite nähern. Siehe dort ab Seite 272 („Die Auslegung der Welt als Erscheinung des Willens zur Macht“). Kopieren!

(Satz vom Grund: Wikipedia hier) incl. Schopenhauers Interpretation

(Satz vom Widerspruch: Wikipedia hier)

  

   

Quelle Karl Jaspers: Nietzsche / Einführung in das Verständnis seiner Philosophierens / Verlag Walter de Gruyters & Co. Berlin und Leipzig 1936

Nachlese zum „Universalismus“

Bezogen auf den Versuch hier (und vielleicht hier)

Dank einer Anregung durch Daniel Martin Feige auf Facebook komme ich auf diesen lesenwerten Essay:

Der Universalismus der Aufklärung trotz postkolonialer Abgesänge von Arnd Pollmann

(…) Auf Seiten vieler politisch „links“ stehender Menschen herrscht seit den schockierenden Massakern vom 7. Oktober nicht bloß unschlüssiges oder betretenes Schweigen. Spätestens seit der letzten Documenta drängt sich der ungute und in diesen Tage dann auch heftig diskutierte Verdacht auf, nicht wenige Befürworter:innen postkolonialer Herrschaftskritik könnten ein allzu sympathetisches Verhältnis zu israelkritischen oder sogar direkt antisemitischen Organisationen hegen. Und bisweilen ist gar so etwas wie ein postkoloniales Liebäugeln mit dem palästinensischen Terror zu vernehmen. Zugleich richtet sich Sarasins Kritik ( siehe hier JR) gegen einen israelisch-deutschen Kantianer, der selbst nicht recht in die üblichen Schubladen passt. Als „Universalist“ ist Boehm (siehe hier JR) nicht nur ein erklärter Gegner postkolonialer Relativierungen. Eben dieser Universalismus führt ihn auch zu einer vehementen Kritik der israelischen Besatzung; was ihn in der Öffentlichkeit beinahe allseitig zur Zielscheibe macht.

Die Würde aller Menschen

In Boehms zuvor erschienen Buch Israel – eine Utopie (2020) hat dieser sich sowohl gegen die sogenannte Zwei-Staaten-Lösung als auch gegen die Idee eines jüdischen Einheitsstaates gewendet und stattdessen für die Utopie einer „Republik Haifa“ argumentiert; für eine föderale, binationale Demokratie, die insofern auf der Idee „universeller Menschenwürde“ fußen würde, als dort die prinzipielle Gleichberechtigung aller Menschen – in diesem Fall: Juden wir (wie) Araber – garantiert wäre. Ein solcher Staat käme laut Boehm allerdings erst dann in Sicht, wenn die jüdische Besatzung als Besatzung ein Ende hätte: „Wo der Begriff des Rechts von der Würde und Gleichheit aller Menschen abgeschnitten wurde, ist sein Anspruch auf Autorität von innen heraus zersetzt“.

(weiterlesen hier)

Exkurse zu den Universalien: s.a. hier und z.B. in der Ethnologie bei Kohl und Antweiler

Quelle: Christoph Antweiler: Mensch und Weltkultur / Für einen realistischen Kosmopolitismus im Zeitalter der Globalisierung / [transkript] Bielefeld 2011

Nachschrift nach dem 17. November

Jetzt bezogen auf den Artikel von Omri Boehm in der Süddeutschen Zeitung, Thema: ein wirklich universalistischer Humanismus, allerdings mit Gedankengängen, die Widerspruch herausfordern können. Sollen wir wirklich einem bedeutsamen Antagonismus der „Weimarer Zeit“ nachgehen, der sich in Gestalt einer jüdischen Bibelübersetzung und dem Nachwirken Nietzsches mit dem Lobpreis des griechischen Polytheismus manifestiere? Ich denke, weder das eine noch das andere war zu jener Zeit von Bedeutung, – so wenig wie heute die sehr menschliche des von Omri Boehm herausgehobenen Navid Kermani, der eine israelische Freundin zitiert. Einzelne Thesen in einem gewaltigen Stimmengewirr…

 

Mich überrascht das Narrativ, die Propheten könnten eine beschwichtigende Rolle innerhalb des Monotheismus spielen, für dessen Beurteilung in unserer Zeit wohl eher Jan Assmann paradigmatisch geworden ist. Für die Sicht der Propheten aber würde ich weniger deren Stellungnahme für die „Bewährten“ in Sodom und Gomorra sehen, als den Ablauf des Isaak-Opfers mit der Willkürentscheidung zugunsten des unschuldigen Opfers. Wo bleibt die Gerechtigkeit als universales Prinzip?

(Fortsetzung folgt)

Neue Ratlosigkeit

Wöchentliche Orientierung, ein Irrweg?

Begleitet von der imaginierten Kritik derer, die sich auf schnelle Intuitionen verlassen, lese ich an jedem Donnerstagmorgen die ZEIT, von vorne natürlich – also zuerst die Titelseite, dann die Rückseite dieses Teils, die Inhaltsangabe Seite 14, gehe von dort meist zuerst ins Feuilleton, dann in Wissen. Ich will heute protokollieren, was für mich lebenswichtig (?) war, – weshalb ich die möglichen antibürgerlichen Kritiker ignoriere, ohne sie zwischen den Zeilen zu übersehen. Sie schauen durchs Gitterwerk. (Könnte etwa eine Täuschungsmaschinerie am Werk sein?) Ich notiere allerdings die Zeilen, die ich markiert habe. Nicht meine Gedanken, die ich vielleicht bei Gesprächen ins Offene schicke. Manche stammen von Adorno (nach seiner Rückkehr in den 50er Jahren). Aber am späten Vormittag will ich im Garten tätig gewesen sein, zumal ich Jan Schweitzer gelesen habe, Seite 41 mit „Dreieinhalb Minuten Schwitzen“.

Die Terroristen hatten es auf Juden abgesehen, aber auch auf das, wofür Juden in ihren Augen stehen: die westliche, liberale Welt, in der es möglich ist, dass junge Menschen auf einem Trance-Festival unter dem Motto »Freunde, Liebe und unendliche Freiheit« halb nackt in der Wüste tanzen. Es ging nicht nur um den Freiheitskampf der Palästinenser. Die Hamas will einen Staat nach islamischen Regeln errichten. Ihre Mitglieder würden die säkularen arabischstämmigen Jugendlichen auf der Berliner Sonnenallee verachten, die vor wenigen Tagen gemeinsam mit der antiimperialistischen Szene »Free, free Palestine« riefen.

QUELLE Sascha Chaimowicz: Dieses Schweigen / Seite 1

Dieser Sieg der Opposition ist weit über Polen hinaus bedeutsam. Das Bündnis unter Führung des ehemaligen Premiers und EU-Ratspräsidenten Donald Tusk hat bewiesen, dass der Vormarsch des Rechtspopulismus kein unabwendbares Schicksal ist – nicht einmal unter extrem schwierigen und unfairen Bedingungen.

QUELLE Jörg Lau: Willkommen zurück / Seite 1

Zu Isoldes Liebestod, am Ende der Oper, standen sie an der Rampe, und hinter ihnen ging ein goldenes Quadrat auf, leuchtete heller und heller – wie das Tor zu einer anderen Welt. Diese Idee des Bühnenbildners Erich Wonder hat mich zusammen mit Wagners Musik schwer ergriffen. (Lemke-Matwey)

… und es musste etwas passieren zwischen diesen beiden Menschen, die von ihrer Leidenschaft noch gar nichts wissen. Auf so engem Raum! Und es passierte! Mit aller Entschiedenheit. Die Wonder-Räume duldeten keine Verlegenheit, keine Schleichgänge. Nein! Jede Aktion musste groß sein, jede Aktion musste etwas bedeuten! (Waltraud Meier)

QUELLE »Der Mensch hat so viel zu sagen!« Doch jetzt ist Schluss, die Sängerin Waltraud Meier gibt ihren Abschied. Ein Gespräch über das Leben im Rampenlicht / Seite 54

Viele wollen nicht verstehen, dass wir den Mord an 1400 Israelis nicht dulden können. Ich frage die Deutschen: Würden sie so etwas hinnehmen? Gemessen an der Bevölkerungszahl wären das 10.000 ermordete und 1000 entführte Deutsche. Mich stört die Doppelmoral: Unsere Kritiker setzen Israel und Palästina gleich, fragen nicht, wer den Krieg begonnen hat. Wir kämpfen aber nicht gegen Palästinenser, sondern gegen die Hamas und den Islamischen Dschihad. Wir kämpfen nicht gegen die Iraner, sondern gegen das Mullah-Regime. Nicht gegen den Libanon, sondern gegen die Hisbollah. Am meisten ärgert mich die Forderung nach »verhältnismäßiger« Gegenwehr. (Wieso?) Was wäre denn verhältnismäßig? Sollen wir es machen wie die Hamas? Sollen wir ein Musikfestival im Gazastreifen stürmen, Frauen vergewaltigen und Kinder enthaupten? Vielleicht am Ramadan? Ohne Vorwarnung?

QUELLE »Sie lachen, während sie uns töten« Arye Sharuz Shalicar ist Sprecher der israelischen Armee. Hier berichtet er über die Gräueltaten der Hamas, warum ihm die Bilder nicht aus dem Kopf gehen – und wie es ist, sich für die militärische Gegenwehr rechtfertigen zu müssen / Seite 62

Analyse eine neuen Welt in Aufruhr, mit Hilfe der alten Theoretiker

(Thukydides, Machiavelli, Clausewitz, Herfried Münkler)

Auf die Frage – nachdem es Hoffnung gab, den nahöstlichen Raum weiter zu befrieden – woher dieses Interesse kommt an CHAOS und UNORDNUNG…

Einige haben die Annäherung zwischen Israel, Saudi-Arabien sowie den Golfstaaten in Gestalt der sogenannten Abraham-Abkommen als Befriedung des Raumes angesehen und dabei den Iran und die Palästinenser außer Acht gelassen. Die aber wären die Verlierer der Befriedung des Raumes gewesen; also haben sie nach Möglichkeiten gesucht, diese Entwicklung zu stören, zu zerstören und dabei sind sie wohl erfolgreich gewesen. Dass auch der russische Präsident Putin ein Interesse an der Eröffnung eines zweiten »Kriegsschauplatzes« hat, weil der den Westen zusätzlich in Anspruch nimmt, spielt sicherlich auch eine Rolle. Politische Akteure, die mit den bestehenden Verhältnissen unzufrieden sind, profitieren von Chaos und Unordnung – also befeuern sie diese.

Zur Prognose, dass es künftig fünf Machtzentren geben werde…

Die Kandidaten auf der demokratischen Bank werden die USA und die EU sein, auf der autoritären Bank Russland und China – und Indien als »Zünglein an der Waage«. Warum fünf? Sie müssen Ordnungsaufgaben übernehmen, die für sie nicht bequem sind und Anstrengung bedeuten – etwa dafür zu sorgen, dass eine Organisation wie Hamas nicht ganze Regionen in Brand setzen kann. Dafür bekommen sie etwas zurück: Einfluss. Die fünf wollen unter sich bleiben und keine anderen dabei haben, mit denen sie Macht teilen müssen. Historisch haben solche Fünferkonstellationen eine gewisse Stabilität, in der Regel zwei gegen zwei, und einer ist das Zünglein an der Waage. (…)

Die Kategorien, mit denen Sie die Lage bedenken, sind die ganz alten: Macht, Polarität, Einflusszone (…).

Vermutlich besitzen Kategorien, die sich über Jahrhunderte bewährt haben, eine höhere Erklärungskraft, auch angesichts einer sich schnell wandelnden Welt, als Theorien, die in gerade stattfindende Entwicklungen hineingeschrieben werden, von denen man aber annehmen kann, dass sie nur intellektuelle Widerspiegelungen einer augenblicklichen Lage sind. Es kommt nicht von ungefähr, dass ich mit Thukydides oder Machiavelli Theoretiker nehme, die als Politiker gescheitert sind und die unter dem Gesichtspunkt ihres Scheiterns schrieben. Sie treten nicht mit dem Gestus der Selbstverliebtheit in ihre eigenen Ideen auf, wie so mancher, der zuletzt hoch im Kurs stand und angesichts der jüngsten Entwicklungen – Russland, Türkei, Hamas – jetzt vor einem Scherbenhaufen steht. (…)

Man hat den Raum vom Westbalkan bis zum Kaspischen Meer, von der ukrainischen Nordgrenze bis über die türkische Südgrenze hinaus bis nach Israel nicht als einen postimperialen Raum betrachtet, sondern gedacht, man könne ihn gut in Ordnung halten. Aber postimperiale Räume bringen revisionistische Akteure hervor. (…)

Ich schätze die Klassiker einer Theorie, die stark mit geschichtlichen Erfahrungen argumentiert – bei Thukydides, vor allen Dingen bei Machiavelli, aber auch bei Clausewitz, der sich mit den Hoffnungen der Aufklärung über das Verschwinden der Kriege auseinandersetzt. Bei diesen Autoren spüre ich eine Weigerung, sich täuschen zu lassen durch Wunschdenken. Denn indem man sich der Geschichte vergewissert, tritt sie als tatsächliches Geschehen an die Stelle des Gewünschten. Ich sage nicht, alles wiederhole sich eins zu eins, aber Grundkonstellationen sind bereits in der Vergangenheit immer wieder aufgetreten und werden das wohl auch in Zukunft tun. Ansonsten müsste man plausibel nachweisen, warum sich das, was sich in zweieinhalbtausend Jahren wiederholt hat, nicht mehr wiederholen wird. Für diese Erwartung gibt es keinen Grund. Mit Schopenhauer kann man sie als »ruchlosen Optimismus« bezeichnen.

Quelle: alle wörtlichen Zitate stammen aus einem Gespräch mit dem Historiker Herfried Münkler, DIE ZEIT 12. Oktober 2023 Seite 58 »Der Worst Case war nicht vorgesehen« / Gespräch Thomas E. Schmidt mit dem Politologen H.M. über Israel, Russland und das Chaos in der Welt. Wie es zwischen den großen Mächtigen ohne Kriege weitergehen könnte, beschreibt er in seinem Buch »Welt in Aufruhr«.

Eine philosophische Antwort auf die Situation in Palästina / Israel:

HIER

Für die Philosophin Susan Neiman steht fest, dass das Festhalten an der Würde aller Menschen die einzig richtige Antwort auf die Situation in Israel ist. Das bedeute, das Leid aller ernst zu nehmen. Zugleich dürfe erfahrenes Leid nicht zur Richtschnur eines politischen Handelns werden, das von Rachewünschen getrieben ist.

Was heute wichtig wäre (nebenbei-Notizen)

Alles zusammendenken wollen (oder müssen)

nach der ZEIT-Lektüre Frankreich (die Banlieues) und (Ost-)Deutschland (die AfD) plus Ungarn

Thema Ressentiment (plus Resilienz)

dazu Lanz heute Nacht: HIER

Umweltpolitik (EU von der Leyen gegen Manfred Weber) =“Recht auf Gülle“ (Petra Pinzler)

Titelseite: „All die Besserwisser“ (zu Frankreich) / „Recht auf Gülle“ (Bauernland oder wilde Natur)

„Auseinander!“ (Anna Mayr) „…verdammt kompliziert, gute Lebensbedingungen für alle zu schaffen“ – „Ob ein Rentner in Deutschland seine Wärmepumpe nicht aus der Portokasse bezahlen kann oder ob eine Familie in der Sahelzone nicht verdurstet – alles ist erstmal eine soziale Frage! Ein Problem der sogenannten anderen.“

„Bald auch bei uns?“ (Matthias Krupa) bzg. Frankreich / bei uns „liegt kein historischer Konflikt zugrunde, keine Erinnerung an koloniales Unrecht“.

„Einer gegen alles“ (Samiha Shafy) Ungarn sabotiert die Europäische Union, stärkt Putin

»Wenn der Polizist die Waffe hält, ist es unser kollektives Unbewusstes, das den Finger am Abzug hat« (Mahir Guven)

„Kann dieser Mann helfen?“ Moritz von Uslar (über Carsten Schneider, Ostbeauftragter)

dazu Lanz-Sendung 5.7.23 die Stimmung im Osten

„Nicht immer nur im Kreis laufen!“ (Katharina Teutsch über Cynthia Fleury und Ressentiment)

Nicht relevant: Musik „die schönste Stimme der Gegenwart“ (Jens Balzer) Anohni „My Back was a Bridge for You to Crow“ oder dies (muss man das kennen?):

…am Leben zu sein in einer Welt, die zum Sterben verurteilt ist…  (auf jeden Fall mit soft music)

Ende 10:56 Uhr