Es muss nicht sein, – wenn es nur gut gemacht ist.
Prisma
Hat Bach so ausgesehen? Das Bild, das ihm am nächsten zu sein vorgibt (Hörzu, unten rechts, „mit seinen Söhnen“) ist es am wenigsten. Gemalt von Balthasar Denner, kritisch behandelt schon ausführlich an berufener Stelle: Hier / Zu Denner weiteres in Wikipedia hier – das was an dieser Stelle von zeitgenössischer Kritik zu lesen ist,
(„Die Porträts Balthasar Denners werden in der Kunsttheorie seit dem späten 18. Jahrhundert zum Negativbeispiel einer bloß penibel abbildenden Malerei, die deshalb ungeistig und unkünstlerisch sei.“)
könnte für unser Begehren nach einem echten Abbild positiv motivierend sei, wenn es mit den einzig beglaubigten 2 Gemälden von Haußmann auch nur die geringste Ähnlichkeit aufwiese.
⇐HörZu, Bild rechts, der ganz links Sitzende, mit dem Cello (????)
Hat Bach so ausgesehen? Nein, aber so könnte er gewesen sein.
Dass Devid Striesows Bach-Gesicht dem auf Haußmanns Bildern ebenfalls nicht gleicht, hat nichts zu sagen, sofern er als Bach-Darsteller glaubwürdig wird.
Es geht darum, ob eine Phase der Bachschen Lebensgeschichte wahrheitsgetreu und glaubwürdig „in Szene gesetzt“ ist. Ob Wissenswertes auf lebendige Weise übermittelt wird, so dass man eine suggestive Vorstellung von der Wirklichkeit seiner Lebensumstände erhält, von den hilfreichen oder auch widrigen Bedingungen, unter denen sich seine Kunst entwickeln und in die Öffentlichkeit treten konnte. Es sollte vorstellbar werden, wie seine Musik wirkte, als sie neu war, eben erst geschaffen oder zum ersten Mal hörbar wurde, – ohne den ganzen Ballast der nachfolgenden Geschichte und Mythologie, die aus Bach einen Heiligen, den „fünften Evangelisten“, machte. Ist das möglich? Natürlich nur, wenn die vorhandene breite Kenntnis der Musikgeschichte die entscheidende Hilfestellung leistet, indem sie die störenden Beimischungen des Geniekults eliminiert und auch die Phantasie der Filmemacher vor neuer säkularer Legendenbildung bewahrt. Das verbal ausreichend annoncierte Wunder darf sich auf den Titel beschränken.
Nicht ganz passend an dieser Stelle (Passion!), aber extrem schön:
Die Seele ruht in Jesu Händen,
Wenn Erde diesen Leib bedeckt.
Ach ruft mich bald, ihr Sterbeglocken,
Ich bin zum Sterben unerschrocken,
Weil mich mein Jesus wieder weckt.
A propos BWV 127: es gibt hierzu einen großartigen schriftlichen Beleg der Zusammenarbeit zwischen Vater Johann Sebastian und Sohn Friedemann. Ich zitiere aus dem Werk von John Eliot Gardiner:
Quelle John Eliot Gardiner: BACH Musik für die Himmelsburg / Carl Hanser Verlag München 2016 Seite 302f
Haußmann-Portrait!
Kantate BWV 127 mit Partitur „Herr Jesu Christ, wahr‘ Mensch und Gott“ Herreweghe
ab 16:34 laut Gardiner : alle Einsätze von „Sind Blitze, sind Donner in Wolken verschwunden“ (Matthäuspassion)
Zur späteren Recherche
Im Film ist aus internen Gründen nur die Nr. 1 des (von Bach nicht so genannten) Weihnachtsoratoriums als „Parodie“-Vertonung aus einem schon früher komponierten Werk behandelt. In Wahrheit hat er vieles übernommen, wie es in Wikipedia aufgelistet ist: siehe in den Übersichten unter der Rubrik „Quelle“. Siehe auch die ausführliche Behandlung in der maßgeblichen Literatur wie z.B. hier:
Quelle Hans-Joachim Schulze: Bachs Parodieverfahren / in: Christoph Wolff/Ton Koopman: Die Welt der BACH Kantaten Bd. 2 / Verlag Metzler und Bärenreiter Stuttgart u. Weimar 2006 (3 Bände)
Sehr empfehlenswert auch im Zusammenhang mit diesem Film: die Beiträge zum Komponisten in seiner Welt, z.B. über „Musikalisches Leben am Köthener Hof“, über „Adeliges und Bürgerliches / Mäzenatentum in Leipzig“ oder „Unterhaltungen für Bürgertum und Adel“.
Wenn einen Zweifel ankommen, was die historische Wahrheit des Bach-Filmes angeht, in Einzelpunkten – ich finde: darum geht es nicht! -, mich hat am Schluss einfach etwas gestört, dass ein so spektakulärer Gottesdienst – zu Weihnachten !!! – kein größeres Publikum gefunden haben soll.
In der Thomaskirche bietet man heute 1500 Sitzplätze, damals hat man – vielleicht unabhängig von Sicherheitsvorschriften – mit wesentlich mehr hörbegierigen Menschen rechnen können, auf mehr Bänken, aber auch dichtgedrängt auf Stehplätzen.
Quelle (wie vor) Christoph Wolff: Bachs Leipziger Kirchenkantaten: Repertoire und Kontext / in: Christoph Wolff/Ton Koopman: Die Welt der BACH Kantaten Bd. 3 / Verlag Metzler und Bärenreiter Stuttgart u. Weimar 2006 (3 Bände)
Weiteres zu Relativierung (und Rehabilitierung) des Bach-Filmes
NB am 12.12. ist in der alten Ankündigung der Mediathek von Christian Himmler die Rede, – den aber gibt es nicht, richtig lautet der Name Christian Immler.
Eine letzte Ergänzung: Berthold Seligers Rezension der Jurowski-Aufführung
mit der – je nach Sicht der Dinge berechtigten – Zeile:
Ein Statement auch gegen die so häufig anzutreffende, förmlich gewollte Unterforderung des Publikums, dem man keineswegs eine anstrengende, intensive Auseinandersetzung mit einem großen Werk zumuten möchte. Siehe auch den auf vielen Ebenen misslungenen Weihnachts-Kitschfilm „Bach — Ein Weihnachtswunder“ jüngst auf ARD.
Nachzulesen https://medium.com/@was_38079/nun-seid-ihr-wohl-gerochen-2651f5ccb8b8 Hier
Am 26.12.2024 um 20:03 Uhr sendet Deutschlandfunk Kultur den Mitschnitt dieses Konzerts, der ab sofort auch online nachzuhören ist.
Themenwechsel (oder im Gegenteil: beim Thema bleiben)
Es wird oft kolportiert, dass Ravel selbst gesagt habe, der Boléro sei vieles, aber „keine Musik“. Man hat seine Aussage zum Bonmot getrimmt, aber nichts dergleichen hat er gemeint, wenn er sich dagegen wehrte, dass dies weltbekannte Werk sein bestes sei. Gute Übung: ein Lob dieser Komposition zu formulieren, ohne die Instrumentationskunst zu rühmen. Die einzigartige Melodie zum Beispiel, die unendlich wiederholbare…
Was ist nun mit Hamelins Hanon, – ein Joke oder nicht? Erheitert es nur im seriösen Umfeld … Denn: ihn wirklich „musikalisch“ zu spielen, – wie große Musik -, wirkt parodistisch.
Aber wie verhält es sich bei eintöniger Musik? Was ist das überhaupt? Monotonie – und kumulativer Effekt. Wenn die bloße Spielanweisung genügt…
Im Ernst, man kann ja im Unterricht darüber diskutieren… ob es eine reine Mechanik des Klavierspiels gibt, die es zu beobachten lohnt? Es wäre ja dumm, die Musik als pure Bewegung des Geistes zu betrachten. Sie beginnt mit der Geste, die als körperliche Aktion eine Regung des Gemütes spiegelt, begleitet oder – sogar verstärkt. Aber was ist z.B. mit einem krampfartigen Wutausbruch? Oder dem echten Akt des Einschlafens? Nachahmenswert? Übrigens ist „ausdruckslos spielen“ – non espressivo – auch eine Ausdrucksbezeichnung!
Achtung (bei Ohren-Kopfhörern): bei 2’25 kurzer Lärmschock
Quelle des folgenden Zitates siehe im nachfolgenden Wiki-Link:
Friedrich Nietzsche hat mit seiner Unterscheidung zwischen dem dionysischen und dem apollinischen Prinzip in Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik einen wichtigen – im Einklang mit den antiken Denkern stehenden – wenn auch zu seiner Zeit kontroversen Beitrag zur Deutung des Dionysoskultes wie des Theaters geleistet. Unter dem apollinischen Prinzip versteht er das Prinzip der Individuation; das entgegengesetzte dionysische Prinzip ist daher nicht das Aufgehen des Einen im Vielen, sondern umgekehrt das Aufgehen des Vielen im Einen. Wenn also zum Beispiel Heraklit sagt:
Alles ist eins, so ist das dionysisch. Folglich kommt Nietzsche zu dem Ergebnis: Unter dem Zauber des Dionysischen schließt sich nicht nur der Bund zwischen den Menschen wieder zusammen, auch die entfremdete und feindlich unterjochte Natur feiert wieder ihr Versöhnungsfest ….
Dieser Rückblick auf Nietzsches frühes Werk kommt meinen autobiographischen Neigungen sehr entgegen. Zumal wenn ich den spannenden Artikel über den Dionysos-Kult studiere und einen riesigen Horizont wahrnehme, von dem ich in den 50er Jahren nicht die geringste – oder nur eine ganz dunkle Ahnung hatte, dank Nietzsche (und seinem Wagner):
Nicht sicher, ob es einen nach so vielen Jahren in einer großen Ekstase heilt. Oder letztendlich zerreißt. Vielleicht etwas weniger spektakulär als Pentheus.
Fundsache. Auf der Rückseite nur Datum und Ort. Wie war doch gleich der Name?
Dr. Karaikudi Sambasivayer Subramanian mit Vina beim Workshop (mit JR). Soviel Zeit muss sein. Es war kein einfacher Prozess, ebensowenig wie die ganze karnatische Musik Südindiens, die damit heraufbeschworen wird. Samt Josef Kuckertz und Pia Srinivasan …
Dieses Foto weckte ganz verschüttete Erinnerungen, doch stark genug, mich für den Rest des Tages in emsige Tätigkeit zu versetzen. Am Ende zwangen sie mich sogar, alte Übungen in südindischer Musik wieder aufzunehmen. Oh, großer Gott Sambhu!
Und wieder gilt es weite Zeiträume rückwärts zurückzulegen, wiederzugewinnen, zuerst bis 2008, dann bis 1975. „Oh, großer Gott Sambhu!“
Dieses alte Musikstück soll mir ein Leitfaden sein, erkenne ich es wieder? Ich wähle Youtube, obwohl CD wie auch LP aufzutreiben war, unter 200 Indien-Relikten. Der Titel führt mich also auch ins Internet. Dann: mein altes Verzeichnis, ein Nachtrag führte noch bis 2005. Oder 2006? Ende. Nein, zu den Anfängen.
Ich erinnere mich an den Namen M.S. Subbulakshmi. Und der Musiktitel ist mir geläufig vom Titel der alten CD (s.u.).
Der als Komposition gesungene Text beginnt bei 2:16, kein Zweifel, er spielt auch schon vorher eine Rolle, aber das nehmen wir als Einleitung, die Komposition beginnt ab 2:16 ( „Sam-bho“ ).
Wer Noten kann, darf auch Notationen studieren, siehe unten, westlicher Notbehelf als Gedächtnisstütze, – gutes Hören ist wichtiger. Sie werden bestimmte Ruhepunkte erkennen, eine Gliederung der endlos aktiven Melodiestimme (endlos? nein, zeilenweise), an der uns ansonsten eine Vorliebe für die Töne des Dreiklangs auffallen könnte. Ohne dass das etwas in unserem Sinne zu sagen hat.
Die einzelnen „Neuansätze“: 1) ab 2:16 bis 3:11 2) ab 3:12 bis 3:58 3) ab 3:59 bis 4:26 4) 4:27 bis 5:43 5) ab 5:44 bis 6:06 (Ende 6:13)
Man bekommt eine Ahnung von der formalen Gestaltung, ist aber noch weit entfernt von einem „ästhetischen Vergnügen“. Ein fein ziseliertes Linienspiel, das magisch um eine geheime Mitte kreist. Doch allmählich sehen wir die Umrisse jener Form, die in der karnatischen Musik Südindiens Kriti genannt wird. Pia Srinivasan beschreibt sie – anhand eines anderen Beispiels – folgendermaßen:
Pallavi, Anupallavi… Samgati
Wir haben beim Hören vielleicht ein Gefühl für die einzelnen Teile bekommen, ohne sie einstweilen noch genau benennen zu müssen. Nun gilt es innerhalb jeden Teils die melodischen Charakteristika zu erfassen, die zeilenweise Wiederholung bei gleichzeitigem Ausbau der melodischen Bögen. Im Pallavi ( 1. ) dreht es sich um die Haupttöne der unteren Oktave, des „Dreiklangs“, im Anupallavi geht es um die höhere Oktave und ihren Umkreis ( 2. ), im Carana werden beide Bereiche verbunden ( 3. ).
Selbst wenn es sich bei dem ursprünglichen Gesang, wie meist, um eine Komposition handelt, müssen die verschiedenen Wiedergaben angesichts der mündlichen Überlieferung nicht identisch ablaufen. Wie uns sofort auffällt, wenn wir die folgende Version gleichen Titels Teil für Teil auf die andere beziehen wollen.
Zwischenwarnung: ich weiß, dass dieser Blogartikel Arbeit bedeutet, – übrigens auch für die Instrumentalisten: sie haben ihr Leben lang daran gearbeitet, so zu spielen, wie sie spielen, viele Stunden täglich, auch daran, jede scheinbar unscheinbare Nuance der Komposition (!) in den Fingern und im Kopf abzurufen. Unmöglich ist es für ein „fremdes“ Publikum, die notwendige Aufnahmefähigkeit im ersten Moment bereitzustellen und das „Stück“ adäquat zu erfassen. Es besteht nicht einfach aus einem Dur-Dreiklang, die Inszenierung dieser Töne und ihrer Umgebung ist eine völlig andere, als wir gewöhnt sind, und es kommt genauso darauf an, Missdeutungen auszuschließen, wie neue Deutungen, neue Gewohnheiten anzunehmen. Die wissenschaftliche Annäherung, wie sie im Kommentarheft der CD nahegelegt wird, ist nicht die einzig wahre, kein Mensch wird als Wissenschaftler/in geboren. Die Ahnung des Gemeinten und die Lernbereitschaft – das sind die wichtigsten Voraussetzungen des musikalischen Vergnügens. Der Vina-Zauber, den unsere Überschrift meint, entsteht beim bloßen Klang aus dem Obertonreichtum, – wenn Sie so wollen…
Noch eins: die zu vergleichenden Aufnahmen stehen auf unterschiedlicher Grundtonhöhe. Sie benutzen dieselbe Skala, aber deren Grundtöne weichen um ein Terzintervall voneinander ab. Es gibt keinen genormten Stimmton, der für alle Sänger und Instrumentalisten gilt. Der Grundton aber, wenn wir die Skala in unsere Notenschrift übertragen, wird immer als C gedacht bzw. notiert.
* * *
Unsere Referenz-Aufnahme von 1975
Die ganze Doppel-CD heißt Sambho Mahadeva, aber uns geht es natürlich um den entsprechenden Einzeltitel, der als Track 4 angeklickt werden kann. Wenn Sie hier wie auch oben bei der Subbulakshmi-Aufnahme die Youtube-Fassung separat auf dem Bildschirm parat halten, können Sie zur Übung die Teile beider Versionen – stückweise vergleichend – abwechselnd nacheinander anspielen. So oft und so lange, bis Sie ein Gefühl für die Länge und die Vergleichbarkeit der einzelnen „Zeilen“ entwickeln.
Wenn es Ihnen „erkenntnisträchtig“ gelingt, zeugt dies von interkultureller Musikalität, und Sie können stolz auf sich sein.
Sie beginnen also auf der Vina-CD – siehe folgende Auflistung – im Tr. 4, das ist in der Gesamtzeitzählung der Youtube-Aufnahme bei 15:21, jedoch startet der Krti-Teil 1. , der zum Vergleich ansteht, erst bei 16:46. Die Gesamtdauer der Komposition in dieser Version endet bei 21:50.
1. Varnam: Moha-Lahiri 0:00 2. Krti: Sri-jalamdharam 4:44 3. Krti: Samkari Niv’ani 9:40 4. Krti: Sambho Mahadeva15:19 5. Krti: Cittam Eppadiyo 21:58 6. Alapanam – Tanam – Krti: Kaddanuvariki Mit / With Kalpana-Svarams 28:04 7. Tillana: Di Mi Ta Ja Nu 46:26 8. Mangalam: Pavamanasutudu 54:25 9. Krti: Ramacandram 55:29 10. Krti: Mari Vere 1:02:17
Unten die WERGO-CD, deren Begleitheft mit Notationen und guten Analysen von Pia Srinivasan Buonomo stammt.
PAUSE für eigene Experimente und Vergleiche.
Museum Collection Biographien
Links auf dem Titelfoto der CD (und LP): das ist er, den ich am 1.2.2008 im Münster wiedersah: damals hatte er gerade in den USA promoviert: Dr. Karaikudi S. Subramanian. Jetzt soll es um die Musik gehen, zu der die Aufnahmen von damals – dank der Vorarbeit von Dr. Pia Srinivasan Buonomo – nach wie vor beste Hilfestellung leisten. Zunächst folgt der ganze Artikel, der sich auf dieses eine Stück der CD bezieht, das wir nun ja sogar in zwei exemplarischen Versionen zur Hand haben.
Ein langes schwieriges Wort (Madhyamakala…) wird an anderer Stelle erläutert, anhand einer anderen Komposition:
Dies hier ist die Skala des Raga Bauli (Bowl), die normalerweise auch nicht ohne die melodisch verbindlichen Ornamente (zweite Zeile) vorgetragen wird:
Zugegeben: das alles ist viel Text für ein kleines Stückchen Musik, und ohne gründliche Vorbildung und Einübung – denke ich – kann man daraus kaum klare Tongestalten imaginieren oder hörend identifizieren. Und um mit meiner Ermunterung glaubwürdig zu bleiben, müsste ich noch viel mehr Text produzieren. Ich versuche es trotzdem, – ohne Rücksicht auf Verluste! Ich werde von Zeilen (der Melodie) sprechen, obwohl im Kommentar davon nicht die Rede ist. Sondern von „Avartam“, das ist der kleine Melodieabschnitt, der auf eine Talam-Länge passt (Talam: 1 Rhythmusperiode, in diesem Fall 2+4 oder 3+3 oder 4+2). In Beispiel 16 sehen wir 2 „Avartams“, die zusammen (!) eine Melodieperiode bilden. Es wäre hilfreich, wenn wir genau diese eine Zeile in den klingenden Tönen wiedererkennen, das hieße: wir haben sie be-griffen. Tatsächlich: wir hatten gesagt, unsere Krti beginnt genau bei 16:46, Avarta 1 und 2 konzentrieren sich dann auf das untere c, die Trommel hat sich minimal später dazugesellt, auf 16:55 beginnt das im Notenbeispiel wiedergegebene Avartam-Doppel (genannt 1. + 2. Variante), und so geht es bis genau 17:05 (wieder auf c gelandet). Bis 17:55 folgen nun die weiteren Avartams incl. Ruhepunkt auf g, Pallavi-Teil zuende (oder wird er wiederholt?).
Sie werden zwangsläufig oft neu angesetzt haben, um diese 2 (und die danach folgenden) Varianten genau wahrzunehmen. Es kann auch nicht schaden, den Rhythmus (Talam) mitzuzählen, jeweils 1 bis 6 pro Avartam. Wieviel – Zeilen haben Sie, oder hätten Sie, wenn Sie nachgezählt und vielleicht ein Notenschema vorbereiten wollte (als fleißiger Musikethnologe zum Beispiel?).
Wenn Sie jetzt zurückgehen in die Einleitung, um dort die für den Raga(m) Bauli festgelegten Töne in ihrer Charakteristik zu erfassen, sie finden sich in Notenbeispiel 16, Arohanam ist Skala aufwärts, Avarohanam abwärts, man sieht die kahle Skala und darunter die verbindlichen Ornamente.
Aber noch etwas Interessantes steht im Kommentar:
Dieser Sanskritvers beginnt in unserer Subbulakashmi-Aufnahme bei 0:55 und endet bei 2:14, zu vergleichen mit der Vina-Aufnahme ab 15:57 bis 16:45 (also hier sehr verkürzt).
Sie werden des öfteren die Vina-Solistin singen hören, hier im Untergrund, in der tiefen Oktave, aber vor allem die zweite Vina wunderschön mitgehen hören: Zauber der Vina.
Wenn Sie das letzte Beispiel weiterlaufen lassen, hören Sie – wie gesagt – den Pallavi mit seinen Varianten vollständig, und noch weiter, um den besagten Schlusswendungen des Refrains auch nach den nächsten Teilen wiederzubegegnen (19:05, 19:30, 20:40, 21:30 Ende). Immer mit gedehntem „as“ auslaufend auf die Quinte g (nicht auf den Grundton c): für mich ist dies das Signum des Frühlings, von dem im folgenden Youtube-Film die Sängerin Charulatha Mani spricht.
Ich möchte für heute abschließen mit 2 Seiten des Skriptes, das ich damals für die Sendung des Münsteraner Konzertes geschrieben habe.
Von Vina zu Sarod
Der 15. März 2008 angekündigt, der 16. Januar 1997 im Sinn:
Wer erinnert sich noch an ihn im WDR? Wo finde ich eine Gedenksendung für den ideenreichsten Musikchef, der je fürs Kölner Radio gearbeitet hat? Der u.a. dafür gesorgt hat, dass der WDR zum größten und vielseitigsten Musikveranstalter in NRW geworden ist?
Für Hans Martin Müller, der seinerzeit als Solo-Flötist viele Jahre im WDR Sinfonieorchester gewirkt hat, bleibt er unvergessen, und er hat jetzt dafür gesorgt, dass der 22. Oktober 1924 als besonderer Tag ins Bewusstsein vieler Menschen rückt, die kaum bemerkt haben, dass im Radio-Programm und Im Konzertleben fast alle seine Spuren verwischt sind. Eine der bemerkenswertesten – pars pro toto – hinterließ die Reihe „Nachtmusik im WDR“, die Krings 1972 gründete: jahrzehntelang sorgte sie live für Sternstunden mit einer global ausgerichteten Auswahl.
Krings (ganz links) nach einer der Veranstaltungen „Alte Liturgien in Romanischen Kirchen Kölns“ (Foto WDR)
Die letzte, ganz kurze Info ist die einzige Spur seines Lebens, die sich im angeblich allumfassenden Internet leicht finden ließ. Dazu eine Auflistung aller Schallplatten, für die er verantwortlich zeichnete: hier. Ab 1960 bis 1987 bzw. indirekt weiter bis 1999, nach seinem Tode.
Von der schwierigen WDR-Wende der 60er Jahre in der Praxis Alter Musik berichtet die Chronik „50 Jahre Alte Musik“:
Quelle Thomas Synofzik: Collegium musicum und Collegium aureum /oder: Vom Rundfunk zur Schallplatte / Aus: 50 Jahre Alte Musik im WDR 1954-2004 / im Concerto Verlag mit dem Westdeutschen Rundfunk
Völlig neue Horizonte in der Weltmusik öffnete Krings 1969 mit seinem programmatischen Blick auf die Zukunft der Volksmusik, wenngleich es noch etwas vorsichtig anklang: „Durch die Zusammenarbeit mit dem Kölner Institut für vergleichende Musikwissenschaft ergaben sich verschiedene Anregungen mit Musik aus aller Welt.“ WDR-Aufnahmereisen u.a. nach Korea, Bali, Indien und Afghanistan (1974) setzten bald Maßstäbe. Krings gab der Musikethnologie eine Stimme, Marius Schneider und Josef Kuckertz traten durch Radiosendungen an die breite Öffentlichkeit.
Quelle Zwanzig Jahre Musik im Westdeutschen Rundfunk / Eine Dokumentation der Hauptabteilung Musik 1958-1968 / WDR Köln
Man kann es kaum glauben: die innersten Seiten des Feuilletons, das Kernstück der ganzen ZEIT, ist der klassischen Musik gewidmet, und man beginnt zu hoffen, dass es nicht nur dem Nationalfeiertag geschuldet ist. Gewiss, manches zielt auch auf das Gedenken des 7. Oktobers, eine Warnung vor dem Anwachsen des Antisemitismus. Zu recht, aber das ist ein anderes Thema.
Und was Navid Kermani zur Musik notiert, lohnt sich immer zu reflektieren. Obwohl es vorsichtiger geschieht, als es früher in aller Munde war, etwa: dass Musik eine Sprache sei, die alle Menschen verstehen. Er weiß, dass Musik wie jede Sprache gelernt werden muss. Und hebt vor allem die Orte hervor, an denen sie Menschen zum Zuhören versammelt.
DIE ZEIT S.54 vormerken: der Autor wird Daniil Trifonov mit Mozart KV 503 (am 2.9.24) hören, wir heute auch, allerdings in einer Aufnahme aus dem Jahre 2021.
Quelle DIE ZEIT Feuilleton „Die Kraft der klassischen Musik“ mit Navid Kermani und Simon Rattle, 2. Oktober 2024, Seite 54 und 55.
Dem abschließenden Satz von Mendelssohn Bartholdy darf vielleicht an dieser Stelle ein ähnlich berühmter von Victor Hugo folgen, den man leicht verwechselt:
Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.
in Feiertagspracht!
Die Mittelseiten des ZEIT-Feuilletons also, wohl im Blick auf den Feiertag, einerseits: Achtung Klassik! andererseits: keine Angst! links Navid Kermani, die andere Hälfte Simon Rattle im Interview. Und auch er begründet die Notwendigkeit der klassischen Musik FÜR ALLE in der heutigen Welt und zwar verblüffend einfach, – wenn er gefragt wird, wie es gelingen könnte, sie aus dem Elfenbeinturm herauszuholen, in dem sie für viele Menschen zu stecken scheint: „Türen auf! Fenster auf! Die Leute sollen sich willkommen fühlen und ihren eigenen Umgang mit der Musik finden dürfen.“
Sagen Sie es allen, die es gebrauchen können: das große, gute Gefühl genügt! Einstweilen. Es bleibt immer noch viel Raum nach oben und unten und auch seitlich, ohne dass man sich darauf etwas einbilden kann. Irgendwann will man einfach noch mehr wissen, sogar alles, was es da zu wissen gibt, und zugleich wächst das Gefühl für diese Dinge und für die angemessene Sprache. Und mit Recht stellt Rattle ein Wort in den Raum, vor dem sich mancheiner scheut: POESIE. Gemeint ist eine andere Realität, nicht die fleißige Buchhalterei. Ich weise immer mit Vorbehalt auf Wissensquellen hin, wie im folgenden Mozart-Link: machen Sie was Eigenes draus, wenn sie wollen, es muss nur das Hören bereichern, nicht den Smalltalk vor oder nach dem Konzert.
Eine ketzerische Frage: Was kann man tun, um solche C-dur-Werke Mozarts nicht zu unterschätzen?
Ich erinnere mich, dass ich in meiner frühen Zeit als Klavierspieler bei Mozart Beethovensche Maßstäbe anlegte und nur eine Subjektivität dieser Art positiv einschätzte, nie den „harmlosen“, kindlichen Mozart (sozusagen meinen Mentalitätsgenossen) anerkannte. Dennoch die „Facile“-Sonate trotz des C-dur-Charakters gelten ließ, das Andante als absolut expressiv empfand, natürlich – rückwirkend – nur dank der Wendung nach g-moll im Mittelteil, den Schlusssatz aber nicht mehr übenswert fand. Diese Rangfolge der Mozart-Charaktere blieb für mich fast meine ganze Schülerzeit lang verbindlich, – mit allmählichem Vorstoß zu Rachmaninow (und Wagner) als Höhepunkt der Ausdrucksgeschichte. Eine kindliche Geschichte, man muss sie nicht vertiefen. Aber letztlich ist sie schwer zu überwinden, weil das ganze (wichtige) 19. Jahrhundert sie zementieren hilft. Es motiviert aber auch, sie in ihrer schon von Mozart vorgegebenen Haltung zu erfassen, wie ich später durch Dibelius‘ „Mozart-Aspekte“ lernte, – anhand der Klavierkonzerte.
Quelle Ulrich Dibelius: Mozart-Aspekte / Bärenreiter dtv München 1973 ISBN 3-423-00802-4
Mit Hilfe dieser Rückblende kann man das vorliegende Konzert künstlich problematisieren; ich tue es, um meine scheinbar naive Beurteilung von einst quasi ernstzunehmen, indem ich sage: aha, der C-dur-Mozart, er will mich mit Lebensfreude einfangen (während ich lieber den von Leid gezeichneten Pathetiker erwartete). Welchen Erwartungen aber versuchte er selbst damals zu begegnen, – wenn überhaupt er sich herabließ, diese zu kalkulieren?
Was ich Mitte der 70er Jahre von Dibelius gelernt habe, konnte ich 30 Jahre später ihm selber berichten, im Urlaub auf La Palma. Eine angenehme Begegnung…
Ulrich Dibelius & JR 2005 (Foto E.Reichow)
Folgen wir doch einmal der Beschreibung des Mozart-Werkes in Wikipedia, aber mit der Tendenz, vor allem die thematische und motivische Abwandlung zu identifizieren (dazu jeden Orgelpunkt, der einem leicht entgeht, aber durchaus als bedeutsames Zeichen gilt) :
Das eröffnende Allegro ist der längste Konzertsatz in Mozarts Schaffen. Die ausführliche Exposition beginnt (11:11) mit einigen feierlichen Akkorden des ganzen Orchesters. Das Hauptthema entwickelt sich in der Folge auch über eine Wendung nach Moll. Eine Überleitung, in der sich Trompeten und Pauke feierlich äußern, führt zum zweiten Thema (12:50), das zunächst in Moll erscheint, sich dann jedoch nach Dur wendet – die Dur-Variante hat eine sehr entfernte Verwandtschaft mit dem Kopfmotiv der später entstandenen Marseillaise.[1] Die Soloexposition beginnt relativ unscheinbar, mit einem unthematischen Entrée des Pianisten. (14:08) Zudem ist der Zeitpunkt, zu dem sie beginnt, verglichen mit anderen Mozartschen Klavierkonzerten recht ungewöhnlich. Das Orchester schließt in einem kraftvollen forte-Akkord ab und das Klavier wird erwartet. Jedoch überraschen die Streichinstrumente mit einer Art kurzen Überleitung in piano. Es folgt die Einstimmung des Klaviers in das feierliche Hauptthema des Satzes (14:50), das anschließend erweitert wird. Modulationen über Es-Dur, g-Moll und G-Dur führen zum gesanglichen und friedlichen dritten Thema des Satzes (15:56), welches durch das Soloklavier eingeführt wird. Erst nach 228 Takten endet die ausgedehnte Exposition. (18:29) Es schließt sich eine verhältnismäßig kurze Durchführung an, die das Marseillaise-Thema bevorzugt. Es kommt hier zu einer ausgefeilten polyphonen Verdichtung des Gedankens. Ein achttaktiger Orgelpunkt führt zur Reprise, (20:25) die größtenteils regelgerecht verläuft. Jedoch nimmt die Modulation zum dritten Thema weitschweifendere Wege über entlegene Tonarten wie es-Moll und Ces-Dur. Die großangelegte Solokadenz(24:13 von Trifonov) erarbeitet Motive aller Themen und wendet sie ebenfalls häufig nach Moll. Ein kurzes Schlussritornell (25:40) beendet den Satz mit majestätischen Akkorden. (26:17)
Mit den Noten in der Hand kann man noch mehr ins Detail gehen:
Quelle Marius Flothuis: Mozarts Klavierkonzerte / Ein musikalischer Werkführer / Beck’sche Reihe C.H.Beck München 1998 / Seite 134
Mit einiger Übung kann man – aufmerksam die Musik hörend – nebenher dem analytischen Text folgen, – ohne wie in dem obigen Überblick bei einer bestimmten Stelle über Gebühr innezuhalten (T.208-210 „Mittelgedanken“!), der Grund: es gibt dazu eine Mozart-Skizze. Sonst geht es Ihnen wie mir und es ist allzu schnell vorbei!!! Mit der Formulierung „siebentöniges Motiv zweimal wiederholt“ meint Flothuis offenbar die chromatischen Achtelketten im Klavier „fis-g-gis-a-b-h-c“ vor dem langen Triller auf a, der Ende des 1.Systems beginnt :
17:46
17:58
Wie angedeutet: man muss dieses Detail nicht identifizieren, insofern provoziert es in der Flothuis-Analyse zuviel Worte. Es war für mich nur eine Sache des Ehrgeizes… (nochmal in 23:38 vor Kadenz!)
Nebenbei: die Bezeichnung Marseillaise-Thema, die kaum wieder zu löschen ist, hat keinen Wert, zumal der Auftakt nicht punktiert ist und der Sprung in die hohe Oktave (zum Glück) fehlt. Man wird jedes Thema leicht als unverwechselbares Individuum wahrnehmen, auch wenn ein Auftakt-Motiv sich in wundersamsten Modulationen verselbständigt, gerade dann! Dieses Gespinst aus Themen wird sich als wahres Wunderwerk einprägen. Niemals wieder wird meine flüchtige Erinnerung diesen Satz auf seine C-dur-Fanfare reduzieren.
* * *
2. Satz Andante ab 26:26 bis 34:36 3. Satz Allegretto ab 34:38 bis 43:22
Ein ähnlicher Störfaktor Im dritten Satz: wiederum Gelesenes, Gelerntes, das ich hier nicht mehr ausbreiten kann, verschiedene Mozart-Lektüren, aufgerührt durch das Kopfthema, das die alten Vorurteile unvermindert lebhaft reproduziert: irgendwie „läppisch“ wie im Finale der „Facile“-Sonate, – und es muss doch mehr dahinterstecken, – dies als Ziel eines großen, eines wirklich großen Konzertes? Aber ich erinnere mich an die Begeisterung über ein anders Buch, das mich – wie ich glaubte – derart überzeugend ein neues Hören lehrte, dass ich es gleich noch zweimal verschenkte. Ohne großes Echo. Jedoch Anlass genug, dem Erlebnis noch einmal nachzugehen, aber in einem separaten Blogartikel, den ich an dieser Stelle verlinken will. Vorweg nur das Zitat von Haydns Traum (ja, er träumte von Mozarts Musik!).
Autor: Lorenz Lütteken. Aufs neue bringt es mich zum Nachdenken – der Traumzustand -, wird uns nicht bewusst durch eine Zäsur, seltsamerweise beim Einsatz des Solo-Klaviers im ersten Satz (zwischen 14:08 und 14:49)? Als ein „Weckruf“, der nicht uns weckt, sondern den Stellenwert der Wirklichkeit im Konzert verändert. Ohnehin dank der Tatsache, dass sie auf einer Bühne dargeboten wird, jetzt aber auch als Medienwirklichkeit: die Bühne als Bühne auf dem Bildschirm. Nur die Erinnerung an andere, wechselnde, öffentliche Konzerte bewirkt, dass man sich die jeweilige Musik auch als separat existierende (wartende) Botschaft vorstellen kann. Und zwar in einer Form wechselnder seelischer Bewegungen, die schneller wechseln dürfen, als es dem möglichen Ablauf von Gefühlen in der Wirklichkeit entspricht. Wir reagieren nicht ablehnend, weil wir sie als Erinnerungsbilder erkennen, sie können in beliebig schneller Folge aufgerufen bzw. angeboten werden, auch wiederholt, retardiert und beschleunigt werden. Wir haben eine Distanz, die dies zu genießen erlaubt, und zwar gemeinsam mit anderen Menschen, einem Publikum, welches im modernen Medium die offensichtliche Illusion in einer versteckten Dimension ergänzt. Das Publikum: WIR. (Vielleicht auch projiziert auf das damalige WIR?)
Es wäre müßig zu fragen, ob ein Subjekt zu uns spricht, monologisch, oder ob es (=der Komponist) eine Anzahl von Personen sprechen lässt, wie man von Mozart sagt, der sich auch in einem Klavierkonzert die „Realität“ einer Bühne vorstellte, Menschen oder Gruppen von Menschen, – 1 Klavier, Streicher, Blechbläser, Holzbläser, die miteinander interagieren. Wohlgemerkt mit Momenten der Besinnung, der Innerlichkeit, die wir fälschlich allein dem kreativen Urheber zuordnen.
So, wie wir bei Bach problematisieren wollen, ob er selbst leidet wie Petrus (?) in der „Erbarme Dich“-Arie, oder wie im Mittelteil des „Es ist vollbracht“-Lamentos jederzeit selbst in die Rolle des siegreichen „Held von Juda“ schlüpfen kann. Dessen Kampf-Gestus ihm aber ebenso für den Grund-Charakter des Fünften Brandenburgischen zu Gebote steht. Horcht er etwa in das eigene Innere oder greift er in die Palette der allenthalben herausgebildeten Affektenlehre? Oder kann er etwa – beides, und noch viel mehr?
Gehen Sie doch probeweise in den Schluss des Mozartschen Mittelsatzes (um 34:30), um dessen Ruhe noch zu spüren, und weiter in den 3. Satz , hüten Sie sich, dabei die Kurzatmigkeit des Finalethemas zu monieren. Achten Sie auf den Wechsel der Instrumentengruppen, wie sie aufeinander reagieren, wann sich das Klavier zum erstenmal auf das kurzatmige Haupt(?)thema einlässt, und fragen Sie sich schließlich, was zwischen 38:00 und 40:00 geschieht: in welcher Sphäre befinden Sie sich, wann beginnen Sie zum Augenblick zu sagen „Verweile doch, du bist so schön!“, und es dehnt sich so wunderbar, der Holzbläserklang trägt das Klavier – und uns ebenso – bis….? Ja, bis wir aufatmen bei der Wiedererscheinung des Themas und weiter bis zum Schluss eingebunden bleiben.
Bedauern Sie, dass Ihnen jede detaillierte Formübersicht für diesen Satz versagt bleibt? Wissen Sie WARUM? Weil Sie wirklich zuhören. Oh, wenn Sie das Simon Rattle erzählen könnten! Und Navid Kermani! Aber vielleicht brauchte er nur Mendelssohn-Ausspruch zu variieren, etwa derart, dass Sie diese Musik lieben, weil sie ihren musikalischen Gedankengängen genauer denn je folgen konnten, – als hätten Sie eine szenische Bühnendarstellung erlebt, die sich von selbst versteht.
Ach Mozart. Ich bereue. Nicht erlahmen, und zurück ans Klavier! Allein, ohne Zeugen.
Nur ein flüchtiger Blick sei einer seltsamen Deutung des Bachschen Werkes geworfen, deren Lektüre mir noch unerträglicher war, als die mit gesungenen Choralzitaten durchsetzte Violin-Wiedergabe der Ciaccona auf CD (ECM 2001), die auch dem Buch beigegeben wurde:
Ich bekenne mich bedingungslos zu dem Urteil, das Reinhard Goebel in seinen 2024 herausgegebenen Sammelband eingefügt hat, – auch wenn ich jede andere klingende Deutung des Werkes vom jeweiligen subjektiven Standpunkt der Interpreten aus irgendwie nachempfinden kann, – nachzählen und nachrechnen will ich nie und nirgends, gerade auch nicht bei Bach. Es sei denn, es gäbe einen glaubwürdigen Hinweis aus seinem biographischen Umfeld. (Mauricio Kagel gilt nicht!)
Quelle Reinhard Goebel: »Der Kopf macht die Musik« Texte zur Musik Essays – Interviews – Würdigungen / Verlag Klaus-Jürgen Kamprad / ZITAT Seite 158, dort mit folgender Überschrift (die nicht Bachs Orthographie folgt): »Mona Lisa« / Eine Etude zur »Ciacona« von Johann Sebastian Bach (Achtung: Scharf gewürzt)
Oder: Ein Vermächtnis aus jungen Jahren, fortgesponnen
Wie soll man darüber reden? Der einst revolutionäre Griff nach der Alten Musik ist brisant geblieben, man staunt, dass wirklich Jahrzehnte vergangen sind, seit man sie – um Bachs und Monteverdis willen – insgesamt zur Kenntnis genommen hat. Und nicht nur dank Reinhard Goebel und in seinem unmittelbaren Umfeld. Es hat insgesamt – man kann sagen: weltweit – Schule gemacht. Man beachte, was allein die Heidelberger Schola – inspiriert durch die Neue Musik – an Projekten entwickelt hat, etwa zum Rätsel Gesualdo da Venosa („Eros und Gewalt“ ).
Zurück zu Reinhard Goebel, dem man heute vielleicht zum ersten Mal auf die Schliche kommen kann, ohne das Gesamtwerk in hundert Einzelaufnahmen und zahllosen verstreuten Quellen um sich versammeln zu müssen. Überhaupt: für seine glänzende Sprache braucht man kein Studium (das hat er selbst schon geleistet), sondern das gleiche unstillbare Interesse an lebendiger Musik, das ihn selber auszeichnet.
Geplant waren einige Anmerkungen, die ich während der Lektüre des Goebel-Buches besonders memorabel fand. So im ersten Text (Seite 15 ff) » Auf der Suche nach der verlorenen Zeit…« die nicht weiter spezifizierte Quelle eines FAZ-Artikels aus dem Jahr 2009, der Goebel zu den Worten veranlasste: „Alles hier über Rezeption und Darstellung des Mittelalters Gesagte trifft auch den musikalischen Barock-Nagel mitten auf den Kopf.“ Schon ist der Goebel-Fan begierig, so detailliert wie möglich zu eruieren, worum es sich dabei handelt, und stößt dabei auf ein Buch, das in der Anmerkung 1 des Vorwortes einen klärenden Weg zur Quelle anbietet.
¹Mittelalter-Symposion. Das Mittelalter zwischen Vorstellung und Wirklichkeit. Probleme, Perspektiven und Anstöße für die Unterrichtspraxis. 24.09.2009−26.09.2009. Pädagogische Hochschule Freiburg. Vgl. URL: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=11667 (Konferenzankündigung von Thomas Martin Buck); http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2835 (Tagungsbericht von Nicola Brauch). Siehe auch den Bericht von Maik NOLTE, Das Mittelalter als Wille und Vorstellung. Und der Mediävist als Experte für Requisiten: Zur populären Aneignung einer Epoche, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30.12.2009, Nr. 302, S. N3.
Das Werk lohnt sich insgesamt als Einübung in die Mediävistik, vorausgesetzt man lässt sich wirklich auf die echte Fährte ein: Hier ist das gesamte Vorwort und die Inhaltsangabe zu dem betreffenden Mittelalter-Symposion, das 2009 in Freiburg stattgefunden hat.
Aus fünf Kapiteln Fankreich von »Le Roi Danse« bis Spätbarock
Man definierte sich in Frankreich ganz einfach und rigoros neu, löste alle alten Bindungen und schuf neue Wege, die Musik optimal der Prosodie der französischen Sprache anzupassen. Selbst der Opern-Prolog diente nicht mehr dazu, die Götter als die das Schicksal bestimmenden Mächte einzuführen. Stattdessen sang man hier unverhohlen das Lob des Herrschers, und slbst des Göttern war es eine Ehre, dem Sonnenkönig zu huldigen: Selten wurd Musik so eindeutig zum Politikum.
Dem reinen, absoluten Gehalt der Sonate oder des Concerto jedoch standen die Franzosen weitgehend ratlos gegenüber. Frankreich geriet in Aufruhr, als nach mehr als 60jähriger Herrschaft des Sonnenkönigs mit Konzerten von Antonio Vivaldi und Giovanni Battista Pergolesis »Stabat Mater« erstmals wieder unpolitische, ihren eigenen Gesetzen gehorchende Musik zur Aufführung kam. (…) Notation der Tanzschritte und der Armbewegungen
Nie aber ist sie intellektuelle Kunst, die um ihrer selbst willen existiert und wahrgenommen werden will. Das Absolute ist ihrem Wesen fremd. (Goebel Seite 27)
Im Jahr 1700 lag übrigens auch eine der Notenschrift im weitesten Sinne vergleichbare Notation der Tanzschritte und der Armbewegungen vor, (…) basierend auf den Vorarbeiten des Monsieur Pierre Beauchamp, der 1635 geboren, noch mit allen Meistern der Frühzeit – Robert Cambert, Molière und Pierre Perrin – gearbeitet und sämtliche Opern und Ballette des königlichen Hofes bis 1686 choreographiert hatte. (…)
Zum Debütstück für den ersten solistischen Auftritt dieser jungen Mädchen wurde nach 1715 das Werk »Les Caractéres de la Danse« des Lully-Schülers Jean-Féry Rebel, der zwanzig Jahre später mit seinem inzwischen wieder häufiger gespielten »Le Cahos« noch ein weiteres Mal Geschichte schreiben sollte. Die Tänze – sie basieren übrigens auf der Idee des Sonnenkönigs, dass alle Provinzen Frankreich[s] durch einen typischen Tanz am Hofe zu repräsentieren seien – haben alle neben einem charakteristischen Tempo ein klar bestimmtes Figuren- und Bewegungsprofil, und so wurde das Stück zum Prüfungsstück für die Tänzerinnen – nicht nur in Paris, sondern auch in London und Dresden – und obgleich man immer behauptet, dass »Les Caractéres« völlig neuartig gewesen seien, basiert das Werk dennoch auf dem Auftritt des Maître des Danse in der ersten Szene von Molières und Lullys »Bourgeois Gentilhomme«, wo der Tanzmeister dem einfältigen Bürger Jourdain einen kurzen Einblick in seine Kunst gewährt […]. (Goebel Seite 29)
Youtube-Beispiele, an dieser Stelle nicht durch das Buch autorisiert, sondern vom Abschreiber JR als Nachhilfe ausgewählt und eingefügt:
Erinnerung an die Aufnahme vom „Bourgeois Gentilhomme“ mit La Petite Bande unter Gustav Leonhardt (1973):
Man höre sorgfältig die Ausführung der Ouvertüre, insbesondere die Punktierungen, um zu verstehen, was 10 Jahre später geschehen ist. Uns Mitspielern war oft selbst nicht recht klar, welche alten Schriften zur Überpunktierung „berechtigten“ oder warum und ab wann es doch wieder anders zu lesen oder zu interpretieren war. Der Name Neumann (Frederick) wurde genannt, ohne dass damals die leichte Internet-Orientierung von heute vorauszusetzen war, es blieb im ungefähren. Goebels Aufnahmen der Bachschen Ouvertüren entstanden in den Jahren 1982 und 1985, für mich ganz starke Eindrücke, – sie beruhten auf den neuen Überlegungen, die Goebel auch gewissenhaft dargelegt hat (Seite 150 ff). Heute könnte man das hier nacharbeiten: Ornamentation in Baroque and Post-Baroque Music, with Special Emphasis on J.S. Bach (Frederick Neumann 1978).
Goebel:
Diese Auffassung von den synchronisierten Überpunktierungen basiert eindeutig auf Fehlübersetzungen und -interpretationen der Flötenschule von Quantz (XVII. Hauptstück, VII. Abschnitt, § 58).
(…) Für den Tuttisten um 1720 galt genau die gleiche Regel wie für den Tuttisten des 20. Jahrhunderts: Kein rhythmischer Wert wird verändert. Wenn Quantz dennoch von scharfen Punktierungen redet, so im Zusammenhang von Tanzsätzen nach französischer Manier -aber die Ouvertüre ist nun einmal kein Tanzsatz. Quod licet Jovi, non licet bovi – was dem Solisten aus augenblicklicher Caprice erlaubt ist, nämlich die Veränderung des vorgegebenen Notentextes, ist dem Tuttisten schlichtweg verboten. (a.a.O. Seite 152f)
Siehe auch hier. (=Blog-Artikel „Wie Goebel in Frankreich“.)
Neugierig geworden: Wer war „Fritz“, ein unbekannter Bach, wie klang seine Musik? Ein Anfang sei gemacht mit diesem Stück aus „Pygmalion“:
Alle Titel der Goebel-CD „Cantatas of the Bach family“ anspielen: hier
Dreißig Jahre lang stellte Johann Sebastian Bach die musikalische Speerspitze der Welt: Sie war immer genau dort, wo er war, in seinen Händen und auf seinem Schreibtisch. Um 1735 aber drängten ambitionierte Konkurrenten auf den Markt und zeigten Bach, wo das neue Vorne war: im galanten Stil, der sich ab 1715 von Neapel aus nach Norden verbreitete und der flamboyanten, religiös bedeutsam verschlüsselten und manchmal auch überlasteten Musik des Spätbarock etwas entgegen stellte – eine einfachere Musik mit leichter verstehbarer Harmonik und im weitesten Sinne singbaren Melodien mit weniger komplexer Polyphonie.
Bachs Söhne, ebenfalls gestandene Musiker, die zu einflussreichen Komponisten heranwuchsen, hatten das Handwerk bei ihrem Vater gelernt – aber bei aller Verwurzeltheit in der Tradition des großen Johann Sebastian sind diese modernen Einflüsse auch bei Carl Philipp Emanuel Bach, Johann Christoph Friedrich Bach und Wilhelm Friedemann Bach deutlich zu erkennen. Bei Carl Philipp ist der Prozess der musikalischen Emanzipation nur noch mittelbar nachvollziehbar, da er einen guten Teil seiner Kompositionen aus jener Umbruchzeit verbrannte – eine hier erstaufgenommene Sinfonie in F-Dur kann ihm mit der nötigen musikwissenschaftlichen Vorsicht zugeschrieben werden.
Ebenfalls eine Weltpremiere ist die Aufnahme der dreisätzigen Solo-Kantaten Carls »Ich bin vergnügt mit meinem Stande«. Eine gar dritte Erstaufführung erlebt hier die Sinfonie in B-Dur Wilhelm Friedemann Bachs. Abgerundet von Musik von Bachsohn Johann Christoph Friedrich und einer Kantate des Übervaters Johann Sebastian selbst macht diese grandiose neue Produktion der Berliner Barocksolisten und dem gefeierten Bariton Benjamin Appl unter Leitung von Reinhard Goebel die musikalische Metamorphose des 18ten Jahrhunderts akustisch erlebbar.
Weiterlesen und -suchen:
http://www.musicweb-international.com/classrev/2020/Dec/Bachfamily-Cantatas-HC19081.htm hier
(Ensemble) Pygmalion interprète la Cantate „Es erhub sich ein Streit“ de Johann Christoph Bach sous la direction de Raphaël Pichon. Extrait du concert enregistré le 7 avril 2023 à la Chapelle Royale de Versailles.
Da ich die Goebel-CD seltsamerweise übers Internet nicht bestellen kann, habe ich einen Ersatz finden müssen (27.09.24), bemerkenswerterweise schon aufgenommen 1988:
Text: Hannsdieter Wohfahrt
ENTSCHULDIGUNG! Da ich von Goebels im Buch veröffentlichten Texten ausgehe, zu denen ich mich etwas frei „auslasse“, – auch ohne alle CDs besitzen, denen sie ihre Entstehung verdankten -, kann ich in einer gewissen Konfusion enden wie JETZT. Ich hatte gehofft, mehr über „Pygmalion“ und den Bückeburger Bach-Sohn zu erfahren, fand Goebels Ausführungen wie immer erhellend, ohne recht zu bemerken, dass er sich unvermerkt gänzlich auf das die CD abschließende Werk des alten Bach bezieht, die Kantate BWV 82 „Ich habe genug“, mit einigen Seitenblicken wiederum auf dessen rhetorische Prinzipien docere, movere & delectare. Für uferloses Staunen und Studieren sei auch der Youtube-Link wenigstens zu dieser Aufnahme beigesteuert: hier.
In Goebels Text blieb ich u.a. stecken bei der Bemerkung:
Zauberhaft unbeantwortet bleibt die Frage: »Hat er nun, hat er nicht?«
Erst allmählich fiel der Groschen: Diese Frage kann sich nur aus dem maßlosen Wunschziel des „Pygmalion“ ergeben, – wobei Goebel seinen Kopf dezent aus der Schlinge zieht, indem er von dem sinnlichen Begehren hinüberlenkt zu der Todesfreude des trunken in den Himmel tanzenden Simeon, und damit zur „Climax“ der Kantate „Ich habe genug“. Was mir an Reinhard Goebel von Anfang an auffiel, war sein eigenartiger Humor, eine zuweilen etwas drollige Respektlosigkeit. Bei den Aufnahmeprojekten unseres Lehrers Franzjosef Maier inmitten des Ensembles Collegium aureum erlebte ich ihn 1974 zum erstenmal als jungen Kollegen, witzig, wortgewandt, aufmüpfig, belesen. „Missa Salisburgensis“! Siehe alle Mitwirkenden…
1974
Kein Zweifel: man sollte auch seine „besserwissende“ Aufnahme kennen:
(Wie alle Interessen sich biografisch zusammenfügen – ohne Harmonie und gegen alle Wahrscheinlichkeit.)
Ein Wendepunkt
Wo mir der Name zum ersten Mal hätte begegnen können (1988):
Gutschow!
Zugleich enthält das Vorwort alle Hinweise, die mich auf Distanz gehalten haben („Geisterglaube“). Der alte Widerspruch Adorno/Indien, der mich seit etwa 1960 beschäftigt.
Niels Gutschow heute, der vielseitige Architektur-Forscher an seinem Arbeitsplatz
ZITAT
Vor gut einem Jahr erschütterte eine Erdbebenserie die Region am Himalaya. Das Epizentrum des stärksten Bebens, das sich am 25. April 2015 ereignete, lag in der Nähe der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu. Nach Schätzungen starben infolge der Erdbeben allein in Nepal fast 10.000 Menschen – die meisten davon in den Trümmern eingestürzter Bauten. Bei den Erdbeben wurden zahlreiche bedeutende Kulturgüter zerstört oder stark beschädigt – darunter auch mehrere der berühmten und zum Weltkulturerbe gehörenden Pagoden, Tempel und Paläste in den drei Königsstädten Kathmandu, Bhaktapur und Patan. Diese sollen nun nach und nach wieder wiederhergestellt werden. Gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt unterstützt die Gerda Henkel Stiftung mehrere Wiederaufbauprojekte in Nepal, unter anderen ein Projekt des Architekten, Denkmalpflegers und Bauhistorikers Prof. Dr.-Ing. Niels Gutschow. Wir haben ihn im Odenwald besucht.
Project
Two severe earthquakes hit Nepal on 25 April and 12 May 2015. Thousands of people lost their lives. Apart from the humanitarian disaster, the earthquakes also had a devastating impact on human cultural heritage. Numerous buildings of historical importance in Nepal were partly or completely destroyed, and a great many houses and temples collapsed and cannot be rebuilt. Since 1979 the architectural legacy of Kathmandu Valley has been a UNESCO World Cultural Heritage Site and even before the most recent earthquakes was greatly endangered by the population explosion, environmental problems, climate change, fires, and earlier earthquakes. From 2003 to 2007 Kathmandu Valley was on the List of World Heritage in Danger.
Immediately after the earthquake on 25 April 2015 the German Federal Foreign Office and Gerda Henkel Foundation decided to pool their resources to preserve and restore the cultural heritage of Nepal. The initiative aims to supplement humanitarian aid with measures that strengthen the country’s cultural identity. There is a very strong connection between the population and cultural heritage in Nepal; in many villages individual families tend to the local temple and integrate the temple’s gods into their everyday lives. There is a tradition of good relations between Nepal and Germany as regards cultural preservation. In the 1970s German architects, engineers, scientists and conservationists were the first members of a foreign state to begin restoring the cultural monuments damaged by the severe earthquake in 1934. In subsequent years, a great many projects were initiated. For example, in keeping with the promise German Chancellor Helmut Kohl made during a state visit in 1987, a temple lost in Bhaktapur in 1934 was reconstructed. It survived the quake of 2015 undamaged.
ZITAT = Einleitung zu dem folgenden Interview (dieses im Link live auf deutsch):
https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/gespraech_mit_niels_gutschow_ueber_das_leben_und_die_arbeit_eines_forschers_nepal?nav_id=7104&language=en hier
Ethnographische Episoden aus dem Leben des Forschers Niels Gutschow
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Und von Katastrophen einer anderen Welt
https://www.fr.de/kultur/ersehnte-katastrophe-11212310.html hier
https://www.zeit.de/1988/02/die-ersehnte-katastrophe/komplettansicht hier
In Deutschland hatte Adolf Hitler 1933 mühelos Städtebauer und Architekten mitziehen, wenn nicht gar mit reißen können. Wie viele Berufsverbände, so kam auch der Bund Deutscher Architekten der Gleichschaltung zuvor. Für die einen bedeutete dies Berufsverbot, die anderen bekamen Aufträge noch und noch. Als Hitler dann 1940 eine gigantische Inszenierung des scheinbar bevorstehenden Endsieges plante, kannte die Euphorie keine Grenzen. Nach dem Sieg über Frankreich im Juni 1940 – die Planer sprachen fortan von der Zeit „nach Compiègne“ – sollten nun die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Im selben Monat hatte Hitler verlangt: „Berlin muß in kürzester Zeit durch seine bauliche Neugestaltung den ihm durch die Größe des Sieges zukommenden Ausdruck als Hauptstadt eines starken neuen Reiches erhalten. In der Verwirklichung dieser nunmehr wichtigsten Bauaufgabe des Reiches sehe ich den bedeutendsten Beitrag zur endgültigen Sicherstellung des Sieges.“ München, Linz, Hamburg und Nürnberg sollten als „Führerstädte“ neu gestaltet werden, aber auch alle anderen Gauhauptstädte wetteiferten bereits im Bemühen, den „Sieg sicherzustellen“.
Deutschlands Planer und Architekten ließen sich von einer Welle der Begeisterung tragen, und es waren nicht nur die Großstädte, die eine städtebauliche Aufrüstung betreiben wollten. Für alle Bereiche der Planung… (Forts. siehe Link )
Es hat mich immer interessiert, auf welchen Wegen die Familien der Reichows von Pommern nach Westdeutschland (Hamburg bzw. Westfalen) gekommen sind und wie sie an welchem Ort Fuß fassen konnten. Es gab eben dort oben „die Hamburger“ und hier unten „die Bielefelder“, die sich eigentlich durch das kleine Dorf Lohe bei Bad Oeynhausen definierten, aus dem meine Mutter stammte; es war unsere Anlaufstelle am Ende des Krieges. Wie es in Hamburg gelaufen war, fand ich in großen Zügen in einem Erinnerungsbuch, dass meine Cousine Daniela für ihre Familie geschrieben hat.
Da kommt also ein anderer Name ins Spiel, der eines Studienfreundes, der als Architekt in Hamburg fest etabliert war: Konstanty Gutschow, ein Glücksfall für die zuwandernde Familie, wenn auch, möchte man aus heutiger Sicht anmerken, eine Zumutung für die ansässige. Eine ausgreifende historische Reflexion von dieser Seite sähe wohl ganz anders aus. Die großen antipodischen Leitbegriffe könnten sein: „Stadtlandschaft“ und „Ordnungswahn“. Oder: von der allmählichen Neu-Orient-ierung…