Archiv der Kategorie: Biographisches

Wo bin ich am 17.08.24 gewesen?

(Foto: E.Reichow)

Es ist eine alte Geschichte, aber ich werde nicht müde, sie immer mal wiederzubeleben. Die Furcht Gottes treibt mich, würde ich – mit einiger Übertreibung – behaupten, und das hat eine gewisse Komik, für Sie jedenfalls, wenn Sie einen früheren Artikel lesen, für mich nicht; kindliche Ängste haben nichts Lächerliches aus der Sicht des Kindes.

Timor Dei

Wie ich das Haus meines Großvaters und die umliegende Landschaft erlebte.

Tiere meiner Kindheit

 

Blick auf das rekonstruierte Ur-Haus meines Großvaters, hinter den Feldern des alten „Schorm“ (wie einst), sein Hof an der „Steinkuhle“ (von weitem wie ehedem, als er 90 war) und die verschleierte Fernsicht auf die Porta Westfalica. Immer geht es um den Umschlag der Perspektive. Die Gastgeberin heute, war damals 2 Jahre jünger als ich, ein Riesenabstand, jetzt nicht mehr der Rede wert. Sie ist die Enkelin, meine Generation. Wir blätterten in ihrer Bibel (darin vorn die Chronik, bzw. die Urkunden der Vorväter), die aus dem Jahre 1894 stammt, MDCCCCXCIV. Eigentlich nur, um festzustellen, welche alte Druckschrift wir gelernt haben, ich erinnerte mich an Omas Bibel und Grimms Märchen. In diesem Haus bei „Tante Erna“ durfte ich zeitweise allein in der guten Stube sitzen, um Radio zu hören, und zwar die Fortsetzungen von Andersens „Der Kaiser und die Nachtigall“. Was hat mich da bloß zu Tränen gerührt? Der Vogel am Ohr des Kaisers, der Tod? (Nebenbei: die Grabstelle meiner Großeltern auf dem Loher Friedhof hat meine Mutter in den 1990er Jahren aufgegeben.)

∞1900

zum Friedhof Lohe

Trotzdem Wagner lieben?

Schwer zu beantworten

Mein Vater zeigte keine Gefühle, vor allem nicht gegenüber seinen Söhnen. Ich könnte nicht sagen, ob er mich geliebt hat. Es war wohl vier Jahre vor seinem frühen Tod, dass meine Mutter mir etwas erschüttert erzählte, er habe geweint. Richtig geweint, und zwar bei Musik aus dem Radio. Was war’s denn? fragte ich. Er hat gesagt, antwortete sie, dass es ausgerechnet Wagner war (von dem meine Mutter nicht viel hielt: „menschlich war er ein Schwein“, aber nicht etwa weil er ein schrecklicher Antisemit war, sondern „wegen der Frauengeschichten“). Wie hieß das Stück? wollte ich wissen. So etwas wie . . . „Wotans Abschied“. Ich glaube, wir alle wussten, dass Papa (vielleicht unheilbar) krank war, er selbst hätte nie darüber gesprochen (erst später, als er gemeinsam mit meiner Mutter Tolstoijs „Tod des Iwan Iljitsch“ las und bemerkt haben soll „das bin doch ich“.) Warum sollte er über eine Abschiedsszene weinen? Abschied von Brünnhilde?

Ein paar Jahre später begriff ich es, als ich in meiner Kölner Studentenbude unentwegt den Tonband-Mitschnitt der Walküre aus Bayreuth 1961 hörte, dieser unglaubliche Abschied, der in den finalen Feuerzauber führt. Und ich dachte an meinen Vater, der vor zwei Jahren gestorben war. Ich hatte Blut gespendet für ihn und glaubte, das könne ihn gesund machen. Die letzten zwei Nächte hatte ich in seinem Krankenzimmer auf Gilead (Bethel) im Sessel geschlafen, damit er nicht allein blieb. Dies ist sein Klavierauszug, wahrscheinlich hat er das Werk in seiner Kapellmeisterzeit auch dirigiert.

Und nun kamen die Erinnerungen zurück, bei einem sonst nicht sehr ergiebigen Gespräch (Irrtum!) mit Christian Thielemann und Igor Levit in der ZEIT.

DIE ZEIT 13. Juni 2024 Seite 46f Gespräch Thielemann / Levit / Christine Lemke-Matwey

Ich kam partout nicht drauf, welche Akkordfolgen Thielemann im Wotan-Monolog meinte, und ich gäbe viel darum, sie dingfest zu machen. Bitte um Nachhilfe!

Götterdämmerung Anfang gute Theateratmosphäre (Musik ab 4:38) https://www.youtube.com/watch?v=kLly5R4gDiM hier

Mahler VI, 3 https://www.youtube.com/watch?v=Xxd-h3eW8xA hier

Ob jemand, der Jeremy Eichlers Buch „Echo der Zeit“ gelesen hat, auch eine solche Antwort gelten lassen könnte? Ich habe an meinen Vater gedacht, der im Krieg auch manches geglaubt hat, was die Nazis ihm erzählt hatten. Nach dem Krieg: kein apologetisches Wort von seiner Seite! – Freispruch?

Im Vertrauen auf den deutschen Geist?

Julian Prégardien

Zwei Sternstunden: Schubert, Müller, die Geschichte, der Film, der Liederzyklus, der Gesang

Sendung 9. Juni 2024 (W bis 2029)

https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzIwNjE5NzA HIER

Der Film begleitet Julian Prégardien auf seiner Reise zu den Ursprüngen des Liederzyklus und beim Austausch mit verschiedenen Persönlichkeiten. Ein Psychiater erklärt das Phänomen der unerfüllten Liebe, eine Gender-Expertin gibt Einblicke in die Perspektive der angebeteten Frau und ein Schubert-Kenner vermittelt die Künstlerwelt des Komponisten zwischen Genie und Wahnsinn. Neben den Pianisten Kristian Bezuidenhout und Daniel Heide verzaubert die Puppenspielerin Manuela Linshalm das Publikum mit ihrer zeitbasierten Interpretation der romantischen Erzählung. Es ist eine Suche nach einer immer neuer Inspiration für ein Werk, das Julian Prégardien als Sänger besonders viel bedeutet und für das er seine Freude mit vielen Menschen teilen möchte. Ein Film von Nanna Schmidt.

https://www.ardmediathek.de/video/kulturmatinee/julian-pregardien-singt-schuberts-schoene-muellerin/swr/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzIwNTQ1Mzc HIER

„Die schöne Müllerin“ Gesamtaufnahme SWR

Der Film zeigt auch, dass man den Dichter genauso ernst nehmen muss, wie Schubert es tat.

Siehe auch Christian Gerhaher zum gleichen Thema hier im Blog

Zu Julian Prégardien siehe auch hier im Blog

Wie war denn meine Oma?

So in Öl – oder privat?

Margarete Reichow, geborene Paske (1871 – 1961)

Was sie mir ins Gesangbuch schrieb…

links vom Bild hängt ihr Spazierstock

Das Ölbild, frühe 50er Jahre (steht auf der Truhe von 1815)

Immer wurde gesagt, dies Bild sei nicht „lebensecht“. Wie aber war sie wirklich? Auf etwa gleichzeitig entstandenen Fotos kommt – anders als auf dem strengen Ölbild – klarer zum Vorschein, dass sie wohlwollend und gütig war. Vermutlich ein Gesichtsausdruck, den sie für die Sitzungen  des Malers nicht „annehmen“ konnte. Da war sie statuarisch ernst, hoheitsvoll, wie in der Widmung, die ich im Gesangbuch fand, als sie es mir zur Konfirmation schenkte. („Dein Lebelang habe Gott vor Augen und im Herzen“). Und der Maler war kein Leonardo, der vielleicht tiefer sehen konnte als andere. Im Kreis der Familie zeigte sie sich eher vergnügt, – jedenfalls im Alter:

Fotos 1950

Aus den Erinnerungen ihrer Schwiegertochter (meiner Mutter):

Sie sorgte dafür, dass ihre Kinder Klavier oder/und Geige lernten. Ihr eigenes Lieblingsstück: „Die diebische Elster“ von Rossini. Mein Bruder und ich spielten für sie oft den „Faust-Walzer“ von Gounod (mit Geige und Klavier). Dieses Video hätte ihr gefallen!

Musik und Leben . . .

. . . im Zeitalter der Weltkriege

Das beste Buch, das ich seit langem gelesen habe. Jedes Wort, das man oben im Cover-Text darüber liest, ist wahr.

Hier finden Sie eine Anzeige des Buches mit einer überzeugenden, langen Leseprobe (!!!). Mich interessierte besonders die Frage, ob es Vorbilder gibt, in der Art dieses Autors mit biographischem „Stoff“ umzugehen. Hier sein eigener Hinweis:

Ein späterer deutscher Autor, dessen Werke mich besonders inspiriert haben, ist W. G. Sebald (1944 –2001). Mit seinen Romanen Austerlitz, Die Ausgewanderten und Die Ringe des Saturn profilierte sich Sebald als der deutsche Nachkriegsdichter der Erinnerung, der meisterlich vormachte, wie Landschaft, Kunst und Architektur als Zugang zur Vergangenheit dienen können. Holocaust, Exil, Kolonialismus und die Geschichte der menschengemachten Zerstörung sind allgegenwärtige Themen in seinem Werk, aber die Erinnerung an sie ist durch Sebalds elliptische Prosa gefiltert wie durch mehrere Lagen Baumwollstoff, weshalb das einstmals blendende Licht dieser Katastrophen nur noch als schwaches Leuchten wahrgenommen wird. Und auch wenn Sebald nur selten über Musik schrieb, hat sein Umgang mit den ständig weiter verschwindenden Überbleibseln der Vergangenheit, den Spuren früherer Verluste, eine große Ähnlichkeit mit dem geisterhaften Spiel der Musik, mal an- und dann wieder abwesend zu sein, sowie ihren flüchtigen Momenten des Kontakts mit den wortlosen Wahrheiten einer anderen Zeit.

Die Musikbeispiele, soweit ich sie mir in Lesepausen zusammenstellen konnte:

(Fortsetzung folgt, – anfangen mit den „Metamorphosen“ von Richard Strauss!)

Beginn bei 1:06 / hören bei 2:02 Beethoven-Zitat (s.u. Marcia funebre Takt 3)

⇑ ⇑ ⇑ Was im Buch steht zum Thema „Metamorphosen“, ⇓ ⇓ ⇓ Beethoven „Eroica“ Trauermarsch

Schostakowitsch 13. Sinfonie „Babyn Jar“ hier (Buch S.342 ff) Wikipedia hier

hier (Beginn erst bei 1:14) VALERY GERGIEV – MUSICAL DIRECTOR AND CONDUCTOR THE MARIINSKY ORCHESTRA AND CHORUS 8° de Enero del 2013 – January 8th, 2013

mit Jewtuschenko-Text Baby Yar (engl. Übersetzung)

Schostakowitsch 14. Sinfonie hier (Buch S.360 ff) Wikipedia hier

Dmitrij Schostakowitsch: 14. Sinfonie op. 135 für Sopran, Bass und Kammerorchester auf Gedichte von Federico García Lorca, Guillaume Apollinaire, Wilhelm Küchelbecker und Rainer Maria Rilke ∙

(Auftritt) 00:00 ∙ 1. De profundis (Bass) 00:44 ∙ 2. Malagueña (Sopran) 05:50 ∙ 3. Loreley (Sopran und Bass) 08:52 ∙ 4. Der Selbstmörder (Sopran) 17:50 ∙ 5. Auf Wacht (Sopran) 24:54 ∙ 6. Sehen Sie, Madame! (Sopran und Bass) 27:46 ∙ 7. Im Kerker der Santé (Bass) 29:39 ∙ 8. Antwort der Zaporoger Kosaken an den Sultan von Konstantinopel (Bass) 40:07 ∙ 9. O Delvig, Delvig! (Bass) 42:06 ∙ 10. Der Tod des Dichters (Sopran) 46:48 ∙ 11. Schlußstück (Sopran und Bass) 52:23

hr-Sinfonieorchester – Frankfurt Radio Symphony ∙ Miina-Liisa Värelä, Sopran ∙ Mika Kares, Bass ∙ Klaus Mäkelä, Dirigent ∙ hr-Sinfoniekonzert ∙ hr-Sendesaal Frankfurt, 1. Oktober 2020

Was Schostakowitsch zu dieser Sinfonie sagte (nach Wikipedia):

„Zum Teil versuche ich, den großen Klassikern etwas entgegenzustellen, welche das Thema ‚Tod‘ in ihren Werken behandeln. Denken Sie an den Tod Boris Godunows: Wenn Boris Godunow gestorben ist, wird es gleichsam hell. Denken Sie an Verdis Otello: Wenn die ganze Tragödie endet und Desdemona und Othello sterben, erleben wir auch eine wunderbare Verklärung. […] Ich finde dies sogar unter unseren Zeitgenossen, nehmen Sie zum Beispiel den außerordentlichen englischen Komponisten Benjamin Britten: Ich habe in dieser Hinsicht auch an seinem War Requiem etwas auszusetzen. Ich finde, all dies kommt von verschiedenartigen religiösen Lehren her, […] daß uns im Jenseits der absolute Friede erwarte. So scheint es mir, daß ich zumindest teilweise in die Fußstapfen des bedeutenden russischen Komponisten Mussorgski trete. Sein Zyklus Lieder und Tänze des Todes – vielleicht nicht alles davon, aber auf jeden Fall ‚Der Feldmarschall‘ – ist ein großer Protest gegen den Tod […]. Der Tod erwartet jeden von uns. Ich kann nichts Gutes darin sehen, daß unser Leben so endet, und das ist es, was ich in diesem Werk vermitteln will.“

Nachtrag 27.06.24

Ich stehe nicht allein mit meiner Meinung über dieses Buch:

DIE ZEIT 27. Juni 2024 Seite 47 Alexander Cammann: Hier Cowboys, da Chruschtschow

Leonardos Frauen

Was gehn sie uns an?

Als blutige Laien in der Kunstbetrachtung haben wir immer ein schlechtes Gewissen, wenn wir ein Gemälde oberflächlich nach seiner Lebensähnlichkeit beurteilen; andererseits beginnt man sofort zu spotten, wenn einer dagegenhält mit Bemerkungen zum strukturellen Aufbau des Werkes. Ich erinnere mich, dass zeitweise ein impressionistisches Kalenderbild an der Wand über dem Schreibtisch meines Vaters hing, in das ich mich „verliebte“, während er, der sich gerade Hamanns große dickleibige Kunstgeschichte zugelegt hatte, offenbar einen rein sachlich-ästhetischen Zugang suchte. Die farbenfroh schöne Frau von Renoir oder Monet hatte sogar einen Namen, sie war einmal „real“ (gewesen). Als mein Freund zu Besuch kam, führte ich ihn wie zufällig zum Porträt, beiläufig murmelnd „findichschön“, worauf er knallhart entgegnete: „hat viel Holz vor der Hütten“, und damit war sie schlagartig entweiht. Ja, entweiht. Alerdings hatte ich  schon ein ungutes Gefühl, wenn ich auf dem Cover meiner ersten Concert Hall Schallplatten las: „Hohe Lebensstunden weihet mit Musik“. Auch Musik sollte etwas mit dem wirklichen Leben zu tun haben. Einmal legte ich ein Bild auf das Notenpult und versuchte, auf der Violine die irgendwie geforderten oder unterstellten „überströmenden Gefühle“ zum Ausdruck zu bringen. Da trat überraschend mein Vater ins Zimmer trat und rief „das ist viel zu schnell“, während ich eiligst mit dem Geigencorpus das kompromittierende Bild verdeckte. –

Eines Tages kam meine 5 Jahre ältere Cousine auf der Durchreise mit ihrer Freundin zu uns, beide Kunststudentinnen in Basel, wir schauten gemeinsam den Prachtband „Europäische Meisterbilder“ an, – einige kannte ich allzugut -, mir schwante Unheil, plötzlich hielten sie inne, allerdings nicht dort, wo ich mich auskannte: sondern beim Jesus am Kreuz. Sie bewunderten die „Formauffassung“, die (attraktive?) Freundin legte den Finger auf die Reihe fein ausgearbeiteter Bauchfalten, oberhalb des Lendentuches. Mir stockte der Atem, und sie sagte: „wie fein ausgearbeitet!“ Gott sei Dank, beide waren vom Fach und bemerkten nicht die Röte in meinem Gesicht.

So etwa begann meine Pubertät, von der ich wenig wusste. Meine Mutter bemerkte nur verdächtig oft: „Die Flegeljahre bleiben bei ihm aus!“ Hat mich die Klassik gezügelt? Eine unendlich lange Zeit verging, ehe ich die Mentaltät der 50er Jahre in all ihrer Verklemmtheit durchschaute, die 6oer Jahre, die ich als Befreiung erfuhr, auch kunstästhetisch umsetzte. Erste Erleuchtungen (nach André Malraux‘ „Das Imaginäre Museum“ 1963): das Bändchen vom „Sehen der Welt in der Bilderwelt“ von John Berger (1974).

Derlei Dinge gingen mir durch den Kopf, als ich heute einer Anregung von Wilfried Schaus-Sahm folgte und mich mit der folgenden Betrachtung von Kia Vahland beschäftigte.

https://www.stadtmuseum-duisburg.de/leonardo-da-vinci-und-die-frauen/ hier

https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2019/09/die-malerei-leonardo-da-vincis-ist-weiblich hier

https://de.wikipedia.org/wiki/Anbetung_der_K%C3%B6nige_aus_dem_Morgenland_(Leonardo_da_Vinci) hier

https://de.wikipedia.org/wiki/Bildnis_der_Ginevra_de%E2%80%99_Benci hier

https://de.wikipedia.org/wiki/Cecilia_Gallerani hier

https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Verk%C3%BCndigung_(Leonardo_da_Vinci) hier

Zitat Vahland: vom Kuss

3:44 „Leonardo da Vinci hat ganz außergewöhnliche Frauen gefunden, die einen heute noch überraschen. Er malt erstmal natürlich viele Marien, da wissen wir nicht, wer die Modelle sind. Dann aber malt er noch als junger Mann Ginevra de‘ Benci (…). Er möchte, dass sich die Leute in seine Bilder verlieben. Er erzählt eine Geschichte, wie die Leute Bilder mit weiblichen Heiligen zurückbringen in die Werkstatt und ihn bitten, die Heilgenscheine zu übermalen, damit sie die Bilder besser küssen können. Und das ist ganz genau in Leonardos Sinn. Das heißt, er nutzt die Stärke der Frauen, er nutzt die Verführungskraft der Frauen, um seine Kunst, um die Malerei zu stärken. Die Malerei ist so verführerisch wie die Frauen, die er malt. Und stark, so unabhängig und so klug wie diese. Dafür müssen es natürlich selbständige Objekte sein und keine Objekte, über die man einfach verfügt. Und die Frauen auf den Bildern liefern sich den Betrachtern nie aus. Das sind immer ganz, ganz eigenständige Wesen. Denn sie stehen für Leonardo auch für die Malerei an sich. Schon seit der Antike ist das Bild einer schönen Frau auch das große Meisterwerk eines Malers, an dem er seine Kunst zeigt, und so ist es eben auch bei Leonardo da Vinci. Denen gehört seine Sympathie, auf die lässt er sich ein, mit denen tritt er in einen Dialog.“ 5:11

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(Abstrakte) Kunst in der Realität, was nicht unbedingt bedeutet: die neue Irrealität dank Caspar David Friedrich. Jedoch auch Düsseldorf (20 Minuten entfernt, nächste Woche):

https://www.kunstpalast.de/de/event/tony-cragg/#Ausstellung hier

Video mit Cragg – siehe bei 6:40 von Menschen, – „die streicheln meine Arbeit„.

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13.04.24 Noch etwas ganz Neues aus dem Kunstpalast in Düsseldorf: ! Blumen ! HIER .

16.04.24 Ich war dort, im Kunstpalast Düsseldorf Ausstellung Tony Cragg, hier „Die Welle“:

Iran: allein durch Shadjarians Stimme

Wie die iranische Kultur weiterlebt

„The Voice of Iran: Mohammad Reza Shajarian – The Copenhagen Concert 2002“

(World Premiere 18. August 2006 Kollektiv Film 2002 Judith Stage)

Ich komme darauf, weil ich kürzlich in der WDR3-Sendung „KlassikForum“ Navid Kermani als Gast gehört habe. Daraufhin habe ich einen großen Auftritt des Sängers Shadjarian in YouTube gesucht…

Anfangstext:

1:04:15 Zwischentext Shadjarian:

Unser Gesang ist nah verwandt mit dem Gesang der Nachtigall und des Kanarienvogels. Unsere Ornamente sind so wie die der Nachtigall in den Gebirgstälern. Wir benutzen dieselben Techniken, aber mit der Physik unserer Stimmbänder. Ich habe zum großen Teil  mit der Nachtigallen-Stimme gearbeitet, hatte auch viele Kanarienvögel. Sie sangen für mich, und ich behielt ihre Stimme in den Ohren. Wenn ich mich in der Natur erging, lauschte ich immer auf die Stimmen der Vögel. Unsere Musik ist eine melodische Sprache, welche eine Bedeutung hat. Ist aus Sätzen gemacht, die eine Bedeutung haben. Die Motive ähneln den Wörtern der persischen Sprache. Wenn wir improvisieren, behandeln wir die Musik als eine Sprache, singen oder spielen wir, indem wir diese Motive benutzen, und mit der Symmetrie der Improvisation erschaffen wir ein Ganzes. Ein musikalisches Bauwerk (Gipfel). Wenn jemand ernstlich diese Musik kennen (lernen) will, muss er von Kind an damit gelebt habe und sie lernen wie eine Sprache. Danach hat man viel Freude damit, sie hat soviel Ausdrucksweisen und so einzigartige Qualitäten. Je besser man sie kennt, desto mehr Freude hat man daran. Es ist wie mit Hafis‘ Gedichten: Hafis benutzt dieselben Worte wie die anderen, aber er ändert ihre Ordnung und kombiniert sie in einer neuen Weise, die ihnen eine Tiefe gibt, die Himmel und Erde zusammenfügt. Der Weg, auf dem man sie zusammenbringt, ruft eine neue Bedeutung ins Leben. Unsere Musik ist wie die Dichtung des Hafis. (1:06:30)

Und wer ist Navid Kermani? Siehe Wikipedia hier

Was ist der WDR? der Westdeutsche Rundfunk Köln, Fernsehen und Radio, außerdem Konzertveranstalter in Köln und im ganzen Land, und was ist WDR 3 ? Ein Beispiel vom 25.11.23:

nur zum Lesen anklicken, dann ⇓⇓⇓

https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr3/klassik-forum/audio-leidenschaftlich-und-reflektiert—kermani-im-klassik-forum-100.html HIER ab 37:00 nach wunderschönem iranischen Gesang und Nay-Improvisation folgt ein Gespräch über JR und seine WDR-Arbeit. KEi: Moderatorin Katharina Eickhoff, NK: Navid Kermani als Gast, (Redakteurin: Susanne Ockelmann). Der Wortlaut:

KEi Ja, klassische, persische Musik mit Mohammed Reza Shadjarian, das war der Sänger, und die Nay, die persische Flöte, sie spielte Jamshid Andalibi, und das war ein Konzert, Herr Kermani, da waren Sie drin. NK Ja, dazu kam ich über Menschern… das war – glaube ich – das erste persische Konzert in Köln, damals organisiert vom WDR, der ja auch immer wieder über die Jahre tolle Sachen gemacht, das war Jan Reichow, der damalige Redakteur, der diese überhaupt diese Ethnomusik … ach, jetzt sage ich schon… Weltmusik! nach Köln gebracht hat, das war – soweit ich weiß – soweit ich mich erinnere – das erste Konzert einer ganzen Serie, die bis heute – wenn heute in der Philharmonie indische, persische Musik spielt, ich glaube, das haben wir alles dem Jan Reichow zu verdanken, der diesen Enthusiasmus hatte, der diese ganze Welt ins deutsche Radio gebracht hat, und das ist ja immer so, man kann … wenn man sich so begeistert für irgendwas, so Dinge macht und über Nacht telefoniert und Tage sich beschäftigt – das wird einem ja nicht in der Gegenwart gedankt, dass einem dann irgendjemand sagt: super, das haben Sie gut gemacht und ich weiß nicht, 20 Jahre später KEi da sitzt der Navid KermaniNK … und hören diese Musik und erinnern uns immer noch, was für ein Wahnsinn – ich kann mich erinnern, wie beglückt die Iraner in Köln waren, dass ihre Musik in so einem schönen, würdigen Rahmen gespielt wird – klar, das waren … meine Eltern … für mich – zum ersten Mal ich, als einer, der in Deutschland geboren ist, hab zum ersten Mal klassische Musik in Deutschland gehört, das war für viele, viele, und auch für Iraner in Deutschland absolut prägend, und es hat vielen Deutschen, Nur-Deutschen, wirklich die Ohren geöffnet, für die Welt! und heute ist das ja fast normal, dass man in der Philharmonie von Weltmusik hört (wie das so genannt wird). NK Ich wollte noch fragen: wie hat das eigentlich für Sie geklungen? KEi Für mich – sehr intensiv – ich hab mich gefragt, was der eigentlich singt, ich versteh ihn natürlich nicht, ist das eine Dichtung, die schon da war? NK …klassische persische Gedichte, so wie Hafis, die ganzen großen klassischen Dichter… KEi wovon hat er denn gesungen? NK oh das weiß ich auch auch nicht so, es ist nicht so, dass ich das sofort verstehe, klassische Dichtung 14. Jahrhundert, da muss ich schon sehr genau hinhören, aber wenn ich sage: da wird von der Sehnsucht gesprochen und von der Liebe, dann liege ich eigentlich immer richtig. (lacht) KEi Ja, könnte passen! Navid Kermani ist zu Gast hier im KlassikForum WDR3. (39:42)

1987 Köln und Bonn 2006

1987 im Gürzenich-Saal Köln (Vorgespräch)

v.l.n.r.:  iranischer Helfer, der Sänger Mohammad Reza Shadjarian, Kameramann und Initiator Ali Hedjrat, Tonmeister Martin Frobeen, Redakteur und Produzent Jan Reichow

Wikipedia:

Mohammad-Reza Shajarian (Persian:محمدرضا شجريان;Persian pronunciation:[mohæmːædɾeˈzɒːʃædʒæɾiˈɒːn], 23 September 1940 – 8 October 2020) was an Iranian singer and master (Ostad) of Persian traditional music. He was also known for his skills in Persian calligraphy and humanitarian activities. Shajarian started his singing career in 1959 at Radio Khorasan, rising to prominence in the 1960s with his distinct singing style. His main teachers were Ahmad Ebadi, Esmaeil Mehrtash, Abdollah Davami, and Nour-Ali Boroumand. He also learned the vocal styles of singers from previous generations, including Reza Gholi Mirza Zelli, Fariborz Manouchehri, Ghamar Molouk Vaziri, Eghbal Azar, and Taj Isfahani. He has cited legendary Persian tar soloist Jalil Shahnaz as highly influential to his development, indicating that he has often tried to mimic Shahnaz’s playing style in his singing.

Shajarian had collaborated with musicians such as Parviz Meshkatian, Mohammad Reza Lotfi, Hossein Alizadeh, Faramarz Payvar, Dariush Pirniakan, and Sohrab Pournazeri. He was recognized as a skilled singer in the challenging traditional Dastgah style. In 1999, UNESCO in France presented him with the Picasso Award and in 2006 with the UNESCO Mozart Medal. In 2017, Los Angeles Times cited him as the „Greatest living maestro of Persian classical music“.

His works also cover some songs of Iranian ethnic music, including Mazandarani music, Azeri music, Kurdish music and Lur music.

After coming out in support of the Iranian Green Movement and criticizing the Iranian government, he was banned from holding concerts and releasing music.

Was blieb?

https://www.elbphilharmonie.de/de/programm/homayoun-shajarian/20872 hier

(Zur Erinnerung, am 6.12.2023 JR)

Caspar David Friedrich verfolgt mich

Was man dank Wikipedia über Caspar David Friedrich wissen könnte…

Das Bild an dieser Wand wird für mich zum Fenster in frühe Kindheit und Jugend

1960

Friedrichs berühmter Himmel hat auf jeder Reproduktion eine andere Färbung. Natürlich „stimmt“ nur diese eine an der Wand unseres Bielefelder Erkerzimmers, am Tisch darunter: ich, Oma und Mutter, kleiner Bruder.

Über die drei Kirchen der Altstadt Greifswalds hier.

Der dicke Kirchturm links gehört also der Marienkirche, in der ich getauft wurde.

Spielende Kinder – Zeichnung Jan 30.10.45, datiert von unserem Vater. Er war überraschend aus der russischen Gefangenschaft zurückgekehrt und kam zum Kindergarten, um uns zu sehen. Wir begrüßten ihn und fragten: „Dürfen wir jetzt wieder spielen?!“ Er war uns fremd geworden.

Bericht meines Vaters über unseren endgültigen Ortswechsel von Greifswald nach Lohe bei Bad Oeynhausen zu den Großeltern mütterlicherseits, Dezember 1945 : HIER

Für meinen älteren Bruder und mich gehörten Entwurzelung, Unbehausheit, Alleinsein zu den  frühen Erfahrungen, die wir zum Glück meistens zu zweit machten. (Erst das Alter hat uns vollständig getrennt.)

Wiederbegegnung mit Caspar David Friedrich und seiner Gedankenwelt im Folkwang Museum Essen (erstmals mit heimlicher Ablehnung) und jetzt wieder im neuen Licht (Florian Illies zum Thema noch nicht gelesen):

Hier geht es zur Startseite der aktuellen Ausstellung „250 Jahre Caspar David Friedrich“

2008 Wiederbegegnung mit Greifswald nach 63 Jahren, ich war begeistert, hatte aber nicht den Eindruck, dort willkommen zu sein. Vielleicht war mein Thema eine Zumutung? Ich hätte die geistige Verwandtschaft Schuberts mit Caspar David Friedrich herausarbeiten sollen.

(http://janreichow.de/vortrag_schubert_romantikdesfremden_2008.htm)

Nachtrag: 29.11.2023 Und da schickt mir eine Freundin meiner Frau ein RP-Interview (vom 27.11.23) mit Florian Illies, das den Maler Friedrich in Zusammenhang mit Goethe bringt. Spielt er den Schubert-Part in der Landschaftsmalerei? Vielleicht sollte ich doch meine Lektürepläne ändern …

Irgendwann rebellierte Friedrich gegen Goethe

Illies Am Schluss gibt es eine wunderbare Volte: 1816 werden die Wolken das erste Mal klassifiziert, und Goethe lässt bei Friedrich anfragen, ob er ihm nicht die drei Wolkenformen malen wolle. Und obwohl Friedrich jahrelang nichts sehnlicher erwartet hatte als einen Auftrag vom großen Dichterfürsten, sagt er nein. Er sagte: Das ist nicht meine Auffassung von Kunst und nicht meine Auffassung vom Himmel. Ich illustriere nicht naturwissenschaftliche Erkenntnisse, ich kann keine Wolke einfach so herauslösen aus dem Himmel. Das ist ein Moment, an dem Friedrich einem ans Herz wächst. Er wollte geliebt werden von Goethe, aber nicht auf diese Weise; die Kunst stand dann doch über allem, es war ihm himmelernst damit.

Sie schwärmen sehr vom Himmel bei Friedrich

Illies Seine Frau hat gesagt: Himmel malen ist für ihn Gottesdienst. Und wenn man vor seinen Bildern steht, sieht man: Die Himmel sind die intensivsten und berührendsten Partien. Sie führen einen in etwas Transzendentales hinein.

Noch ein Hinweis aus dem Artikel:

Lesung Florian Illies und Elke Heidenreich sprechen am 6. Dezember im Robert-Schumann-Saal in Düsseldorf über „Zauber der Stille“. Dazu erklingt die „Eismeer“-Konzertfantasie für Violine, Violoncello und Klavier von Marc-Aurel Floros, gespielt von Musikern der Münchner Philharmoniker.

Am 6. Dezember  habe ich doch keine Zeit!!! Ausgerechnet!!!

 

Zum 6.12.23 von Lore und Udo Hütten. Danke, genau das richtige im richtigen Augenblick!