Aus einem bedenkenswerten Artikel in der ZEIT vom 23. April 2024
Quelle DIE ZEIT 25.April 2024 Seite 46 Maximilian Probst: Die autoritäre Versuchung Weltweit verliert die Demokratie an Attraktivität. Kann es sein, dass sie einfach besser werden muss: entschlossener, schneller, effizienter?
Den letzten Zeilen des Artikels darf man einstweilen „privat“ nachgehen: allzu leichtfertig wittert man heute den Überwachungs-Staat überall und jammert besonders dort, wo man dem quer (oder queer) denkenden Individuum unbegrenzten Freiraum zugestehen will. Es lebt allerdings – bewusst oder unbewusst – immer innerhalb einer menschlichen Gemeinschaft, die dem Einzelnen auch Grenzen setzt.
Was ist überhaupt Individualität? siehe wieder zuerst bei Wikipedia: hier
Das Thema Demokratie ist „in“, aus gutem Grund. Noch einmal DIE ZEIT, aus dem Leitartikel von Peter Dausend, heute 8.5.24 :
„Emotionale Leere“!
Ergänzend „Lanz“ , gestrige Sendung heranziehen, u.a. mit Carlo Masala. Also vom 7.5.24 hier
Ab 12:00 Herfried Münkler: bestimmte öffentliche Äußerungen haben die Landschaft verändert. Zusammenhang: das Denkbare, das Sagbare und das Machbare…. Gaulands „Jetzt werden wir sie jagen!“ = Veränderung der politischen Sprache. Hat nichts zu tun mit dem Beratschlagen zwischen Regierung und Opposition im Bemühen um eine Lösung. Grund-Übereinkunft: Verzicht auf Gewalt in der politischen Auseinandersetzung, Demokratie = Austausch von Argumenten. Schlussphase der Weimarer Republik: Gewalt der Straße (geschickt von oben gelenkt: Goebbels), Wahlkämpfe um die Mehrheit im Parlament, während die Fähigkeit sich zur Wahl zu stellen immer mehr eingeschränkt wurde durch körperliche Bedrohung. Da sind wir am Wendepunkt. Keine Einzelfälle, dahinter stecken Entwicklungsrichtungen, die die Demokratie grundsätzlich in Frage stellen. 15:18 Carlo Masala: Ich werde bedroht, regelmäßig. (z.B…. um ihm zu zeigen, was die Ostdeutschen über Kriegstreiber denken.) Verrohung der politischen Sprache. Es betrifft vor allem die Rhetorik. Die Delegitimierung, Dehumanisierung von Menschen.
Der AfD-Mann macht sich dieses Gefahrenbewusstsein sogleich zueigen, und endet mit dem ironisch gemeinten Slogan“Man finde den Fehler!“ (Trump-Sprech siehe SZ-Beitrag u.a. über den Dialog bzw. Wahlkampf-Duell mit Hillary Clinton Wie man sich gegen Donald Trump behauptet von Peter Modler 6.3.24 im Link unter „Presse“ der SZ-Link).
Bei 52:49 stellt Lanz dem AfD-Mann Lucassen die Frage „Kennen Sie Matthias Moosdorf?“ Der ist im April von einer Moskaureise zurückgekommen, einer der wenigen, die überhaupt noch ganz entspannt nach Moskau reisen können, also keiner von uns hier könnte das. Aber Herr Moosdorf kann das, hat ganz offene Gesprächskanäle. Wie finden Sie das? – Lucassen: Ich war selbst überrascht, das in der letzen Fraktionssitzung zu erfahren…
Um wen es sich handelt, muss ich unter Musikern nicht lange erklären: siehe hier.
Zum Dialogverhalten in Talkshows sagte Wolfgang Thierse etwas sehr Richtiges:
„Wehe, wenn ein Politiker mal fünf zusammenhängende Sätze sagt“
In solchen Polittalkshows werde das Gegeneinander forciert, kritisierte Thierse. „Herr Lanz ist ein Prototyp dafür“, fügte er hinzu. „Wehe, wenn ein Politiker mal fünf zusammenhängende Sätze sagt. Da muss er dazwischenkommen und ihn so lange piesacken, bis er dann den falschen Halbsatz gesagt hat, den er dann als Mühlstein um den Hals gehängt bekommt.“
Quelle (zitiert nach): t-online-Nachrichten 11.05,24
Einerseits will ich nicht meine frühe 1960er-Zeit aufwärmen, mit den damals verschlungenen Werken von Alan W. Watts über Zen-Buddhismus (rde) und „Mann und Frau“ (Dumont), andererseits endet der Anreiz von Zen auch heute nicht, wenn ausgewiesene Denker dahinterstehen und ihn in ihre Philosophie einschließen, wie Byung-Chul Han, der im westlichen „System“ gleichermaßen zu Hause ist.
Als ich 2008 auf dem durchaus westlichen Wege Rüdiger Safranki las, seine bewunderswert ausführliche Antwort auf die Frage „Wieviel Wahrheit braucht der Mensch?“, freute ich mich über eine mir aus der „asiatischen Philosophie“ bekannte Geschichte, mit der er ein chinesisches Bild vor Augen führte. Oder gerade nicht vor Augen: nach wie vor war es mir einfach genug, von dem Bild nur zu hören.
Woher er die Geschichte hatte, blieb also im Dunklen. Jetzt – plötzlich und unerwartet – wurde ich auf diesen Seitenweg zurückgeführt: durch die Klinik-Lektüre des Reclam-Büchleins von Byung-Chul Han! Darüberhinaus gemahnt an die Aufführung eines japanischen Noh-Spiels in der Kölner Philharmonie, und – Koinzidenz der Erinnerungsphänomene – durch die Mail eines getreuen WDR-Mitarbeiters, der gerade eine Gedenksendung anderer Thematik im WDR gehört hatte. Er hat selbst zum Thema Japan ungezählte luzide Radio-Sendungen gemacht, die – nicht nur – meinen Horizont erweiterten, auch den eines spezifisch interessierten Publikums, und so die Neugier auf ferne Welten weckten oder wachhielten. Und nun war alles wieder da! Ich las:
Ein Kreis war geschlossen. Zufällig mein letztes Jahr im WDR, ein Abend des Jahres 2005. Die unglaubliche Atmosphäre in der Kölner Philharmonie, die (nicht einmal) knisternde Stille, ein hörbares Nichts, ein atemloses Publikum, so hatte ich das noch nie erlebt (ausgenommen vielleicht in wenigen Quartett-Konzerten). Alldies mochte ich evozieren und durch Wissen vertiefen. Anhand eines einzigen großen Stückes IZUTSU und eines instruktiven Filmes, den das WDR-Fernsehen (Lothar Mattner) im Vorfeld produziert und gesendet hat. Hier ist er:
Mehr über den Autor des Filmes Thomas Schmelzer hier. Mystica TV (?). Zur Diskussion…
https://de.wikipedia.org/wiki/Izutsu_(N%C5%8D) hier (Wikipedia über das Noh-Stück „Izutsu“)
https://www.youtube.com/@nohtheatreexplained8410 hier (Übersicht über die Reihe, in der das folgende Stück vorkommt)
Folgt: die Aufführung in der Kölner Philharmonie (Informelle Aufzeichnung, copyright-geschützt)
Weitere Daten zur Aufführung in Köln von Heinz-Dieter Reese:
Phil-Ankundigung 28|10 Freitag 20:00 Uhr
Zwischen Traum und Wirklichkeit
Japanisches Nô-Theater mit dem Ensemble
der UMEWAKA KENNÔKAI FOUNDATION
NohPRGHEFT Freitag 28. Oktober 2005 20:00
Die Aufführung wird vom Westdeutschen Rundfunk für den
Hörfunk aufgezeichnet und am Sonntag, 12. Februar 2006,
20:05 Uhr auf WDR3 gesendet.
WDR3Buehne Radio06-02-12 Bühne: Radio 12.02.2006
Konnichi wa, Japan
Zwischen Traum und Wirklichkeit:
Nô- und Kyôgen-Theater mit dem Ensemble der Umewaka Kennôkai
Aufnahme vom 28. Oktober 2005 aus der Kölner Philharmonie
vorgestellt von Heinz-Dieter Reese
Die Realisation im Radio
Zugang zum Skript der Radiosendung von Heinz-Dieter Reese, mit der freundlichen Erlaubnis des Autors:
„In Japan wird das Singen im Nô-Theater gelegentlich mit unaru, mit Brummen bezeichnet. Dem liegt eine durchaus zutreffende Beobachtung zugrunde. Der Nô-Sänger achtet bei seinem Vortrag darauf, dass die komplexen Obertöne der Stimme im gesamten Körper resonieren. Dadurch wird die simple Melodik durch vielfältige Klangfarben bereichert. Es entstehen klare, helle Töne, dann wieder getrübte, dunkle Töne, die bald kräftig, bald weich erscheinen. So werden die szenische Atmosphäre, aber auch die verborgenen Gedanken und Gefühle der Figuren zum Ausdruck gebracht. Und das gilt für den Solo wie den Chorgesang.“
Mail-Mitteilung (15.11.2023) Heinz-Dieter Reese:
Zum Noh-Spiel “Izutsu” finden Sie auf meinem Kanal auch noch eine historische und eindrucksvolle professionelle Aufnahme (des NHK) mit dem legendären KANZE Hisao aus den 1970er Jahren, die ich komplett deutsch untertitelt habe:
Quelle Isaac Stern (mit Chaim Potok): Meine ersten 79 Jahre / Gustav Lübbe Verlag Bergisch Gladbach 2000
Der große Geiger war 1979 in China, er berichtet darüber in Kapitel 24 (Seite 353 bis 365), und der Film über seine musikalische Reise wurde weltberühmt, man kann ihn auf Youtube abrufen: hier.
Das Buch ist hochinteressant, nicht nur für alle, die Violine spielen. Ich habe es erst jetzt kennengelernt und mit den letzten Seiten angefangen, erschütternde Zeilen, der Alptraum eines alternden Künstlers, real:
Die wachsenden Schwierigkeiten, die ich in den letzten Jahren mit der Bogenführung hatte, haben mir einige unglückliche und schlimme Situationen beschert. Manchmal konnten meine Finger den Bogen nicht mehr halten und ich mußte die Faust um ihn schließen. Ein- oder zweimal fiel mir der Bogen sogar aus der Hand. Wegen der Schmerzen im rechten Daumen und Zeigefinger hielt ich es für eine Arthritis. […] Mit Erscheinen des Buches werde ich das Ergebnis wahrscheinlich bereits kennen. Ich bete zum Himmel und hoffe von ganzem Herzen, daß es positiv ist.
Das Buch erschien in den USA 1999, 2 Jahre später starb er. Der Wikipedia-Artikel spart auch Schattenseiten nicht aus ( hier ). Ich selbst habe Isaac Stern in der Kölner Philharmonie bei einem Streichquartett-Workshop erlebt, als Vorsitzenden einer Art Jury, fand es furchtbar, wie die jungen Leute behandelt wurden und habe darüber in einer WDR-Sendung berichtet.
Kein Wunder, dass diese Musik wie Dvorak klingt, wenn sie mit westlichem Zuckerguss ausgestattet wird, und bei offiziellen Gelegenheiten wird sie Stern nicht anders präsentiert bekommen haben, das ist der Zauber der chinesischen Pentatonik plus Tschaikowsky-Flair. Nicht „ungeachtet der pentatonischen Skalenstruktur“ muss es heißen, sondern dank dieser Struktur, die Dvorak schon im ersten Klaviertrio präsentierte und zwanglos mit der Musik „Aus der Neuen Welt“ amalgamieren konnte. Wäre Isaac Stern ein einziger Ausflug in die alte Chinesische Oper möglich gewesen (z.B. in Hongkong), hätte er andere Worte über die menschlichen Stimme als Vorbild gewählt. Heute könnte man auch ein Kapitel hinzufügen über die Nachahmung oder Übertreibung der westlichen Mimik und Gestik beim Musizieren. Es hat metaphorischen Wert, wenn der Flügel am Ende die Musik, um die es angeblich geht, auto-matisch produziert. Erkennen Sie die Ähnlichkeiten und die Unterschiede in den folgenden Musikaufnahmen? Hoffentlich wird es Ihnen am Ende nicht zu bunt bunt oder einfach zu lang lang. Im folgenden Erhu-Solo können Sie die oben wiedergegebenen Noten mitlesen, wenn Sie wollen. Danach folgt dieselbe Melodie, more „colorful“,- oder ist es inzwischen eine ganz andere geworden?
Zur Instrumentenkunde: ab 0:25 die Wölbbrettzithern CHENG, ab 0:44 und 1:11 die Laute PIPA, ab 1:36 die drei Damen vorne links mit der chinesischen „Geige“ ERHU.
Also: von Anfang an. Das Heft liegt da und will „bearbeitet“ werden. Ich möchte einfach protokollieren, wie ich vorgehe. Als erstes das Online-Material herunterladen. (Ich habe im Beispiel den Code abgeschnitten, man sollte ja schon das Notenheft im Original besitzen.) Nur dann hat es Sinn, sich dem „wahren“ chinesischen Klang anzunähern. Und sich mit Hilfe der Noten gerade von der sklavischen Einübung des Notentextes zu lösen… denke ich.
Ich entdecke in der Liste ein Stück, das mir gut bekannt ist, ich werde es als erstes überprüfen. Allerdings bemühe ich jetzt nicht die LP von 1977, mit der ich vor Jahrzehnten das chinesische Hören (?) geübt habe, siehe hier, weil Ihnen damit nicht geholfen wäre. Und auch ich möchte mich natürlich nicht in denselben Geleisen wie damals bewegen.
Noten Nr. 15 Abschied am Yangguang (Anfang). In der zugehörigen Trackliste ist es als Nr. 12 abrufbar (auf der Geige gespielt). Ich bin erschüttert, wie schwächlich es klingt im Vergleich zum kostbaren Original, das ich in Erinnerung habe. So darf man es auf der Geige nicht anbieten, so ermuntert man auch keinen Anfänger. Der sollte also unbedingt das Original kennen oder es sogar als Ideal im inneren Ohr präsent haben. Die Vortragsbezeichnung espressivo ist natürlich absurd. Im Chinesischen Kontext gelten andere Espressivo-Regeln als im Belcanto.
ZITAT Manfred Dahmer (aus einem Gesprächskonzert im Beethovenhaus Bonn)
„Vor Urzeiten schuf der mythische Herrscher Fu Shi die Qin, um damit vor Leidenschaften und vor Falschheit zu bewahren. Und den Ausschweifungen vorzubeugen und den Menschen so zu kultivieren, dass er so zurückkehre zu dem , was seiner wahren Natur entspricht.“
Das sind große Worte für diese kleinen Töne. Sie stammen aus dem Jahr 300 nach unserer Zeitrechnung. Und Sie müssen sich nicht wundern, wenn diese Töne hier nicht emphatische Gefühle hervorrufen, denn das war zu allen Zeiten so. Von allem Anfang an, als die Qin berühmt wurde unter den Weisen, unter den Gelehrten, da gab es immer die Klage: es gibt keine Zuhörer. Die Zuhörer verstehen diese Musik nicht, und – Sie können es sich vorstellen – man kann damit nicht große Begeisterung erzeugen.
Es gibt eine schöne Geschichte bei Yetze (?), einem alten Philosophen, da gibt es einen Qin-Spieler, der hat einen Zuhörer, Boya hieß der Qin-Spieler, und Chong sechi war der tolle Zuhöer, der Zuhörer, der ein Che- yin de (?) war, einer, der die Töne weiß, der die Töne kennt. Und wenn Boya spielte und seine Gedanken waren dabei bei einem hohen Berg, dann sagte Chong sechi „wie toll, wie du das machst, so groß und majestätisch wie der Berg Tayjan!“ Und wenn Boya spielte, und seine Gedanken waren bei den Wellen, beim Wasser, dann sagte Chong sechi: „Wie großartig du das machst, wie das Fließen des Yangtse!“ Und dann geschah das Unglück, der Zuhörer starb, und Boya zerriss die Saiten seiner Qin und spielte nicht mehr.
Also da haben Sie das beste Beispiel dafür, dass Qin-Musik nicht ankam… Und das können Sie verallgemeinern: die chinesische Musik kommt nicht an, unsere Ohren wollen, dass wir ganz zuhören, dass wir ganz dabei sind, wie vorhin bei diesem kleinen Zitat: Hören, das man nicht nur mit den Ohren tut, es muss das Herz sein, aber die Musik lässt das nicht zu. Die Augen lassen es zu, wir genießen Gemälde, wir genießen die Metaphern, die Bilder der alten chinesischen Dichter, wir genießen natürlich die Bauwerke, die uns heute noch zugänglich sind, wir genießen die Teppiche. Wir genießen noch viel mehr die Seide, aber die Musik ist immer ein Stiefkind geblieben und die Musik der Qin sowieso. Es gab vor 25 Jahren in China keinen, der auch nur ahnte, was eine Gu-Qin ist; wenn man dieses Wort aussprach, dann hieß es: Ah, Gu-Zheng! Gu-Zheng kannte man, das ist die große Wölbbrettzither, mit den vielen Saiten, wo man großartige Arpeggi machen kann, aber nicht den einzelnen Ton, der plötzlich wichtig wird. Dieser einzelne Ton, der soviel Konzentration erfordert.
Wir, die Barbaren, wir dürften eigentlich gar nicht die Qin hören. Wir dürften eigentlich gar nicht die Qin spielen, denn es gab schon früh einen ganzen Regelkanon, wo man gesagt hat, wer darf die Qin spielen? wo darf man sie spielen? wer darf überhaupt zuhören, also Barbaren waren an erster Stelle natürlich nicht erlaubt, aber man durfte spielen in der Natur, wenn wir einen Gingko-Baum draußen sehen, man durfte spielen an einem Wasser, man durfte spielen auf einem Berg, und man durfte spielen auf einem Boot. [..,] Wer durfte zuhören? Jemand, der ein Trinde (?) war, der die Töne kannte. Also der sich ganz auf dieses – wir können es negativ sagen – auf dieses primitive Instrument einlässt; denn es ist nicht ein Instrument, das auf Fragilität, das auf Feinheit gebaut ist, wie unsere Geigen, die nach Jahrhunderten dann am besten klingen, sondern es ist ein Instrument, was ungeheuer grob gebaut ist, aus dicken Holzschichten gebaut ist, und es ist ein Instrument, das nur wenig Klang erzeugt. Wertvoll ist an diesem Instrument auf jeden Fall nur das Alter, das ist das Wichtigste, das wollte man zu allen Zeiten, man hat sie so gebaut, dass dieser Lack dieser Instrumente – viele Schichten sind da drauf – dass der nach hundert Jahren anfing zu reißen, und zwar zuerst in dieser Richtung reißt, sogenannte Drachenzungen, Drachenlippen, dann reißt er auch noch quer, nach 300 Jahren, und dann sieht er aus wie Pflaumenblüten, d.h. das Instrument ist ein wertvolles Instgrument, so wie es die alten Weisen waren, die dieses Instrument gespielt haben. Bis hinauf zu den Philosophen, die Dichter bis hinauf zum Herrscher. – Kommen wir zu einem dieser berühmten Stücke auf der Qin, , das in der Tang-Zeit seine Wurzeln hat, diesem Stück liegt ein Gedicht von Wang Wei zugrunde, und das Qin-Stück heißt: Yangguang san die – Abschied an einem Sonnenpass, und zwar in drei Wiederholungen. Wang Wei, er war einer dieser großen Dichter, von dessen Gedichten man sagt, sie seien Gemälde, und von dessen Gemälden man sagt, sie seien Gedichte. Also einer, der alles konnte, und natürlich konnte er auch Qin spielen. Es geht aber hier um ein politisches Lied, auch wenn das im Gedichttext, im Liedtext, nicht ganz zum Ausdruck kommt.
Morgenregen hat den leichten Staub der Stadt benetzt / vor dem Gasthaus stehn die Weiden jetzt in frischem Grün / bitte trinke du noch diesen Becher Wein zuletzt / ohne Freund wirst vom Sonnenpass du westwärts ziehn.
Das ist also ein Abschiedsgedicht, vo einem, der an einer dieser mörderischen Exkursionen teilnehmen musste, die die Tang-Kaiser organisiert hatten, um das Land und die äußersten Grenzen im Westen und im Norden abzusichern. Also ein Abschied auf Nimmer-Wiedersehen. Ein trauriges Lied, ein trauriges Gedicht, man muss es aber zwischen den Zeilen lesen.
Für dieses Lied muss man die Qin umstimmen, das kennen diejenigen unter Ihnen, die Gitarre spielen, also eine sogenannte Scordatura, eine Saite stimmt man um, und man kommt zu einer ganz anderen Tonart. Die Qin ist pentatonisch gestimmt, die Töne (aufsteigend): C D F G A C D ohne Halbtöne, das ist der Zauber, das ist auf der anderen Seite auch die Langeweile der chinesischen Musik, es gibt keine Leittöne für die, die unsere europäische Musik kennen, es gibt nicht den Akkord, der zu einer Auflösung hinstrebt, sondern es gibt immer Töne, die in sich ruhen, die in sich fertig sind, die in sich eine Einheit bilden. Der Einzelton ist viel wichtiger als der melodische Ablauf wie bei uns in der Romantik.
Quelle CD zum Buch: Manfred Dahmer: QIN Die klassische chinesische Griffbrettzither / MedizinischLiterarische Verlagsgesellschaft Uelzen 2003 / ISBN 3-88136-222-3 / Die dem Buch beigefügte CD enthält einen Mitschnitt des Konzertes vom 31. Mai 2003 im Kammermusiksaal des Beethovenhauses Bonn / Niederschrift JR 7.9.2021
Leider gab es damals noch keine Youtube-Veröffentlichung, so dass man Dahmers Vortrag mit Musik nicht im Internet abrufen kann. (Auch in meiner Abschrift können noch Fehler stecken!) Glücklicherweise kann man andere Versionen der „Originalmusik“ heute leichter finden, zum Beispiel im Wikipedia-Artikel https://en.wikipedia.org/wiki/Guqin hier
Auschnitt aus der im vorhergehenden Link gegebenen Seite; rechts sieht man die Musikbeispiele, die man anklicken kann, das erste, mit Yangguang Sandie bezeichnete Stück ist das gesuchte. Im Notenheft als Nr. 15 „Three Variations on Yangguang“ aufzufinden.
Jetzt erst entdecke ich, dass man in dem oben gegebenen Link bei Discogs, hier nochmals, die Musik der ganzen LP abhören kann, siehe im folgenden Bild rechts unten. Und zwar gleich zu Anfang das Stück Yangguang Sandie !!!
⇐⇐⇐ nicht hier, nur im Orig.Link!
Die Frage nach alldem könnte lauten: soll ich es überhaupt wagen, solch ein Stück auf der Geige zu spielen? Gewiss, – ich sollte nur nicht denken, ich könnte es. Wenn ich das spüre: dass es so nicht geht, bin ich vielleicht schon auf dem richtigen Weg…
(… und könnte immerhin näher beschreiben, weshalb es misslingt, – festgemacht an dem irreführenden Ausdruck espressivo)
* * *
Ich wage es, weil die chinesischen Musiker selbst eben auch adaptieren. Wie man gleich in unserm neuen Notenheft lesen kann, wenn es um berühmte Ch’in-Stücke in der Wiedergabe auf dem Streichinstrument Erhu geht. Ein Beispiel dazu folgt dann auf dem Fuße:
Im Notenheft als Nr. 13 sieht man „The Moon Reflected on the Second Springs“, in den Klangbeispielen Nr. 11, auf der Erhu gespielt. Zur weiteren Erkundung rufe man den Wikipedia Artikel https://musictales.club/article/erhu-fiddle-melody-recorded-blind-abing-spread-worldwide-revealing-composition-methods hier auf. ABING ist der Name, den man sich merken muss. Darüber später mehr. Man sieht zunächst folgendes Bild:
Der Anfang der Notation im Heft:
Im Wikipedia-Text kommt etwas weiter unten zum ersten Klangbeispiel, und dabei handelt es sich genau um dieses eben genannte Stück „The Moon Reflected on the Second Springs“, es ist genau dieselbe Aufnahme, die in den online-Beispielen abrufbar ist, gespielt auf dem Original-Instrument Erhu.
Auf dieselbe Spur kommt man, wenn man dem Namen ABING nachgeht: siehe hier.
Noch direkter und spezieller hier: https://chinablog.cc/best-erhu-masterpiece-ever-moon-reflected-on-second-spring/
Nebenbei erkennt man im Text unschwer den Namen Jonathan Stock, der auch auf unserem Notenheft steht…
zitiert aus dem J.Stock-Buch s.u.
Jetzt käme noch einiges, was man sich dabei denken kann. Also die Assoziationen, visuell getönte oder literarische. Aber wenn man sich gerade in der westlichen Musik-Interpretation das allzu blumige Umschreiben des musikalischen Verlaufes abgewöhnt hat, und den Kampf um und gegen die Programmmusik in den Knochen hat, die stetige Versicherung, dass die gute Musik natürlich ohne Programm auskommt (seit Beethoven: „mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei“), dann wollen wir zunächst einmal aufhören, irgendwelche äußeren Merkmale aufeinander zu beziehen und zu vergleichen.
Wundern wir uns nicht, dass auch bestimmte andere Geschichten sich ständig wiederholen, etwa von dem Ch’in- (oder Qin-) Meister Boya, der einen einzigen adäquaten Zuhörer hatte, mit Namen Zhong Ziqi. Das erspart einem natürlich alle altklugen Reden. Wie sollte unsereins denn die Chance haben, ein ernstzunehmender Zweithörer zu werden?
Unbeirrt weitergehen auf dem Weg des allmählich Durchblicks – andere Beispiele:
Tr.4
Das klassische Stück LUI SHUI „Flowing Water“ mit guqin master Pui-Yuen Lui 7:08
Folgt: dasselbe Stück, analysiert in einer anderen Interpretation (Wu Wenguang) 4:30 (statt 7:08), die Analyse ist aber auch auf Pui-Yuen Lui anwendbar.
CD I Tr.14 4:30
Quelle: Excursions in World Music ISBN-13:978-0-13-188785-5 Kapitel „The Music of China“ von Isabel K.F.Wong Seite 88-133 dazu CDs Chapter 4 Nr. 14-23 / mehr Info über das Buch hier
Das Interesse an Fernost entstand in meiner Jugend (Japan „Etenraku“):
Hongkong:
Lesen: Mao Kulturrevolution hier Hongkong Autonomiestatus u.a. hier
Um heute deutlich einen Schritt weiter zu kommen als damals, wäre es angeraten, folgendes Buch zu studieren, und immerhin 1 Kapitel ist mir dank Internet zugänglich.
Es ist nicht meine Sache, ich will nur mein Gewissen beruhigen. Mein Glück ist: ich bin nicht jung genug. Und – es hat auch keinen Sinn, ironisch zu sprechen. Noch weniger: zu schweigen. Tua res agitur:Hier, hier und hier.
Klimakrise
«Da muss man doch einfach mal sagen: Schluss!»
Der ETH-Forscher Reto Knutti kann der Klimapanik durchaus etwas abgewinnen – aber Probleme löse man damit nicht. Im Interview spricht er über den Sinn von Klimamodellen, auftauende Methanblasen und den verflixten Permafrost.
WOZ: Herr Knutti, diesen Sommer gab es erneut rekordhohe Temperaturen, schwere Stürme und Brände rund um die Arktis. Sehen wir hier die Folgen der Erderhitzung? Reto Knutti: Grundsätzlich ist der Mensch der dominante Faktor in der langfristigen Klimaveränderung. Am offensichtlichsten zeigt sich das an der globalen Erwärmung und am Anstieg der Meeresspiegel. Je mehr wir jedoch auf die lokale Ebene oder auf Extremereignisse fokussieren, desto komplizierter und schwieriger wird es, eine Verbindung zu schaffen. Es ist nicht das Einzelereignis, das als Folge des Klimawandels in einen direkten kausalen Zusammenhang gerät – es ist die Änderung der Häufigkeit solcher Extremereignisse. Weiterlesen HIER
Warum schweigen wir? Siehe Fritz Habekuss DIE ZEIT Jahresrückblick 2019 1. Dezember 2019 Seite 34 Dichter am Gipfel ZITAT:
Als Reporter für Umwelt und Natur ist man dramatische Nachrichten gewohnt. Es vergeht kein Tag, an dem ich mich nicht damit beschäftige, in welchem Zustand sich Ökosysteme befinden, wie schnell die Vielfalt von Tieren und Pflanzen um uns herum schwindet und was die Gründe dafür sind. Doch als am 6. Mai der Weltbiodiversitätsrat der Vereinten Nationen (IPBES) seinen Bericht vorstellt, muss ich schlucken. Dieses Dokument zu lesen, das zusammenfasst, was wir über den Zustand der Natur auf unserem Planeten wissen, ist grausam.
Eine Million Tier- und Pflanzenarten sind bis zum Ende des Jahrhunderts vom Aussterben bedroht. Seit Beginn der Neuzeit sind mindestens 600 Wirbeltierarten ausgestorben. Mehr als 90 Prozent der Fischbestände werden maximal befischt oder überfischt. Bis zu 400 Millionen Tonnen Müll landen jedes Jahr in Flüssen und Meeren. Die Liste ist sehr lang, die Aussage klar: Der Mensch gefährdet das Überleben vieler Populationen und Arten auf dem Planeten – und damit auch sein eigenes.
Die Nachricht müsste Veränderungen oder sogar Panik auslösen, aber nach ein paar Tagen ist sie wieder aus den Schlagzeilen verschwunden. Shifting baselines nennen Ökologen diesen Vorgang. Der Mensch gewöhnt sich an einen neuen Normalzustand und richtet dann seine Bewertung daran aus. Nicht an dem, was üblich war. Auch im Bericht des IPBES spielt dieses Konzept eine Rolle.
Nachtrag zu Reto Knutti (aus der WoZ): Der 46-Jährige ist Professor für Klimaphysik an der ETH Zürich. Er forscht und lehrt zu den Hintergründen und Folgen der Erderhitzung und beschäftigt sich insbesondere mit der Frage, wie die Projektionen von Klimamodellen noch zuverlässiger gemacht werden können. Seit 2001 arbeitet Knutti an den Klimaberichten des Weltklimarats IPCC mit, im fünften und bislang letzten Sachstandsbericht von 2013/14 gehörte er zu den HauptautorInnen.
China. Ich weiß nicht mehr genau, in welchem Jahrzehnt es war, Ende der 70er, oder eher 80er Jahre, da kam ein türkischer Journalist in mein WDR-Büro und zeigte mir eine Reihe schöner Fotos: er wollte mich auf seine Vorfahren in China aufmerksam machen: die Uiguren und ihre alte Hauptstadt Kaschgar. „Mein Name selbst sagt, dass ich zu ihnen gehöre, versicherte er“: Yüksel Ugurlu. Nur den Nachnamen habe ich behalten, weiß nicht einmal, ob er damals eine Sendung für mich gemacht hat, ich fürchte, er hatte keine Musikaufnahmen und verstand auch nicht viel von Musik, aber er sprach mit Begeisterung, so dass ich es nie vergaß, ohne zu wissen, was aus ihm wurde. Heute, nachdem ich durch äußeren Anlass daran erinnert werde, kostet es mich einen Klick. Hier. DER SPIEGEL 30.11.2019 Seite 82 Bernard Zand: Schaut auf Xinjiang Essay Titel: „Von allen verstörenden Seiten des modernen China ist das Vorgehen gegen die Uiguren die verstörendste. Der Westen darf das unmenschliche Lagersystem nicht tolerieren.“ ZITAT […] ein Leben in Xinjiang ist gefährlich. Wer mit den falschen Leuten, gar mit Ausländern redet, wer die falschen Bücher liest, falsche Websites öffnet oder falsche Gedanken äußert, kann in derselben Nacht noch verhört oder eingesperrt werden. Hunderttausenden, wahrscheinlich mehr als einer Million Menschen ist es so ergangen. Peking hat im Stammland der muslimischen Uiguren einen Überwachungs- und Bestrafungsstaat errichtet, wie ihn die Welt so noch nicht gesehen hat. Soweit der SPIEGEL. In Sforzato-Sprache. Ich kann es nicht beurteilen, ich war nie dort… Habe aber gestern Abend die Sendung ttt gesehen, deren bräsigen Moderator ich schwer ertrage, ganz besonders, wenn er sich zur Musik aufschwingt (gestern in Gestalt der steilen Thesen des David Byrne) – aber die Bilder arbeiten subkutan weiter: HIER .
Das mangelnde Vorstellungsvermögen / Was mich sonst noch bewegt, ohne dass ich resignieren muss: es betrifft auch die sich – womöglich – vermindernden Fähigkeiten, die man zum eigenen Besten nicht leugnen sollte. Oder doch: Schweigend agieren und kompensieren.
Neue CDs: Johannes Kreidler „Piano Music“ mit Martin Tchiba / Dieterich Buxtehude Complete Organ Works mit Harald Vogel / Luigi Nono, Salvatore Sciarrino „Parole e Testi“ mit der Schola Heidelberg und dem Ensemble Aisthesis Leitung Walter Nußbaum / Hören Sie zunächst dies (ohne es lauter zu stellen, – sage ich in Ihrem eigenen Interesse), schauen Sie einfach zu, und vergessen Sie nicht, es am Ende auszuklicken: Hier! Es istnicht Martin Tchiba, der spielt.
In der Geschichte der Menschheit hat es einen derart rasanten Aufstieg – eher ist es eine Rückkehr – wie den chinesischen der vergangenen 30 Jahre noch nicht gegeben. Längst finanziert China andere Staaten, ohne Fragen nach Demokratie und Menschenrechten zu stellen: Der alte „Washington Consensus“ wird durch den „Peking Consensus“ ersetzt. Das chinesische Modell fasziniert Nachahmer, weil die Partei so geschlossen entschlossen wirkt und die chinesische Gesellschaft so jugendlich, beweglich, Start-up-gierig. Die westlichen Gesellschaften altern; viele Bürger sehen, dass ihre Löhne nicht mehr steigen, dass Bildung, Wohnraum und Gesundheit unerschwinglich werden, dass die alte Lehre, ein steigendes Bruttoinlandsprodukt bedeute Wohlstand für alle, nicht mehr stimmt.
Die These, unsere Demokratie sei ein Endpunkt der Entwicklung, war größenwahnsinnig: Solange es etwas zu verteilen gibt, hat es jedes System leicht. Seit elf Jahren hat die Freiheit weltweit abgenommen. Von 195 Staaten sind nur noch 87 frei, 59 teilweise frei, 49 sind unfrei. Die Türkei und Russland haben sich aus dem Kreis der Demokratien verabschiedet, Polen und Ungarn scheinen zu folgen, die USA schlingern. Darum sollte allen in Berlin, nicht nur der FDP langsam klar werden, worum es geht.
Quelle DER SPIEGEL 23.11.2017 Seite 8 Leitartikel Ein Beben im Zentrum Europas Die Berliner Regierungskrise und der Siegeszug der Autokraten. Von Klaus Brinkbäumer
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REDEBEITRAG in einer Talkshow (Wörtliche Niederschrift 1.12.2017 JR)
Davon bin ich überzeugt. Wir müssen keine Angst vor China haben, wir müssen erstmal Angst um China haben. Ich bereise das Land seit ’95, zunächst als Asienkorrespondent des STERN, jetzt aber schon seit über 10 Jahren als Romanschriftsteller. Ich hab eine Trilogie geschrieben, drei Romane, die in China spielen, und bin jedes Jahr zwei, dreimal dagewesen, um für die Bücher zu recherchieren, und natürlich ist es unglaublich überwältigend, wenn Sie da sind Das erste Mal, als ich da war, da gab es kaum Hochhäuser, da fuhren die Leute alle mit dem Fahrrad, die Züge waren langsam und unbequem, heute ist China der größte Automarkt der Welt, es hat die meisten Hochhäuser, (VW macht die Hälfte seines Gewinns in China!) es ist so mächtig geworden, wenn es dort Probleme gibt, dann merken wir das hier auch. Darum müssen wir Angst um China haben, denn wenn es da zur Krise kommt, – und ich bin überzeugt, da kommt es zur Krise -, dann merken wir das hier ganz deutlich. (Warum kommt es dort zu einer Krise?) Ich glaube … wie gesagt, immer wenn ich hinfahre, die ersten zweidrei Tage bin ich überwältigt, weil wieder neue Hochhäuser, wieder neue Flughäfen, unglaublich, was die da schaffen, (die schaffen es wenigstens, so etwas fertig zu kriegen, n Flughafen) also: Und dann rede ich mit Menschen, ich bin ja , ich bin ein Geschichtensammler, ich reise durch das Land mit ner Freundin und nem Freund, und wir treffen Menschen und wir reden, ich höre zu, ich kucke hin, ich erzähle eine kleine Geschichte, die glaube ich sehr viel illustriert 42:33:
Wir hatten auf der letzten Reise … , da habe ich meinen letzten Roman „Am andern Ende der Nacht“ habe ich recherchiert, war drei Wochen unterwegs und wir trafen einen Freund meiner Freundin, wir saßen beim sehr teuren Franzosen, und die Flasche Wein, das ging bei tausend Dollars los. Der bestellte gleich eine, die war so lecker, dass wir dann gleich noch eine getrunken haben, und ein Herr Mitte sechzig, unglaublich freundlich, jovial, und der erzählte mir seine Geschichte, die gar nicht so untypisch war für das heutige China, der hatte vor über 40 Jahren aufm Bau angefangen, als Bauarbeiter, das boomte, es wurde gebaut und gebaut, heute, 40 Jahre später, besitzt er Einkaufszentren, besitzt er Hochhäuser, Hunderte von Eigentumswohnungen, ich weiß nicht, der hatte bestimmt 60, 70, 80 Millionen, das erzählte er, und auch voller Stolz, das war sehr beeindruckend natürlich, und irgendwann, mitten im Gespräch, fragt er mich, ob ich ihm einen Gefallen tun könnte. Ja selbstverständlich, du bist so nett hier, du lädst uns ein, du erzählst, womit kann ich dir behilflich sein? Ja, könntest du mir helfen, nach Deutschland auszuwandern? Was?! Er sagte: ich habe ein großes Problem. Ich bin 65, meine Frau auch, und wir haben ein behindertes Kind, das ist dreißig, ein Sohn, und der ist Autist. Er lebt bei ihnen, sie kümmern sich um ihn; er sagt, er weiß nicht, was mit diesem Kind passieren soll, wenn wir mal nicht mehr da sind. Ich sage: Gibt’s hier keine Heime? Ja, natürlich gibt’s hier Heime, aber keins, wo du dein Kind hingeben kannst. Sagt ich: Ja, du hast viel Geld, was ist mit privater Pflege? Ja, ich könnte meinem Kind 10 Menschen rund um die Uhr, jeden Tag bis an sein Lebensende, in einem kleinen Palast mit goldenen Wasserhähnen, – ich hab aber keinen Menschen, dem ich vertrauen kann. Dass die nichts mit dem Jungen machen, wenn wir nicht mehr da sind. Hat er keine Geschwister, frag ich. Ne, hat er nicht, aber weißt du, aber wenn er welche hätte, denen könt ich auch nicht vertrauen. Wer weiß, in welche Familien die reinheiraten, und was die dann machen. Und er hatte gehört, dass in Deutschland, Schweiz und Neuseeland, das waren die drei Länder, hatte er gehört, denen könne man vertrauen, da könne man sein Kind in eine Institution geben, man weiß, man stirbt vorher, und das Kind wird dann nicht umgebracht wegen des Geldes. Da dacht ich, das ist ja unglaublich, dieser Mann hat soviel Geld und findet in diesem großen Land kein Heim, keinen Menschen, dem er sein Kind anvertrauen kann. (Das heißt, Sie reden über fehlendes Vertrauen, darum geht’s, was ja ein wichtiger Kitt in der Gesellschaft ist…) Ich glaube, ein ganz, ganz wichtiger Kitt. Kein Vertrauen und eine ständige Angst (Zusammenhalt auch) Zusammenhalt! Ich war jetzt in Venedig grad, mit meiner Frau und meiner Tochter, wir drängelten und überholten ständig diese teuren Wassertaxis, da waren lauter Chinesen da drin. Alles, mit diesen teuren Handtäschchen, da ist unglaublich viel Geld mittlerweile, das sieht beeindruckend aus, wieder, und da musst ich an ein Abendessen denken bei einer Recherche, da saß ich mit 10 Chinesen so Mitte fuffzich zusammen, alle kamen in diesen teuren Luxuslimousinen vorgefahren, alle hatten wirklich – ich will gar keine Markennamen nennen – also es war ganz viel Geld im Raum. Und die waren selbstbewusst, die waren in London gewesen, in Paris gewesen, und ich dachte, das ist das moderne China, wie sie sich gerne präsentieren. Und dann habe ich meinen Freund, der das Ganze für mich organisiert hat, das ging mir so durch den Kopf: Sag mal, ihr seid alle so selbstbewusst, ihr seid sehr reich, aber wenn die Regierung es will, dann kann sie euch über Nacht alles wegnehmen, und ihr könnt nichts dagegen tun, ja? Stimmt das jetzt oder übertreib ich? Ne, sagt der, das stimmt!
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Was das für ein Lebensgefühl sein muss: eigentlich immer Angst haben zu müssen. (Hm, Vertrauen, ja! Sie haben auch mal angerissen die Geschichte eines Mannes, der – und da geht’s ja auch um Vertrauen – der letzten Endes seinen eigenen Vater verraten hat. Was ist das für eine Geschichte?)
Ja, das ist eigentlich, nach unsern Maßstäben, würd ich sagen, ein Großteil Chinas ist ein traumatisiertes Land. Also, was haben die in den letzten 60 Jahren miterlebt, an Revolution, Konterrevolution, an politischen Verfolgungen, die ??revolution (furchtbar!), und das ist auch so eine geschicht. Das ist ein Mann, den habe ich kenngelernt, wir fingen uns so an anzufreunden, n bisschen älter als ich, und da habe ich gedacht: das wäre der Botschafter des modernen Chinas. Der war erfolgreich, Rechtsanwalt, der war in der Welt umhergereist, kannte klassische Musik, schätzte er, wusste, was n guter Bordeaux-Wein ist, also – kultiviert, unglaublich! Und dann saßen wir mal zusammen in seiner Kanzlei, in Shanghai, er hatte über dreißig Angestellte, und mein Vater war grad gestorben, ich erzählte von meinem Vater, und plötzlich war dieser große Mann ganz still, und ihm rannen die Tränen über die Wangen. Ich sagte, was ist los? Habe ich was Falsches gesagt oder war…, da sagte er: Mein Vater ist auch tot. Ist er grad gestorben? Mein Beileid. Nee, sagt er, der ist schon lange tot, er ist ermordet worden während der Kulturrevolution von den roten Garden. Weil er heimlich Konfuzius gelesen hat. Aber woher wussten die roten Garden, dass dieser Mann heimlich zuhaus Konfuzius liest? Erzählt mir mein Freund, der Rechtsanwalt: Von mir! Ich war selber Rotgardist, ich hab zu ihnen gesagt – ich war dabei, als sie kamen – ihn abgeholt haben und vor dem Haus auf der Straße totgeprügelt haben. Und das Schlimmste, erzählte er, damals hab ich gedacht: es geschieht ihm recht!
Und mit dieser Scham zu leben – er hat gesagt: du siehst mich hier, erfolgreich, und du würdest nie glauben, es gibt Tage, da bleib ich im Bett, weil ich mich vor lauter Scham nicht aus dem Haus traue. Ich kann meinen eigenen Anblick nicht ertragen. Und das ist so… das erzählt so viel über eine Gesellschaft (absolut!). Das ist natürlich – das muss man dazusagen, das ist jetzt nicht… ähnliche Geschichten hat es hier in Deutschland vor 80 Jahren gegeben, da hat’s auch die Kinder gegeben, die erzählt haben, was der Papa über den großen Führer erzählt hat, und das Ende wissen wir. Aber der Umgang damit! Da darf eben nicht darüber diskutiert werden. 48:24 Da gibt’s keine Talkshow, wo jemand sagte: Ich habe diesen Mann getötet, es tut mir unendlich leid, ich schäme mich dafür! Das ist da alles tabuisiert. Und das macht das so gefährlich. (Und das wird ja restriktiver, nach allem, was ich lese und höre…Man hat von außen das Gefühl, da öffnet sich grade was, die sind unterwegs, man trifft sie in allen Teilen der Welt usw. und ist nicht so wild, und interessanterweise – das fällt mir auch immer auf in der deutschen Außenpolitik – wir entdecken bei Erdogan immer die Menschenrechte, aber in China kucken wir großzügig über viel hinweg. Das passt alles nicht so zusammen, aber das nur am Rande. Und es scheint offenbar immer restriktiver zu werden, weil dort ein Regime ist, das Angst hat vor dem eigenen Volk…?) Natürlich! Sie vertrauen ihren Leuten nicht, und die Menschen vertrauen ihrem Regime nicht. Nein, das ist ja kein Zeichen von Stärke, wenn du anfängst, einen Menschen immer mehr zu überwachen, immer restriktiver zu werden. (Baum: Sie haben ein ganz wichtiges Wort gesagt: Angst müssen wir haben – UM China. Was können wir tun?) Auf jeden Fall müssen wir ganz selbstbewusst unsere Werte verteidigen, weil dafür respektieren sie uns. Dafür beneiden … wie oft ist mir gesagt worden, wie ich beneidet werden kann, dass ich in einem Land lebe, in dem ich keine Angst haben muss. Wo man der Polizei, der Justiz, der Presse vertrauen kann, auch wenn sie Fehler machen, natürlich, aber das sind keine Systemfehler, es sind individuelle Fehler. Vertrauen, das ist mir da erst bewusst geworden, was für ein Privileg das eigentlich ist. Und das versuche ich natürlich, gerade weil wir so wenig über China wissen, versuche ich das natürlich in die Geschichten, die ich sammle, versuche ich in die Romane einzubauen, damit wir da etwas lernen… (Allerletzte politische Frage noch zu China: wie schaut man von China aus auf Donald Trump? Ich hab Kommentare gelesen beim letzten Besuch, da wurden ja unglaubliche Milliarden-Deals besprochen und auch abgeschlossen, und in einem Punkt schrieb dann jemand: In Wahrheit verachten sie ihn.)
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Also ich denke, sie verachten ihn, und sie können natürlich ihr Glück gar nicht fassen, der serviert ihnen ja Asien auf dem Silbertablett, das ist, die müssen ja aus dem Champagnertrinken gar nicht rauskommen! (Also sozusagen die Abkehr dieser pazifischen ??? der mal sagte, unsere Zukunft liegt im Pazific und nicht unbedingt so sehr in Europa / Baum: Aber vielleicht sollten wir fragen: wie sehen sie uns denn? Als Europäer oder als Deutsche?) Also wir werden – was ich erlebt habe – unglaublich respektiert, bewundert als natürlich die Führungsmacht, und die wissen so viel über uns, das war toll, also ich hab mit Chinesen gesprochen, die wussten das Geburtsdatum von Franz Beckenbauer auswendig, und manche konnten Teile unserer Nationalhymne vorsingen, (sprechen Sie Mandarin?) also ich spreche, aber nicht so, dass ich diese Interviews, die unglaublich komplex sind, alleine – deshalb reise ich immer mit chinesischen Freunden, die das übersetzen, aber die mir auch die Kultur übersetzen, weil es manchmal Antworten gibt, die … wo ich denke: wie kann man auf die Frage solche Antworten verstehe ich gar nicht, den kulturellen Hintergrund, die verstehn den, und der wird mir dann erklärt. (Also mein Eindruck ist also in China, die haben einen gewissen Respekt vor uns…) Absolut. (Das ist natürlich auch eine Möglichkeit auch der Einflussnahme, nicht? / Klar!) Ja, die Einflussnahme, und da geht es natürlich über das Geld. Da müssen wir vorsichtig sein, glaube ich. (deswegen .. dem großen Bellheim, den kaufe ich mir einfach mit meinem Geld. Um es mal freundlich zu formulieren. Burma ist so’n Herzensthema von Ihnen, Sie haben gerade so ein grandioses schönes Buch gemacht: „Das Geheimnis des alten Mönchs. Märchen und Fabeln aus Burma.“ Wieso haben es Ihnen diese Fabelmärchen so angetan, und was ist der Unterschied zu dem, was wir von Grimms Märchen so kennen? 52:01)
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BURMA
Also ich fahr auch nach Burma seit 1995, und das hat mich so berührt, bewegt, das Land, die Menschen dort, dass zwei meiner Romane dort spielen, Herzenhören und Herzenstimmen, und während der Recherchen zu meinen Büchern wurden mir soviel Geschichten erzählt, Fabeln, Parabeln, ich hab die immer fleißig aufgeschrieben, dann habe ich eben gedacht, vielleicht kann ich sie für einen meiner Romane verwenden, eins kam dann auch vor, ich hab zwei Notizbücher voll mit solchen Geschichten gehabt. Und dann hat mich im letzten Jahr so eine amerikanische Autorin angesprochen 52:29 , die auch so viel Geschichten hat, ob wir nicht ein Buch daraus machen sollen, dann hab ich meinen Sohn angerufen, der lebte damals in Burma, weil er da mal als Freiwilliger Englisch unterrichtete in zwei Waisenhäusern, und dann hat der sich umgehört, in Klöstern, in Waisenhäusern, in Schulen, dann haben wir gesammelt, und merkt ich, diese Geschichten – ich bin eigentlich kein Märchen-Fan, es gibt ja so Liebhaber, aber das bin ich nicht, die Geschichten sind so anders, sie sind zum Teil so lustig, so voller Zärtlichkeit, (und die kommen nicht so mit dieser Moral!) genau! (ohne diese moralische Keule, sag ich mal), die haben ne ganz andere .. entweder keine Moral oder ganz pfiffige Lösungen (pragmatisch!) …. (nennen Sie mal ein Beispiel!) Ich erzähl Ihnen mal eine meiner Lieblingsgeschichten. Es geht um einen kleinen Jungen, der heißt Pu und seinen Freund, das ist ein Tiger, und die beiden sind so (zeigt: Finger überkreuz = ganz eng), spielen jeden Tag miteinander, aber eines Tages wird der Tiger gefangen, in dem Dorf, wo der Junge wohnt, weil sie Angst vor ihm haben. Er sitzt dann im Käfig und keiner traut sich, ihn zu töten, sie denken: der wird sowieso bald verhungern und verdursten, wir lassen ihn einfach im Käfig. Und jeden Abend geht der kleine Pu zu seinem Freund, und der Freund sagt: Mensch, du musst mich hier rausholen, hier verdurst ich aber, der Junge sagt: Das kann ich nicht, ich werde verhauen, ich werde aus dem Dorf vertrieben, das kann ich nicht. Aber nach ner Woche dann hat er doch Mitleid und macht die Käfigtür auf, das Tier springt raus, baut sich vor ihm auf, ich habe so einen Hunger, ich bin zu schlapp zum Jagen, ich muss dich fressen. Der Junge: das kannst du nicht machen, ich hab dich befreit, du schuldest mir Dankbarkeit. Ach was, Dankbarkeit, sagt der Tiger, also die streiten sich und irgendwann sagen sich die, wir müssen n Richter finden, der das entscheidet. Dann gehen sie in den Dschungel, da finden sie einen Totenkopf, von einem alten Ochsen. Dann reden sie mit dem, also wie ist das, schildern ihren Streit, und der Ochse sagt: Dankbarkeit? Ich hab mein Leben lang für meinen Herrn geackert und mich geplagt, ich hab alles geschleppt, bis ich alt und schwach war, dann hat er mich geschlachtet und gefressen, es gibt keine Dankbarkeit, der Tiger kann den Jungen fressen. Hab ich doch gesagt, sagt der Tiger. Sie gehen weiter und finden einen alten Banyanbaum, wieder schildern sie den Streit, der sagt: Dankbarkeit gibt’s nicht. Die Menschen ruhn sich bei mir im Schatten auf, aber wenn es sein muss, würden sie mich sofort fällen, – der Tiger kann das Kind fressen. Der Tiger will das Kind fressen, kommt n Hase vorbeigehoppelt. Also bitte! Einen letzten Richterspruch, bitte bitte, einmal noch. Der Tiger sagt okay, einmal noch. Sie schildern den Streit, und der Hase ist in den Märchen und Fabeln das schlaue, das weise Tier, der sagt: Hm, das ist ein ganz schwieriger Fall, – zeigt mir, wo er angefangen hat! Da es mitten in der Nacht war, gehen sie zurück zu dem Käfig, der Hase sagt zu dem Tiger: Also, wo, wo warst du? in einem Käfig? da geh mal wieder rein! Der geht wieder rein, sie machen die Tür zu. So, und jetzt zeig mir, Pu, wie du sie aufgemacht hast. Er macht sie dann nochmal zu, dann sagt der Hase: Stopp! Jetzt ist der Tiger drin, du stehst davor, alles ist wie vor dem Streit, also damit – ist er beigelegt. (Lachen, Beifall.) (LANZ: Schöne Geschichte, sehr zu empfehlen: Das Geheimnis des alten Mönchs. Märchen und Fabeln aus Burma.) 55:40
Quelle ZDF bei Markus Lanz zu Gast: Jan-Philipp Sendker 30. November 2017 (noch abzurufen bis 1.3.2018 HIER
Zufriedene Gesichter allenthalben.
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Ich muss sagen: ich wäre als Kind nicht ganz zufrieden gewesen, denn der Käfig ist ja der Ort, in dem der Tiger zugrunde gehen sollte. Die Anfangssituation lag doch zeitlich weiter davor: als die beiden, der Junge und der Tiger, noch draußen miteinander spielten.
Aber ich glaube, hier soll vor allem der schlaue Mechanismus gezeigt werden, wie das gefährlich gewordene Tier überlistet wird.
Nichts gegen die Brüder Grimm: auch dort gibt es ähnliche Mechanismen: wenn z.B. der Bauer mit dem Teufel wettet. Das eine Mal verspricht er dem Sieger alles, was über der Erde wächst – und pflanzt Kartoffeln an, dem andern bleibt das schlappe Grün. Das nächste Mal soll des Teufels sein, was in der Erde reift, – und sät Korn, so dass dem Teufel die Stoppeln und die Wurzeln bleiben.
Und auch Richard Wagner hat seinen Trick aus der Märchenwelt:
Richard Wagner: Der Ring des Nibelungen – Das Rheingold 3. Szene / aus: Richard Wagners Musikdramen / Edmund E.F. Kühn Globus Verlag Berlin W 66 (1914)
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WIE WAR DAS NOCHMAL MIT DEM GLYPHOSAT? Siehe FAZ unten. Sehr sehenswert auch die Behandlung in der HEUTE-SHOW. Siehe HIER. Ab 9:41 ! „Glyphosatan“ Schmidt. „Es geht natürlich um die Stimmen der Bauern in Bayern.“ Bis 15:40.
Und das Deutschland-Märchen aus China? Zum Thema VERTRAUEN in der Politik gab es am 1. Dezember, dem Tag nach der oben behandelten LANZ-Sendung, als sei es abgesprochen, noch einige aufschlussreiche Beiträge, und zwar in der Sendung ASPEKTE. Siehe HIER. Gleich ab Anfang (0:25) !VERTRAUEN! in der Politik? Die Philosophin Rebekka Reinhard ab 1:39 Werbefachmann Stefan Wegner ab 2:00 der Philosoph Julian Nida-Rümelin ab 2:30 und der GRÜNEN-Politiker Hans-Christian Ströbele ab 5:35 live im Studio bis 11:30.
Aber dann schnellstens noch zu FAZ heute hier. GLYPHOSAT-STREIT: Die Wahrheit wird degradiert Von Joachim Müller-Jung / aktualisiert am
Kurzes ZITAT FAZ
Der politische Alleingang des christdemokratischen Bundeslandwirtschaftsministers in Sachen Glyphosat entwickelte sich im Laufe dieser Woche zu einem gewaltigen Lustkiller. Jetzt hat endgültig keiner mehr Lust aufs Koalieren. Gleichzeitig wünschen sich alle wie närrisch ein „Zukunftsbündnis“, so wie die saarländische christdemokratische Ministerpräsidentin, die damit den Streit um die Zulassungsverlängerung für das Unkrautvernichtungsmittel wenigstens etwas ausbremsen wollte. Der Vertrauensverlust beim Volk, den der Gebrauch solch realitätsferner Phrasen und die strategischen Scharmützel auslösen, wird dabei offenbar billigend in Kauf genommen.
hart aber fair HIER !!! Ranga Yogeshwar bei 19:oo Krefelder Studie u.a., Achtung ab 27:00 Schmidt über Termin 12. Dezember, „Neonicotinoide“ greifen an im Gehirn und verändern die Orientierungsfähigkeit der Bienen. In den Haaren der Kongressteilnehmer Spuren der Gifte!
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Und wenn man noch einmal gründlich studieren will, wie sich Chrsitisan Schmidt aus der Verantwortung seiner Glyphosat (mit Blick auf eine späteres, höheres Ziel?) herauszuwinden sucht, der sehe auch noch den ersten Teil der Lanz-Sendung mit ihm (und Dirk Steffens) HIER.
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Privater Blick zurück
Wie begann unser Artikel? So: „In der Geschichte der Menschheit hat es einen derart rasanten Aufstieg – eher ist es eine Rückkehr – wie den chinesischen der vergangenen 30 Jahre noch nicht gegeben.“ Und so auch bei mir (um es scherzhaft zu sagen): 1987-2017
Scheint es dennoch dunkel wie tiefes Wasser zu verharren.
Ich weiß nicht, wessen Sohn es ist,
Ein Bildnis dessen, was früher als Gott vorhanden war.
***
Soviel vom Traum. Und nun das Leben, das damit übereinstimmen sollte.
Das schmale Buch, in dem der obige „Vers“ steht, lag mir so am Herzen, dass ich daraus den Haupttext für die Berliner Aufnahmeprüfung ausgewählt und abgeschrieben hatte. Obligatorisches Nebenfach: Sprecherziehung. Drei Seiten, von denen ich hier zwei wiedergebe, die dritte folgt gegen Ende des Blog-Beitrags:
Quelle Laotse / herausgegeben von Lin Yutang / Fischer Bücherei Frankfurt Hamburg Juni 1955
Im gleichen Buch die Kommentare und Texte von Tschuangtse, daraus folgendes Zitat:
„Was bei Laotse Philosophie war, wurde beim jüngeren Taoisten oft Dichtung.“
Zugleich sollte man erwähnen, dass manche Kapitel Laotses nach heutigem Ermessen keinen philosophischen Sinn ergeben, sondern einer Beschwörung gleichen. Zum Beispiel das, dem diese poetischen Ausführungen Tschuangtses zugeordnet sind. Ich weiß nicht, ob ich mir damals meine Ratlosigkeit eingestanden habe. (50. DIE BEWAHRUNG DES LEBENS). Auch dieser Text sollte samt den Anmerkungen des Herausgeber Lin Yutang folgen. Heute (nach Lektüre seiner Wikipedia-Biographie) würde ich sagen: er war eben Schriftsteller, kein Philosoph. Man sollte aber wohl Laotse auf gleichem gedanklichen Niveau behandeln wie etwa Aristoteles oder Nagarjuna.
. . . . . .
Wie hätte ich das damals verstehen können (oder heute)? Etwa durch die Anmerkungen auf Seite 215? / Anm.129 „Nach Han Fei sind es die vier Glieder und neun Körperöffnungen. Eine andere anerkannte Lesart lautet: ‚Drei Zehntel‘, aber das ergibt keinen Sinn. / Anm. 130 Wörtlich ‚todlos‘.“
Eine andere Übersetzung (Richard Wilhelm):
Kapitel 50
Ausgehen ist Leben, eingehen ist Tod.
Gesellen des Lebens gibt es drei unter zehn,
Gesellen des Todes gibt es drei unter zehn.
Menschen, die leben
und dabei sich auf den Ort des Todes zubewegen,
gibt es auch drei unter zehn.
Was ist der Grund davon?
Weil sie ihres Lebens Steigerung erzeugen wollen.
Ich habe wohl gehört, wer gut das Leben zu führen weiß,
der wandert über Land
und trifft nicht Nashorn noch Tiger.
Er schreitet durch ein Heer
und meidet nicht Panzer und Waffen.
Das Nashorn findet nichts, worein es sein Horn bohren kann.
Der Tiger findet nichts,
darein er seine Krallen schlagen kann.
Die Waffe findet nichts, das ihre Schärfe aufnehmen kann.
Warum das?
Weil er keine sterbliche Stelle hat.
Eine unbeschreibliche Begeisterung erfasst mich, wenn ich dann – nach ein paar weiteren Klicks im Internet (vor allem dank Wikipedia hier) – auf eine weitere Übersetzung stoße und zwar innerhalb einer riesigen wissenschaftlichen Arbeit über Laotse (Laozi)… Kleine Frage am Rande: Wäre ich eigentlich damals, vor 60 Jahren, als ich auf Laotse stieß, bei der Musik geblieben, wenn auf dem Klavier oder Geigenkasten griffbereit ein Laptop gelegen hätte? (Ich glaube: ja! Denn manches in meiner Entwicklung hätte weniger Umwege gekostet.)
Quelle Ansgar Gerstner: Eine Synopse und kommentierte Übersetzung des Buches Laozi sowie eine Auswertung seiner gesellschaftskritischen Grundhaltung auf der Grundlage der Textausgabe Wang-Bis, der beiden Mawangdui-Seidentexte und unter Berücksichtigung der drei Guodian-Bambustexte. Dissertation Universität Trier, 2001.
Merkwürdig: zwar verfügte ich damals über kein Internet, natürlich nicht, besaß aber seit Dezember 1962 die Diederichs-Ausgabe (Übersetzung und Einleitung von Richard Wilhelm!!!), seit Februar 1963 die Manesse-Ausgabe (Übersetzung und Kommentar von Victor von Strauß). Ich hätte die Neuanschaffungen neben das alte, zerlesene Exemplar legen und vergleichen können; sie tragen aber kaum Gebrauchsspuren. Ich könnte also heute die Feinarbeit nachleisten, die ich damals unterließ:
Ich zitiere aus dem zweiten Büchlein, und zwar unvollständig, um gezwungen zu sein, es immer mal wieder hervorzuholen:
Quelle LAO-TSE: TAO TÊ KING Aus dem Chinesischen übersetzt und kommentiert von Victor von Strauß / Bearbeitung und Einleitung von W-Y.Tonn, ehemaliger Professor für Chinesische Sprachwissenschaft Tsinan Staats-Universität, Schanghai / Manesse Verlag Bibliothek der Weltliteratur / Zürich 1959.
Der dritte Zettel Tschuangtse für die Prüfung…
Die Prüfungskommission der Berliner Musikhochschule am 12. April 1960 gegen 12.30 Uhr fand den Text gut gelesen, meinte aber, nachdem ich auch noch zwei Trakl-Gedichte vorgetragen hatte, dass für einen jungen Mann, der ins Studium eintrete, vielleicht doch eine positivere Stimmungslage in Frage käme. Ich traute mich nicht, den Hinweis zu geben, dass Trakl mir viel bedeute, obwohl – nicht weil – er ein Mann etwa meines Alters war, als er die Gedichte schrieb, und bei seinem Tod immer noch.
***
1. September 2017
Ein letztes Kapitel, das ich vielleicht unter dem Stichwort Entzauberung subsumieren könnte. Die Behandlung Laotses durch Lutz Geldsetzer, vorab seine ernüchternde Übersetzung desselben Kapitels:
50. Geborenwerden ist ein Eintritt ins Sterben. Die Menge der Lebendgeborenen ist drei von zehn. Die Menge der Totgeburten ist drei von zehn. Die Menge der Menschen, die am Leben bleiben und die vom Tod bewegt werden beträgt auch drei von zehn. Warum ist das so? Weil diese für ihr Leben lebenskräftig sind. Nun hört man, daß es welche gibt, die das Leben gut meistern. Auf Landreisen sind sie nicht auf Nashörner und Tiger gestoßen. Als sie ins Heer eintraten, sind sie nicht durch Panzerung und Waffen verletzt worden. Das Nashorn hatte Nichts, um sein Horn hineinzustoßen. Der Tiger hatte Nichts, um seine Pranke hineinzuhauen. Der Soldat hatte Nichts, was seinen Schwerthieb erdulden mußte. Und warum? Weil für sie Nichts zum Sterben da-war.
Aus den hermeneutischen Vorbemerkungen:
Den bisher in westlichen Sprachen vorliegenden etwa 250 Übersetzungen des Dao De Jing noch eine weitere hinzuzufügen, erscheint überflüssig und etwas verwegen. Das Unternehmen, das wohl meistübersetzte Klassikerwerk Chinas noch einmal in philosophischer Perspektive zu überprüfen, muß sich durch seine Ergebnisse und Vorschläge rechtfertigen.
Sie verdanken sich dem in langen Jahren des Studiums fernöstlicher philosophischer Literatur gewonnenen Verdacht, daß „fernöstlicher Geist“ und insbesondere der sog. Lao Zi keineswegs so mystisch und dialektisch-spekulativ, ja irrational sind, wie man das im Westen gerne hätte. Und dieser Verdacht hat sich dem Verfasser ebenso auch bei den ältesten abendländischen Denkern bestätigt, etwa bei Heraklit und Demokrit, die man – nach Hegels Wort – nur vernünftig anschauen muß, um auch bei ihnen Vernunft zu finden. Wenn etwa Demokrit über zwei „Archai“, nämlich das „Volle der Atome“ (das Sein) und das „Leere“ des Raumes (das Nichts) als ersten Ursachen aller Wirklichkeit nachdenken konnte und daraus Folgerungen für ein (bis heute in der Naturwissenschaft exhauriertes) Weltbild ziehen konnte, dann sollte man etwas Vergleichbares auch einem chinesischen Denker zutrauen. Von solchem Zutrauen ist die vorliegende Übersetzung ausgegangen.
Das Dao De Jing ist nun allerdings eine „heilige Schrift“ nicht nur der Daoisten, sondern Chinas schlechthin, ebenso wie die Bibel im Abendland. Die Heilige Schrift des christlichen Abendlandes hat viele Entmythologisierungen überstanden, und sie ist daher den Gläubigen noch immer die Offenbarung Gottes, den Ungläubigen aber ein wertvolles historisches Dokument über den Bewußtseinszustand einer alten Kultur.
Das Dao De Jing ist dagegen niemals „entmythologisiert“ worden, weder in China noch im Westen. Dazu war der Respekt, den die chinesischen Gelehrten dem alten Werk und seinen ältesten Auslegern entgegenbrachten, zu hoch. Bei vielen westlichen Sinologen ist das Vertrauen darauf, daß die Chinesen selbst am besten wissen könnten, was der Sinn der alten Schrift sein müsste und könnte, ebenfalls zu hoch. Und so folgen sie gewöhnlich bei allen schwierigen und dunklen Stellen noch immer den Spekulationen des Wang Bi und des Zhuang Zi und den selbst in deren Nachfolge stehenden chinesischen Kollegen. Das westliche Bild vom Dao De Jing – und von chinesischer ältester Weisheit insgesamt – ist daher bis jetzt „mythologisch“ geblieben. Dunkelheit und Tiefe, Paradoxien und Schwierigkeiten, meist in poesiehafter Verbrämung dargeboten, sollen das Wesen des so „fremden östlichen Denkens“ und seiner in Metaphern schwelgenden Spekulation kennzeichnen.
Quelle Lutz Geldsetzer: Lao Zi Dao De JingEine philosophische Übersetzung nach dem Text der Ausgabe in: Zhu Zi Ji Cheng (Sammlung aller Philosophen) Band 3, Zhong Hua-Verlag, Beijing 1954, Anfang / Lehrmaterialien aus dem Philosophischen Institut, Forschungsabteilung für Wissenschaftstheorie, der HHU Düsseldorf. Im Internet: HIER.