Archiv für den Monat: September 2024

Ein neuer Blick auf Pompeji

Die Tiefe der Zeit

Das neue Buch, das ich Berthold Seliger verdanke, verbindet sich aufs wunderbarste mit einer Reihe starker Eindrücke, die bis in meine Gymnasialzeit zurückreichen und sich erst jetzt allmählich in etwas Gegenwärtiges,  Lebendiges verwandeln. Hoffentlich nicht nur, weil es vom Untergang handelt.

5.9.2024

Gabriel Zuchtriegel: Vom Zauber des Untergangs / Was Pompeji über uns erzählt / Propyläen Ullstein Verlage Berlin 2023

Erinnerung an die frühen Siebziger

Perlentaucher hier

Zitate

(NZZ) Für den Rezensenten Hans-Albrecht Koch blitzt in Gabriel Zuchtriegels Buch über Pompeji die Frage auf, was wir aus der Vergangenheit lernen können. Der Direktor der Ausgrabungsstätte bei Neapel überzeugt Koch mit ungewöhnlichen Perspektiven auf die Katastrophe am Vesuv und ihre Folgen. So widerlegt der Autor laut Rezensent nicht nur bisherige Annahmen zu den Geschehnissen vor 2000 Jahren, sondern liefert auch einen frischen Blick auf die Archäologie und ihre Aufgaben und Ziele.

(Die Welt) Eine rundum gelungene Auseinandersetzung mit dem Faszinosum Pompeji liest Rezensent Jonas Greth bei Gabriel Zuchtriegel, seit 2021 Direktor der Ausgrabungsstätte. Zuchtriegel verknüpft Einlassungen zur antiken Lebenswelt klug mit eigenen, gegenwärtigen Überlegungen, ohne einen allzu konstruierten Gegenwartsbezug herzustellen, freut sich Greth. So erfährt der begeisterte Leser, dass Sexualität um 79 n. Chr. nicht nach der geschlechtlichen Orientierung, sondern nach der „Hierarchie von Aktivität und Passivität“ bewertet wurde und auch, dass sich immer noch neue Funde in Pompeji aufstöbern lassen. Einige der persönlicheren Passagen sind für den Rezensenten zwar etwas dick aufgetragen, aber der breit aufgestellten Erzählung mag er insgesamt doch gerne folgen, zeugt sie doch auch von einer großen, mitreißenden Liebe des Archäologen zu seiner Tätigkeit, lobt er.

Wie aber passt das in unsere heutige Zeit? Dumme Frage: durch die nachvollziehbare Lebendigkeit, die es ausstrahlt. Ist unsere Zeit das Maß aller Dinge? Ich habe es trotzdem einmal an einem antiken Beispiel einmal ausführen wollen…

Lebenslust Mozart

Was die Bücher von Gabriel Zuchtriegel und Tonio Hölscher innerlich verbindet, erfährt man im Vorwort des letzteren: sie kommen aus der gleichen altklassischen Schule, in der ein durchaus frischer Wind weht. Frisch? Ein jugendliches Lebensgefühl, tragisch getönt. Bezeichnend das Motto, das am Ende dieses Blogartikels kommentarlos wiedergegeben sei.

Tonio Hölscher: Der Taucher von Paestum / Jugend, Eros und das Meer im Antiken Griechenland / Klett-Cotta Stuttgart 2021

Als Moser noch modifizierte

DIE ZEIT vom 29. August enthielt ein langes, ein überlanges Interview mit der Sängerin Edda Moser, und darin ging es unvermeidlicherweise um ihren Vater, den berühmten Musikwissenschaftler, dessen neueste Bücher ich noch in den frühen 50er Jahren geschenkt bekam. Vergessen seine emsige Tätigkeit bis Kriegsende im Sinne einer musikalischen Rassenlehre. Aber die Tochter Edda Moser sollte doch davon gehört haben.

Wikipedia Hans-Joachim Moser HIER

Möglicherweise hat mein Vater das Lexikon erst nach dem Krieg (in Bielefeld) antiquarisch gekauft; es hatte offenbar seinen Wert für ihn behalten, obwohl er Moser aus Studienzeiten in Berlin kannte.

Eine Ahnung dessen, was sich wenige Jahre später abgespielt haben wird, erhält man, wenn man – immer empfehlenswert – bei Fred K. Prieberg im „Handbuch Deutsche Musiker 1933-1945“ nachliest. Auch das überarbeitete Moser-Lexikon hat sein Gesicht verändert.

Bei meinem Vater gab es nicht den Hauch eines Widerspruchs gegen den Zeitgeist. Ich erinnere, dass er sich über Mahler äußerte, der habe nur Kapellmeistermusik geschrieben. Von Schönberg würde in 100 Jahren kein Mensch mehr reden. Über Mosers „barocken Sprechstil“ sprach er belustigt, aber nicht ganz ohne Bewunderung. Es gab keine Tradition des Widersprechens, auch bezüglich etwa Franz Schrekers: das sei eine kurzlebige Blüte der 20er Jahre gewesen, und was habe man damals daraus gemacht! – Zitat Wikipedia:

Von den Nationalsozialisten als „entartet“ diffamiert, gerieten Schrekers Werke nach 1933 nahezu in Vergessenheit. Ende der 1970er Jahre setzte eine Schreker-„Renaissance“ ein, die bis heute anhält…

Damals (Moser-Lexikon):

Forschung in Nepal und …

. . . ZUHAUS.

(Wie alle Interessen sich biografisch zusammenfügen – ohne Harmonie und gegen alle Wahrscheinlichkeit.)

Ein Wendepunkt

Wo mir der Name zum ersten Mal hätte begegnen können (1988):

Gutschow!

Zugleich enthält das Vorwort alle Hinweise, die mich auf Distanz gehalten haben („Geisterglaube“). Der alte Widerspruch Adorno/Indien, der mich seit etwa 1960 beschäftigt.

Gert-Matthias Wegner (Info)

Ein letztes Wiedersehen mit Dhruba Ghosh in der Elbphilharmonie Hamburg

Indische Musik in der Elbphilharmonie

Nachruf im folker Nr. 5/2017

Niels Gutschow heute, der vielseitige Architektur-Forscher an seinem Arbeitsplatz

ZITAT

Vor gut einem Jahr erschütterte eine Erdbebenserie die Region am Himalaya. Das Epizentrum des stärksten Bebens, das sich am 25. April 2015 ereignete, lag in der Nähe der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu. Nach Schätzungen starben infolge der Erdbeben allein in Nepal fast 10.000 Menschen – die meisten davon in den Trümmern eingestürzter Bauten. Bei den Erdbeben wurden zahlreiche bedeutende Kulturgüter zerstört oder stark beschädigt – darunter auch mehrere der berühmten und zum Weltkulturerbe gehörenden Pagoden, Tempel und Paläste in den drei Königsstädten Kathmandu, Bhaktapur und Patan. Diese sollen nun nach und nach wieder wiederhergestellt werden. Gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt unterstützt die Gerda Henkel Stiftung mehrere Wiederaufbauprojekte in Nepal, unter anderen ein Projekt des Architekten, Denkmalpflegers und Bauhistorikers Prof. Dr.-Ing. Niels Gutschow. Wir haben ihn im Odenwald besucht.

Project
Two severe earthquakes hit Nepal on 25 April and 12 May 2015. Thousands of people lost their lives. Apart from the humanitarian disaster, the earthquakes also had a devastating impact on human cultural heritage. Numerous buildings of historical importance in Nepal were partly or completely destroyed, and a great many houses and temples collapsed and cannot be rebuilt. Since 1979 the architectural legacy of Kathmandu Valley has been a UNESCO World Cultural Heritage Site and even before the most recent earthquakes was greatly endangered by the population explosion, environmental problems, climate change, fires, and earlier earthquakes. From 2003 to 2007 Kathmandu Valley was on the List of World Heritage in Danger.

Immediately after the earthquake on 25 April 2015 the German Federal Foreign Office and Gerda Henkel Foundation decided to pool their resources to preserve and restore the cultural heritage of Nepal. The initiative aims to supplement humanitarian aid with measures that strengthen the country’s cultural identity. There is a very strong connection between the population and cultural heritage in Nepal; in many villages individual families tend to the local temple and integrate the temple’s gods into their everyday lives. There is a tradition of good relations between Nepal and Germany as regards cultural preservation. In the 1970s German architects, engineers, scientists and conservationists were the first members of a foreign state to begin restoring the cultural monuments damaged by the severe earthquake in 1934. In subsequent years, a great many projects were initiated. For example, in keeping with the promise German Chancellor Helmut Kohl made during a state visit in 1987, a temple lost in Bhaktapur in 1934 was reconstructed. It survived the quake of 2015 undamaged.

ZITAT = Einleitung zu dem folgenden Interview (dieses im Link live auf deutsch):

https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/gespraech_mit_niels_gutschow_ueber_das_leben_und_die_arbeit_eines_forschers_nepal?nav_id=7104&language=en hier

Ethnographische Episoden aus dem Leben des Forschers Niels Gutschow

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Und von Katastrophen einer anderen Welt

https://www.fr.de/kultur/ersehnte-katastrophe-11212310.html hier

https://www.zeit.de/1988/02/die-ersehnte-katastrophe/komplettansicht hier

In Deutschland hatte Adolf Hitler 1933 mühelos Städtebauer und Architekten mitziehen, wenn nicht gar mit reißen können. Wie viele Berufsverbände, so kam auch der Bund Deutscher Architekten der Gleichschaltung zuvor. Für die einen bedeutete dies Berufsverbot, die anderen bekamen Aufträge noch und noch. Als Hitler dann 1940 eine gigantische Inszenierung des scheinbar bevorstehenden Endsieges plante, kannte die Euphorie keine Grenzen. Nach dem Sieg über Frankreich im Juni 1940 – die Planer sprachen fortan von der Zeit „nach Compiègne“ – sollten nun die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Im selben Monat hatte Hitler verlangt: „Berlin muß in kürzester Zeit durch seine bauliche Neugestaltung den ihm durch die Größe des Sieges zukommenden Ausdruck als Hauptstadt eines starken neuen Reiches erhalten. In der Verwirklichung dieser nunmehr wichtigsten Bauaufgabe des Reiches sehe ich den bedeutendsten Beitrag zur endgültigen Sicherstellung des Sieges.“ München, Linz, Hamburg und Nürnberg sollten als „Führerstädte“ neu gestaltet werden, aber auch alle anderen Gauhauptstädte wetteiferten bereits im Bemühen, den „Sieg sicherzustellen“.

Deutschlands Planer und Architekten ließen sich von einer Welle der Begeisterung tragen, und es waren nicht nur die Großstädte, die eine städtebauliche Aufrüstung betreiben wollten. Für alle Bereiche der Planung… (Forts. siehe Link )

Autor: Niels Gutschow

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Neuerdings: Aus dem Literaturverzeichnis der großen Arbeit „Drumming in Bhaktapur“ von Gert-Matthias Wegner:

Aus der Geschichte meines Vaters

Nachricht über meinen Vater

Jahreszeiten – Lebenszeiten

Luftschlösser und Städtebau

Es hat mich immer interessiert, auf welchen Wegen die Familien der Reichows von Pommern nach Westdeutschland (Hamburg bzw. Westfalen) gekommen sind und wie sie an welchem Ort Fuß fassen konnten. Es gab eben dort oben „die Hamburger“ und hier unten „die Bielefelder“, die sich eigentlich durch das kleine Dorf Lohe bei Bad Oeynhausen definierten, aus dem meine Mutter stammte; es war unsere Anlaufstelle am Ende des Krieges. Wie es in Hamburg gelaufen war, fand ich in großen Zügen in einem Erinnerungsbuch, dass meine Cousine Daniela für ihre Familie geschrieben hat.

   

 

Da kommt also ein anderer Name ins Spiel, der eines Studienfreundes, der als Architekt in Hamburg fest etabliert war: Konstanty Gutschow, ein Glücksfall für die zuwandernde Familie, wenn auch, möchte man aus heutiger Sicht anmerken, eine Zumutung für die ansässige. Eine ausgreifende historische Reflexion von dieser Seite sähe wohl ganz anders aus. Die großen antipodischen Leitbegriffe könnten sein: „Stadtlandschaft“ und „Ordnungswahn“. Oder: von der allmählichen Neu-Orient-ierung…

(Fortsetzung folgt)