Archiv der Kategorie: Violine

Sibelius, Mozart und zwei Geiger

Thomas Albertus Irnberger

Kritik, die mich aufmerksam machte:

in: das Orchester April 2025

Wichtig erschien mir, dass hier neben dem Violinkonzert einige mir unbekannte Kammermusikwerke des Komponisten präsentiert werden. Dann der Hinweis auf das ausführliche Booklet, der aus meiner Sicht übertrieben ist, – es ist ja recht kurz und wie immer schlecht entzifferbar, daher empfiehlt sich ohnehin eine Kopie. Unverständlich auch die Beobachtung, „beim ersten Hineinhören“ falle einem die klare Tonumgebung (sic!) des Solisten auf, der nicht auf den „romantisch weichen Ton“ setze und „klangliche Härten“ betone. Ganz im Gegenteil: er verharrt in einem weichen Flautando und verbindet auch kleinere Sprünge mit sanften Glissandi, wie man es so konsequent noch nirgendwo sonst gehört hat (vgl. hier). Die Distanzierung gegenüber Attila Csampai ist überflüssig, wenn man selbst nur solche Allgemeinplätze entgegenzusetzen hat, wie z.B.: „Irnberger vernachlässigt oft die großen Spannungsbögen“,  „manchmal dominiert das Material und nicht der Geist“, und bisweilen sei „der Bogendruck so stark (…), dass die Geige nicht mehr mitschwingt“, das alles klingt – gelinde gesagt – etwas dilettantisch.

Ich höre zwar an den exponierten Stellen leichte Intonationsschwächen, insbesondere bei den hohen (gebrochenen) Oktavpassagen, etwa am Ende der Kadenz des ersten Satzes oder bei der Wiederkehr des zweiten Themas in der Reprise. Andererseits klingt vieles tatsächlich nur ungewohnt anders, in der Wechselwirkung der Violine mit den Solobläsern ungemein lebendig. Es sind eigentlich, trotz aller Wucht der Expression, kammermusikalische Qualitäten, die dann auch die Werke mit dem hervorragenden Klavierpartner Michael Korstick zu einem beglückenden Erlebnis machen. Für diese Entdeckungen bin ich dankbar, und ich freue mich darauf, die Aufnahmen des Duos mit den Beethoven-Sonaten näher  kennenzulernen. Sie werden sich von allem unterscheiden, was man von bekannteren Stars hören kann.

Text: Christian Heindl

*    *    *    *

Gerade wenn man sich ausgiebig mit Sibelius und der oben behandelten  Aufnahme beschäftigt hat, wird man vom kostbaren Klang und Charakter dieser Mozart-Aufnahme überwältigt sein. Und zwar vom ersten Takt der „Overture 2nd“ an, einem Fragment, das vielleicht zu einer verschollenen, für die Paris-Reise komponierten Sinfonie gehört. Goebel schockt uns vielleicht, wenn er angesichts dieses wundersamen Understatements im Pastorale-Ton folgendermaßen anhebt: „Die etwas einfältige langsame Einleitung …“ und dann von einer „captatio benevolentiae“ spricht, einem „Kotau vor den Erwartungen und rezeptiven Möglichkeiten der französischen Hörer der frühen Louis-XVI-Zeit“. Und danach: „Wir benennen das heute mit ‚das Publikum dort abholen, wo es steht‘. Warum sollte Mozart genau DAS nicht getan haben?“

Also eine der Provokationen, um deretwillen es auch Spaß macht, sich mit Goebels Texten auseinanderzusetzen. Und mit der Musik, um die es geht, dem Klang, dem Tempo und mit der Damaturgie seiner Programme. Denn es folgt das weithin unterschätzte oder gar unbekannte Violinkonzert (Nr.7 bzw. 6), gespielt von einem ebenfalls fast unbekannten, phänomenalen Geiger namens Tobias Feldmann. Der klare, durchsichtige Orchesterklang wirkt augenblicklich fesselnd, ebenso die blitzsaubere Solovioline, besonders wenn sie dann in höchste Höhen steigt, die in keinem der vorigen Konzerte so wie hier präsentiert wurden (man erinnert sich an den Effekt in Isabelle Fausts Locatelli-Aufnahme). Rein technisch verlangt und zeigt dies Konzert offensichtlich mehr als das vorhergehende in A-dur. Was einem merkwürdigerweise bei Henryk Szeryng gar nicht positiv auffällt, – Mozart-Routine.

Tobias Feldmann

Text: Reinhard Goebel

In der stilistischen Echtheitsfrage hält sich also auch Goebel im vorliegenden Konzert  einigermaßen bedeckt und beschränkt sich erstaunlicherweise darauf, die früheren, „echten“ Konzerte in ihrer Genialität zu relativieren. Wenn ich es etwas umformuliere: sie seien jedenfalls für die internationale Bühne nicht recht tauglich gewesen und hätten  außerhalb Salzburgs wohl eher Befremden ausgelöst.

Fragt sich, wo man hier das erste Mal aufhorcht, abgesehen von der vagen Erinnerung an das frühere D-dur-Violinkonzert mit seinem punktierten Rhythmus: der „falsche“ Einsatz der Solo-Violine auf dem Schlussakkord des Ritornells mit dem Horn-Quinten-Motiv, und wenig später der hohe gehaltene Ton, der etwas „wimmert“, während das Orchester seine Start-Thematik wiederholt, das hat man so noch nie gehört, zumindest: es irrtitiert. Es ist gut, den Anfang mehrmals zu hören, statt ihn als gegeben hinzunehmen. Und beobachten, wo die nächste Irritation wartet: die Violine in der Tiefe, mit ihren seltsamen Terzen, es klingt wie ein Spaß mit der Majestät des Tutti-Themas. Wieder eine leichte Irritation, wenn in den folgenden Abschnitten des Cantabile-Themas, der Solist plötzlich die Melodie in der höheren Oktave mitspielt, – ein wohlwollender Überschwang? Noch ehe das eigene Cantabile angestimmt wird?

Ein neuer Tag beginnt mit neuem, unbefangenen Hören, – und zwar die andere Aufnahme des Mozart-Konzerts unter Goebel, also die mit Mirjam Contzen. Etwas forscher im Tempo, und fülliger im Orchesterklang (vielleicht einfach mehr „Hall“), die Solo-Violine eher (zu) leise, den ersten Ton des Einsatzes (Doppelgriff) hört man kaum (bzw.nur, wenn man ihn schon erwartet), es bleibt dabei: sie ist schön, aber unterbelichtet. Was hat Goebel damals (2013) über dies (vielleicht nicht ganz echte?) Konzert geschrieben?

(Fortsetzung folgt)

Zu prüfen:

https://www.kultur-port.de/kolumne/klassik/19139-original-oder-faelschung-mozart.html hier

https://academicworks.cuny.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1410&context=yc_pubs hier

https://de.wikipedia.org/wiki/Violinkonzerte_(Mozart) hier

Leichter lesbar: Goebels Geigengeschichte

CD-Booklets, wie schön auch immer geschrieben, sind oft mühsam zu lesen, zu klein, zu farblos; und haben zudem – wenn doch frequentiert – die Neigung spurlos zu verschwinden. Da wollte ich mir (und Freunden) den Zugang erleichtern. Mit schneller Erinnerungsmöglichkeit (auch zum Anspielen) anhand der jpc-Quellen.

Alle Texte natürlich ©Goebel , hier wiedergegeben mit freundlicher Erlaubnis.

https://www.jpc.de/jpcng/classic/detail/-/art/la-cremona-italian-concertos/hnum/11183207 Hier

https://www.jpc.de/jpcng/classic/detail/-/art/la-cremona-2-konzerte-fuer-3-4-violinen/hnum/12164138 Hier

Mehr erfahren über Prof. Reinhard Goebel über Website: hier

Gegeigte Opernszenen

Nochmals zu Goebels Booklettext

Angesichts mancher Missverständnisse bei der gründlicheren Lektüre, ist meine These: die meisten Mozart-Fans geben sich zu wenig Mühe mit den Frühwerken, und Reinhard Goebel setzt zuviel voraus, verrät seine fabelhafte Kenntnis in Anspielungen. Man nimmt es hin, aber niemand folgt seinen Spuren (behaupte ich – und fange erst heute an).

Es geht um die beiden Violinkonzerte KV 207 B-dur und KV 211 D-dur, die noch nicht zu der berühmten Dreiergruppe zählen (in G, D, A), die insgesamt im Jahr 1775 entstanden sind. Von den anderen beiden gehört das zweite ebenfalls in oder vor die Dreiergruppe, ich behaupte einfach: als Lernstück; das erste aber in eine andere Zeit, wie Wikipedia sagt: Dieses Violinkonzert entstand im Frühjahr 1773 auf einer Italienreise Mozarts; es wurde am 14. April 1773 fertiggestellt. Siehe hier (mit Notenbeispielen). Noch einmal Wikipedia:

Vom 24. Oktober 1772 bis zum 13. März 1773 folgte die dritte Italienreise zur Uraufführung des Dramma per musica Lucio Silla (KV 135), die am 26. Dezember 1772 im Teatro Regio Ducal in Mailand stattfand. Während dieser Zeit komponierte er auch das Exsultate, jubilate für den Sopranisten Venanzio Rauzzini. Nach einigen Monaten in Salzburg folgte von Mitte Juli bis Mitte Ende September 1773 die dritte Reise nach Wien.[19] Im selben Jahr entstand sein erstes Klavierkonzert.

Goebel bezieht sich auf genau diesen Zeitraum, und ich wage zu behaupten, dass da, hier oder dort, ein kleiner Fehler vorliegt. Booklet Seite 5, unten linke Spalte:

Doch zurück ins Salzburg des Jahres 1773. Gleich im Frühjahr komponiete Mozart sein erstes eigenhändiges Konzert, das Konzert KV 207 in B-Dur für Violine. Es figuriert chronologisch falsch im Köchelverzeichnis, steht hinter den später entstandenen Konzerten für Klavier KV 175, Fagott KV 191 und dem Concertone KV 190, da sowohl Vater als auch Sohn an den ursprünglichen Datierungen manipuliert haben, so auch bei den Autographen der vier folgenden Konzerte, die wohl alle in einer Tour de force zwischen Juni und Dezember 1775 komponiert wurden.

Dann spricht Goebel vom Gebrauch „kriminaltechnischen Methoden“, die bei der Ermittlung der Datierung zur Seite standen. Da strecke ich die Waffen…

… zwischen Juni und Dezember 1775…, ja, wenn ich mit dem KV 211 beginne, aber da gerade von dem KV 207 die Rede war – da schien doch der 14. April 1773 gesichert – nach Wikipedia und wohl auch nach Goebel („Frühjahr“).

Worum es mir geht – und wo ich genau das lernen will, was Goebel so plausibei entwickelt, und was bei mir unter dem Stichwort Entwicklung der „Ereignisdichte“ haften blieb, das finde ich im Booklet ab Seite 7 rechte Spalte und betrifft die Anlage der Kopfsätze . . . – „ein wenig bieder noch im Konzert KV 211, stets riskanter, übermütiger und buffonesker dann in den Folgewerken.“ Ja ! wunderbar !

Aber irgendetwas war ja schwer zu begreifen, an der formalen Anlage der Kopfsätze, und Goebel gibt sich alle Mühe, den dramaturgischen (!) Aufbau dieser Sätze plausibel zu machen, nicht ohne die üblichen Fehlversuche zu brandmarken. Ich zitiere:

Um die formale Anlage dieser Sätze hat man lange weniger gerungen als vielmehr herumgeredet, entziehen sie sich doch aufgrund ihrer Kleinteiligkeit der klassischen Sonatensatz-Diskussion und dem damit verbundenen Wortschatz. Konrad Küster wies 1991 darauf hin, dass in einzelnen Bravour-Arien des Mailändere Lucio Silla aus dem Jahr 1772 das dem Wort der Dichtung verpflichtet folgende Form-Vorbild der Violinkonzert-Kopfsätze zu finden sei. Atmosphärisch war dieser repräsentative, darstellende, ja fast poykinetische Bühnen-Gestus wohlbekannt, aber anstatt ihn „auszuspielen“, wurde lange Zeit alles daran getan, dem zerklüfteten Material Glätte und Klassizität nicht nur einzuhauchen, sondern mit Gewalt aufzuoktroyieren: eine Quadratur des Kreises, die zu den wunderlichsten Verspannungen geführt hat.

Bezeichnet man Vivaldis Opern-Arien als gesungene Violinkonzerte, so sind Mozarts Violinkonzerte also „gegeigte Szenen“, die ein deutlich anderes Verhältnis zwischen Solist und Orchester fordern, als es beim „echten“ Violinkonzert der Fall ist. Im „solistischen“ Idealfall kann ohne Punkt und Komma durchgefiedelt und das Accompagnement von allenfalls zwei Violinen ohne Viola und Basso, geschweige denn Blasinstrument bis zur völligen Unhörbarkeit zurückgedrängt werden. Hingegen muss es selbst in den vokalen Hauptteilen einer Arie kurze, wohlgemerkt gesungene Ruhestellen geben, in denen das Orchester thematische Aktivität übernimmt, entfaltet und wieder zurückspielt:  es sind also immer wieder meist zweitaktige Einschübe mit Rollentausch zu finden. Ökonomischer und kunstvoller noch ist bisweilen die lang ausgehaltene Note, die mit einem messe di voce bzw. einem Triller verziert gleich zum Ereignis, vor allem aber auch zum Einstiegspunkt von höchstem dramaturgischen Effekt ist.

Autor: Reinhard Goebel im Booklet zu „MOZART 6 Concerti per il Violino“ mit Mirijam Contzen und der Bayerischen Kammerphilharmonie. OEHMS CLASSICS OC 862

Machen Sie die Probe aufs Exempel: die Oper „Lucio Silla“, und  daraus eine groß angelegte Sopran-Arie, die derartig von Leidenschaft und wechselnden Affekten überquillt, dass man kaum der Idee nachgehen mag, dass sie als Vorbild eines Konzertes für die feinsinnige Geige dienen könnte. Aber wieso eigentlich nicht? Wenn ein ganzes Orchester ihr Schützenhilfe leistet und im steten Wechselspiel die lebhaftesten Phantasien entfesselt. Hören Sie von 9:20 bis 16:40 und denken Sie sich eine durchdringende, aber edle Violine im Vordergrund, die alle hören wollen, weil sie wirklich etwas zu sagen hat… Nicht um die Lautstärke geht es, – es geht um Ereignisdichte.

Und dann hören Sie bitte in das Violinkonzert  KV 211, danach wieder die Arie, anschließend das Violinkonzert KV 218. Erkennen Sie, wie das vielteilige Gewebe entsteht und wächst?

Zu allem Überfluss muss ich noch zwei weitere Aufnahme heranziehen, mit dem (für mich unvergesslichen) Andrew Manze (2006), den ich an anderer Stelle schon ausgiebig gewürdigt habe, und mit der wahrhaftig unvergleichlichen Geigerin Isabelle Faust (2016). Obwohl ich keinen Augenblick versucht bin, ihr zuliebe das Mozartspiel von Mirijam Contzen zurückzustufen.

Was mich an der CD von vornherein besticht, ist die Beteiligung eines kompetenten Geistes, der in diesem Fall auch verantwortlich für die Kadenzen zeichnet, nämlich Andreas Staier. Bei Mirijam Contzen finde ich keinerlei Hinweis, – soll das heißen, dass sie selbst tätig wurde? Das wäre erstaunlich. Darüberhinaus gibt es hier auch einen in aller Kürze (!) lesenswerten und zuverlässigen Text von Florence Badol-Bertrand.

Andrew Manze

Siegfrieds Hornruf: nur Mut!

An die jungen Geiger und Geigerinnen…

Macht Euch die Lieblingsmotive (be)greifbar!

Siegfried am Wendepunkt (als tägliche Übung)

 

… und der Wendepunkt? im Untergrund: während in der Höhe der Zielpunkt erreicht wird.

Wendepunkt in Bachs E-dur-Partita (die bis Takt 16 um den Grundton E kreist, ihn als Start in der Höhe, als Zielpunkt in der Tiefe nutzend), und zwar in Gestalt einer mit Bewegungstechnik glänzenden Sequenz (die eine neue „Konsequenz“ fordert):

auf der Geige sind es wandernde Griffe, die vom Bogen auf regelmäßig wechselnden Ebenen in organischer, gleichbleibender Arm-Bewegung als Töne aneinandergereiht werden, – aber das ist leicht gesagt. Sind es Kreise oder in die Luft geschriebene 8-Figuren, deren Klarheit die absolut präzise 16tel-Folge gewährleisten? Wohlgemerkt: so präzise, dass sie sogar hinsichtlich der Akzente steuerbar ist (und nicht nur in einem gewohnten Tempo). Zuerst als Doppelgriffe, dann „aufgelöst“, dies auch üben und prüfen durch Erweiterung in wiederholten Zweiergruppen „oben“ und „unten“ (A-E-Saite / A-D-Saite).

Auch dasselbe mit A als Start- und Höhepunkt.

Kurdische Geige u.a.

Melodische Zellen erschließen (es ist nur ein Spiel). Sie können jedes andere Melodieinstrument verwenden, auch Ihre Stimme! Am besten ohne Zeugen.

Ein Beispiel in dem Band V „La Musique Arabe“ von Rodolphe d’Erlanger. Links die vollständige Skala des Modus, unterteilt in die Abschnitte, die der Reihe nach einzeln melodisch erschlossen werden. Darunter die Analyse und die Spielanleitung. Auf der rechten Seite die Darstellung einer möglich Entfaltung, soweit sie sich in Notenschrift darstellen lässt. Es empfiehlt aber , das was man tut, in Worten zu beschreiben, statt es in Notenschrift wiederzugeben, da es nicht wie eine detaillierte Übevorschrift genommen werden soll: man sollte sich an bestimmte Töne und Tonfolgen halten, aber rhythmisch und bogentechnisch völlig frei bleiben, auch Wiederholungen sind erwünscht und anheimgestellt. Die Impression ist: man tastet schrittweise voran in dem anliegenden Tonraum, jedes Detail auskostend, verändernd, umfärbend „bis zum Überdruss“, bzw. solange es Vergnügen bereitet.

Ich beschreibe, frei nach dem schriftlichen Vorbild d’Erlangers, wie ich voranschreiten möchte:

Beginn auf der A-Saite 1.Lage, mein erster Zentralton ist der Ton d“‘, mit Einstieg auf Leiteton cis, zugleich im Sinn: das leere A (a“) schwingt innerlich mit, dort werde ich zwischenlanden. Im Notenbeispiel sind das die ersten anderthalb Zeilen. Das Anspielen des Tones f“‘ ist schon ein „Angang“ (egal wie ich den kleinen Lagenwechsel mache), danach, das lange e“‘, ist sozusagen eine „Wiedergutmachung“, weil ich es am Anfang nur gestreift habe. Jetzt gebe ich seinem Ruf nach, es verlangt nämlich nach den tieferen Tönen, die noch gar nicht weiter „karessiert“ sind, in Richtung A-Saite vor allem cis und b. Zur Stärkung kann der untere Wechselton g“ kurz berührt werden.

Beispiele anderer Geiger, die den armen Nachahmer inspirieren, aber nicht indoktrinieren.

Für mich ist dies eine Erinnerung (im Sinne von Mahnung), die Geige loszulösen vom stupiden Technik-Üben. Mich zwanglos mit melodischen Formeln zu beschäftigen, die mir in schriftlicher oder praxisnaher Form gegeben sind.

 

Repetition Irish Folk

Kennst Du Martin Hayes?

ISBN 9781848272644 TRANSWORLD IRELAND / PENGUIN RANDOM HOUSE UK 2021

Siehe auch 11. April 2018 hier

The Sailor’s Bonnet

4. Juli 2017 hier

Ist es Tommy Potts?

Martin Hayes über Tommy Potts:

3. November 2021 hier

Irish Music 1983 und heute

Und hier folgt der aktuelle Anlass für meine private „Repetition Irish Folk“:

To Fran O’Rourke & Jan (unten: Gruß aus Georgien)

Von alten Zeiten

Schubert spielen

Hier sehr guter Interpretationsvergleich in VAN (Arno Lücker) zu:

Schuberts D-Dur-Sonate D 850 Mit Artur Schnabel, Sviatoslav Richter, Emil Gilels, Clifford Curzon, Wilhelm Kempff, Alfred Brendel und Mitsuko Uchida

*    *    *

Außerdem vormerken: https://van-magazin.de/mag/hatto-beyerle/ hier

Wegen des Hinweises auf Primrose und seine Anregung zum Lagenwechsel, den man ignorieren können soll…

aus: Yehudi Menuhins Musikführer

Yehudi Menuhin / William Primrose: Violine und Viola / Fischer Taschenbuch 1982 (1976)

Mein Pfingsten TV

Sendungen, die ich von A-Z erlebt habe

Also: ohne etwas anderes nebenbei zu tun. Sendungen, die ich auch ein zweites Mal einschalten würde…

Tatsächlich bin ich in beide Sendungen „hineingeraten“ und konnte mich nicht wieder lösen. Warum? Es ist die größte Musik, die existiert, zudem in bestmöglicher Aufführung. Beim ersten Chor dachte ich noch: natürlich zu schnell, aber virtuos gesungen. Bei Beginn der Johannes-Passion alles klar, die Sprünge im Verlauf begannen mich zu interessieren, die Übergänge, die hinreißenden Rezitative des Solisten, der Bass, die sparsame, aber überzeugende Regie des Chores. (Meine Sondersituation: alle Passionen etc. hundertmal auf der Bühne oder im Publikum miterlebt. Sie altern nicht!) Nach Schlusschor (der Bogen schließt sich), wird der Einzel-Choral folgen? nein – es geht weiter – warum, wohin? Übrigens: diese Bass-Arie mit den Einwürfen des Chores – unglaublich gelungen! Und ich habe den Sänger nicht erkannt: auf unserer Tournee mit dem Weihnachtsoratorium mit den Tölzern war er es, der erstmals als Bass einsprang, damals, als Quasthoff wegen Erkältung aufgeben musste: Christian Immler ! Aber wer ist der Rezitativ-Sänger? „Und ging hinaus und weinete bitterlich“, wer kann soetwas so? Mit dem Vater des Tenors habe ich schon gemeinsam Bach-Kantaten in Köln aufgeführt, als er noch ganz unbekannt war: Christoph Prégardien (später sein unvergesslicher „Atlas“ unter den Schiller-Liedern, auch „Schöne Welt, wo bist du?“), hier der fabelhafte Sohn als Evangelist. Die Stimme kenne ich doch seit 10 Jahren … und erkenne ihn nicht, wenn er dasteht.

Pfingstsonntag 28. Mai 17.00-18.25 Uhr

https://www.arte.tv/de/videos/107814-002-A/christus-sakrale-trilogie/  HIER abrufbar bis 24.08.24

Programm

Anonymus: Choral „O Traurigkeit, O Herzeleid!“
Johann Sebastian Bach: Teil I der „Johannespassion“, BWV 245
Johann Sebastian Bach: „Sehet, wir gehʼn hinauf gen Jerusalem“, BWV 159 (Auswahl)
Johann Sebastian Bach: Teil II der „Johannespassion“, BWV 245

Das Konzert wurde am 25. Februar 2022 im Auditorium von Bordeaux aufgezeichnet

TV-Text (den ich nicht kannte)

Johann Sebastian Bachs Kompositionen zum Leben Jesu gehören zu den herausragendsten Stücken der westlichen Musikliteratur. Die in ihnen enthaltene Botschaft von Menschlichkeit, Hoffnung und Licht kommt im Rahmen dieser originellen Programm-Idee besonders schön zum Ausdruck.

Raphaël Pichon und sein Ensemble werden bei diesem ebenso musikalischen wie humanistischen Vorhaben von sechs Sängern unterstützt: Julian Prégardien (Evangelist), Huw Montague-Rendall (Jesus, Bariton), Ying Fang (Sopran), Paul-Antoine Benos-Djian (Countertenor), Laurence Kilsby (Tenor) und Christian Immler (Bass). In dieser Begleitung erklimmen der Chor und das Orchester Pygmalion geradezu himmlische Höhen.

Pfingstmontag 29. Mai 17.05 – 18.00 Uhr

17.05 aus Nürnberg – es war Radio, aber ich habs über TV-Kanal erwischt…

https://www.br-klassik.de/aktuell/news-kritik/meret-luethi-interpretiert-biber-das-mysterium-der-mysterien-sonaten-100.html HIER 

Hätte ich den folgenden Text vorher gelesen, hätte ich die Sendung nicht ernsthaft angehört. An einer frommen Feier mit Geige lag mir nichts. Liegt mir nichts. Aber Meret Lüthi hat was zu sagen… z.B. über ihre Stainer-Geige und den Erbauer. Oder eben :

hier

Was hat sie erzählt über den Choral „Surrexit Christus hodie“? Stundenlang in alten Gesangbüchern der Bibliothek Bern danach gesucht? Konnte Biber, obwohl Katholik, ihn nicht schon bei Samuel Scheidt oder Zeitgenossen studieren, wenn auch etwas flotter? (hier)

(Fortsetzung folgt)

Nebenbemerkung: Sonntag nach Mitternacht gerieten wir in einen „Tristan“ aus Aix-en-Provence, eine Zumutung schon während des Vorspiels. Ich brauche keine Illusion, möchte aber auch kein ausnehmend korpulentes Liebespaar in einem großbürgerlichen Wohnzimmer samt Ausblick auf das wogende Meer erleben. Ich höre dann nicht gut, obwohl wissend, dass ich dazu doch die erstaunlichsten, verzehrendsten Klänge des 19. Jahrhunderts wahrnehme, für wahr nehme, man muss mir dazu keine parallel verlaufende tiefenpsychologisch kritische Perspektive in Szene setzen.

Fantastic Style

Ein Text von Andrew Manze (1996), der ebensowenig in Vergessenheit geraten sollte wie die zugehörigen Aufnahmen. (Ich knüpfe an Zitate in meinem früheren Artikel an: hier und – hier.)

Was beim flüchtigen Umgang mit den CDs irritieren könnte: ob die zweite sozusagen die erste fortsetzt oder eine relativ selbständige Rolle spielt, – jawohl, sie gehört in den Themenbereich Fantastischer Stil, der in CD 1 anhand verschiedener Komponisten dargestellt ist.

Frappierend die Sonata „Victori der Christen“ CD 2 Tr. 5-11, die tatsächlich eine Bearbeitung der Mysteriensonate „Die Kreuzigung Jesu“ von I.F.Biber darstellt, siehe Text oben: sie ist „nahezu identisch“. Von Anton Schmelzer, dem Sohn! Für Leute, die diese CD besitzen, ist es sicher nützlich, zum Vergleich im Hintergrund das Original greifbar zu haben. Nebenbei handelt es sich dabei auch um eine bemerkenswerte Aufführung:

Von Andrew Manzes Schmelzer-Fassung (Anton !) desselben Werkes kann man zumindest eine kurzen, intensiven Eindruck auf YouTube erhalten:

Alles, was Mattheson über den Stil der Toccata weiß:

auf der Spur von Andreas Weil: hinüber ins Original von Johann Mattheson:

 

Aber jetzt erst weiß man zu schätzen, wie wertvoll Andreas Weils Ausführungen sind, vor allem durch die Beispiele, die man als Normalverbraucher/in natürlich nicht zur Hand hat, – und die mich sofort an ähnliche visuelle Eindrücke bei Bach erinnern:

schlechte Kopie aus Weils tollem Buch…

Es ist nicht so, dass ich im Augenblick nicht sauberer scannen kann: ich möchte nur bei niemandem den Wunsch erlöschen lassen, das Buch selbst zu erwerben. Es lohnt sich, darin ganz sorgfältig nachzulesen, auch wenn man die Mattheson-Werke z.B. im Nachdruck besitzt, – man muss sie entschlüsselt bekommen und mit „zeitgenössischem“ Leben erfüllt sehen. Der nächste Schritt ist, die benannten Musikstücke zu hören… und nachzufühlen. Buxtehude, Lübeck, Bruhns und Bach. Im oben wiedergegebenen Mattheson-Original lese man nach, dass bei all dem an die Orgel und die Meister ihrer Zeit zu denken ist. In § 69. kommt er (nach Frescobaldi) über Händel auf Bach, in § 70. auf die nächstberühmten Meister, von denen die Mehrzahl heute unbekannt ist. (Wer war z.B. der genannte Händel-Schüler Babel?) Er kommt von der Orgel auf andere geeignete Instrumente, auf die „Violdigamb“ und die Laute „in der Kammer“, wobei er die Violine nur wegen ihrer „durchdringenden Stärcke“ hervorhebt. Mir fehlen die anderen Tasteninstrumente, mir fehlt ein Hinweis auf Froberger, der gerade in seinen Praeludien erwähnenswert wäre.

Worüber ich gern in diesem Zusammenhang noch berichtet hätte: betr. Praeludien von Louis Couperin – verwandt im freien Prinzip mit Froberger – s.a. hier  (falscher Link, richtigen suchen!) Artikel in Musik & Ästhetik, eine letzten Ausgaben…

Nachgeliefert:

Hier der kurze Einblick zur weiteren Erinnerung: die erstaunliche Vorstellungswelt der Préludes von Louis Couperin, dargestellt von Niels Pfeffer in Musik & Ästhetik Heft 108, April 2023:

Ich weiß nicht, ob man versteht, dass der Artikel von Niels Pfeffer ein großes Potential Verunsicherung vermittelt für dem, der sich seiner Bach-Werke sicher zu sein scheint: als gebe es bei Louis Couperin (heimlicher Gedanke: bei Froberger, dem frühen Bach-Leitbild!) eine Ästhetik, die Bach nicht gekannt oder aufgegeben hat! Das Labyrinthische vielleicht nicht, aber das indirekte Kadenzieren, die geplante Verunsicherung. Man lese sich nur noch hinein in diese „Reflexion“:

Fortsetzung: man rate…

„… als ob das Cembalo sie von sich aus, ohne die Zustimmung [consentement] Accompagnateurs, zurückgibt.“

In welcher Zeit befinden wir uns mit diesem Zitat? In der heutigen Moderne? Wir befinden uns in einem Traktat von Michel Saint-Lambert, veröffentlich in Amsterdam – 1710.  „Ohne die Zustimmung“ – – –  Werk ohne Autor???

Warum lese ich im Zusammenhang mit Louis Couperin / Froberger nie das Wort vom „stile phantastico“? Vielleicht liegt doch der gemeinsame Bezugspunkt bei Frescobaldi?

Hören Sie Bachs Partita V mit – Niels Pfeffer (https://www.nielspfeffer.com/cembalo):

*     *     *

Und – Themawechsel, an den inspirierten Booklettext zu Anfang dieses Artikels anknüpfend – auch darüber berichten, wie Andrew Manze anlässlich seiner Aufnahme Mozartscher Violinkonzerte (2006) zu außergewöhnlichen Einsichten gekommen ist… als Geiger habe ich ihn zum ersten Mal im WDR gelobt bei der Besprechung der Matthäus-Passion mit Ton Koopman. Mitte der 90er Jahre…

Gutes vom Geigenspiel

Was ich gerne höre

die neueste CD

Man sollte aber diese CD besitzen, nicht nur um die hinreißende Musik zu hören, sondern auch um den klugen Text zu lesen. Reinhard Goebels besonderer Blick auf das herrliche Instrument fasziniert, – auch wenn man durch den medialen Abstand ohnehin immunisiert ist gegen eine Fetischisierung der bloßen Klang-Eigenschaften. Es ist die alte Geschichte: warum gerade dieses Instrument (und nicht etwa die Gambe), warum wird man des neutraleren Charakters nicht überdrüssig und verlangt nach anderen Mischungen?

Ich könnte ein Loblied singen auf den sehnsüchtigen Klang der Hörner, auf die melancholische Kantilene der Klarinette, auf die rührende Unschuld der Oboe, – aber etwas Schwärmerisches über den Geigenton??? Ich denke an Kolisch und sein spöttisches Wort über „die Religion der Streicher“, an das nervende Dauer-Vibrato , und an das mickrige Pizzicato und sonstwas, ich höre Leute verzückt vom Cello reden, vom Zauber der Bratsche, die sie dann auch lieber Viola nennen. Nein, ich übertreibe: aber wenn es um die Geige geht, rede ich von Musik: vom „Adagio molto e mesto“ aus Beethovens op. 59 Nr.1, vom Siciliano einer Bach-Solosonate, vom Anfang des Sibelius-Konzertes.

Ja, aber dann gibt es auch noch Janine Jansen mit den 12 Stradivaris. Da ändert man leichtfüßig die Meinung und achtet geduldig auf den Unterschied der Klangfarben und der Saitenübergänge.

Ach, ist es möglich, dass ich im Begriff bin, mich peinlich zu wiederholen? Dann will ich lieber nur nachlesen, welcher Meinung ich wirklich bin: hier.

Dann hätte ich aber auch noch ein anderes Beispiel, von dem ich weiß, dass mich beim Hören der reine Geigenklang begeistert hat. Es mag auch an der genial-idiomatischen Schreibweise des Geigers Eugène Ysaÿe legen, ebenso an der bestechenden Technik und Musikalität der beiden Interpretinnen, in meinem Fall kommt die Erinnerung an den Lehrer Wolfgang Marschner hinzu, dessen Unterricht ich 1961/62 genoss: seine suggestive Art, eine französische Spielweise als Ideal zu vermitteln: eine gewisse Glätte und Eleganz, die er unnachahmlich etwa an der „Havanaise“ von Saint-Saëns exemplifizierte, während er sie bei Bachs Solo-Partiten selbst völlig vermissen ließ. Und ich glaube ihm aufs Wort, wenn er von dieser Aufnahme meint:

Das Violinduo Penny-Starkloff setzt die Tradition und Verkörperung eines besonderen Klangbildes gepaarter Violinen nicht nur fort, sondern belebt es in exzellenter Weise. Dies war der Hauptanreiz für mich, für diese Kombination meine „Sinfonischen Variationen“ zu schreiben.

Bezaubernd „französisch“ sind seine Bagatellen für zwei Violinen, – aber natürlich ist es eher die fast 30minütige Sonate von Eugène Ysaÿe, an deren Klangbild ich mich nicht satthören kann. Es ist nämlich nicht nur das Klangbild – diese beiden (mir unbekannten)  Geigerinnen spielen einfach unglaublich  gut. Wenn ich die Aufnahme beim Blindhören einordnen müsste, würde ich sagen: Weltklasse! Marschner muss ein guter Lehrer gewesen sein!

Coviello Classics hier

Man merkt wohl, dass mein Lob der größeren Marschner-Komposition, die er „Sinfonische Variationen“ nennt, irgendwie nicht rüberkommen will.

Stimmt, ähnlich wie er es damals mit mir gehalten hat, als er merkte, dass ich „die Karten meines Lebens“ nicht vollständig auf das Geigenspiel setzen mochte, sondern dass mir nebenbei noch andere Ziele vorschwebten, etwa: mehr Bach und Alte Musik und schließlich auch arabische und indische Musik – dass ich z.B. ihm, dem Pädagogen Marschner, nicht nach Freiburg folgen wollte, als er dorthin berufen wurde. Seine etwas zurückhaltend verklausulierte Beurteilung sollte ja eigentlich nur dazu dienen, dass die Firma Oetker in Bielefeld mein Musikstudium weiterhin mit monatlich 230.- DM unterstützte. Während er mir abschließend nochmal seine Meinung „geigen“ wollte…  Es reichte allerdings auch so:

Nicht immer verlaufen Geiger-Sympathien so früh im Sande, – kaum zu glauben, fast genau 60 Jahre später: die neueste CD von RG kommt wie eh und je auf dem geradesten Weg:

DANKE, so ist es uns recht, scherzando aus Solingen, Dein JR