Archiv der Kategorie: Geschichte

Zum Beispiel Goethe bei Blumenberg

Einige Notizen

Siehe Blog „Blumenberg lesen“ hier (gegen Ende)

„Eckermann liest in der Bibel“ (Seite 46)

Wie Goethe seinen Eckermann hingehalten hat, um ihn nicht als getreuen Dokumentar zu verlieren (z.B. durch Heirat). Auch deshalb lockt er ihn mit Faust II. Siehe Erwähnung tags zuvor und danach.

Quelle Eckermann: Gespräche mit Goethe / Aufbau-Verlag Berlin 1956 (JR Sept.58)

Zu „Das Hohelied der Rezeption“ (Seite 16) Albrecht Schöne

„Alexis und Dora“ siehe hier (Weiland über Goethes Rätselgedicht)

Wikipedia zu „Alexis und Dora“ hier

Blumenberg „Goethe zum Beispiel“ Seite 70

In der Altersfreundschaft Goethes mit Zelter ist der Berliner Tonmeister mit seinem Part unterbelichtet geblieben. Dabei sind seine Briefe unvergleichlich, an Frische und Wahrheit der Empfindung denen Goethes im letzten Jahrzehnt überlegen. Und wäre dies alles nur zu lesen, um das einzige Rätsel lösbarer zu finden, wie er Goethes innigstes Gedicht „Um Mitternacht“ adäquat vertonen konnte, dürfte keine Mühe verdrießen, Zelters Part auszuleuchten.

Goethe/Zelter im letzten Lebensjahr S.61 Briefwechsel ?hier (geht nur bis 1827)

Um Mitternacht ging ich, nicht eben gerne,
Klein kleiner Knabe, jenen Kirchhof hin
Zu Vaters Haus, des Pfarrers; Stern an Sterne
Sie leuchteten doch alle gar zu schön;
    Um Mitternacht.

Wenn ich dann ferner in des Lebens Weite
Zur Liebsten mußte, mußte, weil sie zog,
Gestirn und Nordschein über mir im Streite,
Ich gehend, kommend Seligkeiten sog;
    Um Mitternacht.

Bis dann zu letzt des vollen Mondes Helle
So klar und deutlich mir ins [Finstere]1 drang,
Auch der Gedanke willig, sinnig, schnelle
Sich ums Vergangne wie ums Künftige schlang;
    Um Mitternacht.

Noch einmal zitiert bei Blumenberg Seite 211 („Auch ihn einmal weinen gesehen“) Zelter las ihm die Marienbader Elegie vor:

…jetzt hört er es vom Freund, der ihm so vieles hörbar gemacht, ihm »Um Mitternacht« vertont hatte: Mir ist das All, ich bin mir selbst verloren, / Der ich noch erst der Götter Liebling war …

Blumenberg Seite 70 „Das unerlebbare Letzte“

Wiki Quelle hier / Friedrich Preller der Ältere

Zitat Seite 71f

Noch auf der ausgeführten Zeichnung schönster Überhöhung stand n. d. Natur gezeichnet 1832. Die dazu bekannte Skizze, die diesen Vermerk nicht trug, zeigte olympische Retusche. Erst 1949 ist Prellers ›Original‹ ans Licht gekommen, das er, vielleicht mit Rücksicht auf Ottilie, die zunächst gänzlich widersprochen hatte, für sich verbarg und gegen die sanftere Skizze vertauschte.

s.a. hier Auktionskatalog 1926 „Eine Goethe-Sammlung“ Nr.33

Blumenberg Seite 82 „Goethe, zum Beispiel“, die Nietzsche-Quellenangabe ist irreführend (Bd, XIII, 244), muss heißen: § 279. in „Menschliches, Allzumenschliches“.

279.

Von der Erleichterung des Lebens. – Ein Hauptmittel, um sich das Leben zu erleichtern, ist das Idealisiren aller Vorgänge desselben; man soll sich aber aus der Malerei recht deutlich machen, was idealisiren heisst. Der Maler verlangt, dass der Zuschauer nicht zu genau, zu scharf zusehe, er zwingt ihn in eine gewisse Ferne zurück, damit er von dort aus betrachte; er ist genöthigt, eine ganz bestimmte Entfernung des Betrachters vom Bilde vorauszusetzen; ja er muss sogar ein ebenso bestimmtes Maass von Schärfe des Auges bei seinem Betrachter annehmen; in solchen Dingen darf er durchaus nicht schwanken. Jeder also, der sein Leben idealisiren will, muss es nicht zu genau sehen wollen und seinen Blick immer in eine gewisse Entfernung zurückbannen. Dieses Kunststück verstand zum Beispiel Goethe.

Seite 76 Santa Maria della Minerva in Assisi

… denn sie ist und bleibt das Stück Heidentum im Christentum, das Goethe bleibend adaptieren wird, bis hin zum Schluß des zweiten »Faust«.

Selbst der gerühmte Palladio, auf den ich alles vertraute (Goethe)

Aus Goethes Text hier

Wenn man die erste poetische Idee, daß die Menschen meist unter freiem Himmel lebten und sich gelegentlich manchmal aus Not in Höhlen zurückzogen, noch realisiert sehen will, so muß man die Gebäude hier herum, besonders auf dem Lande, betreten, ganz im Sinn und Geschmack der Höhlen. Eine so unglaubliche Sorglosigkeit haben sie, um über dem Nachdenken nicht zu veralten. Mit unerhörtem Leichtsinn versäumen sie, sich auf den Winter, auf längere Nächte vorzubereiten, und leiden deshalb einen guten Teil des Jahres wie die Hunde. Hier in Foligno, in einer völlig homerischen Haushaltung, wo alles um ein auf der Erde brennendes Feuer in einer großen Halle versammelt ist, schreit und lärmt, am langen Tische speist, wie die Hochzeit von Kana gemalt wird, ergreife ich die Gelegenheit, dieses zu schreiben, da einer ein Tintenfaß holen läßt, woran ich unter solchen Umständen nicht gedacht hätte. Aber man sieht auch diesem Blatt die Kälte und die Unbequemlichkeit meines Schreibtisches an.

Blumenberg Seite 88

Man fragt sich, warum sich diese Seite im Goethebuch befindet und nicht in Blumenbergs „Matthäuspassion“ (1988), wo er sich von Seite 208 bis 222 mit diesem Thema befasst (›DER RUFET DEM ELIAS‹). Er verrät es hier aber doch in den letzten 5 Zeilen, wo er sich dem ›ungeheuren Spruch‹ Goethes zuwendet: Nihil contra deum nisi deus ipse – Nur ein Gott gegen einen Gott. Und da bleibt die Leserschaft von Gott verlassen, sofern sie nicht an Blumenbergs unendlicher Belesenheit teilhat oder – wie ich – unverdrossen das Internet befragt. Dort würde man fündig unter folgendem Link des Goethe Jahrbuches 13 Weimar 1952: Momme Mommsen: Zur Frage der Herkunft des Spruches „Nemo contra deum nisi deus ipse“.

Das bedeutendste Kapitel dieses ganzen posthum erstellten Goethe-Buches von Blumenberg scheint mir das dem Prometheus-Syndrom gewidmete zu sein: „Ein Geschlecht das mir gleich sey“, Seite 112 – 138. Es betrifft die Wechselwirkung mit Schopenhauer bzw. dessen Auseinandersetzung mit der Farbenlehre. Und damit einen philosophischen Diskurs angesichts der Wirk- und Fliehkräfte zwischen den Monumenten Kant und Newton.

Wunderbar auch die Richtigstellung zu dem berühmten Ausspruch Goethes über die Kanonade bei Valmy, – sein Hang, dem Sinnlosen, das ihn tangiert, durch Umwidmung eine höhere Bedeutung abzugewinnen. Seite 113ff: „Gelübde auf dem Rückzug„.

Arcangelo Corelli

Concerti op. 6 (komp. 1680?, veröff. 1714 Amsterdam, 1732 London)

meine Originalausgabe!

Concerto grosso hier [Händel op. 6 1739] s.a. Info hier

Händel stand durch seinen mehrjährigen Aufenthalt in Rom ganz unter dem Eindruck des römischen Concerto grosso. So wurde Händel zu einem Epigonen Corellis, der dessen Concerti grossi gleichsam auf gehobenem Niveau fortsetzte. Diese Neigung fiel im erzkonservativen England auf fruchtbaren Boden. Nur so ist es zu erklären, daß Händel zu einer Zeit, als auf dem Kontinent schon beinahe frühklassische Musik geschrieben wurde, in London 12 Concerti grossi im hochbarocken Stil veröffentlichen konnte. (Villa Musica)

Corelli Wiki Twelve Concerti grossi op. 6 hier

Johann Christoph Pepusch Wikipedia hier (Corelli hier)

MGG (neu) Artikel „Pepusch“ Erwähnung Corelli-Ausgabe unter „Editionen“ 1732

Hervorhebung „Alte Musik“! selber alt…

Amerika als NEUE WELT

Die Geschichte von Amerigo Vespucci

Pressetext ZDF

Er ist der Mann, der Amerika seinen Namen gab: Amerigo Vespucci. Viele kennen Christoph Kolumbus. Doch wer ist Amerigo Vespucci? Und wie kam es, dass für die 1492 entdeckte Neue Welt Vespuccis Vorname „Amerigo“ Namenspate wurde? War er ein Hochstapler, wie später oft behauptet wurde? Oder ein wagemutiger Seefahrer, dem als Erstem aufging, was Kolumbus da eigentlich entdeckt hatte? Erst nach den Entdeckungsreisen von Christoph Kolumbus sollte Vespuccis Stunde schlagen: Mit mehreren Expeditionen, die endlich Reichtümer finden sollen, macht sich der Florentiner Patriziersohn und Buchhalter der Medici auf den Weg gen Westen. Vespucci erreicht die Küstengebiete von Guayana und das riesige Delta des Amazonas. Der Florentiner erkundet auch die brasilianische Küste bis weit nach Süden. Sein Reisebericht „Mundus Novus“ – „Neue Welt“ aus dem Jahr 1502 wird zum immer wieder nachgedruckten Bestseller. Denn Vespucci präsentiert eine Sensation: Dort im Westen liegt nicht Indien, sondern ein riesiger, bisher unbekannter Kontinent, dicht besiedelt von Menschen, voller exotischer Tiere und Pflanzen. Es ist dieser Reisebericht, der den elsässischen Kartografen Waldseemüller dazu veranlasst, auf seiner Weltkarte den bisher in Europa unbekannten Kontinent „Amerika“ zu nennen – nach „Amerigo“. Davon hat Vespucci nie erfahren.

Der Film ist gut, schon um ihn anzuhalten und die alten Weltkarten zu studieren! Auch zur Information über die damalige Kunst der Orientierung und Navigation. Usw. usw. ab etwa 27:00 über „Mundus Novus“ mit Robert Wallisch, der hervorhebt, was die Leserschaft seit damals besonders aufregte: Berichte über Menschenfresserei und über freizügige Sexualität. Über Matthias Ringmann (Philologe) und Martin Waldseemüller (Kartograph). 1507 erste Weltkarte mit „Amerika“. Siehe unten.

Auf diesem Bild (Quelle hier) im roten Gewand: Amerigo Vespucci (gemalt von Domenico Ghirlandaio um 1472, da wäre A.V. gerade 21 Jahre alt gewesen, unmöglich; im Wiki-Text steht etwas von seinem – Großvater.) Über das Buch von Robert Wallisch siehe bei Perlentaucher hier . Frühe Biographie (1907) über Project Gutenberg Texte  hier.

Über „Mundus Novus“ hier. Das Buch ist da:

Robert Wallisch

Die ersten Landkarten von Amerika HIER (Spektrum-Artikel über Waldseemüller)

In meinem historischen Weltaltlas 1570 (Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2016)

Buchhandelsausgabe: Primusverlag

ISBN 978-3-534-24882-7

Breite Gegenwart

Chemo und Lesestoff, Klinik, 8.Stockwerk

 

Ausblick von 8.15 – 12.50 Uhr Gumbrecht Lektüre bis hier:

Allmähliche Begeisterung, vielleicht durch Themenwendung zum Sport, mit Bezug auf die alten Griechen. Er spricht von Pindars Oden Seite 81 (s.a. hier im Blog). Stichwort Wiederverzauberung. Er zitiert Pablo Morales Seite 78f. Wer war JR Lemon? Mein Vorsatz, die Beispiele zur Ekstase („Fokussierung“) raussuchen. Später also mehr. Siehe auch Perlentaucher hier.

Im folgenden YouTube 100 m bei 12:16 Evelyn Ashford Zwischenlauf als Siegerin, danach slow (4. Bahn beobachten), 15:08 (Lane 6), 20:33 (545) Evelyn Ashford vor dem Start (Lane 6) 2.Silber

Gumbrecht meinte aber den Staffellauf, wo sie als letzte die Staffel übernahm und siegte. https://de.wikipedia.org/wiki/Olympische_Sommerspiele_1988/Leichtathletik_%E2%80%93_4_%C3%97_100_m_(Frauen)#Finale

Die Tatsache, dass ich am nächsten Morgen um 8.30 h auf Seite 116, im vorletzten Kapitel angekommen bin und ungern unterbreche, sagt etwas über die (subjektiv empfundene) Brisanz des Buches, das 143 Seiten umfasst.

Mein Arbeitsplatz (oben) nach dem Kaffee (unten) 28.06.23

Und dann lese ich die seltsam entlarvenden Sätze zu Lasten des Blog-Schreibens auf Seite 127 (und nach dem Umblättern):

Hat man denn je eine wahrhaft gute Debatte in elektronischer Form erlebt, eine Debatte, in der wechselseitiger argumentativer Widerstand in wechselseitige Inspiratiom umgeschlagen wäre und damit neue Ideen hervorgebracht hätte? Während es schwierig ist zu klären, warum elektronische Diskussionen bestenfalls geistige Mittelmäßigkeit produzieren, sind wir uns doch alle dieser Tatsache bewußt – fast schon zwangsläufig. Selbst auf der Website meines besten Freundes kann ich nur allein sei, und was ich dort vielleicht als Hauch von Nähe empfinde, geht nie über die Nähe eines Touristen oder eines Voyeurs hinaus. Gibt es etwas Armseligeres als die unzähligen Blogs, die mit einem unfaßbaren Narzißmus geschrieben werden – und auf ewig ungelesen bleiben, und zwar aus guten Gründen? Im Internet ist die Gefahr, sich eine Erkältung zu holen, aufgewogen von dem Verlust der Möglichkeit, je zu Tränen gerührt zu werden.

Muss es nicht heißen: „Im Internet ist die Vermeidung der Gefahr…“ ?

Und: habe ich im Internet nicht schon einige großartige Gespräche erlebt, mit guter Wirkung auch solche, die vorher in der realen Öffentlichkeit stattgefunden haben? Oder ich habe wenigstens als Voyeur versucht, Wesentliches in einem Blog-Artikel nachträglich „abgreifbar“ zu machen. Vielleicht nur für mich. Und selbst zu Tränen wurde ich schon gerührt (z.B. durch ein von Ingeborg Bachmann gesprochenes Gedicht).

Was mich warum ergriff

Draußen, das Blühen?

SZ 17./18.06.2ß23

Also: warum? Niemand würde es erraten. Als erstes das zitierte Lied, dessen Zeile mich ansprang, dann der gut geschriebene Artikel, die vermutete politische Rehabilitation der Deutschen Romantik um 1848. Vorsatz, das Museum zu verlinken. Hier ist es. Ah, ich verstehe, weshalb Johan Schloemann so inspiriert geschrieben hat… Aber da ist noch etwas:

Die Noten von damals, mit den sparsamen Einzeichnungen zum Vortrag (Schrift: Franz Müller-Heuser), wie haben wir an dem Takt auf Seite 195 2. Zeile geübt: „alles, alles wenden“. Die Examenskandidatin, deren Kehle sich mit diesem Ornament schwer tat, und ich am Klavier. Übrigens: sie war schwanger, nach ihrem Examen im Oktober 1965 heirateten wir. Ein Konglomerat ungeordneter Gefühle, ich plante nicht, mein Studium abzubrechen. „… das Blühen will nicht enden, es will nicht enden“. Allenthalben schwelten schon die linken Ideen der zukünftigen 68er. In der Musikhochschule rebellierte nur Klaus der Geiger. 1967 Violinexamen und Orient-Tournee, 1970 Abschluss der Dissertation über Arabische Musik. Weiter im WDR.

Wie ich zu „meiner“ Zeit politische Geschichte nachholte

Das letzte Kapitel in demselben Buch: Epimetheus statt Prometheus / Hoffnung?

Quelle Imanuel Geiss: Geschichte im Überblick / Daten und Zusammenhänge / Rowohlt Reinbek bei Hamburg 1986

Wie die politische Utopie bei den beiden Romantikern endete:

Süddeutsche Zeitung 17./18. Juni 2023 Seite 49 „Das Blühen will nicht enden“ Waren deutsche „Dichter und Denker“ 1848 zu verkopft und haben die Revolution verspielt? Ludwig Uhland und Jacob Grimm bewisesen das Gegenteil / Von Johan Schloemann

Nochmals: das Museum! Hier finden Sie es.

Die Kraft des Orgelwerks BWV 541

Zeugnis der Jugend oder der Reife?

Ich, Ich, Ich – ich höre bis genau 6:50 – von viel Bekümmernis…

Und richte mich wieder auf,neue Kraft fühlend“ (Beethoven):

Orgel 541 a die Noten (alte Bach-Ausgabe) als pdf.

Quellen Hans-Joachim Schulze: Nachwort zur Faksimile-Ausgabe Leipzig 1996 / Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach S.Fischer Frankfurt a M 2000 (Seite 141)

Entstehungszeit: Leipzig

“Das G-Dur” – so wird BWV 541 im Sprachgebrauch der Organisten allgemein heraushebend genannt – ist eines der bekanntesten und meistgespielten Bachschen Orgelwerke überhaupt. Aus gutem Grund natürlich: der fröhliche, mitreißende Überschwang des Präludiums und der heitere Ernst der musikalisch vielschichtigen Fuge nehmen jeden Hörer sogleich für sich ein. Darüber hinaus überzeugt die geschmeidige, zugleich unnachahmlich souveräne, ungezwungene Faktur des Ganzen, die das Werk den Leipziger Jahren, der Zeit vollkommener Meisterschaft Bachs zuweist.

Die musikwissenschaftliche Quellenforschung hat für das Werk folgende Entwicklungsstadien hochwahrscheinlich gemacht: Aus der Auswertung zahlreicher Abschriften läßt sich erschließen, daß Bachs (nicht erhaltene) Erstniederschrift wohl in den allerersten Leipziger Jahren entstanden ist. Um einiges danach nahm er eine Reihe von Verbesserungen vor und fügte zeitweise zwischen Präludium und Fuge den Triosatz BWV 528/3 in e-moll ein (vgl. das zur Entstehungsgeschichte der Triosonaten BWV 525-530, sowie das zu Präludium und Fuge C-Dur BWV 545 Gesagte!). Nicht vor 1733, vielleicht auch erst in den 1740er Jahren, wie es heißt, schritt er dann mit weiteren Änderungen und Korrekturen zur Endredaktion, wobei der Triosatz keine Aufnahme mehr fand. Diese Endfassung ist uns autograph erhalten; BWV 541 ist somit eines der wenigen freien Orgelwerke Bachs, die uns in authentischer Version vorliegen.

Zitat aus: Joachim Winkler hier

Zu Bernard Winsemius siehe Wikipedia hier

typisch der späte Bach?

Auf jeden Fall: Eine musikalische Form, deren Betrachtung Kraft spendet!

Wie höre ich die Form der Fuge, wenn ich kein Notenleser bin? Zumindest die Zeilen mit den Pausen (leeres System) kann ich erkennen – ein wichtiges Zeichen: der Tonsatz, der sich auf der ersten Seite von Stimmeinsatz zu Stimmeinsatz anreicherte, bis zur Vierstimmigkeit, wird dünner, durchsichtiger, nämlich dreistimmig (Seite 2) und sogar zweistimmig (Seite 3), bis zum auffälligen Themeneinsatz im Bass, dem weitere Einsätze, auch unvollständige, in dichtem Wechsel folgen. Gipfelpunkt Fermate auf vermindertem Akkord. (Seite 4) Danach noch dichtere Folge von Themeneinsätzen, vom Bass her, Grundtonart, sich auftürmend, bis zum gehaltenen Sopran-Grundtonart, gehalten Bass-Grundton, thematischer Abschied in der Unterstimmen.

Es hat also keinen Sinn, wie etwa im Wohltemperierten Klavier „Durchführungen“ zu nummerieren und miteinander in Beziehung zu setzen.

Zu allererst: die Geschichte des Themas verfolgen, dann die Zutaten (Motivik) zu registrieren: zum Beispiel folgt nach dem ersten Durchgang (Seite 1) – mit dem Thema in Alt, Tenor, Bass und Sopran – ein Zwischenspiel mit der Vorahnung (Tonrepetition) und (Seite 2) dem versteckten Neubeginn des Themas im Alt (wie am Anfang), Verdünnung des Satzes zur Dreistimmigkeit mit Vorahnung  und (1 Oktave tiefer) Thema im Tenor (durch Terzparallelen im Sopran verstärkt), danach echte Schlusskadenz im Bass und Zwischenspiel (Laufwerk),  ausgedünnt in Dreistimmigkeit (und Zweistimmigkeit), bis (Seite 3) Neuansatz des Themas im Bass (D-dur mit Laufwerk), dann Thema im Sopran, echte Kadenz A-moll (Seite 4). Abspaltung  Thementeil + Engführung bis Thema im Bass, mündet in Fermaten-Stopp. Danach Affirmation als Themendurchgang Alt, Sopran, Tenor (Orgelpunkt dazu im Sopran und kurz danach auch im Bass), feierliche Schlusstakt-Auflösung.

Hören Sie es? Jetzt wird es also ernst, – Form komprimiert auf kürzeste Hinweise: Wahrnehmen und Erkennen, was passiert, da draußen an der Orgel – und in unserm Gemüt. Wer den Kraftzuwachs erwartet, – erhält ihn auch… Das ist Fügung durch FUGE. Jugendfuge.

Kurzfassung (mit Zeitangaben, bezogen auf die obige Aufnahme mit Bernard Winsemius):

Beginn 3:20 – Durchgang Ende 4:10 – versteckter Neubeginn 4:35 – echte Schlusskadenz 5:14 –  Zwischenspiel bis 5:55 = Neuansatz Thema im Bass – in Sopran A-moll bis 6:26 – Engführung Teilthema bis Thema im Bass 6:34 und zur Fermate 6:55 – Themendurchgang Affirmation bis Ende 7:40

P.S.

Was hätte Bach wohl gesagt zu meinen wenig professionellen Höranweisungen in Sachen „Fuge“? Ein hochprofessioneller Zeitgenosse hat sich daran erinnert, als er einmal über die Fuge schlechthin nachdachte (farbige Hervorhebung von mir):

Bedenken Sie einmal, wie vielmal man den Hauptsatz in einer Fuge hören muß. Wenn man ihn nun noch dazu in eben denselben Tonarten, es sey gleich höher oder tiefer, ohne was anders dazwischen, immer in einem weg hören muß, ist es alsdenn möglich, den Ekel zu verbeißen? Wahrlich, so dachte der größte Fugenmacher unserer Zeiten, der alte Bach, nicht. Sehen Sie seine Fugen an. Wie viel künstliche Versetzungen des Hauptsatzes in andere Tonarten, wie viel vortreflich abgepassete Zwischengedanken finden Sie da nicht! Ich habe ihn selbst einmal, als ich bey meinem Aufenthalte in Leipzig mich über gewisse Materien, welche die Fuge betrafen, mit ihm besprach, die Arbeiten eines alten mühsamen Contrapunktisten für trocken und hölzern, und gewisse Fugen eines neuern nicht weniger großen Contrapunktisten, in der Gestalt nämlich, in welcher sie aufs Clavier appliziret sind, für pedantisch erklären hören, weil jener immer bei seinem Hauptsatze, ohne einige Veränderung bleibt; dieser aber, wenigstens in den Fugen, wovon die Rede war, nicht Feuer genug gezeiget hatte, das Thema durch Zwischenspiele aufs neue zu beleben.

Quelle F.W.Marpurg, Kritische Briefe über die Tonkunst -Berlin, 9.2.1760 III/701

P.P.S 1.6.23

Noch bin ich im Zweifel, ob ich das Wort „Feuer“ inhaltlich so eng (oder so weit?) fassen darf, da schlage ich die neue ZEIT auf, lese (nach dem Artikel über Fledermäuse – gestern Nacht hatte ich sie am Himmel über dem Garten gesichtet!) mit wachsendem Interesse den Artikel des Lebensphilosophen Wilhelm Schmid, den ich einst beim Kongress in Dresden kennengelernt habe und jetzt meist mit Vorsicht umgehe, und er macht hier aufmerksam auf das Wort „Feuer“ in einer Bach-Kantate (Pfingst-Kantate, eine andere als die, die ich kennengelernt habe).

O ewiges Feuer, o Ursprung der Liebe,
Entzünde die Herzen und weihe sie ein.
Lass himmlische Flammen durchdringen und wallen,
Wir wünschen, o Höchster, dein Tempel zu sein,
Ach, lass dir die Seelen im Glauben gefallen.

Fantastic Style

Ein Text von Andrew Manze (1996), der ebensowenig in Vergessenheit geraten sollte wie die zugehörigen Aufnahmen. (Ich knüpfe an Zitate in meinem früheren Artikel an: hier und – hier.)

Was beim flüchtigen Umgang mit den CDs irritieren könnte: ob die zweite sozusagen die erste fortsetzt oder eine relativ selbständige Rolle spielt, – jawohl, sie gehört in den Themenbereich Fantastischer Stil, der in CD 1 anhand verschiedener Komponisten dargestellt ist.

Frappierend die Sonata „Victori der Christen“ CD 2 Tr. 5-11, die tatsächlich eine Bearbeitung der Mysteriensonate „Die Kreuzigung Jesu“ von I.F.Biber darstellt, siehe Text oben: sie ist „nahezu identisch“. Von Anton Schmelzer, dem Sohn! Für Leute, die diese CD besitzen, ist es sicher nützlich, zum Vergleich im Hintergrund das Original greifbar zu haben. Nebenbei handelt es sich dabei auch um eine bemerkenswerte Aufführung:

Von Andrew Manzes Schmelzer-Fassung (Anton !) desselben Werkes kann man zumindest eine kurzen, intensiven Eindruck auf YouTube erhalten:

Alles, was Mattheson über den Stil der Toccata weiß:

auf der Spur von Andreas Weil: hinüber ins Original von Johann Mattheson:

 

Aber jetzt erst weiß man zu schätzen, wie wertvoll Andreas Weils Ausführungen sind, vor allem durch die Beispiele, die man als Normalverbraucher/in natürlich nicht zur Hand hat, – und die mich sofort an ähnliche visuelle Eindrücke bei Bach erinnern:

schlechte Kopie aus Weils tollem Buch…

Es ist nicht so, dass ich im Augenblick nicht sauberer scannen kann: ich möchte nur bei niemandem den Wunsch erlöschen lassen, das Buch selbst zu erwerben. Es lohnt sich, darin ganz sorgfältig nachzulesen, auch wenn man die Mattheson-Werke z.B. im Nachdruck besitzt, – man muss sie entschlüsselt bekommen und mit „zeitgenössischem“ Leben erfüllt sehen. Der nächste Schritt ist, die benannten Musikstücke zu hören… und nachzufühlen. Buxtehude, Lübeck, Bruhns und Bach. Im oben wiedergegebenen Mattheson-Original lese man nach, dass bei all dem an die Orgel und die Meister ihrer Zeit zu denken ist. In § 69. kommt er (nach Frescobaldi) über Händel auf Bach, in § 70. auf die nächstberühmten Meister, von denen die Mehrzahl heute unbekannt ist. (Wer war z.B. der genannte Händel-Schüler Babel?) Er kommt von der Orgel auf andere geeignete Instrumente, auf die „Violdigamb“ und die Laute „in der Kammer“, wobei er die Violine nur wegen ihrer „durchdringenden Stärcke“ hervorhebt. Mir fehlen die anderen Tasteninstrumente, mir fehlt ein Hinweis auf Froberger, der gerade in seinen Praeludien erwähnenswert wäre.

Worüber ich gern in diesem Zusammenhang noch berichtet hätte: betr. Praeludien von Louis Couperin – verwandt im freien Prinzip mit Froberger – s.a. hier  (falscher Link, richtigen suchen!) Artikel in Musik & Ästhetik, eine letzten Ausgaben…

Nachgeliefert:

Hier der kurze Einblick zur weiteren Erinnerung: die erstaunliche Vorstellungswelt der Préludes von Louis Couperin, dargestellt von Niels Pfeffer in Musik & Ästhetik Heft 108, April 2023:

Ich weiß nicht, ob man versteht, dass der Artikel von Niels Pfeffer ein großes Potential Verunsicherung vermittelt für dem, der sich seiner Bach-Werke sicher zu sein scheint: als gebe es bei Louis Couperin (heimlicher Gedanke: bei Froberger, dem frühen Bach-Leitbild!) eine Ästhetik, die Bach nicht gekannt oder aufgegeben hat! Das Labyrinthische vielleicht nicht, aber das indirekte Kadenzieren, die geplante Verunsicherung. Man lese sich nur noch hinein in diese „Reflexion“:

Fortsetzung: man rate…

„… als ob das Cembalo sie von sich aus, ohne die Zustimmung [consentement] Accompagnateurs, zurückgibt.“

In welcher Zeit befinden wir uns mit diesem Zitat? In der heutigen Moderne? Wir befinden uns in einem Traktat von Michel Saint-Lambert, veröffentlich in Amsterdam – 1710.  „Ohne die Zustimmung“ – – –  Werk ohne Autor???

Warum lese ich im Zusammenhang mit Louis Couperin / Froberger nie das Wort vom „stile phantastico“? Vielleicht liegt doch der gemeinsame Bezugspunkt bei Frescobaldi?

Hören Sie Bachs Partita V mit – Niels Pfeffer (https://www.nielspfeffer.com/cembalo):

*     *     *

Und – Themawechsel, an den inspirierten Booklettext zu Anfang dieses Artikels anknüpfend – auch darüber berichten, wie Andrew Manze anlässlich seiner Aufnahme Mozartscher Violinkonzerte (2006) zu außergewöhnlichen Einsichten gekommen ist… als Geiger habe ich ihn zum ersten Mal im WDR gelobt bei der Besprechung der Matthäus-Passion mit Ton Koopman. Mitte der 90er Jahre…

Wie war es eigentlich 1933?

https://www.rbb-online.de/doku/b/berlin-1933.html

HIER → dort in das folgende Bild klicken:

Aus einer anderen Sendereihe:

https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/komplizen-des-boesen-1933-1938-faszination-und-gewalt-102.html HIER alle Folgen HIER

*    *    *    *

Private Motivation: siehe http://s128739886.online.de/jahreszeiten-lebenszeiten/

oder hier „Vom Wesen der Stadt“

Die berühmte Toccata und der junge Bach

Neues aus der Alten Musik

Soeben auf den Tisch gekommen, – teilweise schwierig (für Fachmusiker gedacht), aber bei genauem Studium absolut faszinierend!

Inhaltsverzeichnis

Haben Sie sich gut orientiert? Auch ab Ziffer 3.? Ich erinnerte mich sofort an die entsprechenden Passagen in „Bachs Welt“, dem Buch von Volker Hagedorn, das mich vor einigen Jahre über Monate gefesselt hat. Die Stelle vom Aufbruch aus Ohrdruf stand mir sogleich wieder vor Augen. Die Musik, die ich damals im Internet recherchiert hatte. Unvergesslich die Atmospäre, die sich aus alldem zusammensetzte.

Quelle hier

Und hier müssen wir unbedingt zur Hochzeitskantate 1679 und zur Trauermusik um 1710 kommen. Ausklang: A propos „Wendel Bach“.

Recht uninformiert bleibt, wer da glaubt, die Musik sei erst mit Johann Sebastian Bach zum wahren Leben erwacht und mit ihm allein für uns „Moderne“ von Relevanz. Glücklich, wer weiß, dass Bach Vorfahren und Verwandte hatte, deren Gedächtnis er selbst glühend bewahrte. „Meine Freundin, du bist schön“ von  Johann Christoph Bach (1642-1703, Stammbaum Nr.13) oder gar „Meine Bande sind zurissen“ von Johann Ludwig Bach (1677-1731) – aus dem kleineren Nebenstamm der Bache, zurückgehend auf Hans B. in Wechmar, der vielleicht ein Bruder des Stammvaters Veit d. Ä.war.

Zurück zu dem oben abgebildeten Werk über den komponierenden Organisten: man sollte vielleicht erwähnen, dass es über 50 Seiten wirkt wie eine Harmonielehre für Anfänger: nur dass diesmal alles neu benannt ist, nach Maßgabe der alten Moduslehre: lauter einfache Kadenzen, mit oder ohne Vorhalt in einer Stimme, auf verschiedenen Stufen, mit Trugschluss oder ohne usw., – man kann die Geduld verlieren.

Aber man darf nicht aus den Augen lassen: es geht um BACH, – und dann noch etwas: es gibt eine Vorbedingung, ohne deren Erfüllung vieles von Bach uns heute verschlossen bleibt: man muss den protestantischen Choral kennen – auch wenn man Katholik oder Moslem oder Agnostiker ist -, von innen her kennen, mehr: man muss ihn lieben (es ist leicht!).

Ohne Liebe zum Choral bleiben uns die größten Kunstwerke des Abendlandes verschlossen, sagen wir: die Matthäuspassion. Und darum sind auch Bachs Choralvorspiele kein Nebenschauplatz . Das heißt auch: auf den folgenden Seiten des Buches bekommt die Begeisterung neue Nahrung, wenn das innere Ohr wach ist. Andernfalls – sei für klingende Musik gesorgt…

Quelle (s.o.): hier

Buch-Beispiel 84 Choral 2) (ist transponiert, steht an Ort und Stelle in F-dur) siehe und höre übernächstes Youtube-Beispiel Matthäuspassion „O Haupt voll Blut und Wunden“. Buch-Beispiel 84 Choral 1) im folgenden Video ab 16:02 (melodisch als Cantus firmus im Bass schon ab 0:15, also vom ersten Takt an!) – Es geht in den Buch-Beispielen nur um die Kadenz des Chorales, genauer: um die beiden Schlusstakte. Aber im Hintergrund steht – natürlich – die ganze Musik, die davor gewesen ist!!! Hören Sie doch einfach alles! (Information zu dieser Kantate BWV 135 in Wikipedia hier.)

zu Buch-Beispiel 84 1) u. 2)

Ich kann nicht verhehlen, dass dieses Buch für musikalische Normalverbraucher auch eine Zumutung ist. Zweifellos gehört zur Lektüre, dass man imstande ist, sich die Musikbeispiele selbst zu erschließen: am Klavier, an einem Tasteninstrument. sogar am Keyboard; dass man sie vielleicht in Bachs sämtlichen Orgelwerken nachschlagen kann, usw., dass man eine CD-Sammlung aktivieren kann, sich auf Youtube einiges zusammensucht… Das Papierwissen ist unersetzlich, bedeutet aber für die praktische Hörerfahrung nur eine erste Motivierung, sonst landet es im Vergessen. Deshalb kopiere ich auch noch zwei Seiten des Buches, die mir immer wieder Auftrieb gegeben haben: den jungen Bach hat es wirklich gegeben! Wir können ihn uns in Ohrdruf und in Lüneburg real vorstellen! Nur die detektivische Arbeit, die Andreas Weil zur Auflösung des Rätsels um die berühmte Toccata geleist hat, will ich hier nicht kurz zusammenfassen; das findet man an Ort und Stelle.

 

Und ich kopiere das passende Booklet, ich will ja wissen, was Kenner sagen. Immer wieder gilt es: lesen und HÖREN! Und zwar fokussiert. Zum Beispiel Harald Vogel

 

Dabringhaus und Grimm, Musikproduktion, Kataloge hier

Es hat aber keinen Zweck, die Musik von Tr.1  bis Tr. 24 zu hören und zu sagen: Ach, eine Kirche, der Klangraum, die Vielfalt und die Farben der Pfeifen, – eher das Gegenständliche: wie die tönenden  Gebilde sich aufbauen, angefangen mit dem Praeludium (stile fantastico), die Fuge mit dem Oktavsprungthema (hört man es immer?), später: höre ich den Choral? – auch in der „Partita diverse“ – wie verändert er sich?

Eine kleine Panik entsteht, wenn man die Orientierung verliert, – wie hier, mit dieser wunderschönen CD in der Hand. Der Booklettext folgt einer freier gewählten Reihenfolge des Vortragenden: wenn ich demnach seinen Worten als getreuer Schüler mit dem Blick auf die richtige Musik folgen wollte, müsste ich eine vertrackte Trackfolge wählen, nämlich:

1   2   3   4   6   10   5   7   8   9   11   21   24   26   27   25   22    23   28 –  die Choräle werden pauschal abgehandelt, auch wenn sie an verschiedenen Stellen auftauchen, außerdem sind da noch andere Lücken, wie zwischen 11 und 21, da gibt es noch die Untertracks zu Partita 2-10, all das ist tückisch. In einer ansonsten kostbaren Aufnahme.

Zum Schluss ein kurzer Rückblick in die Zeit, die für mein Bach-Erlebnis prägend war, das Jahr etwa vor meiner Konfirmation. Die Entdeckung des vielseitigen Geistes Albert Schweitzer.

Nicht einmal die rüde Behandlung der Katze hätte meine Zuneignung mindern können; ich wusste, was er mit Blick auf alle Tiere über den Begriff „Ehrfurcht vor dem Leben“ geschrieben hatte. Der Beruf „Urwaldarzt“ erschien mir eine Zeit lang verlockend, aber ich entlieh mir aus der Bielefelder Stadtbibliothek auch sein Bach-Buch und war von dieser ersten Begegnung mit rhetorischen Figuren fasziniert. Die französische Ausgabe allerdings von 1904, aus der ich zwei Seiten wiedergebe, stammt aus dem Nachlass von Prof. Dr. Michael Schneider, der Mitte der 50er Jahre ein ganz ähnlichers Konzert in Bielefeld zur Einweihung der neuen Orgel in der Pauluskirche gab. Wir wohnten gegenüber, ich war für einige Monate Orgelschüler von Kantor Eberhard Eßrich, und dieser kam ebenso wie Michael Schneider aus der Schule des berühmten Karl Straube , dessen Lebenslauf mich heute besonders betr. der Zeit nach 1933 interessiert.

Das Konzertprogramm, das ich in dem Buch fand, spiegelt etwa vom Geist dieser Jahre, zitiert auch Albert Schweitzer und weiß sogar von der Gläubigkeit des Interpreten: „Die Größe des Orgelspiels Prof. Schneiders liegt neben der selbstverständlichen Virtuosität in der beseelten, gläubigen Wiedergabe vor allem der Orgelwerke J. S. Bachs“.

Und das Konzert endete mit – welchem Werk????

    Ja, auch ich erlebte in jenem Jahr meiner Konfirmation eine Phase intensiver Frömmigkeit, die wohl mit Bach zu tun hatte, mit seinem Stellvertreter auf Erden, dem Kantor, und – dem Vorbild Albert Schweitzers. Auch mit der abenteuerlichen Tatsache, dass er nun in Afrika lebte…

Aber nicht mit meinen Eltern.

nach der Konfirmation Pauluskirche Bielefeld. Mein Vater war skeptisch, meine Mutter grübelte gern. Zu Albert Schweitzer sagt sie „Was für ein Kopf!“, wie später nur noch über Richard von Weizsäcker.

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Ausblick

Das Buch von Andreas Weil enthält ein wichtiges Kapitel über den Stile fantastico, allerdings auf eine spätere Entwicklung bezogen, während Andrew Manze bei Athanasius Kircher im17. Jahrhundert ansetzt. Unglaublich schön. Hören Sie auf niemanden, der Ihnen erzählt, das sei eintönig und langweilig (natürlich immer knapp instrumentiert, damit die freie Tempoentfaltung des Einzelnen fantasievoll ausgekostet werden kann), und wer gleich zu Anfang mit Einwürfen wie „zu tief!“ oder „unsauber!“ kommt, sei zur Geduld vermahnt: in die Tiefe hören, vielleicht auch die scheinbar „falschen“ Töne als Reiz der alten Stimmung zu begreifen…

(Manze-Text inzwischen nachlesbar hier)

Andreas Weil zitiert aus einer Arbeit von Matthias Schneider, die Geschichte des Stylus phantasticus sei eine „Verwirrung mit Geschichte“. „Das liegt auch darin begründet, weil sich die den Stil kennzeichnenden Merkmale allmählich verändern. War zunächst die Verwendung von kontrapunktischen Techniken kennzeichnend für den Stylus phantasticus , so verkehrte er sich im Laufe des 17. Jahrhundert ins Gegenteil, indem kontrapunktische Abschitte unerwünscht waren. (S.84) Er setzt zwar auch bei Michael Praetorius und Athanasius Kircher an, kommt dann ab mit Johann Mattheson zum Wandel der Entwicklung, wobei die nordeutsche Toccata eine entscheidende Rolle spielt.

weiter in Andreas Weil a.a.O. Seite 86