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Das Minimum

Was getan werden könnte

Ist Petra Pinzler glaubwürdig? (Ja.)

Quelle DIE ZEIT 14.10.24 Titelseite

Hilft mehr Lesen? Haben wir denn nichts davon gewusst?

1983

2015

Das letzte Kapitel des Buches (eine Art Ausblick)

… und statt die letzte Seite umzuwenden, will ich dieses Thema an anderer Stelle verfolgen: „natural engineering“, und zwar hier

Das neue Buch Under a White Sky: The Nature of the Future hier

Wenn Sie bei der Hörprobe ein wenig mitlesen wollen, nehmen Sie Seite 4 und schauen im letzten Viertel der Seite auf City Living, genau über diesen Worten wird eingeblendet bei: „…to be the largest sewing operation in the world. From the deck of City Living.“

Man kann es nicht glauben – und lese zur Ergänzung https://de.wikipedia.org/wiki/Chicago_River . Auch dies: https://en.wikipedia.org/wiki/Combined_sewer undsoweiter… auch hier oder im Film hier. Chicago ist nur ein Beispiel gigantischer technologischer Naturbeherrschung.

Doch zurück zu mir, zu uns, zu unserem „Weltgefühl“! Woher soll ich wissen, was zu tun ist? Ist nicht längst alles verloren? Auch jegliche Zukunft?

→ Weiter über E.Kolbert’s Chicago-Thema (Asian carp) hier.

Ich las über das neueste Buch unseres bewährten Soziologen Andreas Reckwitz. Thema: „Verlust“ . Wieviel Seiten nochmal, – um auch wirklich alles zu erfassen, was keine Zukunft hat? Zuerst bei Perlentaucher nachschauen: hier.

Gewiss habe ich das meiste schon hinter mir. Statt Lebenserwartung keine großen Zukunftshoffnungen. Wie habe ich das denn früher geschafft. Sub specie aeternitatis? Zunächst: Künstliche Erweiterung der Perspektive. Der Verweis auf die Enkel:innen. Innen und Außen. Die Natur. Kein Jenseits. Universum. Gleichgültigkeit. Ataraxia. (Gottseidank, das rechte Fremdwort ist zur Hand.) Oder? Oder lieber: Und? Tagelang habe ich nach dem Wort gesucht, dabei erfuhr es in den 2020er Jahren ein soziologisches Dauercrescendo. Etwa: Resilienz? RESILIENZ!

Die Quint-Essenz: Ratlosigkeit?

Ich las eben mit großer innerer Zustimmung einen Artikel in Faust-Kultur, der aber leider recht ratlos endet, wenn man – – – alt ist (beinah hätte ich geschrieben: wenn man nicht mehr ganz jung ist). Ohne Schönfärbung geht er nämlich so zu Ende:

Am Ende geht es den Dichtern und Denkern nicht viel anders als uns Normalsterblichen: Sie werden alt und älter, und den überanstrengten Kopf plagt ein hinfälliger Körper. Erfreulich ist das nicht, wie schon unser wachsamer Intellektuellenarzt Tissot wusste, aber es muss auszuhalten sein, so wie das ganze schöne Leben auszuhalten sein muss; wir sollten uns also, bitte schön, zusammennehmen und – nicht unnötig beklagen: „Der ganze Mensch erhartet im Alter, und das Alter ist ein allgemeines Zusammenschrumpeln; den Handwerkern werden die Teile, welche arbeiten, kallös; den Gelehrten wird es das Gehirn selbst, und öftermal werden sie unfähig, Ideen aneinander zu hängen. […] Bei Kindern ist das Gehirn zu weich, bei Alten ist es zu hart. […] Das Gedächtnis wankt und ist ein Vorbote abnehmender Vernunft.“

Quelle: https://faustkultur.de/literatur-essays/das-grab-auf-meinen-wangen/  ca. 9 Minuten Lesezeit

Wie bitte? Darf er so enden, nach 11 Minuten Lesezeit, der von mir hochgeschätzte Schriftsteller Otto A. Böhmer? 9 Jahre jünger und schneller als ich, Tissot zitierend, den ich nicht einmal vom Hörensagen kenne. So wenig wie das Wort, das er triumphierend hochreckt, – „kallös“, schwielenbedeckt womöglich, wie seine geistigen Hände. Und wie gern habe ich wieder gelesen, was er vom alten Goethe schreibt, oder vielmehr von dessen Freund Zelter, der drei Jahre jünger ist und nur 2 Monate nach ihm sterben sollte. Den auch Hans Blumenberg nie zu erwähnen vergisst, wenn er vom alten Goethe spricht.

Da fällt mir ein: Wäre nicht die Komik ein Ausweg, wenn man nicht aus noch ein weiß? Als Kind war mir das eine große Hilfe, besonders wenn auf der anderen Seite jemand abwartend reagierte, – nicht wissend, ob ich es ernst meinte oder nicht. Wunderbar!

Zum Beispiel Goethe bei Blumenberg

Einige Notizen

Siehe Blog „Blumenberg lesen“ hier (gegen Ende)

„Eckermann liest in der Bibel“ (Seite 46)

Wie Goethe seinen Eckermann hingehalten hat, um ihn nicht als getreuen Dokumentar zu verlieren (z.B. durch Heirat). Auch deshalb lockt er ihn mit Faust II. Siehe Erwähnung tags zuvor und danach.

Quelle Eckermann: Gespräche mit Goethe / Aufbau-Verlag Berlin 1956 (JR Sept.58)

Zu „Das Hohelied der Rezeption“ (Seite 16) Albrecht Schöne

„Alexis und Dora“ siehe hier (Weiland über Goethes Rätselgedicht)

Wikipedia zu „Alexis und Dora“ hier

Blumenberg „Goethe zum Beispiel“ Seite 70

In der Altersfreundschaft Goethes mit Zelter ist der Berliner Tonmeister mit seinem Part unterbelichtet geblieben. Dabei sind seine Briefe unvergleichlich, an Frische und Wahrheit der Empfindung denen Goethes im letzten Jahrzehnt überlegen. Und wäre dies alles nur zu lesen, um das einzige Rätsel lösbarer zu finden, wie er Goethes innigstes Gedicht „Um Mitternacht“ adäquat vertonen konnte, dürfte keine Mühe verdrießen, Zelters Part auszuleuchten.

Goethe/Zelter im letzten Lebensjahr S.61 Briefwechsel ?hier (geht nur bis 1827)

Um Mitternacht ging ich, nicht eben gerne,
Klein kleiner Knabe, jenen Kirchhof hin
Zu Vaters Haus, des Pfarrers; Stern an Sterne
Sie leuchteten doch alle gar zu schön;
    Um Mitternacht.

Wenn ich dann ferner in des Lebens Weite
Zur Liebsten mußte, mußte, weil sie zog,
Gestirn und Nordschein über mir im Streite,
Ich gehend, kommend Seligkeiten sog;
    Um Mitternacht.

Bis dann zu letzt des vollen Mondes Helle
So klar und deutlich mir ins [Finstere]1 drang,
Auch der Gedanke willig, sinnig, schnelle
Sich ums Vergangne wie ums Künftige schlang;
    Um Mitternacht.

Noch einmal zitiert bei Blumenberg Seite 211 („Auch ihn einmal weinen gesehen“) Zelter las ihm die Marienbader Elegie vor:

…jetzt hört er es vom Freund, der ihm so vieles hörbar gemacht, ihm »Um Mitternacht« vertont hatte: Mir ist das All, ich bin mir selbst verloren, / Der ich noch erst der Götter Liebling war …

Blumenberg Seite 70 „Das unerlebbare Letzte“

Wiki Quelle hier / Friedrich Preller der Ältere

Zitat Seite 71f

Noch auf der ausgeführten Zeichnung schönster Überhöhung stand n. d. Natur gezeichnet 1832. Die dazu bekannte Skizze, die diesen Vermerk nicht trug, zeigte olympische Retusche. Erst 1949 ist Prellers ›Original‹ ans Licht gekommen, das er, vielleicht mit Rücksicht auf Ottilie, die zunächst gänzlich widersprochen hatte, für sich verbarg und gegen die sanftere Skizze vertauschte.

s.a. hier Auktionskatalog 1926 „Eine Goethe-Sammlung“ Nr.33

Blumenberg Seite 82 „Goethe, zum Beispiel“, die Nietzsche-Quellenangabe ist irreführend (Bd, XIII, 244), muss heißen: § 279. in „Menschliches, Allzumenschliches“.

279.

Von der Erleichterung des Lebens. – Ein Hauptmittel, um sich das Leben zu erleichtern, ist das Idealisiren aller Vorgänge desselben; man soll sich aber aus der Malerei recht deutlich machen, was idealisiren heisst. Der Maler verlangt, dass der Zuschauer nicht zu genau, zu scharf zusehe, er zwingt ihn in eine gewisse Ferne zurück, damit er von dort aus betrachte; er ist genöthigt, eine ganz bestimmte Entfernung des Betrachters vom Bilde vorauszusetzen; ja er muss sogar ein ebenso bestimmtes Maass von Schärfe des Auges bei seinem Betrachter annehmen; in solchen Dingen darf er durchaus nicht schwanken. Jeder also, der sein Leben idealisiren will, muss es nicht zu genau sehen wollen und seinen Blick immer in eine gewisse Entfernung zurückbannen. Dieses Kunststück verstand zum Beispiel Goethe.

Seite 76 Santa Maria della Minerva in Assisi

… denn sie ist und bleibt das Stück Heidentum im Christentum, das Goethe bleibend adaptieren wird, bis hin zum Schluß des zweiten »Faust«.

Selbst der gerühmte Palladio, auf den ich alles vertraute (Goethe)

Aus Goethes Text hier

Wenn man die erste poetische Idee, daß die Menschen meist unter freiem Himmel lebten und sich gelegentlich manchmal aus Not in Höhlen zurückzogen, noch realisiert sehen will, so muß man die Gebäude hier herum, besonders auf dem Lande, betreten, ganz im Sinn und Geschmack der Höhlen. Eine so unglaubliche Sorglosigkeit haben sie, um über dem Nachdenken nicht zu veralten. Mit unerhörtem Leichtsinn versäumen sie, sich auf den Winter, auf längere Nächte vorzubereiten, und leiden deshalb einen guten Teil des Jahres wie die Hunde. Hier in Foligno, in einer völlig homerischen Haushaltung, wo alles um ein auf der Erde brennendes Feuer in einer großen Halle versammelt ist, schreit und lärmt, am langen Tische speist, wie die Hochzeit von Kana gemalt wird, ergreife ich die Gelegenheit, dieses zu schreiben, da einer ein Tintenfaß holen läßt, woran ich unter solchen Umständen nicht gedacht hätte. Aber man sieht auch diesem Blatt die Kälte und die Unbequemlichkeit meines Schreibtisches an.

Blumenberg Seite 88

Man fragt sich, warum sich diese Seite im Goethebuch befindet und nicht in Blumenbergs „Matthäuspassion“ (1988), wo er sich von Seite 208 bis 222 mit diesem Thema befasst (›DER RUFET DEM ELIAS‹). Er verrät es hier aber doch in den letzten 5 Zeilen, wo er sich dem ›ungeheuren Spruch‹ Goethes zuwendet: Nihil contra deum nisi deus ipse – Nur ein Gott gegen einen Gott. Und da bleibt die Leserschaft von Gott verlassen, sofern sie nicht an Blumenbergs unendlicher Belesenheit teilhat oder – wie ich – unverdrossen das Internet befragt. Dort würde man fündig unter folgendem Link des Goethe Jahrbuches 13 Weimar 1952: Momme Mommsen: Zur Frage der Herkunft des Spruches „Nemo contra deum nisi deus ipse“.

Das bedeutendste Kapitel dieses ganzen posthum erstellten Goethe-Buches von Blumenberg scheint mir das dem Prometheus-Syndrom gewidmete zu sein: „Ein Geschlecht das mir gleich sey“, Seite 112 – 138. Es betrifft die Wechselwirkung mit Schopenhauer bzw. dessen Auseinandersetzung mit der Farbenlehre. Und damit einen philosophischen Diskurs angesichts der Wirk- und Fliehkräfte zwischen den Monumenten Kant und Newton.

Wunderbar auch die Richtigstellung zu dem berühmten Ausspruch Goethes über die Kanonade bei Valmy, – sein Hang, dem Sinnlosen, das ihn tangiert, durch Umwidmung eine höhere Bedeutung abzugewinnen. Seite 113ff: „Gelübde auf dem Rückzug„.