Archiv der Kategorie: Geschichte

Wald-Musik, späte Nachklänge und ein Glocken-Universum

Punktuelles vom Ewigkeitssonntag

HAUPTMANN
geheimnisvoll
Es wird mir ganz angst um die Welt, wenn ich an die Ewigkeit denk‘. »Ewig«, das ist ewig!
WOZZECK
Jawohl, Herr Hauptmann!

Bitte klicken & lesen: der älteste Raum Solingens!

Der Ort, den ich kenne seit etwa 1966, Anlass „Weihnachtsoratorium“ unter Friedrich Gerschwitz. Damals fand ich den Raum befremdend, stilistisch falsch, heute mit Kenntnis der Geschichte und dem Hinweis auf den Düsseldorfer Baumeister Adolph von Vagedes (Klassizismus, Schüler von Schinkel), sein Ratinger Tor, sein Schaffen als Komponist (!), alles hochinteressant.

Ratinger Tor (Detail)

Jetzt bei der „Musik zum Ewigkeitssonntag“: Juwelen der Musikgeschichte. Biber, Sweelinck, Hume … Gleich zu Anfang ein absolut geniales Werk der phantastischen Monotonie, in dem Marin Marais das Geläut der Kirche Ste. Geneviéve du Mont de Paris nachzeichnet. Ausgehend von drei Tönen. Ich habe es 1970 durch die Kuijken-Brüder und Gustav Leonhardt kennengelernt: hier. Drei Glocken – wie in Solingen-Wald. Nein, da gibts noch eine vierte, lese ich … siehe unten.

  La Sonnerie du Wald?

Von den Lebenden und den Toten

Es ist Ewigkeitssonntag. Wir Lebenden verweilen nach dem Konzert im Eingangsbereich der Kirche, die uns mit zauberhaften Klängen versorgt hat, und studieren, was sie uns mit Hilfe von Inschriften und Sinnsprüchen darüber hinaus auf den Heimweg mitgeben kann. Es geht offenbar um die Toten des I. Weltkriegs, deren Namen dort in Stein aufgelistet sind. Dazu heißt es:

Habt nicht umsonst gestritten, habt nicht umsonst gelitten, wir wollen eure Erben sein.

Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässet für seine Freunde! Meine Augen sehen nach den Treuen im Lande!

Was soll uns das sagen?! Die letzten zwei Sätze habe ich identifiziert, sie stammen aus  Johannes 15:13 und Psalm 101:6 . Frommer Herkunft also, aber wollen wir das so in den Mund gelegt bekommen? Angesichts der Millionen Kriegstoten? Waren das die „Treuen im Lande“ ? Kanonenfutter!

Noch deutlicher der erste Spruch. Wer hat das gedichtet? Google entdeckt ihn an anderer Stelle in folgendem Zusammenhang:

Häufig wurden an den alten Denkmälern einfach nur zusätzliche Inschriften für den Zweiten Weltkrieg angebracht. Diese Inschriften sind oft sehr fragwürdig. Ein Beispiel aus Duisburg Rumeln. Man sieht einen aufrecht knienden, nackten, toten Soldaten mit Stahlhelm, der eine nackte Frau tröstet. Darunter eine Inschrift mit Bezug auf den Ersten Weltkrieg:

„Nicht umsonst habt ihr gestritten. / Nicht umsonst habt ihr gelitten. / Eure Erben wolln wir sein. / Erben Eures Herzens Brennen / für das Grösste, was wir kennen: / Deutsches Volk und Vaterland.“

Durch eine große Tafel im Hintergrund wurde nach 1945 ergänzt:

„Den Toten / die da litten / und starben / im Glauben an / eine bessere / Zukunft / 1939-1945“

Den Text des ganzen Liedes aber, aus dem die Zeilen stammen, findet man tatsächlich hier, rausgetrennt im Screenshot:

Nichts mehr davon! Doch eine andere Notiz könnte uns weiter beschäftigen: die Töne der Walder Sonnerie. „Luther“, „Hindenburg“, „Bismarck“, – doch wer ist „Klarenbach“ ? Nochmal:

Rüstungszwecke? II.Weltkrieg? 1940? Wer erblickte das Licht der Welt, hörte den Klang der Welt? Ich möchte mich grundlegend mit der Geschichte und Verbreitung von Glocken beschäftigen. Schon in den 80er Jahren habe ich damit in der Schweiz begonnen, Kirchenglocken im Engadin (das große Es-dur der Dorfkirche in Ftan!), die Kuhglocken auf den Almen, die klingelnd heimkehrende Ziegenherde mit dem kleinwüchsigen Hirten. Es klang wie die hämmernden Nibelungen bei Wagner. Ich besaß von Alain Corbin „Die Sprache der Glocken“; es betraf die „Ländliche Gefühlskultur und symbolische Ordnung im Frankreich des 19. Jahrhunderts“. Aber eine Weltgeschichte der Glocke???

Nichts leichter als das, seit es Wikipedia gibt. Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, gründlich sein wollen: haben Sie gerade einzwei Stunden Zeit?

Die Glocke bei Wikipedia HIER

Eine Kostprobe:

Stichwort: Robin Marti aus Hergiswil „Kirchenglocken“ Schweiz / meine „persönlichen“ Stichworte: Freude… Lachen… Tölzer Knabenchor Collegium aureum MAGNIFICAT :

Das JSB-Magnificat haben wir wohl 1972 in der Pfarrkirche Lenggries aufgenommen. Aufgeführt am 21.10.72 im Kloster Einsiedeln in der Schweiz (nebst der Kantate 110 „Unser Mund sei voll Lachens“). Siehe HIER.

Aus der Klosterkirche Einsiedeln ein halbstündiges Vespergeläute (mit schönen Bildansichten):

Aus derselben Kirche ein volles Sonntagsgeläut, mit nacheinander einsetzenden Glocken:

Zum krönenden Abschluss: „La Sonnerie de Sainte-Geneviève du Monte de Paris“ MIT NOTEN HIER (oder Ansehen auf YouTube siehe unten) Ausführende:  Jordi Savall (viola da gamba) Fabio Biondi (violin) Pierre Hantaï (harpsichord & positive organ). – Warten auf Takt 170 / 4:15 = Sehen und Hören… hören… hören…

Nachklänge zum Ewigkeitssonntag: Whatsapp 27.11.23 an Kathi, die in Umeå Physik studiert  Punktuelle Defekte der Raumzeitstruktur?

(Quelle: SZ & privat)

Caspar David Friedrich verfolgt mich

Was man dank Wikipedia über Caspar David Friedrich wissen könnte…

Das Bild an dieser Wand wird für mich zum Fenster in frühe Kindheit und Jugend

1960

Friedrichs berühmter Himmel hat auf jeder Reproduktion eine andere Färbung. Natürlich „stimmt“ nur diese eine an der Wand unseres Bielefelder Erkerzimmers, am Tisch darunter: ich, Oma und Mutter, kleiner Bruder.

Über die drei Kirchen der Altstadt Greifswalds hier.

Der dicke Kirchturm links gehört also der Marienkirche, in der ich getauft wurde.

Spielende Kinder – Zeichnung Jan 30.10.45, datiert von unserem Vater. Er war überraschend aus der russischen Gefangenschaft zurückgekehrt und kam zum Kindergarten, um uns zu sehen. Wir begrüßten ihn und fragten: „Dürfen wir jetzt wieder spielen?!“ Er war uns fremd geworden.

Bericht meines Vaters über unseren endgültigen Ortswechsel von Greifswald nach Lohe bei Bad Oeynhausen zu den Großeltern mütterlicherseits, Dezember 1945 : HIER

Für meinen älteren Bruder und mich gehörten Entwurzelung, Unbehausheit, Alleinsein zu den  frühen Erfahrungen, die wir zum Glück meistens zu zweit machten. (Erst das Alter hat uns vollständig getrennt.)

Wiederbegegnung mit Caspar David Friedrich und seiner Gedankenwelt im Folkwang Museum Essen (erstmals mit heimlicher Ablehnung) und jetzt wieder im neuen Licht (Florian Illies zum Thema noch nicht gelesen):

Hier geht es zur Startseite der aktuellen Ausstellung „250 Jahre Caspar David Friedrich“

2008 Wiederbegegnung mit Greifswald nach 63 Jahren, ich war begeistert, hatte aber nicht den Eindruck, dort willkommen zu sein. Vielleicht war mein Thema eine Zumutung? Ich hätte die geistige Verwandtschaft Schuberts mit Caspar David Friedrich herausarbeiten sollen.

(http://janreichow.de/vortrag_schubert_romantikdesfremden_2008.htm)

Nachtrag: 29.11.2023 Und da schickt mir eine Freundin meiner Frau ein RP-Interview (vom 27.11.23) mit Florian Illies, das den Maler Friedrich in Zusammenhang mit Goethe bringt. Spielt er den Schubert-Part in der Landschaftsmalerei? Vielleicht sollte ich doch meine Lektürepläne ändern …

Irgendwann rebellierte Friedrich gegen Goethe

Illies Am Schluss gibt es eine wunderbare Volte: 1816 werden die Wolken das erste Mal klassifiziert, und Goethe lässt bei Friedrich anfragen, ob er ihm nicht die drei Wolkenformen malen wolle. Und obwohl Friedrich jahrelang nichts sehnlicher erwartet hatte als einen Auftrag vom großen Dichterfürsten, sagt er nein. Er sagte: Das ist nicht meine Auffassung von Kunst und nicht meine Auffassung vom Himmel. Ich illustriere nicht naturwissenschaftliche Erkenntnisse, ich kann keine Wolke einfach so herauslösen aus dem Himmel. Das ist ein Moment, an dem Friedrich einem ans Herz wächst. Er wollte geliebt werden von Goethe, aber nicht auf diese Weise; die Kunst stand dann doch über allem, es war ihm himmelernst damit.

Sie schwärmen sehr vom Himmel bei Friedrich

Illies Seine Frau hat gesagt: Himmel malen ist für ihn Gottesdienst. Und wenn man vor seinen Bildern steht, sieht man: Die Himmel sind die intensivsten und berührendsten Partien. Sie führen einen in etwas Transzendentales hinein.

Noch ein Hinweis aus dem Artikel:

Lesung Florian Illies und Elke Heidenreich sprechen am 6. Dezember im Robert-Schumann-Saal in Düsseldorf über „Zauber der Stille“. Dazu erklingt die „Eismeer“-Konzertfantasie für Violine, Violoncello und Klavier von Marc-Aurel Floros, gespielt von Musikern der Münchner Philharmoniker.

Am 6. Dezember  habe ich doch keine Zeit!!! Ausgerechnet!!!

 

Zum 6.12.23 von Lore und Udo Hütten. Danke, genau das richtige im richtigen Augenblick!

Nachlese zum „Universalismus“

Bezogen auf den Versuch hier (und vielleicht hier)

Dank einer Anregung durch Daniel Martin Feige auf Facebook komme ich auf diesen lesenwerten Essay:

Der Universalismus der Aufklärung trotz postkolonialer Abgesänge von Arnd Pollmann

(…) Auf Seiten vieler politisch „links“ stehender Menschen herrscht seit den schockierenden Massakern vom 7. Oktober nicht bloß unschlüssiges oder betretenes Schweigen. Spätestens seit der letzten Documenta drängt sich der ungute und in diesen Tage dann auch heftig diskutierte Verdacht auf, nicht wenige Befürworter:innen postkolonialer Herrschaftskritik könnten ein allzu sympathetisches Verhältnis zu israelkritischen oder sogar direkt antisemitischen Organisationen hegen. Und bisweilen ist gar so etwas wie ein postkoloniales Liebäugeln mit dem palästinensischen Terror zu vernehmen. Zugleich richtet sich Sarasins Kritik ( siehe hier JR) gegen einen israelisch-deutschen Kantianer, der selbst nicht recht in die üblichen Schubladen passt. Als „Universalist“ ist Boehm (siehe hier JR) nicht nur ein erklärter Gegner postkolonialer Relativierungen. Eben dieser Universalismus führt ihn auch zu einer vehementen Kritik der israelischen Besatzung; was ihn in der Öffentlichkeit beinahe allseitig zur Zielscheibe macht.

Die Würde aller Menschen

In Boehms zuvor erschienen Buch Israel – eine Utopie (2020) hat dieser sich sowohl gegen die sogenannte Zwei-Staaten-Lösung als auch gegen die Idee eines jüdischen Einheitsstaates gewendet und stattdessen für die Utopie einer „Republik Haifa“ argumentiert; für eine föderale, binationale Demokratie, die insofern auf der Idee „universeller Menschenwürde“ fußen würde, als dort die prinzipielle Gleichberechtigung aller Menschen – in diesem Fall: Juden wir (wie) Araber – garantiert wäre. Ein solcher Staat käme laut Boehm allerdings erst dann in Sicht, wenn die jüdische Besatzung als Besatzung ein Ende hätte: „Wo der Begriff des Rechts von der Würde und Gleichheit aller Menschen abgeschnitten wurde, ist sein Anspruch auf Autorität von innen heraus zersetzt“.

(weiterlesen hier)

Exkurse zu den Universalien: s.a. hier und z.B. in der Ethnologie bei Kohl und Antweiler

Quelle: Christoph Antweiler: Mensch und Weltkultur / Für einen realistischen Kosmopolitismus im Zeitalter der Globalisierung / [transkript] Bielefeld 2011

Nachschrift nach dem 17. November

Jetzt bezogen auf den Artikel von Omri Boehm in der Süddeutschen Zeitung, Thema: ein wirklich universalistischer Humanismus, allerdings mit Gedankengängen, die Widerspruch herausfordern können. Sollen wir wirklich einem bedeutsamen Antagonismus der „Weimarer Zeit“ nachgehen, der sich in Gestalt einer jüdischen Bibelübersetzung und dem Nachwirken Nietzsches mit dem Lobpreis des griechischen Polytheismus manifestiere? Ich denke, weder das eine noch das andere war zu jener Zeit von Bedeutung, – so wenig wie heute die sehr menschliche des von Omri Boehm herausgehobenen Navid Kermani, der eine israelische Freundin zitiert. Einzelne Thesen in einem gewaltigen Stimmengewirr…

 

Mich überrascht das Narrativ, die Propheten könnten eine beschwichtigende Rolle innerhalb des Monotheismus spielen, für dessen Beurteilung in unserer Zeit wohl eher Jan Assmann paradigmatisch geworden ist. Für die Sicht der Propheten aber würde ich weniger deren Stellungnahme für die „Bewährten“ in Sodom und Gomorra sehen, als den Ablauf des Isaak-Opfers mit der Willkürentscheidung zugunsten des unschuldigen Opfers. Wo bleibt die Gerechtigkeit als universales Prinzip?

(Fortsetzung folgt)

Von Revolutionen, im Saal und draußen

Solinger Tageblatt 4.11.23

Foto: Gemeinfrei/Historisches Archiv der Stadt Köln.

https://www.fes.de/museum-karl-marx-haus/ausstellung-1848 hier

Unter freiem Himmel:

Marx und …? Man wird doch mal drüber nachdenken dürfen. Zwei Fotos ©JR 2008 in Berlin.

Waren sie es denn wirklich, diese beiden? Und wo? Welche Besucher_innen  – aus China oder Japan – könnten soviel Spaß daran haben? Wäre es ihnen auch zuhaus erlaubt? Und Ihnen? (Finden Sie den heutigen Standort.)

https://www.berlin.de/sehenswuerdigkeiten/3561030-3558930-marx-engels-forum.html hier

https://de.wikipedia.org/wiki/Marx-Engels-Forum hier

Greifbares aus der Weltgeschichte Nahost

Beziehungsweise: schwer Begreifbares, betreffend Palästina

(Sie haben keine Zeit? Dann gehen Sie bitte an den Schluss dieses Artikels!)

Solinger Tageblatt 28. Okt. 2023 Seite 2

Meist befällt mich beim Anblick von Chronologien bleierne Müdigkeit, und doch dreht es sich in Diskussionen oft um Details („wer hat angefangen?“ / „Wer hat zurückgeschlagen?“), die sich nur anhand penibel belegter Datenabläufe klären lassen. Nicht durch ein vages historisches Gefühl. Und wenn ich merke, wie trügerisch sein kann, achte ich auf jede vertrauenswürdige Nachhilfe.

Schließlich will ich im Gespräch mit Enkeln nicht Vorurteile sprechen lassen. Oder etwa rekapitulieren, was ich einst im biblischen Unterricht über die „Kinder Israel“ gelernt habe. Es geht um den gegenwärtigen Zustand des Nahen Ostens – und wie es dazu kommen konnte. Und was wir damit zu tun haben. Stichwort Schoa. Wie weit muss ich zurückgehen, – mein Vorurteil sagt: bis Pontius Pilatus, nein viel weiter, viel früher, Römerherrschaft, nein, Zerstörung des Salomo-Tempels 70 vor Christus. Zerstreuung der Juden in alle Welt. Blieben denn keine in Palästina? Gingen die (muslimischen) Araber nicht erst mit Mohammed, also viel später auf  Eroberungstour. Seit 630 nach Osten, Norden und Westen, hier bis an den Atlantik, nach Spanien, wo sie Mauren (Mohren) genannt wurden, während die weißesten Kreuzritter um 1000 in umgekehrter Richtung expandierten. Und das Osmanische Reich? Ich gerate ins Schlingern.

Ich fange lieber bei der Tageszeitung an, prüfe, ob eine parteipolitische Tendenz in der Berichterstattung erkennbar ist, ob ich weitere Quellen zu Rate ziehen sollte, – aber – schnell muss es gehen. Da draußen verändert sich ständig die Lage, nicht nur im Nahen Osten, sondern: die Weltlage. Nur nicht die Flinte ins Korn werfen – Schluss auch mit den falschen Bildern – Fakten, Fakten, Fakten!

Journalismus, das ist es! Damit fang ich an: da gibt es immerhin, schaut doch selbst, diese (s.o.) „Sieben folgenschwere Mythen“! Liebe Enkel und Enkelinnnen, das ist wohl auch für Euch geeignet, falls das stimmt mit der allgemein kürzeren Aufmerksamkeitsspanne, – uns Alten geht es ja nicht anders, die Realität hat keine Geduld mehr. Ich nehme, was ich greifen kann.

https://rp-online.de/politik/analyse-und-meinung/die-mythen-der-palaestinenser-und-israelis-im-nahostkonflikt_aid-100047045 HIER Autor: Martin Kessler

Der Begriff „Palästinenser“ Wiki hier

Israel Wikipedia-Artikel hier / Vorweggenommen seien die folgenden ZITATE:

Das Gebiet des heutigen Israel gilt als Wiege des Judentums sowie auch der beiden jüngeren abrahamitischen Religionen. Es stand seit 63 v. Chr. nacheinander unter römischer, byzantinischer, sassanidischer, arabischer, osmanischer und britischer Herrschaft. Die dort seit rund 3.000 Jahren ansässigen Juden (biblisch: Israeliten, Hebräer) wurden im Laufe der Geschichte mehrmals vertrieben oder zur Emigration gedrängt (jüdische Diaspora). Vom ausgehenden 19. Jahrhundert an bestanden unter europäischen Juden, nicht zuletzt aufgrund der in Europa zunehmenden Judenverfolgung, Bestrebungen, im damals osmanischen Palästina wieder einen jüdischen Staat zu errichten (Zionismus, benannt nach Zion, dem Tempelberg).

Der Aufstand der Makkabäer 165 v. Chr. brachte Israel noch einmal für etwa 100 Jahre staatliche Unabhängigkeit. 63 v. Chr. begann die Zeit der römischen Oberherrschaft. Die Römer gliederten das Gebiet in zwei Provinzen auf: Syria im Norden, Judäa im Süden. Im Jüdischen Krieg wurden Jerusalem und der Jerusalemer Tempel 70 n. Chr. vollkommen zerstört. Der letzte jüdische Aufstand in Israel gegen die römische Herrschaft (Bar-Kochba-Aufstand) wurde 135 n. Chr. niedergeschlagen. Ein Teil der jüdischen Bevölkerung wurde vertrieben. Das Land selbst wurde seither „Palästina“ genannt. Diesen Namen, der auf das seinerzeit bereits in den Nachbarvölkern aufgegangene Volk der Philister zurückgeht, erhielt das Land aufgrund eines Erlasses von Kaiser Hadrian, um die Erinnerung an die judäischen Bewohner zu tilgen, deren Aufstand er niederschlug. Trotzdem blieb Palästina – neben Rom und seinen Provinzen in Europa und Nordafrika sowie abgesehen von Mesopotamien (Babylonien) – ein Zentrum des Judentums; bis ins Mittelalter hinein waren sowohl die babylonischen als auch die palästinischen Rabbinen wegweisend für die Entwicklung der jüdischen Religion und Lebensweise auch außerhalb dieser Gebiete.

Im Zuge der islamischen Expansion geriet das Gebiet 636 unter arabische Herrschaft. Seit dieser Zeit wurde Palästina mehrheitlich von Arabern bewohnt. Die Kreuzfahrer beherrschten von 1099 bis 1291 das von ihnen so bezeichnete „Lateinische Königreich Jerusalem“. Es folgten die Mamluken von 1291 bis 1517 und dann die osmanische Herrschaft von 1517 bis 1918. Keine dieser Obrigkeiten hatte für Palästina eine eigene Verwaltung vorgesehen oder das Gebiet als selbstständige geographische Einheit betrachtet. Auch für die Osmanen war die Region ein Teil Syriens, wohl auf die römische Bezeichnung Syria zurückgehend. Das Land wurde in drei Distrikte eingeteilt.

* * *

Durch den Sieg der Briten im Ersten Weltkrieg wurde 1917 die osmanische Herrschaft in Palästina beendet. Im Anschluss an die Konferenz von Sanremo 1920 übertrug der Völkerbund 1922 Großbritannien das Mandat für Palästina mit dem Gebiet, das heute gemeinsam von Israel und Jordanien eingenommen wird. Zu den Mandatsbedingungen gehörte, dass die Briten die Verwirklichung der Balfour-Deklaration ermöglichen sollten, die aber die Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina nicht beeinträchtigen sollte. Die Mandatsmacht war aufgefordert, die jüdische Einwanderung zu ermöglichen, diese jüdischen Einwanderer geschlossen anzusiedeln und hierfür auch das ehemalige osmanische Staatsland zu verwenden. Es sollte dabei ausdrücklich dafür Sorge getragen werden, dass „nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und die religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und die politische Stellung, deren sich die Juden in irgendeinem anderen Lande erfreuen, präjudizieren könnte“.

Im Juli 1922 teilten die Briten Palästina in zwei Verwaltungsbezirke, Palästina und Transjordanien, das etwa drei Viertel des Mandatsgebietes umfasste. Zunächst wurden Transjordanien und Palästina noch als Verwaltungseinheit mit einheitlichen Mandatsgesetzen, der gleichen Währung und gleichen Mandatspässen betrachtet (siehe auch: Weißbuch von 1939), aber Juden war es nur noch erlaubt, sich westlich des Jordans anzusiedeln. Im östlichen Teil, in Transjordanien, dem heutigen Jordanien, setzten die Briten den haschemitischen Herrscher Abdallah ein, der von der arabischen Halbinsel vertrieben worden war.

Quelle: Wikipedia

Fakten? Wo genau stehen sie nun? Vielleicht wieder in der neuen ZEIT (3.11.23)?

Und weiter auf Seite 4 (Verschiedene Autoren):

Hier folgen als Thesen nicht unbedingt die Fakten, sondern Kernprobleme, – zu diskutierende Themen, deren Darstellung im Text nachzulesen ist. Ich lasse die Lösung offen. (Aber immer zu beachten: wer sind die Autor_innen, was haben sie gelernt und für wen arbeiten sie. Also auch hier anklicken.)

Im Krieg lügen alle Seiten /Yassin Musharbash

Bei diesem Konflikt geht es im Kern um Religion /Jan Ross

Der Nahostkonflikt ist hoffnungslos und unlösbar /Frank Werner

Die Briten sind an allem schuld /Josef Joffe

Israel ist eine Kolonialmacht /Anna Sauerbrey

Israels Geheimdienste sind die besten der Welt /Josef Joffe

Israel ist die einzige Demokratie in Nahost /Jörg Lau

Die Zweistaatenlösung ist tot /Michael Thumann

Die Hamas ist ein Werkzeug des Iran /Yassin Musharbash

*    *    *    *

Heute hört man ja immer öfter den Satz: „Das wird man doch noch sagen dürfen!“ Aber in Wirklichkeit ist das weit verbreitete Schweigen ein gesellschaftliches Problem. Daher halte ich den folgenden Artikel aus der ZEIT (2. November 2023 Seite 53) für besonders wichtig. Bitte zum Vergrößern jeweils zweimal klicken:

Autor: Thomas E. Schmidt

Gestern im Tageblatt:

Deshalb erträgt man auch Kommentare wie diesen in der Tageszeitung, nennt ihn nicht tendenziös oder „geschmacklos“ und verlangt nicht Proportionaltät, die andere Seite betreffend. Gleiches kann nicht durch Gleiches aufgewogen werden. Der 7. Oktober 2023 ist ein in das kollektive Gedächtnis eingebranntes Datum. Kein „Narrativ“, das durch ein anderes überlagert werden kann.

Seltsam: man kann das auch in 2 Minuten hören, von seiten unserer Regierung, in einer offiziellen Rede, die auch viel beachtet und gelobt wurde, mit Recht: hier von Min. 7:40 bis 9:40.

Materie, Form und Farbe

Von Toten sprechende Steine

Meine obige Anspielung auf Marius Schneiders „Singende Steine“ verstehe ich als Umleitung auf eine viel frühere Arbeit meines Doktorvaters über die Varianten der Lieder ägyptischer Fellachen. Das hat mich sehr beeindruckt bis hin zu meiner Untersuchung syrischer Volkslieder zu Anfang meiner eigenen Dissertation. Oder der „Goldberg-Variationen“. Mich faszinieren seither jedenfalls alle Serien ähnlicher und abgewandelter Dinge. Schneiders Original-Arbeit wurde nur auf Vertrauensbasis aus der Bibliothek des Musikwissenschaftlichen Instituts ausgeliehen (aus der Hand Dr. Robert Günthers), etwa 200 nicht geheftete Blätter, mit Bindfaden zusammengebunden zwischen zwei Pappdeckeln. Dieser Titel findet sich nicht einmal in dem Werkeverzeichnis von Wikipedia, das sich auf Norbert Weiss und Robert Günther stützt. Der relativ stabile Rahmen und die variablen Vorgänge innerhalb dieser Grenzen, gestützt auf gängige Vorstellungen über das „Volksvermögen“; das gehört zum Hintergrund meiner Friedhofsgänge und des Totengedenkens. Mitnichten eine quälende Melancholie.

Ohlsdorf 1.6.2011

Es bedarf auch keines bedeutenden Friedhofes wie in Hamburg-Ohlsdorf (wo die Westphals liegen) oder in Wien oder Paris. Ich spare mir kommentierende Gedanken über all die typisch hiesigen Namen, die primär zum Erinnerungskreis meiner Frau gehören, da ich erst 1965 allmählich in dieser Region, im Schatten der Kirche St. Joseph SG-Ohligs, Fuß gefasst habe, ansonsten nach Köln (WDR) orientiert blieb.

*   *   * *

zu ergänzen durch Kurz-Infos wie z.B.:

*Klaus Theyßen: jahrzehntelang Kantor an der katholischen Kirche St.Joseph, unvergesslich: ich war Ende der 60er mit ihm und seinem Jugendchor in Berchtesgaden (Geigen-Duo). Sein älterer Bruder Theo hat als Architekt viele gute Häuser in Ohligs gebaut, u.a. 1974 auch unseres. Unvergessen sein Nachfolger Leo Langer, der  sogar Biber-Sonaten begleitete, ebenfalls – schon  seit 1965 – sein evangelischer Kollege (Wittenberg Platz) Konrad Burr.

*Waltraut Schmitz-Bunse: https://hoerspiele.dra.de/vollinfo.php?dukey=1370409&SID hier

sie wurde auch Autorin unserer WDR-Abteilung „Volksmusik“, Dr. Krings schickte sie mit Ingenieur Thomas Gallia nach Kalabrien, sie machte eine wunderschöne, leider nicht abrufbare  Radiosendung über diese Aufnahmereise (Ende der 70er Jahre?). Ich dachte daran, als Freund Uli kürzlich nach Süditalien fuhr, – mit dem für ihn wesentlichen Ziel Paestum (s.u. zu Mozart).

* die Eltern von Weihbischof Manfred Melzer, von dem früher des öfteren die Rede war („war mit mir im Kindergarten“). Als professionell denkender (Musik-)Ethnologe habe ich heute vermerkt, dass es bei Youtube eine in voller Länge wiedergegebene Trauerfeier im Kölner Dom zu studieren gibt: hier .

*es gibt dort oben einen fast unleserlichen Stein, abgesehen von dem Namen MIERZWA, genau darüber erkennt man bei Vergrößerung den Namen Max Schaefer (*1906 – 1982), alle ehemals Pfarrer an der nahen Kirche St. Joseph.

https://de.wikipedia.org/wiki/Paestumhttp://s128739886.online.de/lebenslust-mozart/

http://s128739886.online.de/wp-admin/post.php?post=38223&action=edit hier

Lebenslust Mozart

Ein Grab in Bielefeld auf dem Friedhof Bethel

Musiksparten?

Wie war das noch in den 90er Jahren im WDR?

Man sprach von Programmfarben, man konnte – so glaubte man – jeweils größere Publikumsmengen an das jeweilige Programm binden, wenn man einen bestimmten Musikcharakter vorgab und durchhielt, WDR 1 „volkstümlich“, später auch „rockig“, WDR 2 „Mainstream Pop“, WDR 3 „Klassisch“ + „Konzert“, WDR 4 „Schlager, Operette, Evergreen“, WDR 5 „Wort“. Unsere Abteilung, die ursprünglich den Namen „Volksmusik“ trug (später: Musikkulturen), erweiterte seit den 70er Jahren den Inhalt des Begriffes beträchtlich: nicht nur Volksliedkantaten und Blasmusik der deutschen „unterhaltenden“ Tradition wollten wir präsentieren – es gab ja in allen Ländern und Kulturen Volksmusik, auch Folklore genannt, die ganz anders klang. Auch „fremde“ Kunstmusik, die man, da sie nicht unserer Klassik ähnelte, stillschweigend zu jenem unbekannten Genre schlug, das in unserm Radio bisher überhaupt nicht vertreten war. Das alles wurde zu unserem Arbeitsfeld und konnte – unserer Einschätzung nach – in jedem Programm vorkommen, je nachdem, welcher „Farbe“ es nahekam. Geeignet für alle musikalischen Menschen, die auch ungewöhnlichere Klänge einordnen können. Ich will jetzt nicht theoretisieren, inwieweit das überhaupt in einem solchen Massen-Medium geht, – ich selbst hatte mir Gedanken gemacht über die 12 Methoden des Hörens, die es in der Menschheit gibt, und die man nicht ohne weiteres untereinander auswechseln kann -,  jedenfalls hatten wir in der Konzertreihe, die wir seit 1974 etabliert hatten, ein Publikum im Sinn, das von bestimmten Liedformen geprägt ist, angelehnt an das, was etwa damals die „Liedermacher“ präsentierten: basierend auf unseren (westlichen) traditionellen Harmoniefolgen, die übersichtlich geformte Melodien trugen, und klanglich-rhythmisch vorwiegend von begleitenden Gitarren attraktiv, aber unauffällig ins Rampenlicht gesetzt wurden. Damit waren alle Türen und Fenster geöffnet in Richtung Süd- und Nordamerika ebenso wie nach Norden oder Osten von Irland, Skandinavien, Russland bis Rumänien, Balkan, Georgien. Das war einfach gedacht, aber beliebig erweiterbar, und wurde sichtbar von einem live anwesenden Publikum honoriert. Und parallel die „schwierigeren“ Musikkulturen, die einiger Einübung bedürfen, auch des Vorbilds prägender Figuren,  wie im Fall Indien Ravi Shankar und Yehudi Menuhin. Und natürlich in einem „klassischen“ Radiosender wie WDR 3. Auch WDR 5, das neue Wortprogramm, erwies sich als geeignet, – dort wo es sich um Musik handelt, die des Wortes und der verbalen Vermittlung bedarf. TEMPI PASSATI. Die Erinnerung lohnt sich. Fangen wir doch einfach an zu rekapitulieren. Manch einen oder eine könnte es in flagranti erwischen: es gab und gibt Sternstunden mit einer bis dato völlig unbekannten Musik. WDR 3 realisierte 2023 – 20 Jahre nach der Beendigung der Matinee-Reihe – eine großartige Idee: wenigstens 1 dreistündige Sendung des frohen Gedenkens. Davon später: zunächst die Rekapitulation in schriftlichen Stichproben.

Bericht im WDR-Blatt September 1990

Beispiel einer Programmübersicht, wie sie in unserer „Blütezeit“ monatlich verschickt wurde

Programmatische Gedanken im Blatt der Kölner Philharmonie 31.10.1992

*    *    *    *    *

WDR-Pressetext Oktober 2023:

Die WDR-Livemusik-Reihe „Matinee der Liedersänger“ gehört zu den großen Meilensteinen der Musikkulturen der Welt in der Geschichte des Radios. 1976 hervorgegangen aus der Reihe „Matinee der Liedermacher“ holte der WDR-Redakteur Jan Reichow regelmäßig Musikerinnen und Musiker verschiedenster Kulturen auf nordrhein-westfälische Bühnen und ins Radio.

Damit war sonntags vormittags um 11 Uhr die Welt zu Gast im WDR Funkhaus Köln, in der Ravensberger Spinnerei in Bielefeld oder im Museum Bochum (später im Bahnhof Langendreer in Bochum). Canciónes aus Südamerika mit dem uruguayischen Liedermacher Daniel Viglietti, der argentinischen Folk- und Protest-Sängerin Mercedes Sosa und dem chilenischen Geschwisterpaar Isabel und Angel Parra waren ebenso zu erleben wie Klezmer von Brave Old World, bulgarische Vokalklang-Landschaften vom Eva Quartet und korsische Gesänge der Gruppen A Filetta und Cantu u Populu Corsu. Auch die berühmten Taraf de Haidouks aus Rumänien, die Globetrotter der französischen Band Bratsch u.v.m. traten auf und brachten unterschiedlichste Eindrücke weltweiter Musikkulturen in das WDR 3 Sendegebiet.

Abrufbar hier: https://www1.wdr.de/radio/wdr3/programm/sendungen/wdr3-konzert/konzertplayer-matinee-der-liedersaenger-highlights-100.html LINK

Facebook Oktober 2023

Überleben (ohne Erdkruste)

Ist wirklich Rettung in Sicht?

Dirk Steffens setzt auf Abbau der industriellen Nahrungserzeugung, Optimismus sei angesagt…

Der Wald und – – – der Erdboden

https://plus.rtl.de/video-tv/serien/die-grosse-geo-story-899018/staffel-1-899019/episode-1-die-grosse-geo-story-wie-wir-die-welt-gesund-essen-899020 HIER

Ab 6:10 AMAZONAS, über Regenwald, Indigenen Landbesitz oder Landbesetzung durch Konzerne, Soja-Produktion, Kapital gegen Urbevölkerung,  – die Bedeutung der Erdkruste wo?

ab 26:50 !

Tageblatt über Buch „Eat it

Wissen Sie etwas über die Rauchschwalbe? (betr. Eva von Redecker) Oder über den Mauersegler? (betr. mich) Mir ist das Thema wichtig seit meiner Kindheit, die Schwalben auf der Lohe bei Bad Oeynhausen, später in Ftan, dem Dorf in Graubünden (ich notierte etwas über die Freude der jungen Schwalben, die auf den schrägen Blechdächern ihre Flugübungen begannen), die Mauersegler der 50er Jahre in Scharen am Himmel über der Bielefelder Pauluskirche, später auch in Solingen (2023 erstmalig nur noch vereinzelt). Leseprobe:

Leseprobe zum Leitmotiv der Schwalben

Quelle: Eva von Redecker: Bleibefreiheit / S.Fischer Verlag Frankfurt am Main 2023

Zu meinem Leitmotiv der Mauersegler 1989, der Schwalben 1982 Urlaub in Ftan

Während es in der westlichen Welt zumeist um Bewegungsfreiheit geht, die wir definiert haben wollen, thematisiert dieses Buch als erstes die „Bleibefreiheit“, die also nicht auf eine räumliche Veränderung zielt, sondern auf eine zeitliche. Ich bin an demselben Ort wie vorher, aber es weht eine andere Luft. Eva von Redecker greift zunächst zurück auf den Begriff „Solastalgie“, das mir 2019 zuerst im Zusammenhang mit Bruno Latours Heimatbegriff begegnete (hier).  Und nun stellen wir fest, mit einem Wort, das wir auch noch nicht kannten, also bei dieser Suche nach Bleibefreiheit: „Die Moderne hat uns schließlich keinen Trost versprochen, sondern Freiheit.“ Aber: „Hängt unsere Freiheit nicht vom Fortbestand der lebendigen Welt ab? Besteht sie nicht geradezu darin?“ (Seite 21) Bald darauf sind wir – wieder einmal bei Sokrates – wie schon kürzlich in Erinnerung an Oberstudienrat Dempe hier – nein, vor allem bei der dort ganz übersehenen Frau des weisen Mannes: „Wir können den Schmerz, den Xanthippe artikuliert, als Wunsch nach Bleibefreiheit deuten: der Wunsch danach, dass Sokrates noch ein wenig unter seinen Freunden weilen dürfe.“ (Seite 32 f) Und dann geht es mit einer herrlichen Formulierung auf das Problem der STERBLICHKEIT: „Stattdessen macht der overkill an Bleibefreiheit, den Platons Sokrates-Avatar einführt, auf einen Schlag die ganze Welt unwesentlich. Was zählt, ist die Seele und ihr ewiges Leben. Anders als später im Christentum ist die Welt als antiker Kosmos hier noch unendlich gedacht. Auch nicht, wie die meisten Griechen argumentiert hätten, die Polis als politische Gemeinschaft. Was allein zählt, ist die eigene Seele als Vehikel zur Todesumschiffung. Den anderen Ort, zu dem sie Zugang verschaffen soll, nennt Sokrates die »wahre Erde«. “ (Seite 33) Leider kommt dann ein großes Kapitel, das mir vorläufig unzugänglich bleibt, angefangen mit Simone de Beauvoir, fortschreitend zu italienischen Feministinnen um Luisa Muraro und „Die symbolische Ordnung der Mutter“ – die ich mir gerade eingedenk der eigenen Eltern noch nicht erschließen konnte. Um so bedauerlicher, wenn sie in einem weiteren, faszinierenden Ansatz den Blick auf das Alter der Welt und die Endlichkeit des Menschen richtet, selbst die Idee der „Selbstwiedergeburt“ plausibel macht. Zugleich passieren auf Seite 144 die ersten Fehler („Planten“ und „der Cartesianische Zweifel“ … „würde Muraro als Abwesenheit einer solchen Weltwahrnehmung einstufen.“ )

Unvergesslich die – nicht einmal ganz neuen – Gedanken zur „Theorie des Bodens“: die Pflanzen brauchen mehr als Luft und Licht. Dass sie leben, ist den Effekten der Biologie des Bodens zu verdanken. „Der Boden lebt.“ Man lese das Kapitel „Aus Gezeiten gemacht“ Seite 124 ff

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Dieses Video https://www.youtube.com/watch?v=VbQYy5mV1CE verweist auf folgende Sendung:

https://www.zdf.de/wissen/leschs-kosmos/die-erde-die-unsere-welt-rettet-landwirtschaft-neu-denken-102.html HIER

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https://www.youtube.com/watch?v=ZkBzbYuKZhE HIER Wo sind die Vögel?

ARTE-TEXT:

Vögel sind Nachfahren der Dinosaurier und älter als die Menschheit, doch überall verschwinden sie. Allein in Deutschland ist die Zahl der Feld- und Wiesenvögel in 30 Jahren um mehr als die Hälfte gesunken, in Frankreich mehr als ein Drittel. Die britische Vogel-Bloggerin Mya-Rose Craig hat sich auf eine Spurensuche nach den Ursachen gemacht und dabei Wissenschaftler, Landwirte und den US-Bestsellerautoren und Vogelbeobachter Jonathan Franzen getroffen. An der Universität von Exeter haben Wissenschaftler einen europaweiten Rückgang der Vögel seit 1980 um 421 Millionen Tiere festgestellt. Statt vier Vögeln pro Einwohner gibt es heute nur noch drei oder weniger. Ein Besuch bei der französischen Vogelkoryphäe Frédéric Jiguet zeigt: Es sind vor allem die Feld- und Wiesenvögel, die verschwinden. Diese Vogelgruppe lebt dort, wo früher Kühe auf Weiden standen und Bauern auf Äckern Korn anbauten. Es gab genug Kräuter und Insekten, von denen Vögel sich ernähren konnten. Heute sind Landwirte oft gezwungen, industriell zu wirtschaften und mit Pestiziden und Herbiziden zu arbeiten. Die Untersuchungen der Wissenschaftler machen deutlich, welche dramatischen Folgen, diese Art der Landwirtschaft hat. Der Filmemacher Heiko De Groot vermittelt in seiner Dokumentation eindrücklich, wie die intensivierte Landwirtschaft das Vogelsterben verursacht und welche Bedeutung Vögel für das Überleben der Menschen haben. Dokumentation von Heiko De Groot (D 2019, 53 Min)

Das Leben und der Faktor ZEIT

Quelle: SZ-Magazin 20. Oktober 2023 „Irgendwo da oben“ – „und ganz weit da unten

»Alles was ich für meine Arbeit wissen muss, finde ich im Licht der Sterne«

»Ich sehe völlig fremde Kreaturen und fühle mich bei ihnen zu Hause«

Katja Poppenhäger sucht nach Leben im All, Antje Boetius findet ständig neues in der Tiefsee. Ein gemeinsames Interview über die Enden der Welt (Interview: Marius Buhl)

Neue Ratlosigkeit

Wöchentliche Orientierung, ein Irrweg?

Begleitet von der imaginierten Kritik derer, die sich auf schnelle Intuitionen verlassen, lese ich an jedem Donnerstagmorgen die ZEIT, von vorne natürlich – also zuerst die Titelseite, dann die Rückseite dieses Teils, die Inhaltsangabe Seite 14, gehe von dort meist zuerst ins Feuilleton, dann in Wissen. Ich will heute protokollieren, was für mich lebenswichtig (?) war, – weshalb ich die möglichen antibürgerlichen Kritiker ignoriere, ohne sie zwischen den Zeilen zu übersehen. Sie schauen durchs Gitterwerk. (Könnte etwa eine Täuschungsmaschinerie am Werk sein?) Ich notiere allerdings die Zeilen, die ich markiert habe. Nicht meine Gedanken, die ich vielleicht bei Gesprächen ins Offene schicke. Manche stammen von Adorno (nach seiner Rückkehr in den 50er Jahren). Aber am späten Vormittag will ich im Garten tätig gewesen sein, zumal ich Jan Schweitzer gelesen habe, Seite 41 mit „Dreieinhalb Minuten Schwitzen“.

Die Terroristen hatten es auf Juden abgesehen, aber auch auf das, wofür Juden in ihren Augen stehen: die westliche, liberale Welt, in der es möglich ist, dass junge Menschen auf einem Trance-Festival unter dem Motto »Freunde, Liebe und unendliche Freiheit« halb nackt in der Wüste tanzen. Es ging nicht nur um den Freiheitskampf der Palästinenser. Die Hamas will einen Staat nach islamischen Regeln errichten. Ihre Mitglieder würden die säkularen arabischstämmigen Jugendlichen auf der Berliner Sonnenallee verachten, die vor wenigen Tagen gemeinsam mit der antiimperialistischen Szene »Free, free Palestine« riefen.

QUELLE Sascha Chaimowicz: Dieses Schweigen / Seite 1

Dieser Sieg der Opposition ist weit über Polen hinaus bedeutsam. Das Bündnis unter Führung des ehemaligen Premiers und EU-Ratspräsidenten Donald Tusk hat bewiesen, dass der Vormarsch des Rechtspopulismus kein unabwendbares Schicksal ist – nicht einmal unter extrem schwierigen und unfairen Bedingungen.

QUELLE Jörg Lau: Willkommen zurück / Seite 1

Zu Isoldes Liebestod, am Ende der Oper, standen sie an der Rampe, und hinter ihnen ging ein goldenes Quadrat auf, leuchtete heller und heller – wie das Tor zu einer anderen Welt. Diese Idee des Bühnenbildners Erich Wonder hat mich zusammen mit Wagners Musik schwer ergriffen. (Lemke-Matwey)

… und es musste etwas passieren zwischen diesen beiden Menschen, die von ihrer Leidenschaft noch gar nichts wissen. Auf so engem Raum! Und es passierte! Mit aller Entschiedenheit. Die Wonder-Räume duldeten keine Verlegenheit, keine Schleichgänge. Nein! Jede Aktion musste groß sein, jede Aktion musste etwas bedeuten! (Waltraud Meier)

QUELLE »Der Mensch hat so viel zu sagen!« Doch jetzt ist Schluss, die Sängerin Waltraud Meier gibt ihren Abschied. Ein Gespräch über das Leben im Rampenlicht / Seite 54

Viele wollen nicht verstehen, dass wir den Mord an 1400 Israelis nicht dulden können. Ich frage die Deutschen: Würden sie so etwas hinnehmen? Gemessen an der Bevölkerungszahl wären das 10.000 ermordete und 1000 entführte Deutsche. Mich stört die Doppelmoral: Unsere Kritiker setzen Israel und Palästina gleich, fragen nicht, wer den Krieg begonnen hat. Wir kämpfen aber nicht gegen Palästinenser, sondern gegen die Hamas und den Islamischen Dschihad. Wir kämpfen nicht gegen die Iraner, sondern gegen das Mullah-Regime. Nicht gegen den Libanon, sondern gegen die Hisbollah. Am meisten ärgert mich die Forderung nach »verhältnismäßiger« Gegenwehr. (Wieso?) Was wäre denn verhältnismäßig? Sollen wir es machen wie die Hamas? Sollen wir ein Musikfestival im Gazastreifen stürmen, Frauen vergewaltigen und Kinder enthaupten? Vielleicht am Ramadan? Ohne Vorwarnung?

QUELLE »Sie lachen, während sie uns töten« Arye Sharuz Shalicar ist Sprecher der israelischen Armee. Hier berichtet er über die Gräueltaten der Hamas, warum ihm die Bilder nicht aus dem Kopf gehen – und wie es ist, sich für die militärische Gegenwehr rechtfertigen zu müssen / Seite 62

Analyse eine neuen Welt in Aufruhr, mit Hilfe der alten Theoretiker

(Thukydides, Machiavelli, Clausewitz, Herfried Münkler)

Auf die Frage – nachdem es Hoffnung gab, den nahöstlichen Raum weiter zu befrieden – woher dieses Interesse kommt an CHAOS und UNORDNUNG…

Einige haben die Annäherung zwischen Israel, Saudi-Arabien sowie den Golfstaaten in Gestalt der sogenannten Abraham-Abkommen als Befriedung des Raumes angesehen und dabei den Iran und die Palästinenser außer Acht gelassen. Die aber wären die Verlierer der Befriedung des Raumes gewesen; also haben sie nach Möglichkeiten gesucht, diese Entwicklung zu stören, zu zerstören und dabei sind sie wohl erfolgreich gewesen. Dass auch der russische Präsident Putin ein Interesse an der Eröffnung eines zweiten »Kriegsschauplatzes« hat, weil der den Westen zusätzlich in Anspruch nimmt, spielt sicherlich auch eine Rolle. Politische Akteure, die mit den bestehenden Verhältnissen unzufrieden sind, profitieren von Chaos und Unordnung – also befeuern sie diese.

Zur Prognose, dass es künftig fünf Machtzentren geben werde…

Die Kandidaten auf der demokratischen Bank werden die USA und die EU sein, auf der autoritären Bank Russland und China – und Indien als »Zünglein an der Waage«. Warum fünf? Sie müssen Ordnungsaufgaben übernehmen, die für sie nicht bequem sind und Anstrengung bedeuten – etwa dafür zu sorgen, dass eine Organisation wie Hamas nicht ganze Regionen in Brand setzen kann. Dafür bekommen sie etwas zurück: Einfluss. Die fünf wollen unter sich bleiben und keine anderen dabei haben, mit denen sie Macht teilen müssen. Historisch haben solche Fünferkonstellationen eine gewisse Stabilität, in der Regel zwei gegen zwei, und einer ist das Zünglein an der Waage. (…)

Die Kategorien, mit denen Sie die Lage bedenken, sind die ganz alten: Macht, Polarität, Einflusszone (…).

Vermutlich besitzen Kategorien, die sich über Jahrhunderte bewährt haben, eine höhere Erklärungskraft, auch angesichts einer sich schnell wandelnden Welt, als Theorien, die in gerade stattfindende Entwicklungen hineingeschrieben werden, von denen man aber annehmen kann, dass sie nur intellektuelle Widerspiegelungen einer augenblicklichen Lage sind. Es kommt nicht von ungefähr, dass ich mit Thukydides oder Machiavelli Theoretiker nehme, die als Politiker gescheitert sind und die unter dem Gesichtspunkt ihres Scheiterns schrieben. Sie treten nicht mit dem Gestus der Selbstverliebtheit in ihre eigenen Ideen auf, wie so mancher, der zuletzt hoch im Kurs stand und angesichts der jüngsten Entwicklungen – Russland, Türkei, Hamas – jetzt vor einem Scherbenhaufen steht. (…)

Man hat den Raum vom Westbalkan bis zum Kaspischen Meer, von der ukrainischen Nordgrenze bis über die türkische Südgrenze hinaus bis nach Israel nicht als einen postimperialen Raum betrachtet, sondern gedacht, man könne ihn gut in Ordnung halten. Aber postimperiale Räume bringen revisionistische Akteure hervor. (…)

Ich schätze die Klassiker einer Theorie, die stark mit geschichtlichen Erfahrungen argumentiert – bei Thukydides, vor allen Dingen bei Machiavelli, aber auch bei Clausewitz, der sich mit den Hoffnungen der Aufklärung über das Verschwinden der Kriege auseinandersetzt. Bei diesen Autoren spüre ich eine Weigerung, sich täuschen zu lassen durch Wunschdenken. Denn indem man sich der Geschichte vergewissert, tritt sie als tatsächliches Geschehen an die Stelle des Gewünschten. Ich sage nicht, alles wiederhole sich eins zu eins, aber Grundkonstellationen sind bereits in der Vergangenheit immer wieder aufgetreten und werden das wohl auch in Zukunft tun. Ansonsten müsste man plausibel nachweisen, warum sich das, was sich in zweieinhalbtausend Jahren wiederholt hat, nicht mehr wiederholen wird. Für diese Erwartung gibt es keinen Grund. Mit Schopenhauer kann man sie als »ruchlosen Optimismus« bezeichnen.

Quelle: alle wörtlichen Zitate stammen aus einem Gespräch mit dem Historiker Herfried Münkler, DIE ZEIT 12. Oktober 2023 Seite 58 »Der Worst Case war nicht vorgesehen« / Gespräch Thomas E. Schmidt mit dem Politologen H.M. über Israel, Russland und das Chaos in der Welt. Wie es zwischen den großen Mächtigen ohne Kriege weitergehen könnte, beschreibt er in seinem Buch »Welt in Aufruhr«.

Eine philosophische Antwort auf die Situation in Palästina / Israel:

HIER

Für die Philosophin Susan Neiman steht fest, dass das Festhalten an der Würde aller Menschen die einzig richtige Antwort auf die Situation in Israel ist. Das bedeute, das Leid aller ernst zu nehmen. Zugleich dürfe erfahrenes Leid nicht zur Richtschnur eines politischen Handelns werden, das von Rachewünschen getrieben ist.