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Künstliche Intelligenz, mehr davon

Bis zum Überdruss?

Jede Zeitung, jede Illustrierte weiß irgendetwas darüber zu berichten und hat irgendwelche Experten an der Hand. Und ausgerechnet ich, der ich voller Skepsis war und bin, will mich nun auch noch einmal vergewissern, dass diese Erfahrung mit der Künstlichkeit auch ihr Gutes hat. Haben wir uns früher nicht auch ernsthaft gestritten, wenn es um neue Techniken des Übens ging, und hat nicht sofort jemand gehöhnt (und sei es ein innere Stimme): Ja ja, ihr vorbildlichen Deutschen, euch geht es immer nur um das rein Menschliche, ihr wollt nur Künstler sein, keine Virtuosen. Wie war das noch mit Hermann Hesse, nachdem Karlheinz Deschners „Kunst, Kitsch und Konvention“ erschienen war? 1962 erst??? Oder schon?? Zur Sache, keine blinde Schwärmerei… Im Lexikon Philosophie von Thomas Vašek von 2017 jedenfalls gab es noch keine KI im Namen der übermenschlichen Erkenntnis, wenn auch lauter gute Artikel zu Geist und Denken.

Lexikon „Philosophie!“ Theiss 2017

Zitat, gefunden beim Kurkurator JMR:

Die „Sorge vor … der Technisierung [des Organischen hat] auch ihre
Begründung … – aber dann richtet sie sich eher auf die Frage, wer über solche neue Macht der Menschen verfügen wird und wie sie auf das Wohl des Menschen eingegrenzt werden kann, als auf die andere Frage, ob ein vermeintliches Recht der Natur auf Enthaltung des Menschen von letzten Eingriffen dadurch verletzt würde.“ / The „concern about … the
mechanisation [of the organic] also has its justification … – however, it is directed more towards the question of who will have such new human power at their disposal and how it can be limited to the good of mankind, rather than the other question of whether a supposed right of nature to abstain from final interventions would thereby be violated.“

Hans Blumenberg (1966)

04/2024 www.kurkurator.de/futuristic-footers-2024

siehe human hier

Und wie kam ich kürzlich auf diese neue Zeitschrift,- es war ein Hinweis in Facebook (Meta), vertrauenswürdig, mit respektablen Namen verbunden (Thomas Vašek ! , Daniel Martin Feige). Das wird keine kritiklose Beschreibung einer von menschlichen Schwächen befreiten Zukunft sein. Und nach einer unnötig langen Recherche im Internet fand ich das Heft (vorrätig) im  nahen Buch- und Zeitschriftenladen des Haupt(!)bahnhofs Solingen.

von Daniel Martin Feige

(Fortsetzung folgt)

Neu (1.6.24) Florian Harms (t-online) hier zitiert zum Vormerken:

Während wir auf die aktuellen Nachrichten starren, vollzieht sich im Hintergrund eine grundstürzende Entwicklung, die alle anderen Technologien in den Schatten stellen kann, mit denen der Mensch es je zu tun gehabt hat: Die Künstliche Intelligenz ist drauf und dran, sich zur Superkraft aufzuplustern. Zur Gottheit des gesamten Universums.

Sie haben sicher schon manches über ChatGPT gehört, und vielleicht nutzen Sie es ja auch. Das wäre gut, denn wer diese Technologie nicht versteht und sie nicht anzuwenden weiß, könnte bald ein großes Problem bekommen. Generative Sprachmodelle werden unseren Lebens- und Arbeitsalltag umkrempeln, so viel dürfte feststehen.

Was sich in der KI-Entwicklung tut, geht aber weit über ChatGPT, Google Gemini, Perplexity und all die anderen Anwendungen hinaus, die gegenwärtig wie heilige Grale bejubelt werden. Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, die ganze Welt zu verändern – zum Guten oder zum Schlechten. Führende KI-Experten haben diese Woche davor gewarnt, die Risiken Künstlicher Intelligenz zu unterschätzen: Sie bewerten deren Gefahren so hoch wie bei einem Atomkrieg.

Kann Künstliche Intelligenz die ganze Menschheit ausrotten? Oder beschwert sie uns ein herrliches Leben ohne Mühen? Diese Frage gehört nicht in einen Science-Fiction-Roman, sie gehört an jeden deutschen Küchentisch und in jedes Wohnzimmer. Um Ihnen einige Denkanstöße für Ihre Gespräche im Familien-, Freundes- und Kollegenkreis zu geben, haben Lisa Fritsch und ich einen der klügsten Köpfe zum Thema eingeladen: Fabian Westerheide zählt zu den führenden Experten für Künstliche Intelligenz und Zukunftstechnologien in Europa. In unserem Gespräch sagt er Sätze, über die man tagelang nachdenken kann. Wenn Sie wissen wollen, was auf Sie und Ihre Lieben zukommt: Schenken Sie uns ein paar Minuten Ihr Ohr. (Interview mit Fabian Westerheide)

„Die KI ist ein Werkzeug. Sie ist ein Ebenbild von uns, sie ist kulturbewahrend, sie verstärkt uns, was Vorurteile angeht, aber auch was Fortschritte in der Gesundheit angeht, in der Kriegsführung sehen wir zum Beispiel: sie nimmt Menschenleben, aber sie nimmt weniger Menschenleben als die Menschen vorher genommen haben. Also das Werkzeug ist ne Verstärkung von uns, die größte Gefahr sind die Menschen, die sie missbrauchen. Für Cyberangriffe, für Desinformation, für Deepfakes, für Wahlkampf, – also die KI ist erstmal unschuldig bis zu dem Zeitpunkt, wo sie durch uns Menschen missbraucht wird.“ [Weiter ab 2:26]

Ist der vorausgeschickte journalistische Text nur alarmierend? Bitte weiterhören, Länge 30’05, jedoch  hoch interessant schon bis 4:40, – man kann nicht aufhören!)

Zum Beispiel Goethe bei Blumenberg

Einige Notizen

Siehe Blog „Blumenberg lesen“ hier (gegen Ende)

„Eckermann liest in der Bibel“ (Seite 46)

Wie Goethe seinen Eckermann hingehalten hat, um ihn nicht als getreuen Dokumentar zu verlieren (z.B. durch Heirat). Auch deshalb lockt er ihn mit Faust II. Siehe Erwähnung tags zuvor und danach.

Quelle Eckermann: Gespräche mit Goethe / Aufbau-Verlag Berlin 1956 (JR Sept.58)

Zu „Das Hohelied der Rezeption“ (Seite 16) Albrecht Schöne

„Alexis und Dora“ siehe hier (Weiland über Goethes Rätselgedicht)

Wikipedia zu „Alexis und Dora“ hier

Blumenberg „Goethe zum Beispiel“ Seite 70

In der Altersfreundschaft Goethes mit Zelter ist der Berliner Tonmeister mit seinem Part unterbelichtet geblieben. Dabei sind seine Briefe unvergleichlich, an Frische und Wahrheit der Empfindung denen Goethes im letzten Jahrzehnt überlegen. Und wäre dies alles nur zu lesen, um das einzige Rätsel lösbarer zu finden, wie er Goethes innigstes Gedicht „Um Mitternacht“ adäquat vertonen konnte, dürfte keine Mühe verdrießen, Zelters Part auszuleuchten.

Goethe/Zelter im letzten Lebensjahr S.61 Briefwechsel ?hier (geht nur bis 1827)

Um Mitternacht ging ich, nicht eben gerne,
Klein kleiner Knabe, jenen Kirchhof hin
Zu Vaters Haus, des Pfarrers; Stern an Sterne
Sie leuchteten doch alle gar zu schön;
    Um Mitternacht.

Wenn ich dann ferner in des Lebens Weite
Zur Liebsten mußte, mußte, weil sie zog,
Gestirn und Nordschein über mir im Streite,
Ich gehend, kommend Seligkeiten sog;
    Um Mitternacht.

Bis dann zu letzt des vollen Mondes Helle
So klar und deutlich mir ins [Finstere]1 drang,
Auch der Gedanke willig, sinnig, schnelle
Sich ums Vergangne wie ums Künftige schlang;
    Um Mitternacht.

Noch einmal zitiert bei Blumenberg Seite 211 („Auch ihn einmal weinen gesehen“) Zelter las ihm die Marienbader Elegie vor:

…jetzt hört er es vom Freund, der ihm so vieles hörbar gemacht, ihm »Um Mitternacht« vertont hatte: Mir ist das All, ich bin mir selbst verloren, / Der ich noch erst der Götter Liebling war …

Blumenberg Seite 70 „Das unerlebbare Letzte“

Wiki Quelle hier / Friedrich Preller der Ältere

Zitat Seite 71f

Noch auf der ausgeführten Zeichnung schönster Überhöhung stand n. d. Natur gezeichnet 1832. Die dazu bekannte Skizze, die diesen Vermerk nicht trug, zeigte olympische Retusche. Erst 1949 ist Prellers ›Original‹ ans Licht gekommen, das er, vielleicht mit Rücksicht auf Ottilie, die zunächst gänzlich widersprochen hatte, für sich verbarg und gegen die sanftere Skizze vertauschte.

s.a. hier Auktionskatalog 1926 „Eine Goethe-Sammlung“ Nr.33

Blumenberg Seite 82 „Goethe, zum Beispiel“, die Nietzsche-Quellenangabe ist irreführend (Bd, XIII, 244), muss heißen: § 279. in „Menschliches, Allzumenschliches“.

279.

Von der Erleichterung des Lebens. – Ein Hauptmittel, um sich das Leben zu erleichtern, ist das Idealisiren aller Vorgänge desselben; man soll sich aber aus der Malerei recht deutlich machen, was idealisiren heisst. Der Maler verlangt, dass der Zuschauer nicht zu genau, zu scharf zusehe, er zwingt ihn in eine gewisse Ferne zurück, damit er von dort aus betrachte; er ist genöthigt, eine ganz bestimmte Entfernung des Betrachters vom Bilde vorauszusetzen; ja er muss sogar ein ebenso bestimmtes Maass von Schärfe des Auges bei seinem Betrachter annehmen; in solchen Dingen darf er durchaus nicht schwanken. Jeder also, der sein Leben idealisiren will, muss es nicht zu genau sehen wollen und seinen Blick immer in eine gewisse Entfernung zurückbannen. Dieses Kunststück verstand zum Beispiel Goethe.

Seite 76 Santa Maria della Minerva in Assisi

… denn sie ist und bleibt das Stück Heidentum im Christentum, das Goethe bleibend adaptieren wird, bis hin zum Schluß des zweiten »Faust«.

Selbst der gerühmte Palladio, auf den ich alles vertraute (Goethe)

Aus Goethes Text hier

Wenn man die erste poetische Idee, daß die Menschen meist unter freiem Himmel lebten und sich gelegentlich manchmal aus Not in Höhlen zurückzogen, noch realisiert sehen will, so muß man die Gebäude hier herum, besonders auf dem Lande, betreten, ganz im Sinn und Geschmack der Höhlen. Eine so unglaubliche Sorglosigkeit haben sie, um über dem Nachdenken nicht zu veralten. Mit unerhörtem Leichtsinn versäumen sie, sich auf den Winter, auf längere Nächte vorzubereiten, und leiden deshalb einen guten Teil des Jahres wie die Hunde. Hier in Foligno, in einer völlig homerischen Haushaltung, wo alles um ein auf der Erde brennendes Feuer in einer großen Halle versammelt ist, schreit und lärmt, am langen Tische speist, wie die Hochzeit von Kana gemalt wird, ergreife ich die Gelegenheit, dieses zu schreiben, da einer ein Tintenfaß holen läßt, woran ich unter solchen Umständen nicht gedacht hätte. Aber man sieht auch diesem Blatt die Kälte und die Unbequemlichkeit meines Schreibtisches an.

Blumenberg Seite 88

Man fragt sich, warum sich diese Seite im Goethebuch befindet und nicht in Blumenbergs „Matthäuspassion“ (1988), wo er sich von Seite 208 bis 222 mit diesem Thema befasst (›DER RUFET DEM ELIAS‹). Er verrät es hier aber doch in den letzten 5 Zeilen, wo er sich dem ›ungeheuren Spruch‹ Goethes zuwendet: Nihil contra deum nisi deus ipse – Nur ein Gott gegen einen Gott. Und da bleibt die Leserschaft von Gott verlassen, sofern sie nicht an Blumenbergs unendlicher Belesenheit teilhat oder – wie ich – unverdrossen das Internet befragt. Dort würde man fündig unter folgendem Link des Goethe Jahrbuches 13 Weimar 1952: Momme Mommsen: Zur Frage der Herkunft des Spruches „Nemo contra deum nisi deus ipse“.

Das bedeutendste Kapitel dieses ganzen posthum erstellten Goethe-Buches von Blumenberg scheint mir das dem Prometheus-Syndrom gewidmete zu sein: „Ein Geschlecht das mir gleich sey“, Seite 112 – 138. Es betrifft die Wechselwirkung mit Schopenhauer bzw. dessen Auseinandersetzung mit der Farbenlehre. Und damit einen philosophischen Diskurs angesichts der Wirk- und Fliehkräfte zwischen den Monumenten Kant und Newton.

Wunderbar auch die Richtigstellung zu dem berühmten Ausspruch Goethes über die Kanonade bei Valmy, – sein Hang, dem Sinnlosen, das ihn tangiert, durch Umwidmung eine höhere Bedeutung abzugewinnen. Seite 113ff: „Gelübde auf dem Rückzug„.