Archiv der Kategorie: Interpretation

Alte Gedichte, wiedererweckt

Verstehen Sie das?

Der Scheidende

Erstorben ist in meiner Brust

Jedwede weltlich eitle Lust,

Schier ist mir auch erstorben drin

Der Haß des Schlechten, sogar der Sinn

Für eigne wie für fremde Not –

Und in mir lebt nur noch der Tod!

Der Vorhang fällt, das Stück ist aus,

Und gähnend wandelt jetzt nach Haus

Mein liebes deutsches Publikum,

Die guten Leutchen sind nicht dumm,

Das speist jetzt ganz vergnügt zu Nacht,

Und trinkt sein Schöppchen, singt und lacht –

Er hatte recht, der edle Heros,

Der weiland sprach im Buch Homeros‘:

Der kleinste lebendige Philister

Zu Stukkert am Neckar, viel glücklicher ist er

Als ich, der Pelide, der tote Held,

Der Schattenfürst in der Unterwelt.

*     *     *

Verstehen Sie das?

( Eins der letzten Gedichte von Heinrich Heine)

Ein anderes Gedicht, das mich jetzt beschäftigte, stammt von Eduard Mörike, den ich früher eigentlich nur durch die Vertonungen von Hugo Wolf ernstnahm. Dieses aber befremdete mich trotz des verlockenden Gegenstandes, den ich in der realen Umwelt überall mit Sympathie betrachte. Die schöne Buche. Zum Beispiel hier (an der Villa Zefyros):

Es war wohl die schiere Größe und die reiche Verzweigung…

Jedenfalls glaubte ich, es sei mein Thema, wenn in dem Buch der kleinen Deutungen („Wörterleuchten“) ausgerechnet Mörike das Thema anschlägt. „Die schöne Buche“. Und mich spüren lässt, dass ich nicht wahrnehme, was er meint. Es ist keine bloße Idylle, wie ich sie ihm zugetraut hätte. Ich höre das Gedicht gern in der folgenden Wiedergabe, obwohl dieses lyrische Ich wohl keine weibliche Stimme verlangt… Vorurteil. Rosel Zech. Hören Sie in größter Ruhe:

HIER.

Was ist? Warum ergreift mich nichts? Kein Wort, kein Satz, kein Tonfall. Aber jeder Blick in den Wald oder zur Buche hinauf. Und dann der gedruckte Text der Erklärung in jedem Punkt: die Vorstellung vom gescheiterten Pastor, dem Versager als Ehemann und Liebhaber, die Nachricht von seinem Sturz ins eigene Innere,  »als versänke ich tief in mich selbst, wie in einen Abgrund, als schwindelte ich, von Tiefe zu Tiefe stürzend«. Und ausgerechnet er hat immer den »Don Giovanni« im Ohr, seine Lebensmusik. Nur selten, so lese ich, wird in seinen Versen die ganze Wahrheit hörbar: »O Zeit, blutsaugendes Gespenst! / Hast du mich endlich satt? so ekel satt, / Wie ich dich habe!«  Plötzlich verstehe ich ihn, ein Mitleid, wie wenn ich Beethovens erschütternden Brief an die junge Maximiliane gelesen habe: wenn er sich Mut macht, weil die ZEIT so unerbittlich vergeht, und davon handelt seine Sonate op. 109. Und sie macht dann Mut auf unerklärliche Weise. – Ich zitiere, nun wieder zu Mörikes Erlebnis im tiefsten Waldesdickicht:

Das muss man wissen, wenn man den Ort betritt, von dem »Die schöne Buche« handelt. Es ist ein magischer Ort, der andere Ort. Wer ihn betritt wird verwandelt. Er wird dahin gelockt, wird »eingeführt« wie in ein Mysterium. (…)

Die Buche ist die Achse der Welt. Um sie sind die vier Kreise gezogen: des Geästes, des Schattens, des Sonnenrings, des Waldrands. Hier ist alles im Lot, nichts in der Trennung.

Oder wenn ich diesem Ernst, dieser Emphase gerade ausweichen will, ohne Buch, ohne Buche, in einer eher prosaischen Situation (am Frühstückstisch):

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Finden Sie den falschen Buchstaben!

Ja, richtig, dieses Gedichtlein hat nichts mit dem finnischen Komponisten Sibelius zu tun, der sich ja auch seines reizenden Vornamens Jan entledigt hat, nicht etwa um sich Angelus zu nennen, er war mit einer leicht französischen Tönung desselben Namens zufrieden: Jean. Wozu auch sein berühmtestes Kurzwerk gut passt, „Valse triste“, und nicht minder zu der Todesanzeige, auf die ich unversehens im Solinger Tageblatt stieß. Halten wir dem Verstorbenen zuliebe einen Moment inne: und siehe, uns wundert, dass wir plötzlich traurig sind.

Kein realer Grund zur Trauer – ABER: bis vor wenigen Tagen hätte ich nicht gedacht, dass mein winziges Lieblingsgedicht, das gerade dank seiner immanenten Unlogik einen seltsamen Trost spendet, leider auch nicht von Angelus Silesius stammt, was man ja immer wieder gedruckt sieht. Freund Berthold brachte mich auf einen Namen, den ich nie im Leben gehört habe, und ich bin froh, dass noch Zeit ist umzudenken, Wikipedia kann es richten: Martinus von Biberach. Und wie schön, auf diesem Weg zu erfahren, dass Luther dessen Sinnspruch nicht leiden konnte. Es war ja die Zeit, wo die wahren Christen noch alles besser wussten, auch wo sie wenig verstanden…

Übrigens ist die Crux der Lyrik heute nicht, dass in der Schule nichts mehr auswendig gelernt wird. Man muss darüberhinaus begriffen haben, dass ein Gedicht sich kaum auf Anhieb erschließt. Es ist kurzsichtig zu erwarten, dass eine derartig komprimierte und verschlüsselte Sprache funktioniert wie ein Gespräch unter Freunden. Mir fiel es wie Schuppen von den Augen, als ich den Hinweis las, dass eine der geläufigsten Balladen überhaupt, Heinrich Heines „Belsatzar“ , – Sie wissen: wo an der Wand die Flammenschrift erscheint – , vielleicht deshalb so berühmt geworden ist, weil die Lehrer (!) sich selbst und ihre prekäre Situation darin wiederfanden: „Was für den sensiblen Erzieher aber die Assoziation zwischen dem babylonischen Gelage und einem tobenden Schulzimmer endgültig zwingend macht, ist die Schrift an der Wand. Wunderbar, wie hier des Lehrers eigenstes Medium zur Apotheose findet. Die Tafel an der Wand, auf die er selbst täglich die Wahrheit in hellen Zeichen setzt, an der von seiner Hand erscheint, was gilt und Gesetz ist und notfalls ein Strafmaß festhält, sie wird zum numinosen Ort verklärt, vor dem der lärmende Troß verstummt und dem totenblassen Rädelsführer die frevlen Knie schlottern. Das kann man wirklich nur noch auswendig lernen lassen.“

Ich werde den Namen des Gedicht-Deuters erst später nennen und empfehlen. Aber aufgepasst bei eigenen Deutungsversuchen: es ist nicht der Lehrer, der am Ende umgebracht wird, sondern der Rädelsführer, der König der Untertanen.

Das oben wiedergegebene späte Gedicht Heines lebt von den letzten Zeilen, deren Anspielung man verstehen muss: der Pelide ist der große Held Achill, dessen Zorn das ganze Drama der Ilias auslöst, und der in dem anderen großen Homerischen Epos, der Odyssee, als „Schattenfürst in der Unterwelt“ wiederkehrt. Beziehungsweise von Odysseus besucht wird. Und nun müssen Sie nur noch wissen, wie der Dichter von dort auf „Stukkert“ kommt, wo man angeblich viel glücklicher ist. Reine Ironie. Kannte er etwa auch Bad Cannstatt, wo mich einst die Straßenbahn unverhofft mit Lyrik konfrontierte, als gehöre sie dort zum Alltag? Schauen Sie doch nur hier.

Zu erwähnen wäre noch, dass Homer in „unserer“ klassischen Zeit weithin präsent war. Beethovens bevorzugte Schriftsteller waren Goethe, Schiller, Homer, wobei er bedauerte, dass er letzteren nur in Übersetzung lesen konnte. Gut, – und wir haben heute das Internet. Wollen Sie mal eben in der Odyssee nachlesen, wie das Gespräch mit dem Peliden Achilles in der Unterwelt wortwörtlich überliefert ist? Notfalls sogar in Alt-Griechisch? Nichts leichter als das: HIER Vers 475 bis 491.

Was ich hier versuche, ist keine Gedicht-Interpretation. Vielmehr versuche ich im Zusammenhang mit einer Lektüre etwas für mich festzuhalten, was vielleicht auch andere interessiert und was man dann leicht wiederfinden kann (indem mann die Suchfunktion oben im Fensterchen betätigt). Die hervorragende Gedicht-Interpretation selbst kann ich ja leicht in meinem Bücherschrank wiederfinden, und dem „Fremdleser“ will ich nicht unbedingt jede Eigentätigkeit ersparen, sondern ihn eher verführen, sich diese Quelle auch zu erschließen. Dazu werden Bücher gedruckt. Immer noch. Dies ist nur ein Beispiel:

Quelle Peter von Matt: Wörterleuchten / Kleine Deutungen deutscher Gedichte / dtv  Deutscher Taschenbuch Verlag 2.Auflage 2012 / ISBN 978-3-423-34665-8 (Hanser 2009)

Es ist eine Auswahl seltener (oder jedenfalls z.T. recht unbekannter) Gedichte, die es zu erschließen lohnt, vor allem auch mit Hilfe der kongenialen Deutungen, die in sich als sprachliche Kunstwerke gelten können. Ich gebe nur einen Teil des Inhaltverzeichnisses wieder, vier von sechs Seiten. Prüfen Sie doch, was Sie schon kennen…  Ich liebe inzwischen besonders das hier erst entdeckte Gedicht Mörikes von der schönen Buche. Aber nie hätte ich seine Bedeutung im Gesamtwerk des Dichters erkannt, wenn ich es nicht hier, ganz in der Nähe Heines, erläutert gefunden hätte. Erst da begann ich zu denken. Und sehe auch die Buche vor meiner Haustür mit anderen Augen.

Etwas liegt mir noch auf der Seele: Walter Jens – woher hatte er den Satz: „Nichts Schöneres unter der Sonne, als unter der Sonne zu sein.“ Ich weiß, dass er ihn in einem Fernseh-Interview gesagt hat. Vermutlich auf die Frage, was er – als Christ – sich nach dem Tode erwarte. Resignation? Man kommt per Google auf Ingeborg Bachmann. Es könnte auch als Motto am Anfang des Buches stehen, das sein Sohn Tilman Jens 2009 geschrieben hat. (Ich möchte darin nicht suchen, etwa in der Hoffnung, dass der Satz doch ein typisches Zitat aus dem Repertoire des klassischen Altphilologen sei, zu finden in seinem Homer.) Der Titel aber ist: DEMENZ.

Hier wo ich sitze, hört man leise die Glocken von St.Joseph in Ohligs, es geht auf Mittag. – „Allerseelen“ – 1. November 2022. Vom Friedhof dort stammt dieses Foto einer schattenspendenden, mächtigen Buche; die andere aber, neben dem weißen Haus, hütet mein Arbeitszimmer. Das mit dem schmalen hohen Fenster und der weißen Gardine, die am leicht verdunkelten Schreibtisch doch noch die Sonne ahnen lässt (3. Mai 2022):

 

„Nichts Schöneres unter der Sonne, als unter der Sonne zu sein.“

P.S. Endlich, heute, am 13.11.2022, erinnere ich mich: ich hätte bei mir selbst recherchieren können. Die gleichen Wege gehen wie damals, – aber es ist ja noch gar nicht lange her, soll ich erschrecken? 31.1.22 – hier.

The Queen’s Piper

… eine Frage zur Intonation

Die Queen hat mich schon bewegt, als ich erste kompositorische Gehversuche unternahm und zugleich auf der letzten Seite eines Tagebuchs alles notierte, was ich im Jahr 1953 irgendwie global bemerkenswert fand. Mount Everest, o.k., aber – Berija gestürzt? Den Namen musste ich jetzt nachschlagen. Weltbewegend: Erster Schnee in Bielefeld: 19.12.53, auch das ist für immer festgehalten…

2. Juni 53, jetzt sah ich im Fernsehen das Foto wieder, das sich mir damals eingeprägt hat. Und nahher las ich in der ZEIT:

DIE ZEIT 22.9.22 Seite 52 Vom Diesseits ins Jenseits Der Abschied von Queen Elizabeth II war mehr als ein Event: Großes Trostritual und Inszenierung von Ewigkeit.

Es war im Urlaub, als der Fernsehapparat lief, ja, und ich habe beim Lesen auch aufgeschaut, als diese ergreifende Melodie erklang, ich sah die Menschenmenge und dachte: Stört denn niemanden die fremde Klangfarbe, die abweichende Tonfolge, wird hier nicht die Frage gestellt, die ich so oft gehört habe, wenn es z.B. um arabische Musik ging, hältst Du das aus, das ist doch „schief“. Vielleicht glaubt man hier, wenn es eindeutig um Trauer geht, das muss so sein!? Und jetzt frage ich mich auch: wie erklärt man diese Intonation? In der Kirche! Doch nicht mit der Naturtonreihe, wenn selbst die Oktave des Grundtons und die Quint „abweichen“! Bloß keine taktlose Bemerkung jetzt!

Ich muss nicht über meine Gefühle reden. Es beginnt mich ernsthaft zu interessieren. Ich sollte der Frage nachgehen, sobald ich Zeit und Ruhe dafür habe.

Die oben angedeutete Fragwürdigkeit der Intonation hat gewiss einen guten Grund, und tatsächlich findet die Diskussion zum ersten Mal statt. Die folgende z.B. stammt aus 2013 und ist hier – wie andere interessante Themen – im Original nachzulesen. Ober-Titel: Why are bagpipes out of tune?

  

Des weiteren suche ich Rat in folgendem Artikel:

The Pitch and Scale of the Great Highland Bagpipe

https://publish.uwo.ca/~emacphe3/pipes/acoustics/pipescale.html HIER

Auf diesen Wegen, die noch genauer zu analysieren wäre, fand ich auch die beiden folgenden Beispiele:

Und noch einmal zum Abschied von der Queen:

Nachtrag 7. Januar 2023 Ich hatte nicht gedacht, dass ich noch einmal auf dieses Thema zurückkommen würde, da bringt die Post das neue Heft von Musik & Ästhetik, darin die fesselnde Kolumne von Christiane Tewinkel, die das Thema – als Beethoventhema –  von einer anderen Seite aufrollt. Gehen Sie im folgenden Ausschnitt auf 13:10 und hören Sie (sagen wir bis 16:50). Kennen Sie das Stück? Hätten Sie es damals im Gesamtablauf beachtet?

Die Vorlage:

in Beethovens Klaviersonate op.26

Ist das legitim als Prozessionsmusik? Warum nicht??? Es ist historisch abgesichert. Beethoven selbst hat den Anfang gemacht… Christine Tewinkel erwähnt aber auch die berühmte Melodie „Sleep, dearie, sleep“. Leicht zu lernen? Ist es als Melodie überhaupt ernstzunehmen. Versuchen Sie nur, die Töne wiedererkennen: hier.

Quelle Christiane Tewinkel: Bierzelt und Beisetzung (Kolumne) / in: Musik & Ästhetik 1/2023 S.72-73

Wo steckt denn die „romantische Sehnsucht“? Könnte es nicht auch jede andere Pipe-Tonreihe sein? Ganz anders als im Fall der Beethovenschen Marcia:

Quelle Peter Andraschke: Klaviersonate op.26 / in: Beethoven Interpretationen seiner Werke / Herausgegeben von Albrecht Riethmüller, Carl Dahlhaus, Alexander L. Ringer /

Aber dies ist erst der Anfang des Nachdenkens. Wenn man zum Beispiel reflektiert, dass der Satz schon in Beethovens Sonate dem Interpreten unlösbare (ästhetische) Probleme stellt, die im öffentlichen Raum – flapsig ausgedrückt – wie weggeblasen sind. Die öffentliche Trauer wird auf zahllose Schultern verteilt und im Schritttempo rituell bewältigt…

Meeresstille und glückliche Fahrt

Kindgemäßes Nachdenken über Verse?

Das Kind sei – in diesem Fall – ich. Oder vier andere. Oder, mit Otto gesprochen, „wir alle“.

Oudeschild Texel 20. Sept.2022 14.18-14.24 h Fotos JR

Der Anblick dieses Schiffes löste in mir Erinnerungen aus, die bis in die frühe Greifswalder Kindheit zurückreichen: das Strandbad Eldena, die ankernden Boote in Wieck und die kleinformatige Reproduktion eines Gemäldes von Caspar David Friedrich, das an den Wohnzimmerwänden meiner Eltern jeden Umzug und auch die Nachkriegsjahrzehnte überdauerte. Später meine begeisterte Lektüre der Reisen des Weltumseglers James Cook, schließlich die Entdeckung moderner Lyrik (Unterprima?) mit Gottfried Benn: „Ach, das ferne Land“ – seine unvergesslichen Zeilen, die eine (mir unbekannte) Eleonora Duse betrafen, führten mich wiederum übers Meer: „wo vom Schimmer der Seen / die Hügel warm sind, / zum Beispiel Asolo, wo die Duse ruht, / von Pittsburg trug sie der ›Duilio‹ heim, / alle Kriegsschiffe, auch die englischen, flaggten halbmast, / als er Gibraltar passierte.“ Die Erinnerung an diese umfassende Trauer brachte mich heute auf die ersten Zeilen des Gedichts „Meeres Stille“ von Goethe, dessen düstere Tiefe jedoch, so schien es mir, durch die Kopplung mit dem Gedicht „Glückliche Fahrt“ gemindert wurde. Vielleicht nur weil es der Lehrer monierte. Dazu kam die Tatsache, dass die Katastrophe einer großen Flaute in unserer durchmotorisierten Zeit nicht mehr ohne weiteres einleuchtet. Nebenbei: der Duilio , der die große Schauspielerin 1924 heimtrug, – in meiner Phantasie damals ein mächtiger Segler -, war ein Kreuzer, ein Kriegsschiff mittlerer Größe.

Gottfried Benns Erzähltonfall könnte man gedämpft nachrichtlich nennen, wenn er nicht intensiviert würde durch die vorausgeschickte Interjektion „Ach“, so dass in allem was folgt Verwunderung und Wehmut mitschwingt. Goethe lässt das Gefühl der Trostlosigkeit zeilenweise anwachsen. „Tiefe Stille“ könnte noch meditativ gemeint sein oder zu sanfter Bewegung einladen, wie im Kanon „Abendstille überall“ („… nur am Bach die Nachtigall / singt ihre Weise, / klagend und leise / durch das Tal“); anders in diesem Gedicht über „Meeres Stille“, da lauert ein bedrohlicher Unterton. „Ohne Regung“ – „bekümmert“ – „ringsumher“, und dieses letzte Wort weist nicht ins Offene, sondern lässt an Umzingelung denken, zumal wenn man die nächste Zeile mit der doppelten Verneinung erfasst: „Keine Luft von keiner Seite“ (plus Ausrufezeichen); erst hier wird man vielleicht gewahr, dass das Wort „Schiffer“ keinen Reim auf „Wasser“ ergab, der zu erwarten war. Jetzt erst erfolgt auch die Entlarvung des ersten, vielleicht noch erwartungsfrohen Eindrucks, – die „Tiefe Stille“ bedeutet in Wahrheit: „Todesstille fürchterlich“. Und in dem Wort von der „ungeheuern Weite“ öffnet sich geradezu die grausige Unendlichkeit des Weltalls, und die nachgiebige Wasserfläche verweigert jede Regung. Ich erinnere mich an Schulzeiten, als  wir ähnlich auch über Benns Gedicht „Verlorenes Ich“ nachzudenken hatten, über das „Gammastrahlenlamm“ und den „grauen Stein von Notre-Dame“.  Wenn ich den Blick hingegen auf meine starren Momentaufnahmen richte, die den Aufbruch eines motorisierten Seglers belegen, sehe ich, dass der schützende, einschließende Hafen, den er verlässt, bereits von lieblichsten Wellen gekräuselt ist. Ich glaube, ein leises Tuckern zu hören. Das lyrische Ich  gestehe ich notfalls auch einer Möwe zu, die wie die anderen, ohne Angst, auf einem der Molenpfähle sitzt. Was für eine seltsame Feierlichkeit liegt über der Szene, – Todesstille ist anders.

Wenn man das Gedicht wirklich Wort für Wort, Zeile für Zeile mitgefühlt hat, wird auch deutlich, dass beim mündlichen Vortrag und auch nach dem stummen Lesen eine lange Pause folgen muss. Anders als bei der Mendelssohn-Musik, die sich auf dies Gedicht bezieht, denn sie arbeitet ohnehin mit der Dehnung der Zeit, sie winkt mit Motiven und ihrer Wiederkehr, ja, sie kann sich am Ende – nach dem antipodischen Gedicht von der „Glückliche(n) Fahrt“ – noch einmal darauf beziehen, über welch dunklem Abgrund unsere Fahrt [des Lebens] allezeit stattfindet. Die Ferne wird nah. Ja: „Es naht sich die Ferne, / Schon seh ich das Land.“ Wohlgemerkt: von Ankunft ist noch keine Rede. Jetzt wäre es an der Zeit, vom Rhythmus zu reden, in diesem Fall vom Daktylus, lang-kurz-kurz, der an galoppierende, nein, tanzende Pferdehufe erinnert.

Kurz: es ist nicht ohne heuristischen Sinn, die Interpretation dieser Gedichte mit Musik und einem kindlichen Gemüt anzugehen. Ist die Musik vielleicht – etwas zu schön? Ohne Todesstille?

ZITAT

Ich war lange Lehrerin an einer Grundschule im Norden Neuköllns. Ganz normal, Klassenlehrerin, Klassenfahrten, Elternabende, Gesamt- und Fachkonferenzen, Elterngespräche etc. Dort habe ich instinktiv damit angefangen, meine Schüler*innen mit starken, emotionalen und tiefgehenden Inhalten zum Nachdenken anzuregen. Ich wollte die Kinder nicht nur belehren, ich wollte mit ihnen Bildungsereignisse erleben.

Johann Wolfgang von Goethe

Meeres Stille
Tiefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung ruht das Meer,
Und bekümmert sieht der Schiffer
Glatte Fläche ringsumher.
Keine Luft von keiner Seite!
Todesstille fürchterlich!
In der ungeheuern Weite
Reget keine Welle sich.

– – – – – – – – – – – – – – –

Glückliche Fahrt
Die Nebel zerreißen,
Der Himmel ist helle,
Und Äolus löset
Das ängstliche Band.
Es säuseln die Winde,
Es rührt sich der Schiffer.
Geschwinde! Geschwinde!
Es teilt sich die Welle,
Es naht sich die Ferne;
Schon seh ich das Land!

*    *    *

http://userpage.fu-berlin.de/mziesmer/media/material/Meeresstille.pdf hier

Wer ist die Autorin? https://www.fu-berlin.de/sites/dse/ueber-uns/gesichter-der-lehrkraeftebildung-volltext/volltext-ziesmer/index.html hier

Die  Frage stellt sich fast von selbst: ist dieses Herangehen an Lyrik geeignet, kindliche oder jugendliche Leser*innen zu fesseln? Einen Sinn dafür zu entwickeln, was denn an einer solchen verbal skizzierten Situation reizvoll sein soll? Was heißt schon „reizvoll“? Nachvollziehbar. Das Wort MIMETISCH bezeichnet, was nicht nur äußerlich geschieht sondern auch imaginativ geschehen sollte, in Zeilen- und Wortfolgen dieser Art. Könnte man nicht stattdessen eine Geschichte zu erzählen, die den Inhalt an einer konkreten Situation festmacht, die jeder erlebt haben könnte? Nicht nötig, nicht möglich, es ist eine andere Welt, auch wenn sie mit Erinnerungsstücken der physischen Welt „hantiert“. Das lyrische Ich hat virtuelle Tastorgane, die den Händen gleichen.

Ich denke noch einmal zurück an Gottfried Benn und zitiere aus der oben schon verlinkten Interpretation von Jürgen Busche:

Anders als den mit ihren Gedanken gleichzeitig hervortretenden Philosophen [Heidegger, Adorno, Horkheimer] geht es dem Dichter jedoch nicht nur um die Erkenntnis des Zeitzustands. Er schließt sein Gedicht mit einer sehnsuchtsvollen Erinnerung, die allerdings nicht den besseren Tagen der humanistischen Epoche gilt. Er wendet sich den Zeiten zu, in denen „der Hirte und das Lamm“ die Mitte des Lebens bildeten, längst ebenfalls verloren. Der antikisch gesinnte Goethe hätte und hat solche Rückbesinnung verabscheut. Benn 1943 stört das offensichtlich nicht. Denn auch „die Mythe log“.

Störfaktor: Vergangenheitsbewältigung. Siehe hier. Und zu Benn (eine Hausarbeit 2004) hier.

*     *     *

Anders als bei Kindern, denen ich „mit Lyrik komme“ (am besten mit irgendeinem sinnfreien, gereimten  Quatsch), würde ich bei Jugendlichen an Begegnungen zurückdenken, die mich selbst ganz unangenehm berührt haben. Zum Beispiel etwa im Untertertia-Alter, als wir bei einer Vorweihnachtsfeier einen Oberstufen-Schüler erlebten, der sich ohnehin im täglichen Leben seltsam geziert benahm, dann plötzlich aufs Podium trat, sich aufplusterte und ein Rilke-Gedicht vortrug: „Es treibt der Wind im Winterwalde / die Flockenherde wie ein Hirt, / und manche Tanne ahnt wie balde / sie fromm und lichterheilig wird“ / – – –  das ging gar nicht! Schon wie der das Wort „Hirt“ aussprach, es derart künstlich und eingeengt „aus dem Gehege der Zähne“ entließ, unmöglich! damit wollte man nichts zu tun haben. Lyrik! Feinsinnigkeit der arrogantesten Art.

Man glaubt vielleicht: Jugendliche, die womöglich zum erstenmal verliebt sind, seien am ehesten lyrisch ansprechbar, – weit gefehlt. Sie wollen keinesfalls öffentlich kundtun, wie es in ihrem Innern aussieht. Für mich waren es ohnehin Verse der wilderen Art, die mir zusagten, ich glaube, Liliencron hatte ich mir vorgemerkt. Was mich aber am meisten in der späteren „AG Moderne Lyrik“ beeindruckte, waren die provozierenden frühen Gedichte von Gottfried Benn, die ersten  aus der Sammlung „Morgue“ . Zum Beispiel „Schöne Jugend“ – … die jungen Ratten hatten die schöne Jugend erlebt, im Körper eines toten Mädchens: „Und schön und schnell kam auch ihr Tod: Man warf sie allesamt ins Wasser. Ach, wie die kleinen Schnauzen quietschten!“ Das war mein Einstieg, ich fühlte mich in Opposition zu allem. Es durfte widerwärtig sein, je mehr, desto besser. Was paradoxerweise bedeutete, dass ich mir schließlich auch ganz andere Gefühle leisten konnte, erst recht solche, die in Liedern – „ich grolle nicht!“ – ja, in Robert Schumanns Musik, transportiert wurden: vor allem Eichendorff.

Oder – um endlich aufzuhören von mir zu reden – erinnere ich mich an die Worte eines Lyrikers, den es zu lesen (und zu rezitieren) lohnt, an das, was er im Gespräch über seine Kunst sagt:

Zitat (Jan Wagner): Lyrik war immer schon eine Sache, die sozusagen eher im Halbdunkel stattfand. Oder in einer Nische existierte. Die gute Nachricht ist: sie existiert seit Jahrtausenden, und sie ist immer noch da! Das Wahrnehmen von Welt durch Sprache. Und das … probieren zu verstehen, was uns umgibt, indem man Vergleiche benutzt. Etwas ist wie etwas anderes. Das macht ja jedes Kind. Oder der ganz natürliche Zugang zu Metaphern. Der Donner hat große Füße. Das sagen Kinder. – Bei mir war das mit 15,16, wo ich Georg Heym und Georg Trakl zum Beispiel las, auch noch andere Dichter, und dachte: das ist unendlich faszinierend. Aber .. nein, man fällt nicht vom Himmel, und.. und .. man arbeitet sich lange ab an solchen Vorbildern,  probiert sehr lange…  herauszufinden, wie das überhaupt geht. Und man muss auch lange lesen, um auch Klischees zu vermeiden. Es wimmelt da von Fallen, und ein Gedicht ist so kurz, und manchmal nur 10 oder 6 Zeilen lang, es reicht ein winziger Fehler, und alles ist kaputt. (23:27)

2017. Das ist schon einige Jahre her, immer noch aktuell, siehe also auch hier.

Der alte Mann und das Meer

Eine Bildergeschichte vom 12. September 22

Was hängt an der Angel? Es versucht zu fliehen. Die Angelrute biegt sich.

Was tut er da?

Befreit er das Tier? Tötet er es?

Zuweilen sah man den dunklen Hals noch hinter den Wellen auftauchen.

Das Drama ist vorbei.

Aus der Ferne sehe ich den Mann unermüdlich weiterangeln. Ich weiß: er ist nicht alt. Was mich aufgeregt hat, war für ihn nur eine unnütze Störung. Wer weiß, ob er das Meer und den Himmel wie den hilflosen Vogel separat wahrnimmt. Wohl eher den unsichtbaren Fisch in der Brandung. Seine Beute. Eine eigene Perspektive. Im Nachhinein verändern sich auch meine Bilder. Wie die vom Folgetag, als ich die Möwen über mir visuell zu erfassen versuchte, zwanglos assoziierend: die altrömische Vogelflugdeutung. Ging  es mir doch im nächsten Augenblick mehr um die hauchzarte Wolkenbildung, – die mich an Röntgenbilder erinnerte. Meine Wirbelsäule dort oben, völlig durchschaubar. Aufgenommen jedenfalls am 13.9.22 um 19.13 Uhr. Paal 15 Texel.

Emil Staiger und die Lyrik

Über allen Gipfeln

Wieder einmal kehre ich in die 60er Jahre zurück, um die Zeitspanne, die mich von meinen Anfängen trennt, zu ermessen. Damals gab es kein Wikipedia, kein Internet, das fällt bei jedem Thema, das ich neu angehe, als erstes ins Gewicht. Wie schwierig war es damals, einen Überblick zu gewinnen, auch: sich von bestimmten Ansätzen zu lösen. Wenn man einmal drei Bände von Emil Staiger erworben und studiert hatte – und zwar mit Begeisterung -, glaubte man, mit diesen Themen fürs Leben vorgesorgt zu haben. Und nach 50 Jahren erinnert man sich vor allem daran, dass der Mann plötzlich nicht mehr zitierbar war, – war nicht der neue Geist der 68er schuld daran? Aber das dauerte ja noch 7 Jahre … heute weiß man über den Zeitrahmen in 1 Minute mehr als damals in Wochen.

Danach erst kam Wolfgang Kayser „dran“, der schon 1960 gestorben war, dessen Standardwerk aber erst in dem Augenblick kontaminiert erschien, als ruchbar wurde, was heute in Wikipedia hier als erstes auffällt. Rudolf Walter Leonhardt schrieb in der ZEIT zum 29. Januar 1961 einen ergriffenen Nachruf, – ebenfalls ahnungslos? Andererseits: ich sollte „Das sprachliche Kunstwerk“ unbedingt aufs neue konsultieren. Es ist kein ideologisches Werk. Unverzichtbar seine „Geschichte des deutschen Verses“, darin insbesondere die Neunte Vorlesung über Brentano und über „Des Knaben Wunderhorn“, eine neue Welt des Rhythmischen und des Klanglichen tut sich auf. (Staiger und der Bezug auf die Musik ab Seite 124 ff !)

Besitz JR 6.XII.61

Wikipedia zu Emil Staiger hier

Züricher Literaturstreit hier

Tondokument Staigers Rede „Literatur und Öffentlichkeit“ hier

Nachruf 30.04.87

Kaum ein anderer Literat hat so einsichtig über Musik gesprochen, wenn er über Lyrik nachdachte, wie Emil Staiger. Vielleicht niemand sonst bis zu Thrasybulos Georgiades, dessen grundlegendes Buch über“ Schubert / Musik und Lyrik“ 1967 (2.Auflage 1979) erschien. Also nach Staigers „Grundbegriffen der Poetik“ 1959 (Atlantis Verlag), und daraus jetzt die folgenden beiden Seiten, dann der Anfang der Übersicht des Georgiades-Werkes:

Emil Staiger

Georgiades Inhalt (Über allen Gipfeln)

Wandrers Nachtlied u.a. – der Text im Umfeld der ersten Gesamtausgabe 1827

Eine Gedicht-Interpretation (zu Wandrers Nachtlied 1 und 2) Auszug

Autor: Reinhard Lindenhahn

Quelle Arbeitsheft zur Literaturgeschichte WEIMARER KLASSIK von Reinhard Lindenhahn / Cornelsen Verlag Berlin 1996 (siehe hier)

Übrigens: ich habe vor wenigen Jahren (2016) schon einmal zum „Nachtlied“ recherchiert, an Ort und Stelle: hier , ohne mich an Emil Staiger zu erinnern. Nicht zu vergessen auch dieser Link zu Wikipedia: hier.

Der folgende Textausschnitt soll (mich) daran erinnern, von der oben erwähnten Arbeit über „Die Geschichte des deutschen Verses“ überzugehen zu dem interessanten Verhältnis zwischen Dichtung und Musik, und zwar anhand der Schubertschen Vertonung des Goethe-Gedichtes (und auch im Vergleich zu anderen Vertonungen), so wie es Georgiades in seinem großangelegten Buch über Musik und Lyrik (SCHUBERT) unternimmt.

Verlag Vandenhoeck & Ruprecht 2. Aufl. 1979

Diese präzise Sensibilität der Liedbetrachtung ist ohne Vergleich; sagen Sie nur vorweg, in welchem Vers Goethes die entscheidende „Brechung“ stattfindet (s.o. Seite 109 „Ein gleiches„), und lesen Sie die Begründung des Autors…

Dietrich Fischer-Dieskau 1969, – in studentischen Zeiten war er jahrelang das Nonplusultra des Liedgesangs; irgendwann aber begann man zu diskutieren, ob er nicht zu einer gewissen Manieriertheit des Vortrags neigte. So vollkommen seine Technik, witterte man doch die Absicht, die verstimmt. Wie hier zu Anfang in den Worten „überrallen“ Gipfeln, oder im leicht übertrieben inbrünstigen, zweiten „warte nur“. Es gibt nichts Empfindlicheres als solche Musik, solche Verse, und es trifft am Ende selbst den, der eine solche Differenzierung überhaupt erst in die Liederabende eingebracht hat.

Brahms neu erfinden?

Isabelle Faust und Klaus Mäkelä

HIER (bis 26.09.22) ARTE Film Louise Narboni

Ich weiß nicht, wie oft mir das schon aufgestoßen ist: wenn irgendwo wieder einmal etwas ganz neu erfunden wird.

Und jetzt konnte ich nicht widerstehen, diesen abgegriffenen Ausdruck selbst noch einmal neu zu erfinden. Und auch einen dieser Werbetexte, die alles neu erscheinen lassen wollen, aufzugreifen, wirken zu lassen, als sei da das musikalische Evangelium nun endgültig zu einer frohen Botschaft geraten, ausgerechnet mit dem alten Brahms. Hier stimmt wirklich alles, alles lebt und pulsiert im Glanz der Instrumente, der Bilder und des lebendigen Mienenspiels. Was für ein Ernst! Ernste Musik, was für eine Freude, unwiderstehlich. Es ist unnachahmlich und lässt alle bisherigen Musterbeispiele als einen schwachen Abglanz erscheinen. Nein, als einen Vorschein dessen, was kommen muss.

ZITAT (ARTE)

Fast scheint es, als wolle Klaus Mäkelä eine Revolution einleiten: Der erst 26 Jahre junge Leiter des Orchestre de Paris macht Spontaneität in der klassischen Musik wieder hoffähig und liefert herrlich frische Interpretationen von Werken, die man durch Karajan, Muti oder Barenboim in Stein gemeißelt glaubte. Klaus Mäkelä will nicht nachahmen, er will erfinden. Das gelingt ihm, indem er sich alte Stoffe neu aneignet, ohne sie zu verraten, und dabei radikal zu seiner Subjektivität steht. Im Orchestre de Paris hat er ein Ensemble gefunden, das seiner Vorgehensweise gerecht wird – die Wahl der Solisten gestaltet sich für den gelernten Cellisten bisweilen heikler.
Für ihre erste Zusammenarbeit an der Pariser Philharmonie im Februar 2022 wählten Isabelle Faust und Mäkelä einen Meilenstein des romantischen Repertoires: das berühmte Violinkonzert von Johannes Brahms. Jeder Bogenstrich wirkt wie eine Hommage an Brahms’ moderne Handschrift. Die Solistin pflegt ihren unnachahmlichen Stil diskret und lässt Klaus Mäkelä stets ausreichend Raum. Gemeinsam schafft das Duo eine vertraute Atmosphäre. Sie scheinen sich ohne Worte zu verstehen.
Regisseurin Louise Narboni dreht mit ruhiger Hand, wagt lange Einstellungen und schafft somit einen tiefen Einblick in diese musikalische Revolution – denn der Mut gilt diesmal nicht nur den Interpreten, sondern auch der Kamera. Gekonnt bringt Narboni die authentische Symbiose von Dirigent und Solistin auf den Bildschirm.

Ich würde übrigens beim (vorsätzlich) ernsthaften Hören mit der Zugabe beginnen: dem späten Brahms-Klavierstück aus op.118, die  Nr. 5 Romanze (1893):

Die Kunst der Musik-Verfilmung. Das Understatement der Solistin. Die samtenen Farben der Instrumentation. Vielleicht sogar nach vorheriger Eingewöhnung in den Klavierklang des Original-Werkes. Hier. Gerade auch: um die Vorzüge eines reifen Orchesterklangs zu genießen. Nebenbei: wer ist eigentlich Oscar Strasnoy?

Brahms op. 118 Nr. 5 Romanze

Den anfangs gegebenen Link anwählen und einstellen auf 38:28 (= dieselbe Romanze als Zugabe Solo-Violine mit Orchester). Ein eigenartiges, quasi improvisiertes Ereignis, wie bei einer Probe; die zufällig anwesende Geigerin spielt colla parte, ohne zu stören. Wie schön, so … zart  different im Mikrobereich. Sie summt mit. Es ist menschlich anrührend.

Dann – siehe oben. Beginnend auf 0:00, Fragment einer Einspielphase mit dem Thema des langsamen Satzes Brahms Violinkonzert.

ARTE

Schrei nicht so!

Verhaltene Emotionen

Zu den einfacher gestrickten Leidenschaften (anders als die durch singende Menschen vermittelten) gehören solche, die sich in Geschrei artikulieren, und ganz besonders, wenn die Schimpfkanonade mit einem Schlag auf den Tisch endet. Oder mit einer Serie von Schlägen, die den entsprechend verkürzten Satzteilen angepasst sind. Man denke an Chruschtschow, der einen Schuh zuhilfenahm. In der Musik nennt man solche Akzente Sforzato, ein Wort, das selbst Laien sofort einleuchtet, wenn auch aus falschen Gründen.

Oft wird Beethoven als Erfinder angesehen, obwohl der Effekt schon früher im „Stum und Drang“  und vor allem bei Carl Philipp Emanuel Bach zu finden ist; er gehört auch als Zielpunkt zum berühmten Mannheimer crescendo und zur „Rakete“ (wie am Anfang der ersten Klaviersonate von Beethoven, ebenso seines ersten Klaviertrios).

Bis zum Beweis des Gegenteils nehme ich allerdings an, dass Beethovens widerborstige Impulse auch zu der Idee führten, den erwarteten Höhepunkt ins Gegenteil zu verkehren, nämlich statt einer Fortissimo-Passage ein piano subito vorzuschreiben.

Ich kam jetzt darauf, als ich mir die Klaviersonate op. 14,1 wieder vornahm, die ich in meiner Jugend versucht habe (weil sie auf die Pathétique folgte), dann im Berliner Studium aber gründlicher studierte. Ich meine mich zu erinnern, dass mich dieser „Effekt“ störte. Ebenso wie die Tatsache, dass eine schöne Sonate mit echten Stolpersteinen durchsetzt schien, die nicht begründet waren. Vgl. „kurze Glatteis-Momente“ (Igor Levit) siehe hier Episode 9 (insgesamt hörenswert!), seltsam bei ihm in der Durchführung, um die es mir eigentlich geht, das hohe oktavierte G (statt E) – ein Versehen? oder ein Moment des Übermuts (beim Abbruch).

Anfang

Durchführung bis 1 Takt vor dem fraglichen Ton

Das Subito p nach „cresc.“ und „rinf“ Mitte der fünften Zeile. Es ist so, als ob der Höhepunkt zu heikel ist, ihn offen auszukosten, deshalb so plötzlich leise und zurück zum pp, – ein Geheimnis?

Natürlich wird man bei Theodor W. Adorno fündig, er hat das Phänomen anhand einer Violinsonate beschrieben, die ich hier vorwegnehme:

hier: bei 13:42 abrufen (Allegretto con Variazioni) op.30,1 letzter Satz der Sonate A-dur / man studiere ab 17:43 auch die feine Dynamik der Variation V (Minore), wenn einem crescendo unvermittelt ein piano folgt, – warum?

ZITAT

Es wird zu den Anliegen der Arbeit [Adornos am Beethoven-Buch] gehören, eine Reihe der tonsprachlichen Eigentümlichkeiten Beethovens zu erklären. Hierher gehören die sforzati. Sie bezeichnen durchweg einen Widerstand des musikalischen Sinnes gegen das allgemeine Gefälle der Tonalität, stehen aber zu diesem in einem dialektischen Verhältnis d.h. gehen oft aus harmonischen Ereignissen hervor, z.B. im Variationenthema von op.30, No.1 aus der Verzögerung des Eintritts der Tonika im 4. Takt um 1 Viertel. Entsprechend werden auch nach längeren Spannungen meist die sforzati »aufgelöst«, d.h. nun die guten Taktteile, wie zum Ausgleich, überbetont (Ibd. Takt 6  u. 7). Weiter die Sitte ein crescendo auf 1, und dem Höhepunkt, mit einem piano abzuschließen (oft bemerkt). Wahrscheinlich Mittel der in der stufenarmen und begrenzten Harmonik stets sehr schwierigen Verknüpfung. Anstatt daß es schließt und dann (brüchig) ein Neues beginnt, wird durchs p der Schluß verweigert – man könnte von dynamischem Trugschluß reden – zugleich Widerstand gegen das Gefälle der Kadenz. (…) [123]

Ob nicht die sforzati, die spätestens von op. 30 an systematisch gehandhabt sind, bereits Choks, Ausdruck der ichfremden Gewalt des bloß Seienden (oder der den Formen und damit sich selbst entfremdetetn Subjektivität), jedenfalls von radikaler Entfremdung, Erfahrungsverlust sind? (…) [125]

Quelle Theodor W. Adorno: Beethoven / Philosophie der Musik / Suhrkamp Frankfurt am Main 1993  (Seite 87f)

Adorno schreibt „spätestens“ von op. 30 an, man kann aber unschwer erkennen, dass in den Klaviersonaten der Bruch in der Dynamik spätestens mit op. 14 Nr.1 beginnt (also 1798/99), während die vorhergehende Sonate Pathétique op. 13 noch geradlinig mit dem Crescendo und den Sforzati umgeht

Anders jedoch die „Lösung“ im letzten Satz der Sonate op.14,1, vgl. Anfang und letzte Seite:

Als werde hier das verweigerte Ziel des Crescendos der ersten Zeile endlich doch noch ins rechte Licht gerückt: im Fortissimo…

Die tolle „Geschichte“ dieses Satzes wäre leicht erzählt, samt der Verselbständigung der Linke-Hand-Triolen im Mittelteil des Satzes. Ganz am Ende gewinnt (doch noch) die „Comodo“-Normalität – mit einer dezenten chromatischen Auflösung des Themas.

Fuge E-dur, BWV 878

Warum noch weiter fragen?

Ich übe sie ja, und werde nie aufhören, diese Fuge (und das schöne Präludium davor) immer wieder von Anfang bis Ende durchzuarbeiten, Takt für Takt, Durchführung für Durchführung, obwohl ich sie „eigentlich“ in den Fingern habe. Natürlich geht es aber in Wahrheit um das Verstehen, das richtige Hören u.dgl. mehr.

Bach-Faksimile

Minimum-Analyse (nach Czaczkes)

Sicher, immer mit den Noten, aber wieviele Menschen schließe ich damit bereits aus?! Gegenüber meinen unleserlich gewordenen Übe-Noten sind diese wenigstens auf ein Äußerstes reduziert. Nur die Formabmessungen habe ich von Ludwig Czaczkes übernommen, aus seinem Buch. Über die Durchführungen I bis VI könnte man streiten, Bach selbst kannte ja nicht einmal das Wort Durchführung (was nichts besagt).

Gestern habe ich noch eine Analyse entdeckt mit etwas anderen „Abmessungen“ und anderer Nomenklatur, ich gebe einen Scan wieder, der aus Copyright-Gründen in meiner Wiedergabe nicht entzifferbar wiedergegeben ist. Mir ist er in leserlichem Zustand auch wieder nicht übersichtlich genug. So denkt man ja nicht beim Spielen… (es ist halt nur zum Denken). Außerdem verfälscht mein defekter Drucker die Farben… baer das ist mir recht, in diesem Fall.

Zum Original: hier (Feona Lee Jones)

Schön gespielt. Deshalb als Kontrast eine historische Aufnahme, die ich als berserkerhaft empfinde. Aber dieser Tastenvirtuose gilt – zumal in Kreisen der Neuen Musik – seit seinen Goldberg-Variationen als Gigant der Bach-Interpretation. Die Leute erkennen halt den Künstler erst, wenn er leicht geisteskrank wirkt. Nebenbei, – wenn Sie hier glauben, dabei auch noch Kastagnetten zu hören: dafür kann er nicht, das ist die knackende Tasten-Mechanik des Cembalos.

Es ist nur die eine Seite des Glenn Gould, die andere, übersensible, erfährt man hier.

Zugegeben: er will uns auf etwas aufmerksam machen, das uns vielleicht sonst entgeht. Die Kostbarkeit der Substanz. Aber haben wir diese Holzhammermethode verdient? Geht es darum, die Intensität des Hörens ins Unfassbare zu steigern, durch Mikromechanistik, Absenz jeder Naturwüchsigkeit des Ausdrucks: ja, nur deren absolute Verneinung zu verklanglichen? Und dazu ein unendliches „Ja“ lediglich durch ein fast nölendes Mitsingen anzudeuten? Durch verkrampft zitternde Gesten der spielfreien Hand? Die Artikulation ist und bleibt widersinnig.

Andererseits: Wie kann ich das Mithören lernen, ohne es durch bloßes Buchstabenwissen zu ersetzen? Eine Seite Czaczkes setzt uns in Erstaunen: alles ist richtig, was er herausfindet – aber es wärmt nicht. Was tun?

Zweifellos bewundernswert!

Quelle: Ludwig Czaczkes: Analyse des Wohltemperierten Klaviers / Form und Aufbau der Fuge bei Bach  / Österreichischer Bundesverlag Wien 1982.

In der Tat: darüberhinaus verspricht er nichts, etwa: „Form, Aufbau und Sinn der Fuge“, denn dies letztere ergibt sich nur in realem Spiel und Hören, – und zwar vielfach wiederholt… In dem sehr differenzierten Buch von Jürgen Uhde und Renate Wieland liest man folgende Passage:

Die haltlose Bewunderung der Kombinatorik bei Bach, bei Webern, wo auch immer, vergißt die Frage nach dem Wozu, dem metaphysischen Gehalt. Er ist, entgegen der Lehre traditioneller Ästhetik, nicht unmiottelbat eins mit dem immanenten Funktionszusammenhang. So gehören die Kanons in den Bachschen Goldbergvariationen gewiß zu den kühnsten musikalischen Konstruktionen, und doch ist das eigentlich Erstaunliche an ihnen nicht, daß es so nahtlos, so selbstverständlich stimmt. Die Gebilde kreisen nicht in sich selbt, sondern scheinen gleichsam nach oben offen. Licht fällt herein; und in ihm glühen Details, zumal einzelne Töne, in unvergleichlichen Farben auf.

Quelle Jürgen Uhde, Renate Wieland: Denken und Spielen / Studien zu einer Theorie der musikalischen Darstellung / Bärenreiter Kassel Basel London etc 1988 (Seite 19)

Interessant, wie Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel das Fugen-Denken seines Vaters charakterisierte:

ren und der Verschiedenheit der Gedancken überhaupt so glücklich angebracht, als er. (An J.N.Forkel Ende 1774) (Nekrolog Leipzig, 1754

Wir erkennen heute vielleicht ohne Hilfe, zumindest in dieser Fuge, den Beginn einer neuen Durchführung, dank der sehr deutlichen, vorhergehenden  Abschluss-Kadenz. Die jeweilige Ankunft also in einer neuen Tonart. Und wir erkennen dann das wiederkehrende Thema in jeder Stimme.

Oder… oder etwa nicht? Auch wenn es in den Engführungen überhandnimmt? Ja, vielleicht zumindest die „Allgegenwart“, die thematische Durchdringung der gesamten Struktur. Trotzdem folgt ein Beispiel dafür, dass ich das Thema zwar deutlich sehen kann (in den Noten), aber nicht höre. Oder? Ab wann höre ich es denn? Und zwar so, dass ich es rückwirkend wahrgenommen – haben – werde?

Durchführung III, ab Takt16

Dies Beispiel beginnt also in Takt 15, 1 Takt vor Abschluss der Durchführung II mit Kadenz nach Cis-moll. Wobei aber das Thema dann trotzdem auf dem Ton E beginnt (rotes Häkchen), wie ganz am Anfang der Fuge. Die Aufmerksamkeit richtet sich sofort auf die Nebenstimmen, auf die Sept-Dissonanz D/Cis (linke Hand, dritte Zählzeit) und auf die Chromatik (Cis-D-Dis-E). Jede(r) hört quasi nebenbei den Themeneinsatz im Sopran Takt 17, hört den Bass, der ab Takt 19 absteigt in Richtung H zum (erwartbaren) Themeneinsatz, hört zugleich den eiligen Achtelabstieg im Tenor, auf den Terzgriff zielend. Und falls (!) man jetzt noch einen Themeneinsatz erwartet (wie vorher in Takt 17 als Antwort auf Takt 16), – man hört ihn nicht (am Anfang von Takt 20 im Tenor), weil er Bestandteil eines neuen Terzgriffs ist, den man als Folge des vorigen auffasst, nicht aber als thematisch relevant. Vielleicht im Nachhinein? Möglich, dass man erst beim Anschlag des dritten Thementons „schalten“ würde, – wenn er nicht mit einem verblüffenden Akkord überlagert (einem verminderten Septakkord) würde, der alle Erwartungen auf die sich anbahnende Kadenz in Takt 21 lenkt. Und deren synkopischer Sog erfasst dann auch dieses, damit praktisch unkenntliche, Themendetail. Gibt es also hier und da Themenzitate, die man als Spieler nicht verdeutlichen kann, als Hörer nicht erkennen muss, dass vielmehr andere Ereignisse wichtiger sind als die erkennbare Wiederkehr des ohnehin Bekannten? Dass es nicht zu den hervorragenden Fähigkeiten eines Fugen-Experten gehört, im rechten Moment sagen zu können: aha! eine Engführung! Was man dem Thema doch alles antun kann, simpel genug ist es ja! (vgl. Ph.E.B.s Zeugnis).

Nicht zu vergessen: Dieses ehrwürdige Thema stammt ja nicht einmal von Bach, es steht in der Kontrapunktlehre von Fux, bei Fischer, bei Froberger, und der Stil, in dem Bach es abhandelt, heißt „stile antico“ und bezieht sich auf Palestrina. Und ist hier doch ganz und gar BACH.

Mit dem Nachweis der Themen-Generierung aus melodischen „Archetypen“ jedoch kann man Verwandtschaften konstruieren, die am Ende beliebig erscheinen. Das hat die Untersuchungen von Johann Nepomuk David in den 50er Jahren so ermüdend gemacht, obwohl sie manche Anregungen bieten:

Quelle Johann Nepomuk David: Die Jupiter-Symphonie / Eine Studie der thematisch-melodischen Zusammenhänge / Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen 1953

Also – bleiben wir einstweilen im spezifischen, hörbaren Konnex des Einzelwerks:

Durchführung I E-dur, II H-dur, III Cis-moll, IV Fis-moll, V ja was wohl? VI Gis-moll / E-dur (wenn Sie es nicht lesen können: gleich folgen noch genaue Zeitangaben, – zum hörenden „Innewerden“)

Ich wähle die Aufnahme mit Andras Schiff, den ich aus vielen Gründen bewundere. Aber an dieser Stelle geht es nur um Orientierung, nicht um Adorierung.  Extra-Fenster HIER – die Fuge E-dur beginnt bei 4:36.

FUGE Durchführung I E-dur ab 4:36, II H-dur ab 5:10, III Cis-moll ab 5:40, IV Fis-moll ab 6:11, V ja was wohl? [Cis] ab 6:28  VI Gis-moll / E-dur ab 7:07 ENDE 7:52

Anklicken und parallel zum Hören – lesen

Da bleibt kein Zweifel, Bach geht mit dem Thema durch die Stimmen, wie es sich bei einer Fuge gehört, er macht starke, abschließende Kadenzen, die Palestrina sich nicht erlaubt, sondern in einer durchgehenden, überlappenden Textur verborgen hätte. Und nach solchen Abschlüssen erscheinen nicht nur die Themen-Zitate in neuem Licht, auch die wiederkehrenden Begleitstimmen, die Kontrapunkte. Verwandlung allenthalben! Eine übergreifende Planung des Geschehens wird spürbar, keine bloße Wiederkehr des Gleichen, – ist da nicht sogar eine Steigerung offensichtlich?

Fahren wir fort an der Stelle nach Takt 20, wo wir vorhin stehengeblieben sind. Da ist der „synkopische Sog“, der zu dem Fis-moll-Abschluss führte: Durchführung IV, und wir können mit neuen Themeneinsätzen rechnen, sie sind bei mir mit roten Häkchen gekennzeichnet. Es dauert aber vielleicht einen Moment, ehe wir begreifen, dass das Thema aus dem stufenweisen, synkopischen Gang „gelernt“ hat: der Sprung (klein genug!) vom zweiten zum dritten Ton ist eliminiert, es gibt nur noch die wellenförmige Linie. Im Notenbeispiel die Nr.3, entsprechend dem Beginn der Durchführung IV, das Thema mit der Imitation in Engführung (anstelle der Viertelpausen stehen im Original zwei nich-thematische Restnoten):

Die Nr. 2 entspricht dem Themenkopf der Bach-Fuge samt der ihm innewohnenden Tendenz, wie sie in den letzen Takten des Stückes in absteigenden Skalen realisiert wird. Nr. 1 dagegen entspricht einem anderen alten Thema, dessen Kopf „so ähnlich“ aussieht, aber in eine andere Richtung schaut, nämlich auf die höhere Sexte, den fünften Ton. Es ist genau die Version, die aus dem Finale der Jupiter-Sinfonie von Mozart bekannt ist, siehe oben, bei Johann Nepomuk David. Entscheidend für den Unterschied der beiden äußerlich so ähnlichen Themen ist aber die unscheinbare Schwerpunktverschiebung im ersten Takt, – geht es zum A oder zum Gis? Und wie verhält es sich, wenn der Terzsprung zwischen Ton 2 und Ton 3 (hier also Fis und A) mit einem Durchgang ausgefüllt wird, wie in Beispiel Nr. 3 ? Man mag es kaum als das gleiche, nur minimal alterierte Thema anerkennen, eindeutig erst dann, wenn man sieht, dass diese „Welle“  fugiert behandelt wird. In Engführung. Und im nächsten Takt 25 gleich noch einmal, wodurch diese 5 Takte überhaupt erst den Rang einer Durchführung zugesprochen bekommen. Durchführung IV mit ihrer Variante des Themas. Der Gang durch alle Stimmen Sopran, Alt, Bass, Tenor ist damit vollendet.

Die Durchführung V knüpft unmittelbar daran an, sogar vorzeitig einsetzend, ohne ausdrückliche Abkadenzierung: zudem mit einer neuen Themenversion – die Viertelnoten neben überhand -, eine neue Phase beginnt, in denen Terzen- (oder Sexten-) Parallelen eine Rolle spielen: im Widerspruch zum strengen Palestrina-Stil, kulminierend im Takt 33, Parallel- Gegenbewegung, zugleich die expressivste Dissonanzfolge in dieser Fuge. Daraus folgt – wie eine Katharsis in der Tragödie – die Durchführung VI, mit ihren vollständigen Tonleitern: ein deutliches Zeichen der Ganzheit, wie ein „abgezählter“ Sternenhimmel. Man könnte hier mit dem berühmten Goethe-Wort abschließen… (wenn es nicht doch mehr dem Freund Zelter und den Zeitgeist abgelauscht ist). Und die Vorstellung von Gottes Busen vor der Weltschöpfung hilft meinen Ohren tatsächlich wenig.

Eines steht fest, wenn ich noch einmal auf die Partitur schaue: die Zweiergruppen sind keine verbindlichen Denkvorgaben: bedeutungsvoll fragwürdig scheint mir der (verschleierte) Beginn der Durchführung V,  zumal dadurch die Gruppierung IV + V plausibler wird als III + IV  und V + VI, und dann: zu wissen, dass zwischen III und IV der Halbierungspunkt der ganzen Fuge liegt, ist zumindest befriedigend. (Ich erinnere mich, dass Yehudi Menuhin einen solchen Punkt in der Ciaccona hervorgehoben hat. Das war allerdings in einer Phase, als ich noch intensiv Noten gezählt habe. Die handschriftliche Zahl 257 mit dem Hinweis auf die Quersumme 14 – unter dem Schlusstakt – stammt von Alfred Krings: es war im Adler in Kirchheim, auch Wilhelm Mateijka stand dabei und hatte zuvor angeregt: „Homs mal mit Zähl’n versucht?“).

 

Zurück zur E-dur-Fuge! Also :

Warum nicht I + II + III / IV + V + VI  ?  – wobei die Sonderstellung von VI als Krönung „auf der Hand“ liegt. Genau wie die Exposition ab Takt 1. Also … beide Proportionsgruppen gleichzeitig – wie „2 mal 3 = 3 mal 2“ ? Und dann Imagination von purer Musik ohne Schall und Rauch der Zahlen!?

Ach, ich hätte gedacht, dass ich die Aufgabe des Fugenhörens, das Vergnügen, das sie vermittelt, auch in einer verbalen Beschreibung aufleuchten lassen könnte. Weit gefehlt!

Es geht also wieder nur ums Hören! Und da muss ich letztlich auf die jüngste Schrift zu dieser Problematik kommen. Von Jan Kopp, neulich schon kurz vorgestellt: hier. Natürlich ist Hören kein „Problem“, es ist Wahrnehmung. Erst die Deutung des Wahrnehmbaren kann zu einem Problem werden, – besonders wenn es sich um Musik handelt.

Ich kann allerdings nicht verhehlen, dass mir die folgende Seite des Buches von Peter Schleuning über die „Kunst der Fuge“ immer einen besonderen Eindruck gemacht hat (auch wenn ich dann erfahren musste, dass der (Waffen-)Graveur sie ursprünglich – ? – zum Schmuck für Flinten ersonnen hat).

und so habe ich auch im Ausflugslokal Haus Rüden (natürlich) auch wieder an die Bach-Fuge in E gedacht, als ich die grüne Wand fotografierte.

Und wieder muss ich mich zur Ordnung rufen.

Wolltest du nicht neulich das Büchlein (es ist ein ausgewachsenes, inhaltsreiches Buch in handlichem Format) von Jan Kopp ausführlicher behandeln. Immerhin rührt es an die lebendige Substanz jedes Musikers, jeder Musikerin: das Hören, praktisch gefragt: wie soll ich schwierige Musik hören? Musik, die sich spürbar nicht im bloßen Zuhören erschließt. Wenn manch eine/r sagt: das muss ich mehrmals hören oder – abwehrend – das ist nichts für mich, ich bin ja kein Experte. Und noch mehr abwehrend, abwertend: das ist zu hoch für mich. Sehr gern bei Neuer Musik (mit großem N). Und es gilt auch bei Alter Musik wie manchen Bach-Fugen, die nur wegen ihrer traditionellen Harmonik im Lager der Nicht-Versteher kaum störend wirken. Bei langsamen Fugen spricht man dort sogar bevorzugt vom Weltraum, und meint dies nicht als Kritik. Andere sagen: ich bin ja kein Experte, aber…

Wie nützlich also, dass Jan Kopp sich zu Beginn seiner Ausführungen intensiv mit bestimmten von Adorno geprägten Begriffen beschäftigt. Überschrift: „Das ergriffene Ohr / Vom Spielen und Hören Neuer Musik und zurück“, Zwischentitel: „Strukturelles Hören“ /  „Expertenhören“ /  „Amateure“ /  „Exclusiver Hörraum“ / „… oder ‚Schule des Hörens‘?“ / „Private Hörräume“ / „Überschreitung der Schwelle“ / „Antasten“ /

Und wieder weiche ich aus und hänge an Adornos Lippen, höre ihm zu mit unzureichenden Ohren, und seine Trauben hängen mir vielleicht allzu hoch, während der Zitherspieler mich ergreift, wie auch die unvergesslichen Geiger aus Ostserbien oder der Klagegesang einer tamilischen Sängerin, die wir in Sri Lanka aufgenommen haben. Da will Adornos allzu vernünftige Stimme nicht recht verfangen:

Es gibt keinen friedfertigen Sozialatlas des Musiklebens; so wenig wie einen der Gesellschaft. Innermusikalisch sind die Sektoren des Musiklebens nicht gleichberechtigt. Die konziliante Güte, die dem Zitherspieler auf dem Land dasselbe Recht zubilligt wie dem verständnisvollen Hörer komplexer Stücke des späten Bach, oder der Moderne, unterdrückt nicht nur die Qualitätsunterschiede sondern den Wahrheitsanspruch der Musik selbst. Wenn jene Werke von Bach, oder irgendwelche der großen Musik, wahr sind, dann dulden sie objektiv, ihrem Gehalt nach, nicht die anderen, die nicht beheimatet sind im Hölderlinschen »Land des hohen ernsteren Genius«. Haben der Zitherspieler und Bach gleiches Recht, geht es nur nach individuellem Geschmack zu, dann wird der großen Musik entzogen, wodurch allein sie die große ist, als welche sie Geltung genießt. Depraviert zum Konsumgut für Anspruchsvollere, büßt sie eben das ein, worauf jener Anspruch allenfalls gehen könnte. So wenig aber wie musikalisch läßt der Pluralismus soziologisch sich halten. Das Nebeneinander verschiedener Gestalten von Musik und Musikübung ist das Gegenteil versöhnter Vielfalt. Das hierarchische System des Angebots kultureller Güter  betrügt die Menschen um diese. Noch die menschlichen Beschaffenheiten, welche diesen zum Zitherspieler und jenen zum Bachhörer prädestinieren, sind keine natürlichen, sondern gründen in gesellschaftlichen Verhältnissen.

Quelle Theodor W. Adorno: Einführung in die Musiksoziologie / Zwölf theoretische Vorlesungen / Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1962 (Seite 130)

P.S. Von „menschlichen Beschaffenheiten“ – „… natürlichen Verhältnissen“  oder gesellschaftlichen …, würde ich davon reden, wenn mein Enkel mich fragen würde, was ich an einer Fuge gut finde? Würde ich etwa beginnen, ihn mit seiner Musik, nach der ich frage, herabzustufen? Dass sie ihn betrügt? Was würde ich denn von mir erzählen, – wenn er bereit ist, mir zuzuhören -, auf die Frage, welchen Reiz eine Fuge auf mich ausübt. Was fesselt mich daran? Zuerst das Thema (was kann daraus werden?), dann: dass alles thematisch ist, es begleitet sich selbst, ohne bloße Begleitung zu sein. Da schließen sich Gebilde zusammen, Kadenzen markieren Haltepunkte, Stationen, sie runden ab, aus kleinen Gebilden werden Gestalten. Das Thema verwandelt sich: dank seiner Varianten (benennen und singen, ab Takt 23, ab Takt 27) und dank der „Techniken“, z.B. Engführung (nicht warten können), es geschieht etwas, wohin geht es? (Siehe ab Takt 38 mit Auftakt:) Am Ende wird alles „überhöht“, rekapitulierend und krönend. (Es sind aber eigentlich „nur“ Tonleitern…) Alles war sinnvoll.

Und das befriedigt sehr.

Habe ich etwa eine große Hör-Leistung vollbracht? Und kann es in 7 Zeilen beschreiben? Und habe alles erreicht, wenn mein Enkel nur aufmerksam zuhört. Ich verlange keine spirituelle Ekstase, um Gottes willen! Meinetwegen darf es auch ein bloßes Spiel sein.

SUFI RUMI

Noch eine Übung zur Toleranz?

„Stirb, stirb und fürchte nicht den Tod …“

Wer war Rumi? Siehe Wikipedia hier – Dschalāl ad-Dīn Muhammad Rūmī

Ein iranischer Journalist, der in Kalifornien lebt, begibt sich auf Spurensuche nach Konya

https://www.noaharjomand.com/about hier

die CD mit Ghalia Benali & Constantinople

das Rumi-Gedicht Tr. 4

Der Liebesbegriff in der islamischen Mystik: https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/content/titleinfo/1562159/full.pdf HIER ganzer Text / hier biographische Info

ZITAT aus dieser Arbeit von Barbara Lorenz (Graz, 2016) S.53

Das dem Propheten zugeschriebene Postulat des Sterbens, bevor man stirbt findet bereits in der Lebensgeschichte von Hallaj, der Rumi in mehrerlei Hinsicht beeinflusste, einen deutlichen Niederschlag. Rumi wählt mitunter durchaus ungewöhnliche Bilder für
diesen Prozess, so etwa das Kochen von Kichererbsen, das Bild des
„Gegessenwerdens“, aber auch das Opfer Abrahams. Es ist dieses notwendige
Nicht-Sein, um zu werden und zu sein. Grundlage der Suche aller Meister nach dem
Zerbrochen-werden und Nicht-sein. Ein ghazel aus dem Diwan bringt es zum
Ausdruck:
Stirb, stirb, bis diese Liebe tot ist! Wenn du in Liebe gestorben bist, wirst
du die unvergängliche Liebe gewinnen. Stirb, stirb und fürchte nicht den Tod! Denn
du wirst die Himmel gewinnen, wenn du dich über dieses irdische Sein erhebst.

Stirb, stirb und trenne dich von deinem niedrigen Selbst! Denn dieses niedrige
Selbst ist eine Fessel, und du gleichst einem Gefangenen! Stirb, stirb und komm
heraus aus dieser Wolke (deiner Ichhaftigkeit). Kommst du aus dieser Wolke heraus,
bist du der leuchtende volle Mond. Sei still, sei still, da Schweigen mit dem Tod
verwandt ist! (Aber) die Stimme deines Schweigens ist voller Leben!

Auf der vorhergehenden Seite 52 zitiert Barbara Lorenz ein berühmtes Rumi-Gedicht, das auch  in einem schönen Wikipedia-Artikel behandelt wird (Rezeption persischer Literatur im deutschsprachigen Raum – betrifft an dieser Stelle besonders Friedrich Rückert): nachzulesen hier.

Siehe, ich starb als Stein und ging als Pflanze auf / Starb als Pflanze und nahm drauf als Tier den Lauf. / Starb als Tier und ward ein Mensch. Was fürcht’ ich dann, / Da durch Sterben ich nie minder werden kann! / Wieder, wann ich werd’ als Mensch gestorben sein, / Wird ein Engelsfittich mir erworben sein, / Und als Engel muss ich sein geopfert auch, / Werden, was ich nicht begreif’: ein Gotteshauch!

Zugleich muss ich gestehen, dass es mir mit Rückert immer etwas zwiespältig erging: seine Verse hatten für mich immer etwas Kunstgewerbliches, Holpriges, Gezwungenes, geliebt habe ich sie immer nur dank der Musik, mit der sie sich verwandelten, von Schubert, Schumann bis Gustav Mahler.

Und wenn ich in die Titelei dieses Artikels noch einmal die „Toleranz“ eingefügt habe, hat dies den Grund, dass ich den Essay von Rüdiger Bubner nicht aus den Augen verlieren will, – ein Wunder der Logik, der klaren Gedankenentwicklung. Zugleich Markzeichen einer Spaltung, die mir Anfang der 60er Jahre immer bewusster wurde: seit einer ersten Nietzsche-Begegnung 1955 neigte ich dazu, mich seiner apollininisch-dionysischen Polarität zu bedienen. Sie erschien mir in unterschiedlichsten Verkleidungen, sagen wir: in den Gestalten von Hamsun versus Adorno, oder Hermann Hesse vs. Gottfried Benn. In Robert Musils Hinweis auf eine „taghelle Mystik“ schienen sie mir vereinigt. (Sehr merkwürdig auch die Zerebralität Anton Weberns und seine theosophischen Träume.) Aber wer spricht noch von Vereinigung? Dialektik ist Alles.

Und all dies spielt eine Rolle beim Hören dieser Rumi-CD und beim Lesen des begleitenden Textes, den kreisenden Assoziationen, der Erinnerung ans Auswendiglernen des genialen Goethe-Gedichtes, das ich mit Tinte an die Fensterscheibe meines Zimmers am Paderborner Weg geschrieben hatte (mit Blick auf die in der Tiefe liegende Stadt – Bielefeld): „Sagt es niemand, nur den Weisen, weil die Menge gleich verhöhnet, das Lebend’ge will ich preisen, das nach Flammentod sich sehnet.“ Und heute nun dies:

Lese ich hier von Rumi, dem „Meister der Meister“, und der Frau, die seine Geliebte und Muse wird? Und die Illustration zeigt offenbar einen männlichen Derwisch, ebenfalls der weitere Text, nebst Hinweis, dass die anderen Schüler des Meisters eifersüchtig wurden? Kein ganz zufälliger Lapsus. Es ist ein großes Thema, dieser Austausch der Geschlechter in der orientalischen Lyrik.

Aber im Fall des Schams-e Tabrizi gibt es leicht Aufkärung: z.B. hier .

Der Fehler stört: er beruht auf einer Gedankenlosigkeit der Übersetzung, – offenbar aus der französischen Fassung, wo es sich allerdings um die männliche Form handelt, abgesehen von dem Wort „muse“, dort steht nämlich: „et celui qui devient son bien aimé et muse“ – auf deutsch also eine klärende bzw. verschlimmbessernde Version, – wozu, um Gottes Willen, denn das??? Ich will es gerne so verstehen:

Doch ob Rumi und Schams einzig in ihrer Liebe zu Gott vereint waren oder ob ihr Miteinander auch erotische Elemente barg, kam nie ans Tageslicht. Und da Rumi ein respektabler, wenn nicht gar hochverehrter Bürger der Stadt war, sorgte das Verhältnis der beiden Gottessucher zwar immer wieder für Gerede, wurde aber hinter vorgehaltener Hand diskutiert.

So im DLF Skript 7.10.2015 siehe hier , eine gut zu lesende Einführung. Die Stadt, von der hier die Rede ist, heißt Konya.

Meine Erinnerung an die alten Mauern Baktriens (Fotos JR 1974 bei Balkh/Nordafghanistan)

 

  

Habe ich es gewusst, als ich die Bilder machte? Hier in Balch/Baktra wurde Rumi am 30. September 1207 geboren. Die Familie verließ die Region vor Dschingis Khans Mongolensturm 2019 und kam (über Mekka) „nach Anatolien (Rūm, daher der Beiname Rūmī), das damals von den Rum-Seldschuken beherrscht wurde“ (Wikipedia).

Und noch etwas ist unvergessen: dass die Sängerin Ghalia Benali mir schon 2010 Respekt eingeflößt hat, als sie sich an das Erbe der großen Ägypterin Oum Kalthoum heranwagte. „Al Atlal“!!! (Siehe auch im Blog hier!) Jetzt hat sie gemeinsam mit Kiya Tabassian ein großes Thema erschlossen, das nahtlos zu ihrer herrlichen Stimme und diesem hochmusikalischen Ensemble passt.

Der Fehler

Zum Vergleich (eine auto-didaktische Maßnahme)

Den Fehler hatte ich im vorigen Artikel begangen.

Bitte rufen Sie beide Links auf, den ersten im folgenden Bild bei „Ansehen auf YouTube“, den anderen darunter, so wie angegeben. Beide gleich abrufbereit…

The 5 fugues arranged for string quartet are: – No. 1 in C minor after Bwv 871 (0:00) – No. 5 in D major after Bwv 874 (1:48) – No. 2 in E flat major after Bwv 876 (3:30) – No. 4 in D minor after Bwv 877 (4:54) – No. 3 in E major after Bwv 878 (6:52)

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *

Die Mozart-CD des Klenke Quartetts, bitte unten bei HIER, also bei jpc, aufrufen und runterscrollen bis dorthin, wo man die Einzeltitel anspielen kann (im Bild ganz unten sichtbar ab „Tracklisting“ ). Vergleichen Sie Fuge für Fuge, also genau gemäß der entsprechenden Nummerierung.

  HIER

Und? Wissen Sie nun, worin der Fehler bestand? Ich entschuldige mich, sowohl bei Leser:innen wie bei den Künstlerinnen. Ehrlich. Es war keine raffinierte Absicht, so zu verfahren. Aber jetzt, da es nun einmal so passiert ist…

Prüfungsaufgabe: Beschreiben Sie den Unterschied der Interpretationen.