Archiv der Kategorie: Gesellschaft

Zur Analyse des Augenblicks

Ist dies nur eine Corona-Zeit?

Natürlich wehrt man bescheiden ab, wenn jemand behauptet: das was du da schreibst und vorzeigst, dient doch alles deiner persönlichen Profilierung. Nein, könnte ich sagen, zunächst einmal dient es meiner lebenslangen Lerntätigkeit, und jetzt, wo ich nicht mehr leugnen kann, dass ich älter werde, fürchte ich, dass ich Dinge vergesse, die mir früher wichtig waren, vielleicht ungelöst geblieben sind; memoriere auch Inhalte, die vielleicht mit gutem Grund ins Hintertreffen geraten waren. Und warum schriftlich? Und warum digital und öffentlich? Früher habe ich Radio-Sendungen gemacht und alles, was ich (musikalisch) erlebte, im Blick auf solche Weitervermittlung nach außen beobachtet, notiert, ausgearbeitet und in hörbare, also mit dem Ohr aufnehmbare gedankliche Zusammenhänge verwandelt. Und das wurde von einem entsprechenden Publikum draußen auch honoriert. Nicht mit Geld, sondern mit Aufmerksamkeit. Nachweisbar. Alles was mich wirklich interessiert – davon konnte ich ausgehen -, interessiert auch andere Menschen, wenn ich nur die richtige Darstellungsweise finde. Und letztlich bin ich selbst auch nur so interessant wie meine Stoffe. Vieles von dem, was ich damals gelernt habe und was mich mental aktivierte, kam von (freien) Mitarbeitern, Autor*Innen, kreativen Menschen um mich herum, und vor allem: aus Büchern, die mir wiederum von allen Seiten ans Herz gelegt wurden. Kurz: ich bin nicht einfach ich, sondern ebenso das Produkt unzähliger Kontakte. Ich bleibe es auch, wenn ich eine Reihe solcher Kontakte – vielleicht zu meiner persönlichen Profilierung mit Namen nenne. Vielleicht aber auch einfach aus Dankbarkeit. Jedenfalls muss nicht alles, was über das moderne Individuum zu sagen ist, in einer aktuellen Beschreibung dessen, was man heute Profil nennt, wiedererkennbar sein. Zumal wenn man das Bloggen nicht nach dem Muster von Facebook oder irgendwelcher „Influencer“ mit ihren „Followern“ versteht.

Ich zitiere:

Im Profil als einer Zusammenstellung von Text- und Bildelementen versucht das digitale Subjekt, seine Nichtaustauschbarkeit als besondere Persönlichkeit zu demonstrieren. (…) Sich via Profil zu singularisieren, wird zu einer Daueraufgabe des Subjekts; es vollzieht unablässig Singularisierungsarbeit in eigener Sache. (…)

Profile sind allerdings nicht statisch, sondern durch eine Permanenz der Performanz des Neuen gekennzeichnet. In die Logik des Weblogs und des Bloggens war von Anfang an eine Aktualitätsforderung eingebaut; und Facebook war von Anfang an eine Aktualitätsforderung eingebaut; und Facebook hat der Dynamisierung der Profile durch die Einführung der „Chronik“ einen zusätzlichen Schub gegeben. Das Profil-Subjekt muss seine Originalität und Vielseitigkeit so immer wieder unter Beweis stellen, durch beständige, immer neue Performanz. Es reicht nicht, einmal zu bekunden, dass man Kolumbien, Barockopern und seine Kinder liebt; man muss diese Leidenschaften und Interessen durch zeitnahe Aktivitäten sozusagen ständig aufs Neue öffentlich realisieren – dadurch dass man jetzt Kolumbien bereist und Kommentare und Fotos der Reise postet oder zumindest einen aktuellen Bericht über Kolumbien verlinkt oder jetzt ein Barockfestival besuche oder zumindest auf eines hinweist oder jetzt mit den Kindern etwas halbwegs Bemerkenswertes unternimmt und all dieses medial verbreitet. Die Permanenz der Performanz des Neuen überträgt die generelle Momentorientierung des Internets auf die Ebene der Fabrikation des Subjekts. Singularisierung bedeutet hier, dass in den vielseitigen Aktivitäten immer etwas Neues passiert und die Profileigenschaften im Hier und Jetzt lebendig gehalten werden.

Quelle Andreas Reckwitz: Die Gesellschaft der Singularitäten. Suhrkamp Berlin 2019 / Zitat Seite 249 f

Wenn ich in den vergangenen Tagen über eine lächerliche Kladde berichtet habe, mit der ich als Schüler der Wirklichkeit der 50er Jahre zu Leibe rücken wollte, so heißt das nicht, dass ich jene Zeit restituieren will (Schlimmeres könnte ich mir auch subjektiv gar nicht vorstellen), sondern dass ich mich damit eines wiederkehrenden Lebensgefühls vergewissern möchte, das über 50 Jahre hinweg alle Ungewissheiten zu ertragen geholfen hat. Die heutige Krisenzeit, die oft genug als ganz exzeptionell analysiert wird, kann nicht schlimmer sein als die Nazizeit, der Krieg und das sogenannte Wirtschaftswunder, die bleierne Zeit der 50er Jahre, das ganze Konglomerat, das damals auf uns einwirkte.

Was kann spannender sein, als kompetenten Leuten zuzuhören, die sich der neuen, gegenwärtigen Situation und einer aufs neue völlig ungewissen Zukunft bewusst zu werden suchen? Ich habe gestern Abend den Eindruck gehabt, dass genau so das richtige Problembewusstsein entsteht, nämlich mit dem Blick weit über die Corona-Krise hinaus.

 HIER 

(siehe ab 3:06 „Was ist Spätmoderne?“)

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Bruno Latour und die Frage “ Was bleibt von der Moderne?“

Siehe in diesem Blog hier. Und in Faust-Kultur hier.

Und im folgenden Text von Bruno Latour (Sonntag 29-03-2020),

Vielleicht ist es falsch, sich in die Zeit nach der Krise zu versetzen, während das Gesundheitspersonal, wie man sagt, “an der Front” steht, Millionen von Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren und viele trauernde Familien ihre Toten nicht einmal begraben können. Und doch müssen wir gerade jetzt dafür kämpfen, dass die wirtschaftliche Erholung nach der Krise das alte Klimaregime nicht wieder herstellt, gegen das wir bisher vergeblich gekämpft haben. Die Gesundheitskrise ist in der Tat in etwas eingebettet, das keine Krise ist (sie ist immer vorübergehend), sondern eine nachhaltige und unumkehrbare ökologische Veränderung. Wenn wir das Glück haben, aus der ersten “herauszukommen”, so werden wir keine Chance haben, aus der zweiten “herauszukommen”. Die beiden Situationen haben zwar nicht das gleiche Ausmaß, es ist jedoch sehr aufschlussreich, sie miteinander zu verknüpfen. Auf jeden Fall wäre es schade, die Gesundheitskrise nicht zu nutzen, um andere Wege zu entdecken, um einen ökologischen Wandel anders einzuleiten als im Blindflug.

Tatsächlich hat sich gezeigt, dass es möglich ist, innerhalb weniger Wochen ein Wirtschaftssystem (überall auf der Welt und zur gleichen Zeit) auszusetzen, von dem uns bisher gesagt wurde, es sei unmöglich, es zu verlangsamen oder gar umzugestalten. Allen Argumenten, die von Ökologen zur Veränderung unserer Lebensweise vorgebracht wurden, wurde stets die unumkehrbare Kraft des “Fortschritts” entgegengesetzt, dass “wegen der Globalisierung” nichts aus den Gleisen geraten dürfe. Doch gerade ihr globalisierter Charakter macht diese Entwicklung so zerbrechlich, die sich nun wahrscheinlich verlangsamen und dann plötzlich zum Stillstand kommen wird.

Lesen Sie diesen Text weiter: hier.

Die Ausstellung Critical Zones in Karlsruhe

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Verschwörungstheorien

Möglichkeiten der Analyse

Man staunt immer wieder: es ist ja nicht so schwer zu analysieren, man sträubt sich nur, angesichts der massenhaften und lautstarken Proteste, diese allzuleicht abzutun:, – irgendwas muss doch dran sein. Gehört es zur Demokratie, auch Schwachsinn zu tolerieren, selbst wenn er für alle gefährlich werden kann? Äußern diese Leute ihre Überzeugungen so aggressiv, weil es allerhöchste Zeit ist und sie anders nicht gehört werden? Wollen sie die scheinbar rettungslos ambivalenten Verhältnisse kraft ihrer großen gemeinsamen Vision einfach nur klären? Ja, sie wollen es einfach, und mancher notorisch tolerante Intellektuelle denkt vielleicht einen Moment lang an Nietzsche, ja, der Wille an sich kann doch gewaltige Kräfte freisetzen. Und dem dekadenten Rom geschah es ganz recht, dass Barbaren einfielen und Platz schufen für ein neues, geradliniges Denken… Und was der Phrasen mehr sind, die nichts mit Nietzsches Ambivalenzen zu tun haben.

Ich will diese Gesprächsrunde deutlich in Erinnerung behalten, weil sie typisch ist für die vernünftige Seite, die auch immer wieder zu vernehmen ist, für jeden greifbar, auch in der Tageszeitung. Ist es wirklich so kompliziert, dass Schwachköpfe sich nur radikal verweigern können? Und was nicht einfach ist, wird dann einfach gemacht?!

 Solinger Tageblatt 18. Mai 2020

(Auf dem Foto zwei Ritter von der traurigen Gestalt, die das Schild halten: GIB GATES KEINE CHANCE, also mit Anspielung auf die sinnvolle und erfolgreiche Aids-Kampagne.)

Die Lanz-Sendung sei hier vorgemerkt, besonders wegen der präzisen Beiträge von Michael Butter und natürlich – wie meist – von Dirk Steffens. Womit nicht gesagt sein soll, dass die anderen Gäste weniger Erwähnenswertes beigetragen haben. Wieder einmal ein hervorragendes Beispiel zeitgemäßer Aufklärung.

ZDF Markus Lanz 13. Mai Zu Gast: Moderator (Wissenschaftsjournalist) Dirk Steffens, Politikerin Simone Lange, Amerikanistik-Professor Michael Butter und Psychiater Prof. Michael Schulte-Markwort

Beitragslänge: 74 min Datum: Video verfügbar bis 12.06.2020

  Hier ⇐ ⇐ ⇐ ⇐

 Amerikanistik-Professor Michael Butter

LANZ (ab 18:54) … wann wird aus der kritischen, berechtigten Frage eine Verschwörungstheorie?

MICHAEL BUTTER: „… wenn man annimmt, es gibt eine Gruppe im Hintergrund, die alles geplant hat. Nichts geschieht durch Zufall, alles wurde geplant, nichts ist wie es scheint, und alles ist miteinander verbunden. Das sind im Grunde die drei Charakteristika in der Verschwörungstheorie, also es ist eine Sache darüber zu diskutieren, wie gefährlich ist dieses Virus, und waren diese Maßnahmen angemessen und wie kommen wir da wieder raus, es ist ne völlig andere Sache zu sagen: dieses Virus gibt es überhaupt nicht, bzw. ich weiß, dass das völlig ungefährlich ist, und das ist alles nur ein Komplott von denen und denen um dieses und jenes Ziel zu erreichen, wenn man so argumentiert, dann ist man bei der Verschwörungstheorie, und um an das anzuschließen, was da grade gesagt wurde: das ist die Attraktion der Verschwörungstheorie, weil Verschwörungstheorien antworten auf Angst und niederschwellig auch auf  Unsicherheit. Wir wissen aus vielen psychologischen Studien, dass Unsicherheit ein Faktor ist, der Verschwörungstheorien antreibt. Menschen neigen zu Verschw wenn sie Probleme haben mit Unsicherheit und Ambivalenz umzugehen, weil Verschw Sicherheit bieten, Corona-Verschw sogar in zweifacher Hinsicht, – einmal die Sicherheit, dass man weiß was geschieht, man weiß, dass es da einen Plan gibt, eine Gruppe, die das alles orchestriert hat, und offensichtlich ist das für viele Menschen leichter zu akzeptieren als hinzunehmen, dass man nicht weiß, was grade passiert oder dass man nicht weiß, wer da verantwortlich ist. Und bei Corona kommt jetzt noch hinzu, dass diese Verschwörungstheorien ja alle behaupten, das Virus gibt es gar nicht oder es ist völlig ungefährlich, es ist nur eine Hysterie, die beschworen wird, um andere Ziele zu erreichen, und das bedeutet dann ja, ich muss mir keine Sorge machen um meine Gesundheit, ich muss mir keine Sorgen machen um die Gesundheit meiner Angehörigen und Freunde, sondern ich kann mich so verhalten, wie ich mich immer verhalten hab und begreife es dann auch als einen Akt des zivilen Ungehorsams, wenn ich da die Regel nicht einhalte. 20:39 (LANZ: Männer sind wirklich anfälliger als Frauen?)

Das ist ganz spannend, es ist so, dass die meisten Studien mittlerweile zu dem Ergebnis kommen: Männer sind wirklich anfälliger als Frauen für Verschwörungstheorien. Das mag damit zu tun haben, dass die meisten Verschwörungstheorien ja irgendwo auch ne Antwort auf so ne Krise traditioneller Männlichkeit ist, Männlichkeit, die sich in so ner Versorgerrolle begreift, Beschützerrolle begreift, und … ich verliere meine Arbeit, ich bring nicht mehr soviel Geld nach Hause (LANZ: ich hab die Kontrolle…) ja genau, ich habe die Kontrolle nicht mehr, gleichzeitig Verschwörungstheorien auch so ein Alleinstellungsmerkmal, ich gehöre nicht zu diesen blöden Schlafschafen da draußen, die keine Ahnung haben, was vor sich geht, sondern ich bin einer von denjenigen, die verstanden haben, was da passiert, der im Hintergrund die Strippen zieht. ( LANZ: Können Sie mal erklären, à propos „im Hintergrund Strippen ziehen“ – warum Bill Gates da so in den Fokus geraten ist? Bill Gates und seine Frau. 21:24)

Also ich glaube, es gibt zwei Gründe dafür: darrrrrrrrs eine ist, dass es ganz viele Verschwörungstheorien gibt seit vielen Jahren, dass so internationale Eliten, mächtige menschen, die reich geworden sind, in den Blick nehmen und das Gefühl haben, die wollen eine Neuordnung der Wirtschaft herbeiführen oder sonst irgendwas, bei Gates kommt dann noch hinzu, dass er mit seiner Stiftung sich seit Jahren fürs Impfen einsetzt, und ganz viel Verschwörungstheorien antreibt, und diese Verschwörungstheorien brauchten jetzt grad n Gesicht, in der Flüchtlingskrise war das George Soros, der zum Gesicht dieses angeblichen großen Austausches wurde und jetzt w ein anderer alter mächtiger (ungarisch-stämmiger Milliardär) genau, der dann vor allem aus Ungarn beschuldigt wurde, antisemitische Verschwörungstheorien, und jetzt ist es dann eben Bill Gates, weil er eben diese Stiftung betreibt, die zu einem gewissen Teil die Weltgesundheitsorganisation finanziert und jemand deshalb unterstellt, er wolle eine globale Impfpflicht durchsetzen und wolle sich an diesen Impfungen persönlich bereichern, er wolle eventuell, das ist so ne amerikanische Variante, die Weltbevölkerung reduzieren, und dazu kommt dann noch was, was ganz wichtig ist für die verschwörungstheoretische Argumentation, das ist das sogenannte Vorwissen. Verschwörungstheoretiker zielen immer darauf ab, dass irgendjemand schon vorher davon Bescheid wusste, und das muss dann auch mit der Schuldige sein. Und die Stiftung von Bill Gates hat ja im vergangenen Jahr eine globale Pandemie simuliert, die in China ihren Ausgang nimmt, und entsprechend kommt da der Verschwörungstheoretiker und sagt: Ah, cui bono, wem nützt es? Bill Gates, wer hats vorher gewusst, Bill Gates, ergo: wer steckt dahinter? Bill Gates! 22:53

LANZ: Ich bin trotzdem … verrückt, ich hab neulich ein Interview mit einem New Yorker Medizinhistoriker gelesen, der sagte: wenn Donald Trump hingeht und sagt: wer hätte das wissen können, das sowas kommt? Dann muss die Antwort lauten: Jeder! Hm Einfach jeder konnte das wissen. (An Dirk Steffens:) War dir das auch klar? DIRK STEFFENS: Wir haben in dieser Sendung mal gesprochen, vor n paar Wochen, wie die Wahrscheinlichkeit und auch die Häufigkeit von Pandemien in den letzten Jahrzehnten angestiegen ist, vor allem mit Umweltzerstörung, Überbevölkerung und globaler (ML: Kannst du das so mal kurz erklären, also: wo ist da der Zusammenhang? Mir war das am Anfang der Geschichte… mir war das am Anfang noch nicht klar…) 23:33

DIRK STEFFENS Von den drei Punkten also Überbevölkerung, also mehr Menschen, schnellere Ansteckung, logisch, Globalisierung, Flugverkehr, Warenverkehr, schnellere Ausbreitung auch logisch, bisschen komplexer der dritte Punkt: wie entstehen Zoonosen (Zoonosen sind Krankheiten, die von Wildtieren auf ) von Tieren auf Menschen überspringen, davon ist der überwiegende Teil von Wildtieren, auch wahrscheinlich Corona, aber dazu gehört auch Sars und Ebola und Mers und (viel Lungen, ne?) Zika, wo springen Krankheiten von Tieren auf Menschen über, das ist zum Beispiel da, wo man Wildräume vernichtet, also wenn jetzt Wilderer jetzt irgendwo in den Urwald gehen, wo vorher nie ein Mensch war, kommen die in Kontakt mit Erregern, die vorher halt noch nie in Kontakt waren mit Menschen. Und wenn wir uns die Kette von Coron zum Beispiel ankucken, – es ist ja noch nicht bewiesen, aber wenn es so ist, dass es Fledermäuse, dann die Panguline waren und dann Menschen, dann muss man sich mal fragen (Panguline: Schuppentiere), wo kommen also diese drei Lebewesen normalerweise zusammen? Und die Antwort ist: in einer intakten Natur: nirgends! Also kann der Erreger gar nicht überspringen, der kann nur überspringen, wenn der Mensch so eingreift, dass zum Beispiel Fledermäuse und Panguline gefangen werden, dass man bestimmte Populationen ausrottet in der Wildnis und dass Erreger versuchen, auf andere Arten rüberzukommen, also Naturzerstörung, man kann das runterbrechen auf den Satz: Naturzerstörung produziert Seuchen. 24:54 Wie beim Klimawandel: es hat vorher auch schon Stürme gegeben, aber durch den Klimawandel werden sie häufiger und schwerer.

Und so ist das auch bei Pandemien, es hat natürlich auch früher schon Seuchen gegeben und Pandemien, aber sie werden jetzt häufiger, und sie treffen uns härter. Das ist nur eine der Bedrohungen aus der Ökologie. 25:12

LANZ: Aber dieses Bill-Gates-Thema lässt mich nicht los. Ich habe vor ein paar Tagen einen alten Vortrag von Bill Gates angesehen, 5 Jahre alt, da beschreibt er das, da wirft er sogar so nen Corona-Virus an die Wand und sagt: wahrscheinlich wird es das sein! Aber genährt eben durch Sars, 2003, die Chinesen sind seit langem vorbereitet auf das, was da möglicherweise kommt, und jetzt haben wir genau dieses Super-Virus. STEFFENS: Na ja, weil natürlich jede Frau, jeder Mensch in der Forschung der Pandemien mit solchen Szenarien gearbeitet hat. Und dann im Nachhinein zu sagen, die habens ja gewusst, ist natürlich hochdämlich, natürlich ist n Virologe vorbereitet auf n virologisches Event, sonst wäre er ja im falschen Job.

LANZ Trotzdem nochmal die Frage: cui bono, – wem nützt es? ich frag mich immer:  mit m bisschen Nachdenken kommt man ja auf das eine oder andere: was sollten die Chinesen davon haben, dass sie solch Super-Virus züchten? Deren Wirtschaft schadet es doch am meisten. Also – neben anderen auch. Die ökonomische Dimension ist doch bei den Chinesen etc. oder Bill Gates, welches Interesse soll Bill Gates daran haben etc. 26:34

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 Ist alles längst aufgeklärt? Titel der ZEIT am 14. Mai 2020 (von Javier Jaèn).

SEHENSWERT auch: Allianz des Schwachsinns / Spiegel TV 18. Mai 2020  HIER.

(Fortsetzung folgt)

Musikalität

Eine Improvisation

Als Jugendlicher habe ich mich geärgert, wenn jemand mich fragte, wie es bei mir um die Mathematik bestellt sei. Damit habe Musik doch viel zu tun. Das wollte ich auf keinen Fall wahrhaben, und dachte mehr oder weniger deutlich, dass die gemeinte Fähigkeit vor allem mit Gefühl und Leidenschaft zusammengehe. Das hielt ich für etwas sehr Persönliches. Vorbei! Aber was ist jetzt, heute? ohne lange Erklärung: was würde ich zum Thema als erstes sagen? Das Wichtigste, was auch ein Jugendlicher letztlich dabei lernen muss, ist die Fähigkeit, Einsamkeit zu ertragen (alleine üben, gleichzeitig sich selbst wie von außen beobachten), und – Kooperation mit anderen entwickeln (Musik ist gemeinsames Musizieren), also Einsamkeit + Gemeinsamkeit. Und als nächstes würde ich die Begriffe Imagination und Abstraktion nennen.

Vielleicht war das frühe Kanon-Singen zu dritt – mit dem „bim-bam“ – die entscheidende Erfahrung, und nicht der bewegungsbetonte „Bi-ba-butzemann“.)

Man muss sich etwas ( was sich bis dahin nur durch Sehen und Anfassen näher erschloss) intensiv vorstellen können. Man muss sich von der physischen Direktheit loslösen können, mit Klängen zufrieden geben. Wie sage ich das, ohne mich auf Esoterik einzulassen? Abstraktion heißt, die wesentlichen Kräfte hinter (in) den Erscheinungen spüren. Vielleicht hat es doch mit mathematischen, physikalischen Beziehungen zu tun? Ich muss mit anderen zusammenspielen können, sogar wenn ich sie menschlich, ja physisch nicht  gut ausstehen kann. Das hat nämlich fast nichts miteinander zu tun. Ich kann Mozart lieben, obwohl ich weiß, dass ich ihn als Freund nicht ertragen hätte. Beethoven ebenso. Und vor allen Dingen nicht: Wagner.

Ein paar Beispiele. Ich las von einer Kulturmanagerin, die auf die Frage nach ihrem schönsten Konzerterlebnis antwortete: das war bei Don Quixote von Richard Strauss, als man gleichzeitig einen genialen Karikaturenzeichner beobachten konnte. Unmöglich, dass sie mit Musik wirklich vertraut ist! Da gibt es ein Solo-Cello, ein Solo-Bratsche, ein Riesenorchester, – man ist doch höchst beschäftigt, mit der Leistung Einzelner und aller Beteiligten. Man hat eine Geschichte im Hinterkopf, meinetwegen eine Vision oder dergleichen. Aber was soll der Quatsch mit der laufenden Visualisierung?

… vorläufige Unterbrechung …

(Klangwechsel… Rhythmus) eigene Musikalität statt Einzelwerke? eine gewisse Erregung. Imagination + Abstraktion: über etwas reden wollen, das nicht da ist.

Die meisten Leute denken nicht viel bei Musik, sie halten es sogar für ein schlechtes Zeichen, wenn man bei Musik reflektiert, wohlgemerkt – nicht über irgendetwas, sondern über die Musik, die man hört. Sie glauben an das, was „aus dem Bauch“ kommt, und schämen sich nicht einmal, diesen Ausdruck zu gebrauchen. Ich würde zur Probe dringender nachfragen: was verstehen wir eigentlich unter „Ausdruck“? Sie glauben doch wohl nicht, dass mehr Wahres zutage tritt, wenn man nicht denkt. Nein, nein, so wollte ich es nicht gesagt haben, das gilt nur bei Musik und vielleicht im gefühlsbetonten Gespräch. Aber wie kommt dann ein sensibler Dichter wie Rilke darauf, dass gerade im Überschwang gern die Ungenauigkeit oder zweckbetonte Verstellung das Wort führt? „Seht euch die Liebenden an, wenn erst das Bekennen begann, wie bald sie lügen.“

Die Gänsehaut ist kein Maßstab, – das könnte ein atavistischer Reflex sein -, wie wenn die Haare sich sträuben, wenn man in eine dunkle Kammer tritt und ein leises unerwartetes Geräusch hört. Nicht einmal das spontane Weinen ist ein zuverlässiges Zeichen für ein inwendiges Gefühl, es könnte aus einem gewissen Selbstmitleid kommen, – man beobachtet sich beim Gefühlhaben, das Innehalten erzeugt schon die Bereitschaft, es mit Bedeutung zu befrachten, besonders wenn man allein ist, und umso mehr verbündet sich eine selbstbezogene Larmoyance mit der Musik, wenn sie vom Bewegungsmodus her geeignet ist. (Es funktioniert nicht beim Radetzky-Marsch.)

Musikalität äußert sich in Aufmerksamkeit, nicht in Gefühlsbereitschaft, man folgt der Musik wie man Geräuschen folgt, einem fahrenden Zug, dem Vogelgezwitscher, dem Plätschern eines Baches, dem leise heulenden Wind in der Fensterspalte, oder eben dem Auf und Ab einer Tonfolge. Eine leicht gesteigerte Aufmerksamkeit würde ich als Erregung bezeichnen, ohne dass sie viel bedeutete, also keine zielgerichtete Erregung. Aber auch keine Entspannung. Diese Mode-Sehnsucht hat natürlich mit Musikalität nichts zu tun, sondern eher mit Reizlosigkeit (Reaktion auf Stress und Überreizung) und mit der Bereitschaft zum Einschlafen.

Musikalität hat mit geschärften Sinnen zu tun, mit Aufmerksamkeit und milder Erregung.

Zum Nachdenken über Musikalität animiert auch das folgende Video, um so mehr, als es interkulturelle Erfahrung erfordert.

Fortwährend werden wir erinnert, keinesfalls vorzeitig auszusteigen. Mangelndes Vertrauen in die Musik? Ich vermute, wir sollen unbedingt die Reaktion des Gurus miterleben.

Wir Außenstehende sind schneller bei der Hand, solche gefühlvollen Inszenierungen der Unechtheit zu verdächtigen, schon indem wir sie als inszeniert empfinden. Ich bin aber sicher, dass diese Rührung anders zu bewerten ist, als etwa (Filmszene!) die Tränen einer Mutter beim Abschied, wenn sie offenbar nur verhindern will, dass der Sohn rechtzeitig zu seiner sterbenskranken Frau zurückkehrt. Ein häufig angewandtes Mittel: erpresserisches Weinen. Es setzt voraus, dass man an die Echtheit glaubt – oder glauben macht: kommt es aus dem Bauch oder aus dem Kopf?

A propos „Sadhguru“: es kann nicht schaden, mehr über ihn zu erfahren: Wikipedia hier. Soviel Kopf darf sein!

Neulich habe ich die beiden Zeitungsausschnitte, die man gleich nachlesen kann, in Facebook zu bedenken gegeben. Nachher wurde mir klar, dass für viele Menschen vielleicht gar kein Dilemma entsteht (das mir erwünscht gewesen wäre). Entspannung ist per se etwas Gutes. Und die Matthäuspassion im Konzertsaal gehört für jeden – ober er hingehen würde oder nicht – zur christlich-abendländischen Prestigekultur inklusive Säkularisation.

Dabei gehört zu meiner verschwiegenen Voraussetzung, dass der Leitartikel links (alle Achtung!) von einem Polit-Kommentator stammt (Kurt Kister), die Empfehlung der entspannenden Klassiksendung (o Graus!) von einem echten Musikredakteur, der ein mehrjähriges ernsthaftes Studium der klassischen Musik hinter sich hat.

Was sagt das über die Musikalität dieser Menschen?

Wolfgang Hildesheimer: Warum weinte Mozart? (Idomeneo – Erinnerung, „Familienaufstellung“ u.dgl. … Jedenfalls weinte er wohl nicht wegen der Schönheit der Melodie, sondern wegen der Gewalt der Assoziationen!)

Stichwort „Weinen“ – Ja, oder etwa „weinerlich“? Ich erinnere mich, dass es kürzlich nur zweier Takte von Strauss bedurfte („Ja, du weißt es, teure Seele…“) und? und? War es die bloße Musik? Bevor ich mich noch dem Mozart-Thema zuwenden kann, macht mich Chr.H. auf einen Zeitungsartikel aufmerksam, der mich veranlasst, Ihnen und mir die folgende Aufnahme (und gleichzeitig eine andere) ans Herz zu legen. Darunter steht:

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ZITAT (Wolfram Goertz)

Strauss war ebenfalls ein junger Pianist gewesen, als er sich zum Zwecke des Gelderwerbs der Ballade näherte. Doch weil er nicht der brillanteste Klavierspieler unter Gottes Sonne war, passte er den „Enoch“ geschmeidig seinen Händen an. Als 1961 der damals noch jüngere, nämlich 28-jährige Pianist Glenn Gould auf das vergessene Werk stieß, warf er dem Opus gehässige Worte nach – und nahm es trotzdem für die Schallplatte auf. Gould schrieb: „Die Ballade ist ein Salonepos, und die Musik enthält Strauss‘ aufs Unangenehmste sentimentale Musik.“ Goulds Einspielung mit Claude Rains ist gleichwohl bis heute die berühmteste.

Die neue CD von Ganz und Gerstein aber ist wohl die schönste und ergreifendste. Bruno Ganz, der zweieinhalb Jahre nach der Aufnahme an seiner Krebserkrankung starb, weitet den Text zu einer Hör-Oper, zu einem wunderbar ereignisreichen, wie mit tausend Stimmen gesprochenen Kosmos im Kleinen. Man spürt Ganz‘ Zuneigung zur Titel­figur, aber weinerlich wird er nie.

Mit dem Thema „Melodram“ habe ich mich an anderer Stelle beschäftigt, siehe hier. Josef Kainz im Jahre 1908 – das war nicht so weit weg von „Enoch Arden“ (1896). Gehörte das „Weinerliche“ einmal zu den akzeptablen Mitteln des Vortrags? Wenn der Künstler weiß, dass manche Ausdrucksarten erst begriffen werden, wenn er sie übertreibt? Und er übertreibt schon, weil er auf einer Bühne steht. Fragen Sie Yuja Wang, warum sie nicht in Sack und Asche auftritt, wenn sie so expressiv zu spielen vermag.

(Fortsetzung folgt)

Humor und Virus

Nichts zu lachen

Ich kann es mir nicht entgehen lassen: wenn es schon nichts zu lachen gibt („in diesen Zeiten“), so möchte ich doch wissen, wie das gewesen wäre, wenn man doch gelacht hätte. („Humor ist, wenn man trotzdem …“) Jemand hat mich auf einen Artikel aufmerksam gemacht (danke, JMR), und ich habe ihn ernsthaft studiert, da ich schon seit längerer Zeit grüble, ob das Lachen nicht nützlicher ist als das Grübeln, oder ob beides noch nicht einmal durch die Beziehung der Gegensätzlichkeit miteinander verbunden ist. Ja, gewiss: Grübeln ist ein sinnloses Kreisen um eine fixe Idee, nach deren Lösung man gar nicht ernsthaft verlangt. Es ist nichts als ein Bohren in der Wunde, und während ich das formuliere, spüre ich, dass solche Sentenzen einem müßigen Zeitvertreib entspringen. Ist denn der Gegensatz des Lachens nicht vielmehr das Weinen? Wohl kaum, denn das Lachen ist kurz, das Weinen braucht Zeit. Das Lachen erschöpft sich (man kann aber auch immer aufs neue über eine komische Situation lachen, wenn es z.B. weniger mit einer verbalen Pointe zu tun hat als mit einer Filmszene) Das Weinen hat mit der Unauflösbarkeit einer Situation zu tun und erneuert sich wie von selbst, so lange man trüben Sinnes ist. Das andauernde Lachen hat eher mit Einfalt zu tun. Nein, die beiden Gemütslagen haben zumindest in ihrer Dynamik wirklich nichts miteinander gemein.

Man kann über eingebildete Krankheiten lachen, aber nicht über wirkliche Leiden.

Dies sind nur Präliminarien, und sie haben nicht unbedingt mit dem Artikel zu tun, der das Lachen mit dem Coronavirus zusammenbringt. Aber sie wecken eine gewisse Bereitschaft, Widersprüche aufzuspüren. Hoffe ich. Der/die Lesende mag anders entscheiden. („Über sowas lacht man nicht!“) Da steht sogar, dass gerade der Humor Zeit und Distanz braucht.Und ich dachte, er äußerte sich – wenn er einmal zündet – geradezu explosiv.

ZITAT aus der Süddeutschen Zeitung 

Witze in der Corona-Krise:„Humor ist das Antidot zur Moral“

Helfen Witze gegen die Panik angesichts des Coronavirus? Und ab wann können sie schaden? Ein Gespräch darüber, welche Funktion Humor jetzt hat – nämlich keine.

Der Zürcher Soziologe Jörg Räwel hat vor ein paar Jahren das Buch „Humor als Kommunikationsmedium“ geschrieben. Ein Gespräch über Witze in Zeiten der Corona-Pandemie und die grundsätzliche Funktion von Humor – nämlich keine.

SZ: Herr Räwel, was ist denn Ihr Favorit unter den Corona-Witzen?

Jörg Räwel: Nun, viele von den Scherzen, die ich im Zusammenhang mit Corona geschickt bekommen habe, sind doch recht ordinär. Was mich aber immer noch zum Schmunzeln bringt, ist ein Plakat der Satirepartei „Die Partei“. Es gab dort den Aufruf „Hand in Hand gegen das Coronavirus: Menschenkette am 30.02.“

Was macht diesen Witz für Sie so lustig?

Es ist sehr durchdachter Humor – eine Reflexion über unser instinktives Verhalten, das oft von Moral gesteuert ist. Diese Menschenkette spiegelt ja manch plötzlichen Anflug von Solidarität und „guter Moral“ wider, die die Gesellschaft in Krisen überkommt. Dieser moralische Impuls wird durch das Plakat aufs Korn genommen. Humor ist das Antidot zur Moral, die ja eher unmittelbar und unüberlegt auf ein Ereignis reagiert. Für Humor dagegen braucht man Zeit und Distanz. Humor ermöglicht Abstand.

Weiterlesen HIER.

Was weiß man vom Virus?

INFOs (Merkzettel für mich u.a.)

Virologe Prof. Dr. Alexander Kekulé (Halle) bei Markus Lanz 10. März 2020

HIER ab 5:00 bis 13:40 / Carmen Thomas‘ Fehl-Argument / ab 15:10 „das Hauptproblem“ ab 18:00 „mathematisch gesehen“ über Droste hinaus, bis 35:10 / ab 42:10 bis 47:30 / ab 1:00:25 bis 1:05:10 Ende

„Das Tückische daran ist: die Zeit, bis ein Infizierter den nächsten infiziert, – statistisch, die Periode dieser Infektion, die ist auch ungefähr 8 Tage. Das heißt also: immer wenn wir ein Zahlenbild haben, ist es klar, dass die Zahlen, die wir hier sehen, Sie immer mal Drei nehmen müssen, weil jeder von den Infizierten, statistisch etwa zwei weitere infiziert hat. Sie können davon ausgehen, – abgesehen von der Dunkelziffer, die gar nicht getestet sind -, dass, wenn wir heute 1200 Fälle haben, dann heißt das eigentlich, wir haben statistisch gesehen 3600, dreimal soviel, und das ist ohne Dunkelziffer“. 6:14

7:07 „Inzwischen wissen wir – und das ist relativ genau inzwischen die Schätzung – dass in der Größenordnung von 0,5 Prozent sterben. 1 zu 200, wahrscheinlich werden wir in Deutschland in der Lage sein, diese Zahl noch zu drücken, weil wir ein gutes Gesundheitssystem haben. Es ist aber umgekehrt: wenn wir das wissen und auf die norditalienischen Verhältnisse anwenden, dann heißt es: wir haben in Italien, wo ja scheinbar 4 bis 5 Prozent Todeszahlen sind im Moment, Letalität, haben wir in Italien eine sehr sehr große Dunkelziffer nicht erfasster Infizierter, fast gesunder Menschen, die aber ansteckend sind. 7:43   (….) In Italien ist das eingetreten, was man eigentlich vorhersagen konnte, 8:10 es sind eben alte Menschen hauptsächlich, ich glaube, das Durchschnittsalter der in Italien Verstorbenen, wo die Zahl wohl groß ist, liegt in der Größenordnung bei 70 Jahre. (Lanz: In der ersten Welle war es sogar 81 Jahre im Schnitt. Und der Italiener stirbt im Schnitt mit 82.)  Genau, und das heißt natürlich nicht, dass das sozusagen unwichtig ist, dass diese Menschen sterben, aber das heißt letztlich, wir haben ein Problem, dass alte Menschen sterben, die Vorerkrankungen haben, – ist natürlich ganz wichtig für uns in Deutschland, da das auch bedeutet, was wir machen müssen, dass wir diese Menschen schützen müssen (…), dass es in der Größenordnung bleibt, 1 : 200, da bin ich fest von überzeugt. Das heißt aber umgekehrt, wenn Sie so viele Infizierte haben, die in Norditalien eben einfach rumlaufen und das vielleicht zum Teil gar nicht wissen, dann müssen Sie davon ausgehen, dass … da kommen Sie auf das Thema Ferien und was man in Deutschland macht, und dann müssen Sie davon ausgehen, dass ganz viele Menschen, die aus dem Urlaub zurückkommen, das Virus mitbringen, weil einfach unerkannte Infektionen dort sind. 9:14

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Virologe Prof. Dr. Christian Drosten (Charité Berlin) bei Maybritt Illner 12. März 2020

HIER ab 4:00 bis 6:37 / ab 11:45

(12:04) „Es ist bei diesem Virus jetzt so, dass wir eigentlich davon ausgehen müssen, dass die Altersgruppen ziemlich gleichmäßig davon betroffen sind, so dass man fast einfach Prozentigkeiten berechnen kann. Man kann einfach überschlagen, naja, die Schulbevölkerung bis hin zu den ganz Kleinen, das sind nicht mehr als 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung je nach Ort, wo man ist, und da kann man eigentlich nicht soviel rausholen, wenn man die komplett rausnimmt, dann hat man nur 20 Prozent gewonnen, so kann man argumentieren: Es gibt andere Argumente, die sagen:  (…. ) Brückenfunktionen in den sozialen Netzwerken, und dann gibt es (…) wirtschaftliche Gegenargumente, das ist also extrem schwer, da so ne einfache Antwort drauf zu geben, und deshalb bin ich sich nicht für generelle Schulschließungen, sondern ich bin für wohlüberlegte Schulschließungen, wenn sie denn sein müssen. Es gehört zum Überlegen dazu: wo ist es notwendig!?“ 13:10  / 44:38 „Das hier ist keine Influenza, das ist n Virus, den kein Mediziner in seiner Lebenszeit und auch nicht in historischen Aufzeichnungen nachvollziehen kann in seinem Verhalten als Pandemie. Wir können uns nur begrenzt auf die geschichtlichen Erfahrungen mit Influenza-Pandemien verlassen, das ist wirklich n anderes Virus, wo viele Grundparameter etwas anders sind, und dieses „Etwas-anders sein“, das bewirkt zum Teil ganz große Unterschiede. Auch jetzt zum Beispiel die Gesamtdauer des Geschehens einzuschätzen, was immer wieder gefragt wird. Es ist fast nicht möglich. Man kann sich Dinge zurechtlegen, man kann bei einfachen Feststellungen anfangen, es werden sich wahrscheinlich so 70 Prozent der Bevölkerung, von der Vorstellung ist das so jeder zweite Erwachsene, Kinder sind ja auch dabei, die werden sich infizieren müssen, (Illner: ‚Durchseuchung‘),  aber die müssen sich dabei nicht auch schwer krank infizieren, da zählen auch die unbemerkt Infizierten dazu. Also wir können sagen: diejenigen, die eine Immunreaktion zeigen, egal ob sie sich schwer oder ganz milde infiziert haben. Und wie lange dauert das? Dieses Virus, da gibt es zunehmende Daten dazu, das könnte sich langsamer verbreiten als Influenza, aber  so eine Influenza-Pandemie, die verläuft in einem guten Jahr, anderthalb Jahren, so dass man das auch hier denken könnte, vielleicht ist es …“ (usw.) „wenn wir jetzt Stop-Maßnahmen ergreifen, das wird nicht zum Stillstand kommen, aber vielleicht gibt uns dieser Temperatureffekt Rückenwind und wir kommen in eine relativ sanft ansteigende Kinetik da rein und könnten dann wirklich Zeit bis nach dem Sommer gewinnen, das ist sehr sehr erstrebenswert, das zu versuchen und hätten dann wirklich auch Vorbereitungszeit. So entlang dieser Linien denke ich da im Moment… “ 47:00 (Illner: „Und nochmal die Frage nach den Zahlen, denn auch das beschäftigt sehr viele Menschen in diesem Land, diese 60 bis 70 Prozent, die es treffen wird, nun auch zitiert von Angela Merkel, aber in allererster Linie auch von Ihnen, und jeden Sechsten wird es schwer treffen. Das hochgerechnet hat Herr Prof. Wiehler [Lothar Wiehler] noch der Chef des RKI, des Robert-Koch-Institutes, der sagt, wenn es auch nur jeder Siebte oder Achte wäre, wären auch das noch unglaubliche Zahlen. Oder glauben Sie, dass die Schwersterkrankungen eben … in einem geringer definierten Bereich stattfinden?“ 47:27) „Das ist auch ganz schwer zu sagen. Erstmal die Frage: was ist überhaupt schwer…“

Ich breche ab.

Merkwürdig: es überzeugt mich heute alles weniger als gestern in der Live-Sendung. Vielleicht lag es an der Vertrauen schaffenden Wirkung der anderen Teilnehmer? Ich weiß es nicht.

Der Blick aus dem Fenster Freitag 13.03.2020 19:58 Uhr. Oder soll ich ihn bearbeiten?

Also zurück zu Kekulé und weiter dort (siehe oben). Oder auch zur heutigen Sendung , am 13. März 2020 um 19.20 Uhr im ZDF Spezial (hier), in der die Gesundheitsministerin von Rheinland-Pfalz zu den Schulschließungen Stellung nahm (13:01):

„Das Virus ist neu, die Erkenntnisse erweitern sich von Tag zu Tag. Beispielsweise hat gestern noch der führende Virologe in Deutschland Professor Drosten gesagt: Wir brauchen keine flächendeckenden Schulschließungen in Deutschland, weil es nur sinnvoll ist, wenn akut Fälle da sind, und dann geschlossen wird. (Moderator: Die Lage hat sich jetzt so verändert…)  Die Lage – in der Tat: die Lage hat sich von gestern Morgen auf gestern Abend nochmal deutlich verändert, und wir wollen die Zeit nutzen, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Deswegen werden die Schulschließungen durchgeführt. Es geht nicht darum, die Kinder vorrangig zu schützen, sondern es geht hier darum, wirklich die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Das ist das Ziel der Schulschließung und der Kitaschließung. (14:01)

 ZDF Spezial Screenshot

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Da mir die Sendungen in der Praxis nicht unbedingt weiterhelfen, gebe ich die Empfehlungen weiter, die mich zu gleicher Zeit von der Organisation Campact erreichen (die zugehörigen Anmerkungen findet man nur im Original):

Hallo Jan Reichow,

dies ist eine ungewöhnliche Mail von uns – denn die Zeiten erfordern ungewöhnliche und drastische Schritte. Gemeinsam wenden wir uns sonst zumeist an die Politik. Doch mit der Corona-Krise ist jetzt auch jede*r von uns ganz persönlich gefragt. Es gibt 2,3 Millionen Campact-Unterstützer*innen – wenn wir gemeinsam solidarisch handeln, können wir helfen, die schlimmsten Auswirkungen der Krise zu verhindern.

In italienischen Krankenhäusern zeigen sich derzeit die grausamen Folgen des Coronavirus: Ärzt*innen und Pflegekräfte können nicht mehr allen Erkrankten helfen, sondern müssen abwägen, wer behandelt wird. Die Kapazitäten genügen nicht, um alte oder schwerkranke Menschen zu betreuen. Besonders lebensrettende Beatmungsgeräte fehlen. „Diese Personen haben statistisch gesehen keine Chancen, das kritische Stadium der Infektion zu überleben. Diese Personen werden bereits als tot angesehen“, so drastisch beschreibt es ein italienischer Intensivmediziner.[1]

Solche Situationen drohen auch in Deutschland – wenn wir nicht schnell handeln. Die letzten Tage und Stunden zeigen: Das Virus breitet sich in Deutschland ebenso rapide aus wie in Italien.[2] Doch wir haben noch die Chance, es zu verlangsamen. Im Vergleich zu Italien haben wir einen Vorteil von einigen Tagen oder Wochen.[3] Den müssen wir jetzt nutzen: indem wir die Ausbreitung des Virus bremsen, damit unser Gesundheitssystem nicht zusammenbricht. So haben auch alle Schwachen in unserer Gesellschaft – ältere, einsame, arme Menschen – eine Chance auf eine Behandlung, die Leben rettet.

Damit das gelingt, müssen Politik und Behörden handeln. Aber auch jede*r Einzelne ist gefragt. Denn wir alle können das Virus verbreiten, auch wenn wir selbst keine Symptome zeigen. Daher unsere dringende Bitte an Sie:

  1. Bitte bleiben Sie zu Hause, wann immer es Ihnen möglich ist. Vermeiden Sie Reisen, Termine und Treffen. Gehen Sie nicht in die Kneipe oder zum Sport und arbeiten Sie – wenn das bei Ihrer Arbeit möglich ist – von zu Hause. So schützen Sie sich selbst, aber vor allem helfen Sie, das Virus zu bremsen. Das rät das Robert-Koch-Institut[4], denn diese Schritte waren in anderen Ländern besonders wirkungsvoll.[5] Eine „soziale Distanzierung” ist weder Panik noch Egoismus – sie ist ein Akt der Solidarität mit denjenigen, die durch das Virus in Lebensgefahr geraten.
  2. Bitte unterstützen Sie durch das Virus besonders bedrohte Personen. Ältere oder bereits durch Krankheiten geschwächte Menschen müssen sich vor Ansteckung schützen.[6] Sie sind nun auf unsere Hilfe angewiesen. Fragen Sie Bekannte, Freund*innen und Nachbar*innen, die zu diesem Kreis gehören, ob Sie beim Einkauf oder anderen Besorgungen helfen können.
  3. Bitte teilen Sie diese Informationen. Je mehr Menschen sie erhalten, desto größer ist die Chance, den Kollaps unseres Gesundheitssystems zu verhindern. Die kommenden Tage entscheiden: Geht die Ansteckungsrate steil nach oben oder flacht die Kurve in Deutschland ab? Deswegen bitten wir Sie: Leiten Sie diese Mail jetzt an Ihre Bekannten weiter oder teilen Sie den Aufruf in den sozialen Medien.Um die schlimmsten Folgen der Corona-Krise zu verhindern, zählt vor allem eines: Es muss jetzt schnell gehen. Derzeit verbreitet sich das Virus bei uns exponentiell. Etwa alle drei Tage verdoppelt sich die Anzahl der Infektionen. Geht es in diesem Tempo weiter, wären in einem Monat bereits eine Million Menschen infiziert. Die Tageszeitung „taz“ hat vorgerechnet, was dies für unser Gesundheitssystem bedeuten würde: Mindestens 50.000 Menschen müssten in diesem Fall auf Intensivstationen behandelt werden – Plätze gibt es aber in ganz Deutschland nur 28.000. Und die sind zu großen Teilen bereits mit anderen schwerkranken Menschen belegt.  Gelingt es uns, das derzeitige Tempo der Corona-Ausbreitung zu halbieren, gäbe es in einem Monat nicht eine Million Infizierte – sondern 32.000. Ärzt*innen, Pfleger*innen und Krankenhäuser könnten die Krise bewältigen.Je weiter das Virus jedoch verbreitet ist, desto schwieriger wird es, die Anzahl der neuen Infektionen zu reduzieren. Daher unsere eindringliche Bitte: Lassen Sie uns die kostbare Zeit nutzen und gemeinsam Alles tun, um das Virus zu bremsen.Wir hoffen auf Ihre Unterstützung.Mit herzlichem Dank
    Luise Neumann-Cosel, Teamleiterin Kampagnen
    Christoph Bautz, Campact-Geschäftsführer(JR: was ist Campact? s. hier)

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Es wird jetzt täglich und Wochen, Monate lang so weitergehen, täglich müssen wir diese gespickten Orangen sehen, und täglich wird uns erklärt, was ein exponentieller Anstieg bedeutet. Heute Morgen auf dem Weg zum Bahnhof wieder im DLF (Studio 9 zu Gast Ferdos Forudistan), – Moderator Flemming: „Menschen können exponentielles Wachstum schwer verstehen“ – Sie erinnern sich? der Seerosenteich, – täglich verdoppelt sich die Anzahl der Blätter, allmählich – so scheint es – bis zur Hälfte, und dann: mit einem Schlag ist er voll. Oder die versprochenen Reiskörner auf dem Schachbrett, die den Kalifen zum armen Mann machen, 1-2-4-8-16 … Und dann, sobald wir die Zahl haben, dürfen wir sie wegen der Inkubationszeit mit drei multiplizieren (s.o. Kekulé)… Im Iran 13.000 Infizierte, 6000 Tote! – – – Was tun? Rückzug ins Private? Da liegt die Zeitung, die ich – Autoradio hörend – vom Bahnhof geholt habe, und lese auf Seite 3 Die kommenden Tage „Das ist eine unbekannte Herausforderung“: Über Angela Merkel, die Corona-Pandemie und eine Woche mit exponentiell steigender Dramatik

Und im Feuilleton der lesenswerte Ungarn-Artikel „Generalangriff“ von Alex Rühle über das „Nationale Verdummungsprogramm: Bei der gezielten Schwächung der liberalen Demokratie in Ungarn ist jetzt die Kultur dran.“ Und Corona? Moment: auch hier, ganz am Ende:

Corona ist mittlerweile auch in Budapest angekommen. Die Regierung sagt, das Ausland sei schuld. Das Virus gleiche der Migration, beide wollen in das ungarische Leben eindringen. Aber Schulen, nein, die muss man nicht schließen. Klingt nach Donald Trump. Der ist aber auch eines der Vorbilder von Orbáns Vorbildern.

Das Corona-Virus geht auch an die geistige Substanz: die Kultur (keine Konzerte mehr, keine Buchmesse usw.)  Erst recht, wenn es ihr schon schlecht geht, wie in Ungarn. Aber auch der demokratisch eingeübte Pluralismus verzettelt sich und produziert eine Menge irritierender Gerüchte. Was bedeutet es für uns, wenn gesagt wird, dass China die Krise schnellstens in den Griff bekommen hat? Und wie wird sich Trump herausreden? (Europa ist schuld, außer England.)  „In sozialen Netzwerken verbreiten sich derzeit massenhaft Falschmeldungen und Gerüchte über die Corona-Pandemie. Insbesondere über Messenger-Dienste wie WhatsApp und Telegram werden Tausende Nachrichten mit irreführenden oder schlicht falschen Behauptungen weitergeleitet.“ Ein paar Hinweise im Fakten-Check der ARD hier.

NEU (zu Fake News)

Am 16. März schickte mir ein Freund das Video, das ebenfalls massenhaft kursierte, wie ich las. Aber eine stichhaltige Widerlegung war gar nicht einfach zu finden. Ein Musterbeispiel: die Fake-News-Konsumenten sind selten einfach nur dumm. Und in den 2 Tagen der bloßen Schwächung verbreiteter richtiger Einsichten können massenhaft reale Infektionen weitergereicht werden. Heute – am 18. März – steht es in der Morgenzeitung:

Aber nicht klar genug: der größte Teil des Artikels besteht aus der inhaltlichen Referierung des Wodarg-Videos. Das könnte zu der Einschätzung verführen, dass doch was dran ist. Die entscheidenden Sätze stehen wenig gewichtig in der Mitte:

Dieses Muster macht Verschwörungstheorien nahezu wasserdicht: Wer ihnen widerspricht, gehört selbst zu den Verschwörern. Den Fakt, dass das aktuelle Corona-Virus sich besonders leicht verbreitet und gleichzeitig zehn Mal so häufig zu schweren Verläufen führt, wie eine Grippe, verschweigt Wodarg. Und warum die ganze Welt mit allen ihren reichen Konzernen …. es hinnehmen sollte … wird auch nicht klar.

Das ist nicht klar genug, wenn die weiteren Hinweise nur noch als emotional überzogene Pauschalurteile aufgefasst werden könnten: also etwa die Tatsache, dass Gesundheitsminister Lauterbach die Thesen Wodargs als „eine echte Räuberpistole“ bezeichnet usw., – zumal ja schon vorher der Satzteil wie eine Grippe versehentlich abschwächend wirkt und eigentlich heißen müsste: im Gegensatz zu einer Grippe. Oder dass der ausbleibende Widerstand der reichen Konzerne als ein Argument für die Korrektheit der Maßnahmen von Regierungsseite genommen wird. Diese sind korrekt aus wirklich stichhaltigen Gründen, als da wären …. (bitte schön! Platz für Journalisten!!!)

Dazu gehört auch das Aufweisen falscher Signale, – wenn zum Beispiel im Kommentar derselben Zeitung, aus der ich zitiere, die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit gerechtfertigt werden, um letztlich einen großartigen Ausweg für notorische Missversteher zu eröffnen:

Jetzt also doch die finstere Erziehungsphrase: Wer nicht hören will, muss fühlen. Was Familien noch bleibt, sind Parks, Felder, Wälder und der Rhein – solange nicht Gruppen-Picknicks oder gemeinsame Schnitzeljagden am Ende doch eine Ausgangssperre provozieren.

Bleibt zu hoffen, dass man am Rhein keine Bekannten trifft und auch Großfamilien einen Mindestabstand wahren.

Web-Corona-Info weltweit hier und die dort gezeigte Weltkarte direkt (mit leichter Zeitverzögerung) hier 

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ZITAT

Was wir erleben ist keine Abschaffung der Demokratie oder der EU. Es ist kein chinesisches Geheimkomplott, keine Verschwörung, die uns versklaven soll. Es ist nicht der Versuch, uns alle zu seelenlosen Robotern zu machen, die keinerlei Freude mehr empfinden, nie wieder Musik erleben, nie wieder tanzen, lachen und feiern wollen.

Was wir erleben ist schlicht und einfach eines: eine Naturkatastrophe.

Die kann keiner vorhersehen, keiner will sie, keiner kann sie steuern. Man kann sie sich auch nicht wegwünschen, in dem man so tut, als gäbe es sie nicht. Niemand käme auf den Gedanken, auf einem aktiven Vulkan kurz vor dem Ausbruch herumzutanzen und sich in Sicherheit zu wiegen, die Anzahl der (mit Verlaub) Idioten, die aber nun immer noch von einer „kleine Grippe“ reden und die Konsequenzen nicht begreifen oder begreifen wollen, ist aber immer noch erschreckend hoch. Und genauso wenig wie ein Hurrikan danach fragt, ob er gerade das Haus eines armen Fabrikarbeiters oder eines berühmten zeitgenössischen Komponisten verwüstet, fragt auch dieses Virus nicht danach, ob es nun den einen oder anderen Berufsstand besonders betrifft, denn am Ende betrifft es uns alle.

Quelle der immer lesenswerte Blog von Moritz Eggert (heute in NMZ Newsletter) hier

Heute, am 18. März 2020, hat die Bundeskanzlerin im Fernsehen gesprochen. Inzwischen wird es wohl jede(r) gesehen und gehört haben. Ich finde auch bemerkenswert, was der Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan ins Netz gestellt hat:

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 Glaubwürdig oder nicht?

Ich komme zurück auf das oben angesprochen Wodarg-Video, zu dem es eine Analyse der Organisation „Mimikama“ gibt. (Über die Identität des Autor Ralf Nowotny – Name unter dem Porträt der Dame – weiß ich so wenig, dass ich nur verlinke, was ich über die Organisation finde, für die er arbeitet: HIER )

https://www.mimikama.at/allgemein/die-ansichten-des-dr-wolfang-wodarg-coronavirus-massnahmen-uebertrieben/ HIER

Weiteres über Irrtümer, Halbwahrheiten, Fake News (Ibuprofen u.dgl.) bei Markus Lanz 19.03.20 (ZDF), sehr überzeugend die Virologin Melanie Brinkmann: HIER ab 1:04:04 (bis 18. April 2020)

Am 19.03.2020 morgens (größer geht’s nimmer, ich beende jetzt diesen Blog-Artikel)

ZITAT

Seit dieser Woche ist auch Deutschland im Ausnahmezustand. Niemand kann genau sagen, wie die Krankheit sich weiter ausbreitet, wie lange sie dauert und was auf allen Ebenen die Folgen sein werden. (…) Aber wir alle haben es in der Hand, die Corona-Krise am Ende auch zu einem Akt der Menschlichkeit zu machen, den unserer komischen Gattung schon keiner mehr zugetraut hätte.

Quelle Giovanni di Lorenzo / Leitartikel DIE ZEIT : „Die Welt steht still / In der Not kehren die Menschen das Beste und das Schlechteste hervor. Und doch gibt es eine berührende Gemeinschaft.“

Übrigens: Man kann auch einen ganz anderen Ton anschlagen. Und damit komme ich wirklich zum letzten Mal auf den oben erwähnten und vielleicht allzu moderat behandelten Herrn Wodarg zurück (viel zu viel der Ehre), es geht auch so: Hier

Blog of Bad Virus: Wolfgang Wodarg ist eine dumme Wurst. Von Verharmlosern und Zynikern.

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Rechnen mit Harald Lesch

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6. April 2020 Ein bedenklicher, zu bedenkender juristischer Nachtrag HIER Titel: 

Vom Niedergang grundrechtlicher Denkkategorien in der Corona-Pandemie von Oliver Lepsius (Info über den Autor hier und bei Wikipedia hier)

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11. April 2020 Gibt es Neuigkeiten zu Corona? Meinungen – oder Fakten?

Lesen Sie doch diese detaillierte Stellungnahme aus der Schweiz: Hier Ich finde: man sollte sich die Zeit nehmen… (JR privat, Dank an JMR)

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11. April 2020 ein unglaubliches Interview zu Coronazeiten: Alexander Kluge

Screenshot (Link zum Durchklicken und Lesen nur in der vorigen Zeile!)

 Screenshot (zum „Anlesen“ vergrößern)

23. April 2020 ZDF Markus Lanz Beachtenswerte Ausführungen zur aktuellen Lage (von Karl Lauterbach ab etwa 1:00) in den ersten 10 Minuten der Sendung (Kretschmar kann man sich sparen).

https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz HIER

6. Mai 2020 Noch einmal vorläufig Definitives vom Virus 

Hier Harald Lesch

Soweit Harald Lesch und gleich anschließend bei Markus Lanz geht es um die neuesten Forschungsarbeiten und die entsprechenden Warnungen bei Markus Lanz mit Karl Lauterbach:

Hier – Gibt es andere Möglichkeiten, sich zu schützen? Wenn Sie nicht einfach nur die Schlagzeiten über Tim Mälzer nachvollziehen wollen, sondern das was Karl Lauterbach in aller Radikalität zu den in Aussicht genommenen Lockerungen meint, so beginnen Sie gleich bei 45:00 (besonders wichtig ab 53:00 Alternative in Skandinavien? „Schweden ist völlig verantwortungslos!„).

Die täglichen Entscheidungen

…lassen sich kaum „aus dem Bauch heraus“ treffen

Es sei denn, man hat es oft geübt oder einiges dazu gelesen. Das kann die Einschätzung des Kopftuchtragens ebenso betreffen wie die Fan-Proteste beim Fußball oder die Angst vor dem Corona-Virus. Und wenn man in der Presse etwas gelesen hat, wodurch das eigene Für und Wider umgeschwenkt ist (und wieder zurück), neigt man dazu, der Presse die Schuld zu geben. Am besten, so scheint es dann, greift man das vielgebrauchte (und ungewollt eingeübte) Schimpfwort Lügenpresse auf… Falsch! Nichts ist falscher als das: nicht die andere (von meiner vorgefassten abweichende) Meinung ist schuld, sondern die komplexe Sachlage, die fast immer mehrere Sichten gestattet, und dann wäre es einfach eine davon, auf welche ich mich festlege, ohne noch weitere Argumente hinnehmen zu wollen.

Wenn ich es aber offen lasse, bedeutet das nicht, dass es mir egal wird, ich beobachte die Sache mit hoffentlich klarem Sinn für Ambivalenz und entscheide in dem Augenblick, wo es akut wird, und zwar, als geschehe es  „aus dem Bauch heraus“. Aber nur dann.

Auch heute ging es mir so – natürlich auf Grundlage der Presselektüre: sie gibt mir nicht nur Argumente, sondern auch die Zeit, – einfach so als Muße oder auch zum Strukturieren eigener Gedankengänge, die über das wilde Assozieren hinausgehen, – das ja auch einen Sinn hat oder annehmen kann, wie eine Zettelsammlung oder ein großes Blatt Papier, auf dem man (un)willkürliche Einfälle notiert.

Wenn ich die Namen nenne, höre ich schon die Aufschreie: Waaas? Komm mir nur nicht damit, das ist ja eine ganz Linke (oder Rechte), ein Wirrkopf sondergleichen, dieser gelernte Oberlehrer usw. usw., das wäre genau das, was ich günstigenfalls schon hinter mir habe. Ich könnte also zur Sache drängen. Oder mit Ausweichmanövern reagieren. Zum Beispiel indem ich sage, dass ich nichts gegen den Islam habe, außer wenn die Moslems einen „Ungläubigen“ anders traktieren als einen Gläubigen der anderen Schriftreligionen. Oder: Fußball ist ein Sport für Proleten und Professoren und alles dazwischen.

Ich nenne etwa die Namen Sonja Zekri (Kopftuch und Islam), Lothar Müller (Epidemie und Journalismus), Bernd Schwickerath (Fußball und Plutokratie) und gestehe, dass ich während der Lektüre einige Male das Smartphone bemüht habe, Stichworte „Gentrifizierung“ und „Spanische Grippe“. Ich könnte auch Sätze zitieren: „Aber um ihn selbst geht es ja nicht. Hopp ist das Symbol. Für einen gentrifizierten Fußball, den sich Milliardäre als Hobby gönnen. Ein chemisch reines Produkt ohne Fankurven.“ Oder selber erfinden: Die schlimmste Seuche der Neuzeit hat mehr Opfer gekostet als der Erste Weltkrieg. Diesen aber haben sich die Völker zusätzlich geleistet. Das Wort „Spanische Grippe“ hat man erfunden, weil Spanien damals das einzige Land mit freier Presse war und über die Krankheit berichtet hat (nicht nur über den siegreichen Kriegsverlauf wo auch immer).

Ich schließe mit den Quellenangaben und Dank an die Presse.

Quellen 

Süddeutsche Zeitung 29.Februar/1.März 2020 Seite 15 Verhüllen, um zu zeigen (Kopftuch-Urteil und Vorurteil) / Von Sonja Zekri

SZ (wie vor) 29. Februar/1.März 2020 Seite 15 Der Seuchen-Reporter Seit es die moderne Öffentlichkeit gibt, erfassen Infektionskrankheiten die Gesellschaften, ehe die physischen Erreger sie erreicht haben. Mit Daniel Defoes „A Journal of the Plague Year“ beginnt das Zeitalter der Prävention in der Weltliteratur / Von Lothar Müller

WZ/Solinger Tageblatt 02.03.2020 Seite 2 Meinung und Analyse  DFB setzt auf Härte – und die Spirale dreht sich weiter Von Bernd Schwickerath

Des weiteren lese ich (im NMZ Newsletter 28. Februar 2020):

Corona-Virus: Deutsche Konzert- und Tourneeveranstalter bangen um ihre Existenz

Nachdem in Norditalien und der Schweiz größere Musik- und Sportveranstaltungen nicht mehr stattfinden dürfen und auch in Deutschland bereits erste Messeveranstaltungen abgesagt wurden, bangen auch die deutschen Konzert- und Tourneeveranstalter um ihre Existenz.

*    *    *

Was bleibt? Einer der wichtigsten Grundsätze „Komplexität aushalten“.

Sonja Zekri: „Nur in einer Gesellschaft, die Muslimen misstraut, weil sie Muslime sind, ganz gleich, ob gläubig oder säkular, kann die demonstrative Verhüllung zu einem Ausdruck der Selbstbehauptung werden. Sie ist eben nicht Unterwerfungsgeste, sondern auch ein Aufbegehren gegen das Urteil der Mehrheit darüber, wer ein Muslim ist und wie er zu sein hat. Dieses Ineinanderspiel von kultureller Identität und politischem Appell, Abgrenzung und Integrationsbemühen ist, zugegeben, etwas verwirrend.“  (Siehe oben angegebene SZ-Kolumne)

Was bedeutet es eigentlich, wenn im Text „Der Seuchen-Reporter“ das Aufkommen von „Print 2.0“ erwähnt wird? Ich empfehle unter dem Stichwort „Web 2.0“ nachzulesen: Wikipedia hier. Dort besonders unter „Hintergrund“, „Verbreitung des Begriffs“ und „Charakteristika“. Es hatte bei mir mit dem Zwang zur Neugestaltung meines Lebens (nach 2005) durch Wegfall bzw. Reduzierung der „Plattform Rundfunk“ zu tun. Nicht zufällig erscheint im Wikipedia-Artikel dieselbe Jahreszahl auf (davon hatte ich damals keine Ahnung, mir half JMR auf die Sprünge):

ZITAT Wikipedia Print 2.0

Folgende Entwicklungen haben ab etwa 2005 aus Sicht der Befürworter des Begriffs zur veränderten Nutzung des Internets beigetragen:

  • Die Trennung von lokal verteilter und zentraler Datenhaltung schwindet: Auch Anwender ohne überdurchschnittliche technische Kenntnis oder Anwendungserfahrung benutzen Datenspeicher im Internet (etwa für Fotos). Lokale Anwendungen greifen auf Anwendungen im Netz zu; Suchmaschinen greifen auf lokale Daten zu.
  • Die Trennung lokaler und netzbasierter Anwendungen schwindet: Programme aktualisieren sich selbstständig über das Internet, laden Module bei Bedarf nach und immer mehr Anwendungen benutzen einen Internet-Browser als Benutzerschnittstelle.
  • Es ist nicht mehr die Regel, die einzelnen Dienste getrennt zu nutzen, sondern die Webinhalte verschiedener Dienste werden über offene Programmierschnittstellen nahtlos zu neuen Diensten verbunden (siehe Mashups).
  • Durch Neuerungen beim Programmieren browsergestützter Anwendungen kann ein Benutzer auch ohne Programmierkenntnisse viel leichter als bisher aktiv an der Informations- und Meinungsverbreitung teilnehmen (siehe User-generated content)

Soweit der Wikipedia-Artikel „Print 2.0“. Ich hatte damals eigentlich etwas ganz Anderes geplant. Nämlich ein System zu nutzen, das eine neue visuell vermittelte Form des Denkens ermöglichte (und mich irgendwie an die Gedankenentwicklung bei der Ausarbeitung von Radio-Sendungen erinnerte: mit Hilfe großer Papierbögen, auf die sich die einzelnen Motiv-Areale verteilen und mit Linien verbinden ließen. (folgt)

*    *    *

Was ich jetzt lieber geschrieben hätte:

Etwas über einen ZEIT-Artikel von Judith Butler (über Hegels „Herr und Knecht“), dann über Philosophinnen von Hypatia (s.a. hier) bis Judith Butler (nach dem Philosophie-Magazin Sonderausgabe 13 / Oktober 2019), etwas Kritisches über Knausgårds Wiedergabe der Kritik eines Kollegen an Munchs Bildnis seiner Schwester Inger Munch in schwarz, denn mir gefällt das Schwarz (weil ich kein Fachmann bin). Dann vor allem – angeregt durch Judith Butler – über Hegels „Herr und Knecht“ anhand anderer Quellen. (Es geht um Selbst-Bewusstsein, jedenfalls mehr als um Selbstbewusstsein.)

Und auch über die dionysische Erregtheit schriller Instrumente des Altertums, die im Vorderen Orient besänftigt wurden und erst in dieser Form bei uns eine modische Begeisterung für ethnisch inspirierte Melancholie auslösten. Aulos in der griechischen Antike und Memet im alten Ägypten, Duduki in Armenien.

 (Wikipedia hier)

Nicht lachen wollen

Und doch müssen.

ZITAT

(…) Man muss vielleicht daran erinnern, wofür der Karneval unter anderem da ist: Er erteilt die befristete Lizenz, die Fassung zu verlieren. Auch muss man sich klarmachen, dass sich die meisten Witze gegen irgendjemanden richten und oft gegen Minderheiten: gegen Manta-Fahrer, Blondinen, Polen, Schwule, Priester, Schotten und so fort. Manche dieser Witze sind verschwunden, weil sie veraltet sind oder erschöpft.

In seiner Abhandlung Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten (1905) unterscheidet Sigmund Freud zwischen „harmlosen“ und „tendenziösen“ Witzen. „Der tendenziöse Witz braucht im allgemeinen drei Personen, außer der, die den Witz macht, eine zweite, die zum Objekt der (…) Aggression genommen wird, und eine dritte, an der sich die Absicht des Witzes, Lust zu erzeugen, erfüllt.“ Warum aber kann ein Witz Lust erzeugen? Freud begründet das mit der „ursprünglichen Natur des Witzes, sich einer hemmenden und einschränkenden Macht entgegenzustellen“.

Aber gibt es diese Mächte überhaupt noch? Kann heutzutage nicht nahezu alles gesagt und geschrieben werden? In gewisser Hinsicht schon. An die Stelle der staatlichen Bevormundung jedoch ist die gesellschaftliche getreten. Je mehr personale Identitäten mit dem Ziel der Anerkennung betont werden, um so mehr wachsen die hemmenden Mächte im Sinne Freuds.

Ja, das ist ein heikles Gelände. Mark Twain hat einmal gesagt, im Himmel werde nicht gelacht. Das könnte stimmen. Denn der Lachende fühlt sich nicht selten zurückgesetzt, gehindert, eingeschränkt. Indem er lacht, befreit er sich von wirklichen oder eingebildeten Fesseln. Im Himmel hätte er das nicht nötig. Aber da wir (jedenfalls die meisten von uns) keine Engel sind, ist das Lachen eine relativ unschädliche Form, sich schadlos zu halten. So hat der Witz auch die Funktion eines Ventils. Mächtige haben es nicht nötig, Witze zu machen. Zuweilen gestatten sie sich grausame oder zynische, wobei die Pointe lediglich darin besteht, dass die Zuhörer, wenn ihnen das Leben lieb ist, lachen müssen. (…)

Quelle DIE ZEIT 20. Februar 2020 Seite 12 Auf sie mit Gelächter Ein Witz, der allen gefällt, ist keiner. Ein ernstes Wörtchen zum Karneval. Von Ulrich Greiner.

Dies ist nur ein kleiner Teil des Artikels, den man notfalls auch online lesen kann, sofern man gewillt ist, die Verzögerungsschranke zu überwinden. Man muss vielleicht noch erwähnen, dass über dem Artikel ein Foto wiedergegeben ist, das „Rassisten in der Fankurve“ zeigt, untertitelt: „Nach seinem Siegtor in der 60. Minute hat er genug. Fans beleidigen ihn, machen Affengeräusche und werfen Sitzschalen aufs Spielfeld. Moussa Marega, FC-Porto-Profi und malischer Fußballnationalspieler, verlässt das Spielfeld – und zeigt seine Meinung.“ (Mit beiden hochgereckten Mittelfingern.)

Also: die pöbelnde Menge gegen einen (schwarzen) Einzelnen, der allerdings ein Star ist und darüberhinaus den Fehler gemacht hat, das Siegtor für den Gegner geschossen zu haben. Die Skala der Beleidigungen kennt wenig Abstufungen, auch gegenüber eigenen Spielern, von „Lahm-Arsch“ bis „Du Zigeuner“ (habe ich selbst in der BayArena Leverkusen miterlebt), und die Hautfarbe ist für Dummköpfe natürlich am leichtesten fassbar, Auslöser primitivster Affekte, die man als eigenes Kraftpotential missdeutet. In der Grundschule spielten wir auf dem Schulhof in der Pause: „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? – Wenn er aber kohommt? – Laufen wir!“ Merkwürdigkeit: Damals hielt ich auch alle Katholiken irgendwie für schwarz. Zumindest dunkelhaarig.

Kleine Erinnerung aus dem Berufsleben: Ein belgischer Kollege versuchte mich vor vielen Jahren zu erheitern, indem er abfällig über die Holländer sprach, da ich dem leicht erregbaren Flamen, der sich gern von den Wallonen distanzierte, eine (aus meiner Sicht) „normale Sympathie“ für das Nachbarland unterstellt hatte. Weit gefehlt. Er reagierte mit Beispielen von Holländerwitzen, von denen ich nur den harmlosesten behalten habe: sie seien übers Meer geschwommene Schotten (geschwommen natürlich aus Kostengründen).

Zum Hintergrund dieser Witze gehört jedoch die Tatsache der niederländischen Belgierwitze. Zweifellos allesamt Beispiele der „tendenziösen“ Witzkategorie Freuds, die den negativ markierbaren Anderen braucht. Auch wenn da viel Ähnlichkeit ist. Übrigens gehören auch alle Witze über das andere (oder das noch anders andere) Geschlecht dazu, ja auch über das eigene, denn die Selbstironie kann eine trickreich fabrizierte sein.

Noch trickreicher ist es, sich das Lachen zu verbieten, weil die Zeiten zu ernst sind. Oder nur über Kinder und kleine Tiere … zu schmunzeln. Warum wird bei dem Gedächtnis-Essen nach der Beerdigung unweigerlich gelacht? Spannungsabbau, sagt man. Oder: wir leben noch.

Leicht vorstellbar sind allerdings Situationen, wo es keinen Trost gibt. Und auch kein Lachen, keinen Spannungsabbau. Galgenhumor hilft nur, wenn es um einen selbst geht, nicht um nahestehende, liebe Menschen.

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Hier zur Aspekte-Sendung

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ZITAT Hartmut Welscher in VAN

Für Musiker*innen birgt das Singularitätsgebot auch Frustpotential: Jetzt habe ich jahrzehntelang an meinem musikalischen Besonders-Sein gearbeitet – nur um festzustellen, dass es nicht reicht, sondern ich mich auch darüber hinaus permanent inszenieren und performativ selbstentfalten muss.

Nur auf musikalische Qualität zu setzen, war schon immer eine naive Wette. Aber zu warten, bis man jemandem auffällt, ist auch deshalb riskanter geworden, weil es immer weniger gibt, denen man auffallen könnte. Klassische Musik ist in den klassischen Medien weitgehend marginalisiert. »Nur« über (klassische) Musik zu sprechen gilt schon lange als Rohrkrepierer, Kritiken sind Click-mäßig betrachtet ein Totalausfall, der Druck, sich auf die Superstars der Branche zu konzentrieren, ist auch in Feuilletons und Kultursendungen groß.

Weshalb man sich durchaus Gedanken machen sollte: siehe Magazin VAN HIER

Über Andreas Reckwitz: Wikipedia HIER

Lesenswert des weiteren der Artikel über ein Hauptwerk des Soziologen: Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne / Suhrkamp 2017 / Inhaltlicher Abriss bei Wikipedia HIER.

ZITAT

Es ist häufig festgestellt worden, dass die Romantik eine Wiederverzauberung der Welt erprobt. Treffender lässt sich dieser Prozess jedoch als eine Kulturalisierung der Welt beschreiben, in deren Folge potenziell alles von der Seite des Profanen auf jene des Sakralen überwechseln kann. Am Ende können selbst ein paar Bauernschuhe oder das Muttermal des Geliebten von kulturellem Wert sein. Ermöglicht wird diese romantische Valorisierung der Welt durch deren umfassende Besonderung; die Welt wird als ein Raum faszinierender Eigenkomplexitäten entdeckt und in eine solche umgestaltet. Das Grundpostulat lautet: Ein Subjekt, das authentisch sein will, muss im Durchgang durch die Singularitäten der Welt seine authentischen Erfahrungen machen. In der Romantik ist der ausdrückliche Kampf gegen die Modernität des Allgemeinen – von der Aufklärungsphilosophie bis zur Industrialisierung – die konsequente Kehrseite der umfassenden Singularisierung der Welt. Diese romantische Besonderheitskultur wirkt sich von Anfang an in durchaus unberechenbarer Weise auf die um Balance bedachte Kultur der Bürgerlichkeit aus. […] (S.99)

Während sich die bürgerliche Intensivierung in erster Linie auf die Sensibilisierung der ästhetisch-hermeneutischen Innenwelt der Subjekte bezog, so richtet sich die fordistische Extensivierung der Kultur primär auf die visuelle Oberfläche der Subjekte und Objekte. (S.102)

Quelle Andreas Reckwitz: Die Gesellschaft der Singularitäten / Suhrkamp Berlin 2019

Anmerkung: zu „fordistisch“ siehe hier.

Reckwitz spricht von der organisierten, industriellen Moderne, „die von etwa 1920 bis Mitte/Ende der 1970 Jahre reicht“;  in einer Fußnote verweist er auf Georg Simmels „Philosophie der Mode“ (1905).

Selbstbezichtigung: Ich erinnere mich an eigene Anwandlungen Ende der 70er Jahre, als ich daran dachte, den alltäglichen Gang in den Garten zu einer sakralen Handlung zu erheben…