Schöne Stellen ? (Beispiele)

Zu Claus-Steffen Mahnkopfs Essay in Musik & Ästhetik Jan.2025

Der Autor bezieht sich auf Adornos Abhandlung über die „ominösen schönen Stellen“ (1965) und präsentiert eine eigene Auswahl von 10 Stellen. Die folgende Liste gibt Gelegenheit diese Auswahl im Selbsttest zu überprüfen. (Im „Experiment“ sollte der ganze Mahnkopf-Text zur Verfügung stehen.) Im übrigen beginne ich nur probeweise einen Kommentar, unter dem Vorbehalt, den ganzen Beitrag zuletzt als misslungen zurückzuziehen.

Vorweg kann ich sagen, dass mir Mahnkopfs Begriff von dem, was für eine „schöne“ Stelle gelten soll, viel zu allgemein gefasst scheint. Er dürfte sich nicht auf Kunst überhaupt beziehen, nicht einmal auf jedes ebenmäßige Gesicht: ein solches Gesicht würde ich der Einfachheit halber einfach „ebenmäßig“ nennen, vielleicht noch hervorheben, dass es nicht „durchschnittlich“ sei. Ich könnte behaupten, dass Mozart immer schön sei, und könnte trotzdem in den Werken einzelne (besonders) schöne Stellen benennen. Schön im emphatischen Sinn. Nicht expressiv, nicht aufregend, nicht bedeutungsvoll aufgrund einer Geschichte, die dazugehört. Ich beschränke mich aber auch nicht unbedingt auf die gern beschworenen Gänsehaut-Momente, die sich physiologisch einstellen – wie bedingte Reflexe. Ihre Schönheit muss einer Prüfung standhalten. Sie dürfte nicht rein privater Natur sein. Zum Beispiel an einen Kuss in der Bar Kolibri erinnern, wo dieselbe Musik lief. Stichwort Pawlowscher Reflex.

s.a. hier

In der Tat verliert sich Mahnkopf nicht im Allgemeinen, man kann auf den Punkt genau erkennen, was er meint. Aber nur weil er es so genau aufzeigt. Ist er aber deshalb besonders glaubwürdig? Dank ostentativer Subjektivität unangreifbar?

Wenn ein Barpianist vor sich hinklimpert und plötzlich aber unauffällig übergeht zu Robert Schumanns Original „Träumerei“, so horcht jeder Musikkenner auf, – oh wie schön:, ja wirklich, aber wo denn? was meint er genau, zahllose aufsteigende Dreiklänge hat er schon genügend hingeperlt, daraus kann er keinen „Schöne Stelle“-Effekt machen, sondern erst in dem Augenblick, wo er auf dem Subdominant-Akkord B-dur innehält, das ist er, und rückwirkend erkennen wir auch dass er vorbereitet war: er lag in der Luft, und sein Tastenanschlag und das Innehalten lässt Zeit, ihn zu würdigen. Eine Art Umarmung. Fast kein Mensch kannn sich einer solchen Umarmung entziehen, vorausgesetzt, er hat die Normalität vorher, den Tonika-Dreiklang – vielleicht dunkel – wahrgenommen, auch noch als Teil des Wohlfühlgeklimper. Dieses neue Gefühl des Besonderen verliert seinen Effekt, wenn es taktweise so weitergeht, mit immer neuen, „besonderen“ Zielakkorden, es weicht einer behaglichen Wahrnehmung des Variablen, vielleicht auch neuer „Momente“. Die ganze „Träumerei“ ist die Ausbreitung einer schönen Stelle durch geschickte Mischung mit dem Verweilen auf der einen Stelle, auf der man einschlafen, aber auch träumen kann, je nach Ruhebedürfnis.

Ein fast willkürlich ausgewähltes Beispiel. Es fordert zum Spott heraus, wie viele schöne Stellen, wenn sie sich auf mechanisch erzeugbare, „billige“ Effekte zurückführen lassen. Es sei denn, ich beginne mit deren Rechtfertigung und dem Nachweis, dass es sich bei meiner Wahrnehmung um etwas Besonderes handelt, das vielleicht nur von mir erkannt wird, weil ich es als einziger hervorheben kann. Die andern, denen es gezeigt werden muss, sind bereits von vornherein degradiert.

Es ist nicht immer so einfach wie bei Wagner, wo man behauptet, die Masse der Bayreuth-Enthusiasten warten nur auf die Stellen, wo das gesamte Blech ihm auf die Sprünge hilft.

1)

Glenn Gould spielt (sich selbst).  Sein Willkür-Staccato interessiert mich nicht, auch wenn es dem „Virginal“ nachempfunden ist.

Wer spielt hier? Einer, der im Jahr „2000 den Gramophone Early Music Award für die Gesamteinspielung des Werkes für Tasteninstrumente von William Byrd“ erhalten hat.

2)

Claudio Arrau spielt Mozart

Um diese Stelle soll es gehen:

3)

4)

Wagner Götterdämmerung „Wachsende Morgenröthe“  bis „Voller Tag“

ab 17:46 / bei 20:30 sind wir mitten auf der abgebildeten Seite, deren letzte Zeile die gemeinte „Stelle“ wiedergibt (Siegfried-Motiv)

5) Kann man das Mundharmonika-Motiv von der Spannung des Countdown-Moments trennen? Es ist so oft durch – als bedeutungsvoll erkennbare Zitate – mit Bedeutung aufgeladen worden, und jetzt wieder durch die Ankündigung und Auflösung des Rätsels, dass wir die Segel des Widerspruchs streichen.

„Aber die wirkliche Gänsehautstelle kommt am Ende.“ – „Der Film hat seine Erlösung gefunden.“ Vom „Dingsymbol“ eines perfiden Mordes und dessen „grandioser Rache“ ist die Rede…

Man darf die grandiose Kitschmelodie nicht vergessen, die gleichzeitig ihre Rechtfertigung als Hymne erfährt. Widerspruch erlischt angesichts der Ernsthaftigkeit der Situation, die psychologisch unbefriedigt bleibt. Angesichts der unaufgelösten Tragik (auch der zweite „Gute“ stirbt und der einsame, auf ewig Ungetröstete reitet davon) schweigt die private Kritik.

6)

John Cage: 4’33“ Hier Wikipedia zum Klavierstück von Cage

Dies kann nicht die Bedeutung einer emphatisch schönen Stelle einnehmen, es lebt allein von dem Bewusstsein, dass Stille – die Pause – in der Musik eine wichtige Rolle spielen kann, aber eben in der Musik, von der sie lebt. Und selbst wenn das Stück von Cage als einziges pro Abend aufgeführt würde, bezieht es seine Wirkung aus der Tatsache, dass sonst an diesem Orte und in dieser Situation Musik aufgeführt wird.

7)

htps://www.ardmediathek.de/video/ard-klassik/janacek-sinfonietta-symphonieorchester-des-bayerischen-rundfunks-simon-rattle-br-klassik/ard/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzIwNjk3NTc

Hier der Anfang ist gemeint, die seltene Klangfarbe der Bläser, die Wirkung der sonst seltenen Quintparallelen. Wahrscheinlich kommt die besondere Wirkung des Anfangs daher, dass man sich bei Beginn an ein früheres Hörerlebnis mit demselben Stück erinnert. Man weiß, dass er nicht trügt.

8)

im folgenden bei 6:oo

also: die „Stelle“ in der hohen Klarinette, Übergang von der einen Zeile in die nächste = Sturz des Icarus (?)

9)

im folgenden auf 21:40 der letzte Schlag mit dem Holzhammer, – kann man ihn im Ernst als „schöne Stelle“ aufffassen?

10)

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KOMMENTARE

zu 2)

Ich frage mich, ob der Autor die Noten betrachtet und den Neubeginn in A-dur reflektiert hat oder ob er durch eine Aufnahme angeregt wurde, dem Auftakt mit Cis soviel Gewicht beizumessen. Arrau dehnt den Ton keineswegs, er lässt sogar die dolce-Vorschrift außer Acht, nähert die Tonstärke bereits dem nachfolgenden forte, und im piano danach scheint er das Cis in Frage zu stellen, um beim nächsten Ansatz im forte das C etwas grob zu rehabilitieren, ich will nur sagen – mit andern Worten – der Dur-Auftakt war nicht die Sensation, die klanglich auszukosten wäre – dafür ist gar keine Zeit -, sondern eine gewisse Unschlüssigkeit wird „insinuiert“. Unversehens sind wir in E-dur, eine fast glückliche Lösung, wie früher schon die anderen Dur-Tonarten (F-dur und C-dur). Ich fürchte, die Über-Interpretation des Auftakt-Cis war voreilig und der bloßen Imagination überm Papier geschuldet: am Klavier bindet man sich damit einen Klotz ans Bein, mit dem die folgenden Takte nichts zu schaffen haben wollen. Glückliches E-dur, das ist tatsächlich ein „Sprung in eine andere Landschaft, mit hellerem Licht, klarerer Luft und sonniger Wärme“, wie der Autor schreibt, – aber den ganzen darauf folgenden Text kann er ersatzlos streichen, ganz besonders die Metapher, dass der Finger das alles aus dem einen Ton „mit einer leichten Schwungbewegung erstreicheln“ muss.

Anderes Beispiel, das glaubwürdiger zeigt, wie Mozart den Kontrast Dur / Moll – wirklich interpretierbar – in Szene setzt.

Mozart Violinsonate KV 304 in e-Moll

Eine Stelle, über die ich staune, seit ich die Sonate spiele. Letzter Satz, die Pause im Dur-Teil, 4 Viertel Pause nach einem irrational (!) verlängerten Halbschluss. Ein Innehalten, das so nicht voraussehbar war. Auch die vier eingeschobenen Überleitungstakte vor dem Dur-Teil sind nicht notwendig. Mozart macht sich die Mühe, unsere Ohren zu öffnen. Dadurch wird einem bewusst, – ebenso wie später durch die Überlänge der Pause -, was für ein Wunder dieser Teil in Dur ist, der ganze Satz, die ganze Sonate.

folgende Aufnahme ab 8:42

8)

Man beschreibe jemandem die „schöne Stelle“ in diesem Werk und stelle ihm die Aufgabe, sie beim Durchhören des ganzen Werkes zu benennen (wiederzuerkennen). Fehlanzeige.

Auch mit Mahnkopfs Hinweis, dass es dort „so etwas wie einen Genuss des Klanges“ gebe, ja „anfänglich fast tonal, mit einem übermäßigen Dreiklang (e, gis, c), aber mit einem Viertelton im tiefen Cello, höheren a, Vierteltontritonus unter e, und einem Schatten eines f im Vibraphon.“

Selbst mit Noten in der Hand und einem hilfreichen Rippenstoß – – – zu Hilfe!!!!

Was immer hilft, ist der lebende Anblick der Künstler bei der Arbeit.

9) Kann man sich den absoluten Schlussmoment überhaupt als „schöne Stelle“ vorstellen, hervorgehoben aus allem, was bis dahin für wachsende Spannung gesorgt hat?

Ich kann mich nur an wenige Schlussakkorde erinnern, die zum Abschluss eine Unvergesslichkeit präsentieren.

Z.B. In einer Brahms-Sinfonie, wo ein kurzer Schlussakkord unerwartet Raum lässt für die ausgehaltene Terz zweier Hörner, die durch nochmaligen Schlussakkord das Tutti-Ende lautstark besiegelt. Oder der hohe, einsam durchklingende Ton der Solo-Violine im langsamen des Violinkonzertes. (?)

Oder im H-dur-Schlussakkord des „Tristan“, der nur noch die chromatische Auflösung des Hauptmotivs abwarten muss, mit dem er – scheinbar unauflösbar – begonnen hat.

Ich könnte aber auch die Luftpause des Dirigenten nach dem Abschlag nennen, mit der er den Anfang des Beifalls aufschiebt.

10) Fidelio … die Stelle „Töt‘ erst sein Weib“

(Fortsetzung folgt)

Händel hören

DER MESSIAS

So schön und ergreifend habe ich das Werk wohl noch nie gehört. Ich habe es sehr oft als Geiger  mitgespielt, und – abgesehen von vielen Kostbarkeiten – als furchtbar anstrengend empfunden, vor allem als viel zu lang. Jetzt haben wir es zu Silvester nach der Knallerei um 0:00 bis etwa 2:00 (bis zum Hallelujah) gehört, ohne Ermüdungserscheinungen, einfach mit Begeisterung und guten Erinnerungen. Man darf halt nicht an die Passionen von Bach denken, dessen Originalität in jedem Takt greifbar bist. Er komponiert „dichter“, was nicht bedeutet, dass Händels flächige Formen leer und phrasenhaft sind. So eilig er komponiert hat, für ihn gilt: Er hat Zeit und verlangt von uns: ZEIT. Ermüdungserscheinugenn einzelner Geiger interessieren ihn nicht.

Chor accentus und Insula Orchestra unter der Leitung von Laurence Equilbey

Solisten sind der englische Tenor Stuart Jackson, der amerikanische Bass Alex Rosen, der polnische Countertenor Jakub Jozef Orlinski und die französische Sopranistin Sandrine Piau.

Aufzeichnung vom 01. April 2024 beim Osterfestival in Aix-en-Provence.

Verfügbar bis 3.4.25

https://www.arte.tv/de/videos/119039-000-A/georg-friedrich-haendel-der-messias/

HIER ab 54:25 Zweiter Teil

darin ab 112:05 Thy rebuke hath broken His heart

das Rezitativ, das mich früher schon am meisten erschüttert hat. Ungewöhnlich und stark, die Intensivierung durch bloße Text-Wiederholung: „Er schaute umher, ob ein Mitleid sich regte: aber da war keiner, da war auch nicht einer, zu trösten ihn.“ Leicht gesagt, dass es wieder einmal die Wirkung eines „Neapolitaners“ und die (ungefähre!) Sequenzierung der Melodielinie ist, die für Wirkung sorgt, – es ist auch der Mut zur Einfachheit, der uns anrührt, gerade wenn wir an Bachs Koloraturen zu „und weinete bitterlich“ denken.

Aber hören Sie doch auch vorher die Chorfuge bei 1:06:55, zu deren Thema ich an anderer Stelle ähnliche Themen aus Bach und Mozart zusammengestellt habe (hier).

Ach, und viel früher: lassen Sie sich nicht die unglaubliche Alto-Arie entgehen, die mit Langeweile anzuheben, sich in kleinteiligen Wiederholungsmotiven zu verzetteln scheint, bevor ein pathetisch ausladender Melodieteil die Wahrheit sagt, „er ward verschmähet, verschmähet und verachtet“, und in dem erregenden Geißelungsmotiv der Streicher tritt die offene Agression hervor, man vergisst es nie mehr ! Ab 00:57:00 !

Unglaublich die Steigerung zum Schluss, hin zum „Hallelujah“ (1:31:06), in attacca genommenen Übergängen, während die Solisten ans stimmliche Limit gehen, mit offenbar gewollten Druckmomenten, um uns in dem berühmten Jubelsatz in erstaunlicher Gelöstheit und einer nicht forcierten Erlösungsgewissheit zu entlassen.

Wir sind bereit für eine weitere halbe Stunde, die mit einer überirdischen Arie beginnt: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebet“ – „I know that my Redeemer liveth“.

Ich rede fast wie ein Christ und bin doch sicher, dass man auch ohne bibeltreuen Glauben mit solcher Musik vollkommen glücklich sein kann. Vollkommen.

Anstehende Themen

Vor jeder zukünftigen Musik-Analyse: beginnen mit einer Untersuchung zum Zwang der metaphorischen Sprache (kann es eine sinnvolle Analyse mit „neutralen“ Zeichen geben?). Oder beginnt die zu überwindende Vorgabe schon mit der Notenschrift, der Festlegung von Oben und Unten, – der Tätigkeit der Augen und ihrer visuellen Werkzeuge? Das Wort Imagination.

Die Situation: zugegeben, das Buch lag aufgeschlagen auf dem Tisch, weil ich auf der Suche war. Und dies wieder vergaß. Wochen später greift JMR es auf und schlägt es zufällig (?) an anderer Stelle auf, die ihn affIziert, über die er spricht, und nun weiß ich, dass ich genau die gebraucht hatte, hätte, um aufs neue eine starke Selbstmotivierung zu erleben, auf die ich wartete. Dies hier nur als Andeutung des eher zufälligen Hintergrundes, der dann zum Haupt-Schauplatz des Gedanken avancieren sollte. Und nun kommentarlos zur Stelle (und Quelle).

Zur Verdeutlichung, letzte Zeile (vergrößern + obigen Text auf zweiter Seite), – in eigenen Worten wiedergeben, wenn ich genau wissen will, was der Autor meint, wenn er über „eine eigenartige harmonische Verbindung im vorletzten Takt“ nachdenkt:

Vorbemerkung: „Trugschluss“ nennt man bekanntlich die Wendung von der Dominante, der Stufe V (auch in Gestalt des Dominantseptakkords), hin zur Tonikaparallele, und zwar so, dass die Tonika mir als Auflösung fühlbar vorenthalten wird. Sie sollte alsbald „in echt“ folgen.

Die über dem Orgelpunkt im drittletzten Takt trugschlüssig erreichte VI. Stufe … der gemeinte Orgelpunkt ist der unterste Ton As (über dem „nt“ der „Winterszeit“), As = VI. Stufe in c-moll, umgedeutet als Terz der IV. Stufe, diese wiederum in Gestalt des „Neapolitaners“ d.h. Moll-Form, in der auch noch die Quinte durch die kleine Sexte ersetzt ist, also  hier statt f-as-c der Dreiklang f-as-des erklingt. Man könnte ihn (in Dur) auch von f-a-d ableiten könnte, der diatonisch aufgefassten Stufe II (in Umkehrung), die eben auch als Stellvertreter der Stufe IV gilt. Wenn es heißt, dass hier „die neapolitanische der diatonischen“ Version der II. Stufe vorausgeht, so soll das bedeuten: die Version mit „des“ (und „as“) kommt im 4.- 5. Achtel des vorletzten Taktes vor der Version mit „d“. Das ist nur bemerkenswert, weil die spannendere Form zuerst kommt, die weniger angeschärfte aber als zweite. Nicht gesagt wird, dass dieser Akkord dann im Sopran ein c“ bietet, so dass es sich um einen („schärferen“) Septakkord handelt. Und n a c h  diesem folgt nun der noch ungewöhnlichere Klang as – es‘ – fis‘ – h‘.

Jetzt kann ich mich an der Hand des Autors der Deutung dieses Akkords zuwenden. (Ich muss die nächste Seite haben:)

Und befinde mich in anderen Schwierigkeiten, denen der erste Teil des (wichtigen) Essays gewidmet ist. Ich kann es hier nur andeutend erschließen.

Quelle: Stephan Rohringer: Metapher und musikalische Analyse / Robert Schumann: Winterszeit I / in: Musikalische Analyse / Begriffe, Geschichten, Methoden / Herausgegeben von Felix Diergarten  Laaber Musikwissenschaft, Laaber 2014

Stichworte im Text: „ein Klang, dessen Bedeutung nach Maßgabe kadenzlogischer Harmonik einigermaßen rätselhaft  und der trotz des insgesamt sehr komplexen Satzbildes immer noch spektakulär ist“. Die Begriffe „Ascriptive Metapher“ und „Comparative Metapher“ lasse ich außer acht. Auch die „Duriusculus“-Anspielung, ebenso die Ges-Dur-Allusion und die Nähe des Tristan-Akkordes sowie den Satz, dass Schumann einen erwarteten Klang (von wem wann erwartet?) substituiert – ehe wir so weit ausgreifen, gebe ich meinem naiven harmonischen Empfinden die gleiche Chance und höre Vorhalte und Durchgänge, die quasi im Vorbeigehen auch reizvolle Harmonien produzieren.

Es geht also um genau den angegebenen Akkord (korrekt:) as – es‘ – fis‘ – h‘, im vorletzten Takt auf dem 6. Achtel. Und nun spielen Sie auf dem obersten Ton, dem h‘, statt dieses einen Achtels die zwei Sechzehntel h‘-c“, in der vielleicht irrigen Annahme, dass Schumann den Zielton c“ dann doch nicht vorwegnehmen wollte, aber im Sinn hatte – schon ist (für mich) das „Problem“ gelöst.

Er vorenthält uns das c“, das zu einem gut deutbaren Akkord passen würde, und springt auf den Ersatzton es“, der zum Harmoniewechsel nicht passt, aber melodisch sehr ausdrucksvoll ist, gerade in der Folge h‘ – es“ – h‘. Dann aber, nachdem das tiefe c am nächsten Taktanfang eingeschmuggelt ist, wird uns das hohe c“ nach einer neuen, fast verschämten Annäherung (d“-h‘) sozusagen geschenkt.

Für mich bedeutet diese Überlegung, dass ich mich nun dem eigentlichen Thema des Rohringer-Essays, der Metaphorologie, zuwenden kann.

(Fortsetzung folgt)

Sensation vor Weihnachten: der Mond

Älter als gedacht

Solinger Tageblatt 20.12.24

Gottseidank haben wir noch Zeit, uns darauf einzustellen. (Er wird nur etwas schneller altern!)

Doch im Ernst:

Quelle Hartmut Rosa: Unverfügbarkeit / Suhrkamp Verlag Taschenbuch 2020 (Residenz Verlag Wien, Salzburg 2018) ISBN 978-3-518-47100-5

Grundkonflikt zwischen dem Bestreben, Welt verfügbar zu machen, und dem Verlangen, mit ihr in Resonanz zu treten.

Seltsam: wie sich die Praxis der Re-Lektüre „uralter“ Bücher, die für mich einmal wichtig zu sein schienen, als glücklicher Ausweg in aktuellen Situationen erweist. Das Buch von Hartmut Rosa ist alles andere als uralt, aber es hatte sozusagen seine Aufgabe noch längst nicht erfüllt, – was sich auffällig zeigte, als ich bei Rilkes „Dinggedicht“ anlangte und es mit Adornos Begriff der Verdinglichung in Verbindung sah.

Als nächstes kam (es weihnachtet heftig) von selbst (dank JMR) ein Buch ins Haus, das mich auf eine alte Frage zurückverwies, nämlich wie Töne zur Melodie werden.

Für mich war der entscheidende Punkt, dass gerade die Melodie in den großen Zusammenhang des Gedächtnisses gebracht wurde; das Inhaltsverzeichnis (von Anfang bis zu genau diesem Thema) zeigt, wie es dazu kommt.

Wobei ich als erstes einwenden würde: der Einzelton einer Melodie, der beendet wird, tönt in der Erinnerung weiter, auch wenn die nächsten Töne angeschlagen werden. Man hört unwillkürlich Beziehungen zwischen Tönen, nicht nur einzelne Impulse. So wie ich auch nicht einzelne Sterne milliardenfach am Himmel sehe, sondern zumindest Sternbilder. Auch wenn sie gar nicht vom Schöpfer als Bilder erfunden wurden…

Anderer Versuch (der sich vom Bild der Sternbilder löst) : Die Töne als beliebige Fixpunkte auf eine als Glissando gedachten Linie.

Quelle Hannah Monyer / Martin Gessmann: Das geniale Gedächtnis / Wie das Gehirn aus der Vergangenheit unsere Zukunft macht / Penguin Verlag (Albrecht Knaus Verlag) München 3/2015 / ISBN 978-3-328-10124-6

Zitat (Träume als Mahnung)

Träume mahnen uns also hin und wieder, noch einmal zu überdenken, wie wir neue Entwürfe mit schon bestehenden Ansätzen oder nachweisbaren Talenten in Verbindung bringen. Denn das wird nötig sein, damit unsere Existenz, je länger wir leben, nicht einfach in Episoden zerfällt, die am Ende gar nichts miteinander zu tun haben. Und wir im Rückblick den Eindruck haben, ein Kaleidoskop zu drehen, jedes Mal, wenn wir mit einer Unternehmung wieder neu ansetzen. Und die Frage nach der Einheit und dem, was wir eigentlich wollten, unbeantwortet bleibt.

Monyer/Gessmann a.a.O. Seite 132 f

ZARLINO oder wie die Welt…

… wie die Welt des Wissens sich verändert hat

Besitzergreifung mit gerade 14 Jahren – Lesespuren

Was davon habe ich verstanden und behalten ??? Ohne die Musik hören zu können – oder zu vermissen?? Zarlino hier und dort in einer Reihe neuer Namen… Aber heute stehen fast alle in meinem Bücherschrank, abgesehen von Glarean und Zacconi. Im Zeitalter des Internets hätte ich nicht einmal der Nachschlagewerke Riemann (alt und neu), Groves (zweimal), MGG (alt und neu) bedurft, deren Anschaffung sich über „meine“ Jahrzehnte verteilt.

Zarlino 1573

Nun stellt sich heraus, dass niemand, der dieses Werk nicht besitzt, unglücklich sein muss. Denn er kann darüber im Internet nachlesen, ja, er kann es insgesamt digital durchblättern, nämlich hier.

Damit nicht genug: er/sie kann es ingesamt in deutscher Übersetzung abfragen, und zwar hier. Im Folgenden sehen Sie als Beleg nur ein Teil der Inhaltsangaben (Weiteres siehe an Ort und Stelle):

Gibt es auch Musik von Zarlino zu hören?

Von Weltwundern

Geht es ein bisschen kleiner? (nein!)

Es muss nicht sein, – wenn es nur gut gemacht ist.

Prisma

Hat Bach so ausgesehen? Das Bild, das ihm am nächsten zu sein vorgibt (Hörzu, unten rechts, „mit seinen Söhnen“) ist es am wenigsten. Gemalt von Balthasar Denner, kritisch behandelt schon ausführlich an berufener Stelle: Hier / Zu Denner weiteres in Wikipedia hier – das was an dieser Stelle von zeitgenössischer Kritik zu lesen ist,

(„Die Porträts Balthasar Denners werden in der Kunsttheorie seit dem späten 18. Jahrhundert zum Negativbeispiel einer bloß penibel abbildenden Malerei, die deshalb ungeistig und unkünstlerisch sei.“)

könnte für unser Begehren nach einem echten Abbild positiv motivierend sei, wenn es mit den einzig beglaubigten 2 Gemälden von Haußmann auch nur die geringste Ähnlichkeit aufwiese.

⇐HörZu, Bild rechts, der ganz links Sitzende, mit dem Cello (????)

Hier  Trailer zu BACH – Ein Weihnachtswunder

prisma Dez.2024

Hat Bach so ausgesehen? Nein, aber so könnte er gewesen sein.

Dass Devid Striesows Bach-Gesicht dem auf Haußmanns Bildern ebenfalls nicht gleicht, hat nichts zu sagen, sofern er als Bach-Darsteller glaubwürdig wird.

Es geht darum, ob eine Phase der Bachschen Lebensgeschichte wahrheitsgetreu und glaubwürdig „in Szene gesetzt“ ist. Ob Wissenswertes auf lebendige Weise übermittelt wird, so dass man eine suggestive Vorstellung von der Wirklichkeit seiner Lebensumstände erhält, von den hilfreichen oder auch widrigen Bedingungen, unter denen sich seine Kunst entwickeln und in die Öffentlichkeit treten konnte. Es sollte vorstellbar werden, wie seine Musik wirkte, als sie neu war, eben erst geschaffen oder zum ersten Mal hörbar wurde, – ohne den ganzen Ballast der nachfolgenden Geschichte und Mythologie, die aus Bach einen Heiligen, den „fünften Evangelisten“, machte. Ist das möglich? Natürlich nur, wenn die vorhandene breite Kenntnis der Musikgeschichte die entscheidende Hilfestellung leistet, indem sie die störenden Beimischungen des Geniekults eliminiert und auch die Phantasie der Filmemacher vor neuer säkularer Legendenbildung bewahrt. Das verbal ausreichend annoncierte Wunder darf sich auf den Titel beschränken.

Ab 13. Dezember in ARD Mediathek HIER

(Fortsetzung folgt)

(40 min) alles angesehen: GUT! HERVORRAGEND!

Interview mit Devid Striesow im MIMA Hier (folgt)

sein Sohn spielt den Emanuel Bach!

oder hier (www.blick.de) Interview

Aus dem Nachspann:

Nicht ganz passend an dieser Stelle (Passion!), aber extrem schön:

Die Seele ruht in Jesu Händen,
Wenn Erde diesen Leib bedeckt.
Ach ruft mich bald, ihr Sterbeglocken,
Ich bin zum Sterben unerschrocken,
Weil mich mein Jesus wieder weckt.

Wikipedia hier

A propos BWV 127: es gibt hierzu einen großartigen schriftlichen Beleg der Zusammenarbeit zwischen Vater Johann Sebastian und Sohn Friedemann. Ich zitiere aus dem Werk von John Eliot Gardiner:

Quelle John Eliot Gardiner: BACH Musik für die Himmelsburg / Carl Hanser Verlag München 2016 Seite 302f

Haußmann-Portrait!

Kantate BWV 127 mit Partitur „Herr Jesu Christ, wahr‘ Mensch und Gott“ Herreweghe

ab 16:34 laut Gardiner : alle Einsätze von „Sind Blitze, sind Donner in Wolken verschwunden“ (Matthäuspassion)

Zur späteren Recherche

Im Film ist aus internen Gründen nur die Nr. 1 des (von Bach nicht so genannten) Weihnachtsoratoriums als „Parodie“-Vertonung aus einem schon früher komponierten Werk behandelt. In Wahrheit hat er vieles übernommen, wie es in Wikipedia aufgelistet ist: siehe in den Übersichten unter der Rubrik „Quelle“. Siehe auch die ausführliche Behandlung in der maßgeblichen Literatur wie z.B. hier:

Quelle Hans-Joachim Schulze: Bachs Parodieverfahren / in: Christoph Wolff/Ton Koopman: Die Welt der BACH Kantaten Bd. 2 / Verlag Metzler und Bärenreiter Stuttgart u. Weimar 2006 (3 Bände)

Sehr empfehlenswert auch im Zusammenhang mit diesem Film: die Beiträge zum Komponisten in seiner Welt, z.B. über „Musikalisches Leben am Köthener Hof“, über „Adeliges und Bürgerliches / Mäzenatentum in Leipzig“ oder „Unterhaltungen für Bürgertum und Adel“.

Wenn einen Zweifel ankommen, was die historische Wahrheit des Bach-Filmes angeht, in Einzelpunkten – ich finde: darum  geht es nicht! -, mich hat am Schluss einfach etwas gestört, dass ein so spektakulärer Gottesdienst – zu Weihnachten !!! – kein größeres Publikum gefunden haben soll.

In der Thomaskirche bietet man heute 1500 Sitzplätze, damals hat man – vielleicht unabhängig von Sicherheitsvorschriften – mit wesentlich mehr hörbegierigen Menschen rechnen können, auf mehr Bänken, aber auch dichtgedrängt auf Stehplätzen.

Quelle (wie vor) Christoph Wolff: Bachs Leipziger Kirchenkantaten: Repertoire und Kontext / in: Christoph Wolff/Ton Koopman: Die Welt der BACH Kantaten Bd. 3 / Verlag Metzler und Bärenreiter Stuttgart u. Weimar 2006 (3 Bände)

Weiteres zu Relativierung (und Rehabilitierung) des Bach-Filmes

Das Weihnachtsoratorium in Reinhard Goebels Sicht

HIER oder ALLE EPISODEN des Podcasts

NB am 12.12. ist in der alten Ankündigung der Mediathek von Christian Himmler die Rede, – den aber gibt es nicht, richtig lautet der Name Christian Immler.

Eine letzte Ergänzung: Berthold Seligers Rezension der Jurowski-Aufführung

mit der – je nach Sicht der Dinge berechtigten – Zeile:

Ein Statement auch gegen die so häufig anzutreffende, förmlich gewollte Unterforderung des Publikums, dem man keineswegs eine anstrengende, intensive Auseinandersetzung mit einem großen Werk zumuten möchte. Siehe auch den auf vielen Ebenen misslungenen Weihnachts-Kitschfilm „Bach — Ein Weihnachtswunder“ jüngst auf ARD.

Nachzulesen https://medium.com/@was_38079/nun-seid-ihr-wohl-gerochen-2651f5ccb8b8 Hier

Am 26.12.2024 um 20:03 Uhr sendet Deutschlandfunk Kultur den Mitschnitt dieses Konzerts, der ab sofort auch online nachzuhören ist.

Wer war Jürgen Becker?

1964

Das Buch habe ich erworben, nachdem ich, aus Berlin kommend, nach Köln-Niehl gezogen war, gewillt, in der Domstadt richtig Fuß zu fassen, zumal mir das in Berlin nicht besonders gelungen war. Etwa so wie Jürgen Becker sein engeres Umfeld in dem Buch „Felder“ bestätigte und durch gute, wirklichkeitsnahe, bewusst ausdruckslose Sätze dokumentierte, so wollte ich es auf meine Weise tun. Und aus welchen Gründen auch immer – ist es mir nicht gelungen, vielleicht weil ich sonst keine Vorbilder hatte außer Benn, Proust und Musil. Und keine Heimat in Köln. Oder richtiger: weil ich die Musik hatte, die Instrumente, und zwar mit der Dauerforderung: Du sollst üben! Und zwar in Richtung virtuose Technik. Und vor allem: nie ausdruckslos.

Jürgen Becker in Wikipedia hier. † 7.11.24

Erst nach 60 Jahren diese Wiederbegegnung, absichtsvoll.

6.12.2024

Ein wunderbares Buch. Er ist nie zu spät! Dank an JMR.

Nur Klavierübung – keine Musik?

Welchen Wert Hanon in der Praxis hat

Wikipedia: „Die Übungen sind teilweise der Kritik ausgesetzt, unmusikalisches Musizieren zu fördern“

Ist es ein Joke…unglaublich, wieviel Kommentare diese kleine Zugabe produziert hat:  HIER

Zugang zu Hanon für die Praxis: HIER

Themenwechsel (oder im Gegenteil: beim Thema bleiben)

Es wird oft kolportiert, dass Ravel selbst gesagt habe, der Boléro sei vieles, aber „keine Musik“. Man hat seine Aussage zum Bonmot getrimmt, aber nichts dergleichen hat er gemeint, wenn er sich dagegen wehrte, dass dies weltbekannte Werk sein bestes sei. Gute Übung: ein Lob dieser Komposition zu formulieren, ohne die Instrumentationskunst zu rühmen. Die einzigartige Melodie zum Beispiel, die unendlich wiederholbare…

Was ist nun mit Hamelins Hanon, – ein Joke oder nicht? Erheitert es nur im seriösen Umfeld … Denn: ihn wirklich „musikalisch“ zu spielen, – wie große Musik -, wirkt parodistisch.

Aber wie verhält es sich bei eintöniger Musik? Was ist das überhaupt? Monotonie – und kumulativer Effekt. Wenn die bloße Spielanweisung genügt…

Im Ernst, man kann ja im Unterricht darüber diskutieren… ob es eine reine Mechanik des Klavierspiels gibt, die es zu beobachten lohnt? Es wäre ja dumm, die Musik als pure Bewegung des Geistes zu betrachten. Sie beginnt mit der Geste, die als körperliche Aktion eine Regung des Gemütes spiegelt, begleitet oder – sogar verstärkt. Aber was ist z.B. mit einem krampfartigen Wutausbruch? Oder dem echten Akt des Einschlafens? Nachahmenswert? Übrigens ist „ausdruckslos spielen“ – non espressivo – auch eine Ausdrucksbezeichnung!

Achtung (bei Ohren-Kopfhörern): bei 2’25 kurzer Lärmschock

Nur Geschwätz bis 4:40, – auch über Brahms-Übungen -, dann Praxis. Nützliche Betrachtung der Leistung jedes einzelnen Fingers je nach Beschaffenheit.

Interessante Studie über Horowitz‘ Technik:

(Fortsetzung folgt)

Einstein und mein Blick ins Universum

Die Wiederkehr der alten Themen

Ich hätte ebenso einen Titel wählen können, der scheinbar das Gegenteil besagt, etwa E. und mein Blick ins Innerste, oder mit Goethes Faust auf das, was die Welt (=das Universum), „im Innersten zusammenhält“. Mit Sicherheit hätte ich nicht bedacht, dass die Frage – in dieser Allgemeinheit (Abstraktion) gestellt – gar nichts besagt (und gar nichts fragt). Mir schien die Physik intuitiv am nächsten „dran“, am Konkreten. Wo nicht nur leere Worte lauern.

Am 6.12.2024 als Geschenk von Freund Uli Sch., den ich seit 1965 kenne.

Und Einstein?

Mit vierzehn Jahren entdeckte ich ihn, wahrscheinlich in den Ferien auf Langeoog, zugleich mit der „Fischer Bücherei“, – neue erschwingliche Taschenbücher: Lincoln Barnett „Einstein und das Universum“, wenig später Platon „Sokrates im Gespräch“ und Julian Huxley „Entfaltung des Lebens“, dann die Reihe, die mir nicht nur Wissen versprach, sondern – wie ich meinte – die Gesamtheit des Wissens: „rowohlts deutsche enzyklopädie“ . Und in einem irrte ich mich nicht: die Themen sollten mein Leben lang lebendig bleiben.

Aug.1955 Lincoln BarnettAug.1956 / Daraus:

Jan.1957 / Darüber:

Isaacson EINSTEIN 2024

Die relativierende Behandlung des modischen Relativitätsthemas hatte ich (zähneknirschend) zur Kenntnis genommen. 50 Jahre nach der ersten Begegnung.

Süddeutsche Zeitung 30.9./1.10.1995 Autor: Heiko Joosten

Und bis heute bin ich des Themas nicht überdrüssig geworden. Es gehört zu den Konstanten meines Lebens, obwohl ich sowohl in Physik als auch in Mathematik nie über die Rahmenbedingungen hinausgekommen bin, ja, es ärgerte mich, wenn die Leute behaupteten, dass musikalische Begabung mit mathematischen Fähigkeiten korrelierten. Ich behauptete das Gegenteil, und berief mich darauf, dass es ein Denken in Bildern, Worten und Tönen gebe, das mit der abstrakten Welt der Mathematik nichts zu schaffen habe. Und das sei gut so.

(Fortsetzung folgt) nicht

Damit könnte ichs einstweilen bewenden lassen: indem die Fragen von damals, die sich in Pläne, Vorsätze und Projektionen verwandelten, also in Versprechen eines Lebens, auf deren Einlösung ich bis zum St.Nimmerleins-Tag warten könnte. Wobei ich ganz zweifellos meinem Leben eine durch nichts begründete Wichtigkeit beimaß. Hätte ich das gewusst – wie heute -, hätte ich wie gelähmt, jedenfalls tatenlos, meine Hände sinken lassen, andererseits: da war nun mal ein Körper. Und eine Außenwelt. Und ein Mittelding: die Musik, die alle Fragen erübrigte, oder durch jeweils neue, „wirklich“ existierende Werke (und ihre Urheber) lösbar erscheinen ließ.