Archiv der Kategorie: Ethnologie

Sehnsucht nach der Südsee

Europäische Dokumente

Ein merkwürdiges Buch liegt auf dem Tisch, und es bewegt mich, alles zusammenzusuchen, was ich zu diesem Thema greifbar habe (das meiste aus dem Nachlass eines Solinger Druckerei-Unternehmers, der möglicherweise Anfang der 30er Jahre eine Südsee-Reise plante). Die erste Übersicht lasse ich gleich folgen, doch zunächst der aktuelle Ansatzpunkt:

Südsee Ritz Cover  Ritz Südsee inhalt

Südsee Ritz Vorrede a Südsee Ritz Vorrede b (bitte anklicken)

Hans Ritz: Die Sehnsucht nach der Südsee / Bericht über einen europäischen Mythos / 3., erweiterte Auflage / MURIVERLAG / Erckenbrecht Kassel (2008) ISBN 97839224249

Otto E. Ehlers: Samoa, die Perle der Südsee [Reprint der Originalausgabe von 1895] Berlin Verlag von Hermann Paetel / austrian literature online – www. literature.at – Band 29 ISBN 3-226-00370-4

Annie Francé-Harrar: SÜDSEE Korallen – Urwald – Menschenfresser / Peter J. Oestergaard Verlag Berlin-Schöneberg 1928 / Über die Autorin: hier und hier

Samoa von Robert J. Flaherty / Verlag von Reimar Hobbing in Berlin SW61 1932

Südsee Samoa Flaherty Leseprobe Leseprobe

SAMOA in der Nazizeit

Samoa Nazizeit 1 Samoa Nazizeit 2  (Weiteres folgt)

Hugo Adolf Bernatzik: SÜDSEE Verlag von L.W.Seidel & Sohn in Wien 1939

Südsee Bernatzik Reiseweg Reiseweg des Verfassers

Hugo Adolf Bernatzik unter Mitarbeit von Emmy Bernatzik: Die Geister der gelben Blätter / Forschungsreisen in Hinterindien / Verlag F. Bruckmann, München 1938

Vorwort zum Zweck der Reise (Ausschnitt) und Karte:

Bernatzik Vorwort Bernatzik Karte Hinterindien

Zum Vergleich die heute in einem Standardwerk untersuchten Gebiete (Ausschnitt):

NAGA in Indien und Burma Detail

Quelle: NAGA IDENTITÄTEN Zeitenwende einer Lokalkultur im Nordosten Indiens / Zürich 2008 (Autoren: Oppitz, Kaiser, von Stockhausen, Wettstein)

Dr. Hans Nevermann: Masken und Geheimbünde in Melanesien / Verlag von Reimar Hobbing in Berlin SW61 1933 / Über den Autor: hier / Inhaltsverzeichnis, Leseprobe und Karte des Reisegebietes:

Nevermann Melanesien Inhalt  Nevermann Mysterium

Nevermann Karte

Viktor von Plessen: Bei den Kopfjägern von Borneo / Ein Reisetagebuch / Schützen-Verlag Berlin 1936 / Über den Verfasser: hier / Vorwort von Prof. Dr. Erwin Stresemann:

Plessen Vorwort a

Plessen Vorwort b

Wenn wir auch Bali einbeziehen, ergibt sich eine Extra-Bibliothek, gerade was das Thema „Paradies“ betrifft. Siehe schon hier! Richard Katz hat auch viele Beobachtungen aus anderen Gegenden – z.B. Borneo – notiert, über Kolonialstile, Rassenunterschiede, Heimat, Sehnsucht, Frauen, Charaktere, zwar nicht direkt rassistisch (1929!), aber doch wenig intelligent. Das Buch von Adrian Vickers ist grundlegend, ähnlich wie das eingangs vorgestellte zur Südsee von Hans Ritz.

Richard Katz: Heitere Tage mit braunen Menschen / Im Verlag Ullstein Berlin 1930 / Zum Verfasser siehe hier

Bali Katz Heitere Tage Bali Vickers

(Fortsetzung folgt)

Wie ich das Balkan-Blech lieben lernte

Eine Rückblende von Jan Reichow

Blechmusik klang in meiner Kindheit vom Friedhof in Bethel herüber: der Posaunenchor spielte Bach-Choräle, die Essenz der westlichen Kirchenmusik, Musik der Trauer und des Trostes, letzte Botschaften. Später wurden mir die Trompeten und die Hörner des Weihnachtsoratoriums zum Inbegriff der Freude. Aber wenn mich jemand fragte, wie ich als klassisch ausgebildeter Geiger eigentlich zu den Blasorchestern des Balkan fand, müsste ich eine lange Geschichte erzählen, könnte aber auch mit der Gegenfrage kontern: Kennen Sie denn „Ciocârlia “ noch nicht? Und ihm eine bunte CD in die Hand drücken.

Wahrscheinlich käme dann allerdings doch noch meine Geschichte: wie jeder Geiger, der an eine virtuose Zukunft glaubt, hatte ich mich früh auf Sarasates „Zigeunerweisen“ gestürzt, hielt sie für ein glänzendes Phantasieprodukt, nicht ahnend, dass der Komponist das Notenbuch eines ungarischen Roma-Komponisten ausgeschlachtet hatte. Und einige Jahre später hatte ich fürs Examen u.a. „Tzigane“ von Ravel vorbereitet, ein Konzertstück, das in meiner Einschätzung wiederum den Sarasate auf eine neue Ebene hob, nach Ansicht des vorsitzenden Geigen-Gurus Max Rostal aber nichts als Blendwerk war, ein Verrat an der wahren Zigeunermusik, die nämlich improvisiert sei. Rostal war ein Schüler des großen Violinpädagogen Carl Flesch, der berichtete, Sarasate habe einmal bei der rumänischen Königin Gelegenheit bekommen, die beste Zigeunerkapelle des Landes zu hören, was er mit den Worten quittierte: „Mais, c’est mauvais ça!“ Allmählich wuchs die Empfindlichkeit, es gab jedoch auch ganz andere Maßstäbe als die des bürgerlichen Konzertsaals. Wer hat „Hora staccato“ komponiert? Oder improvisiert? Grigoraș Dinicu war es, der aus einer hochmusikalischen Roma-Familie stammte, am Konservatorium in Bukarest Geige studierte und zwar – bei Carl Flesch, dessen Professorenlaufbahn hier begonnen hatte. Dinicu bekam ein Stipendium für die Wiener Musikuniversität, durfte es aber nicht wahrnehmen, so hieß es, weil er ein Roma sei. Jascha Heifetz erklärte ihn später für den besten Geiger, den er kannte, und sorgte für die vielgespielte Bearbeitung des „Hora Staccato“.

Die andere weltweit berühmte Komposition „Ciocarlia“ (Die Lerche), mit deren „Vogelstimmen“-Imitation heute jeder Salongeiger zu brillieren versucht, stammt von Dinicus Großvater Angheluș, der sie allerdings für die rumänische Panflöte schrieb. Genauso habe ich das Stück 1972 erlebt: mit dem rumänischen Virtuosen Gheorghe Zamfir, am Anfang seiner Karriere Gast des WDR, unter einem steinernen Rundbogen im Römisch-Germanischen Museum Köln. War dies der Beginn meiner Liebe zur rumänischen Volksmusik? Sieben Jahre später reiste der inzwischen festangestellte Redakteur für den WDR in die entlegensten transylvanischen Dörfer bis hinauf nach Cornereva (dorthin allein wegen des legendären Dudelsackspielers Nicolae Nemes-Munteanu), hinüber nach Ost-Serbien, wo ihn die Geiger des Dorfes Jabukovac und im Nachbardorf ein Blech-Orchester elektrisierten. Als er dieses wenig später – wie auch die Geiger – nach Köln einladen wollte, hatten sie alle umgesattelt: vom Blech auf E-Gitarren. Die Faszination ließ ihn nicht los: 1984 besuchte er das Trompeten-Festival im serbischen Guča, unvergesslich, wenig später wurde das dort preisgekrönte Ensemble Bakija Bakić aus Vranje beim WDR-Folkfestival am Kölner Dom bejubelt. 10 Jahre später entfachte das Taraf de Haydouks aufs Neue die große Rumänien-Begeisterung, ach, den Purismus à la Bartók – bei aller Verehrung – habe ich nie teilen mögen, und wenn ich meine liebsten Musikstücke nennen sollte, dann wäre darunter ein bestimmtes Liebeslied von Romica Puceanu, aber auch, um wieder froh zu werden, ein paar „Reißer“ der Fanfare Ciocarlia, das eine zum Sterben schön, die anderen – wo auch immer – zur Wiederauferstehung. Vielleicht im Dorf Zece Prăjini? Oder – warum nicht – da oben auf dem Mars? Wenn nur auch die Fanfara sich dort einfindet, um mir ein paar der „Devil’s Tales“ vorzutragen.

Der Horizont hatte sich nicht erst 1997 nach allen Seiten geöffnet, aber das WDR Folkfestival, das damals seit über 20 Jahren existierte, hieß nun Weltmusikfestival, und wenn die finanzielle Frage immer wieder aufgerollt wird: es gab ja ein Gesamtbudget, inbegriffen vielleicht eine Stargage, aber die entscheidenden Entdeckungen lagen auf anderer Ebene und – in den besonderen Interessen der Redaktion. Ich erinnere nur an den bis dahin völlig unbekannten Zulu-Chor „Ladysmith Black Mambazo“, der aus Südafrika geholt werden musste. Es gibt übrigens nur eine einzige Begegnung, die ich missen möchte, die mit dem eiskalten Management eines sehr prominenten sozialistischen Sängers aus Griechenland. Was ich nie vergessen werde, ist ein Blick aus meinem Bürofenster auf den Kölner Domplatz, wo schon der Probenaufbau begonnen hatte: da schien sich eine etwas verstreute Besuchergruppe zu nähern, gleich lauter Spionen undercover, Herren mit Hut und dunklem Anzug, auf dem Weg zur Bühne, und plötzlich sah ich, dass sie Instrumente hielten, Klarinettentöne waren zu hören, und Sekunden später ein wildbewegter Ensembleklang, der mich vom Bürosessel hob: unglaublich, die Fanfara Ciocarlia war tatsächlich eingetroffen! Und übertraf alle Erwartungen! Es ist nicht selbstverständlich, dass das, was im Dorf aufregend klingt, auch im Herzen der Großstadt funktioniert. Die Begeisterung war groß.

Und nach 20 Jahren immer noch, und wenn heute jemand sagt, das ist aber keine echte Zigeunermusik mehr, die haben doch einen Komponisten: so benennt man letztlich die Weltoffenheit ihres Dorfes, das nur seinen Namen einer engen Grenzziehung verdankt: Zece Prăjini, d.h. Zehn Felder, – die ihnen einst ein rumänischer Fürst zugestand, als die Einwohner noch Leibeigene waren.
Der Komponist Koby Israelite hat sich dem „Blues from elsewhere“ verschrieben, man spricht auch gern vom „Balkan Blues“, um Außenstehenden die besondere Stimmung der „Zigeunermusik“ anzudeuten; von Komponisten wie Grigoraș Dinicu war schon die Rede. Jede gute Musik wurde ja von einem begabten Menschen erfunden, auch wenn er anonym bleibt und seine Stücke sich im Gebrauch verwandeln. Die Interpreten selbst sagen:

„Die Bauern, auf deren Festen wir gespielt haben, waren keine Zigeuner. Wir haben gespielt, was diese Leute hören wollten, ihre traditionelle Musik, Sirba und Hora, aber auch Manele, Stücke mit orientalischem Einschlag. Wir übernehmen diese Melodien, geben ihnen aber dann unsere ganz spezielle zigeunerische Note, d.h. mehr Wärme, mehr Farbe, mehr Glanz. Wir improvisieren, ändern den Rhythmus…“

So erzählte es Ion Ivancea, der 2006 verstorbene Chef des Ensembles, der Journalistin Regina Lessner, und der Tubaspieler fügte hinzu, mit ihrer Geschwindigkeit könne es ohnehin keiner aufnehmen, und Tubaspieler wie er, Monel, hätten sich am Ende eines Hochzeitsfestes, – 20 Stunden Blasmusik kämen da immer zustande -, hätten sich manchmal gefühlt, als ob sie von morgens um acht bis zum Morgen des nächsten Tages Luftmatratzen aufgeblasen hätten. Aber ich bin sicher: auch dann klang es immer noch hinreißend wie am frühen Morgen des ersten Tages. Und heute noch wie damals, auf dem Platz am Kölner Dom!

Ausblick März 2016

Ciocarlia Screenshot 2016-02-11 12.01.15 echter Link nur HIER

Tourneeübersicht und anderes HIER. (Terminauswahl: 1.3. Köln / 3.3. Ravensburg / 6.3. Karlsruhe / 8.3. Regensburg / 9.3. Hannover / 12.3. Worpswede / 13.3. Berlin)

Neu (26.02.2016)

Ciocarlia CD Mars Booklet

Ciocarlia CD Mars Titelseite

Noch ein Gedankengebäude

Max Weber 

Wie der Zufall gerne spielt: während ich am vorigen Beitrag arbeitete, kommt die Post und bringt die Pflichtbestellung 2015, die ich der Wissenschaftlich Buchgesellschaft eilig nachgereicht hatte, um nicht drei „fremdbestimmte“ Werke zu bekommen, die ich nicht unbedingt brauche. Und dieses Buch passt genau zu dem (Eigen-)Zitat, das ich vorhin wiederlas, womit – wie schon des öfteren – eine Gedankenkette ausgelöst wurde, die am Ende zu dem Vorsatz führt, einmal wieder Max Weber (und John Blacking) zu studieren.

Kunstmusik Zürcher 92

Da spielt natürlich auch Peter Schleuning hinein, den ich im Programmheft „West-Östliche Violine“ 1989 (wo ist das eigentlich? s.u.!) ausführlich zitiert habe. Und zu John Blacking gesellte sich inzwischen Bruno Nettl. Aber im Hintergrund immer ER:

Weber WBG  … und im Detail dies: Weber WBG Musik

Und daraufhin liegt hier nun auch wieder ein guter, bei Weber ansetzender Kulturenvergleich auf dem Tisch, oder besser gesagt: ein „Verstehensversuch Indien/Europa“ will rekapituliert werden. Ich habe den Entstehungsprozess damals fast aus der Nähe miterlebt.

Kurt Indien  Kurt Inhalt a  Kurt Inhalt b

Immer wenn ich ins Autobiographische abdrifte, treffe ich auf den universalistischen Drang, den man auch der Hybris verdächtigen kann. Dazu gehört, dass zu Beginn meiner „bildungsfähigen“ Zeit bei Rowohlt die ersten Taschenbücher einer „Enzyklopädie“ auftauchten, die ich mir im Laufe der Zeit vollständig einzuverleiben trachtete. So kann man nur scheitern! War es ein Wunder, dass ich am Ende auch die Geige, wenn ich schon kein Virtuose geworden bin, in den Mittelpunkt der Welt zu stellen geneigt war? Das wäre ein Extra-Kapitel in Fortsetzungen wert.

West-Östliche Violine III 1989  West-Östliche Zitate bitte anklicken (wie immer)

Die Grafik (oben) stammt von Heinz Edelmann: zweifellos hat er den Geiger als – Migranten gesehen. Und die Kritik in der Kölner Rundschau war dergestalt, dass ich sie verwahrt habe…

West-Östliche Rezension Wittersheim kl Autor: Werner Wittersheim

Natürlich sollte es weitergehen:

Südindische Violine Plakat neu 8. Januar 1994

Südindische Violine Foto Mikro-Probe (mit Tonmeister Frobeen)

Zurück zu dem Buch „Indien und Europa“. Ich kann nicht darin blättern, ohne dass mich ein zweifelndes Gefühl beschleicht. Woran liegt es? „Ein Verstehensversuch“. So viel Richtiges, aber das Entscheidende fehlt (schon im Ansatz). Zunächst wäre die Ungleichzeitig des Gleichzeitigen zu bedenken (ohne die westliche „zeitgenössische“ Welt als Trumpf auszuspielen, – es könnte der absurde Weg sein). Das traditionelle (!) indische Denken wäre mit einer „abgerundeten“ abendländischen Weltanschauung wie der des Barock zu vergleichen, nicht mit der Moderne. (Affektenlehre, Prinzip der Bewegung, Basso continuo = Tabla). Die Moderne betrifft Indien – die indische Musik – auf ähnliche Weise wie uns, – aber auch ganz anders. (Bleibt der Grundton?).

In den alten Zeiten…

als das Wünschen noch nicht nötig war und die Schatzkammern öffentlich…

Musikkulturen 1996

Zürcher 920514 Neue Zürcher Zeitung 14.05.1992

Musikkulturen Schätze 1994  Januar 1994

Musikkulturen Festival a September 1990

Musikkulturen Festival b Ein Festival der Völker seit 1976

Aus dem Folkfestival wurde das Weltmusikfestival, und es lebte noch 10 Jahre weiter, und wenn es nicht gestorben worden wäre, lebte es vielleicht noch heute.

Dies zur Erinnerung.

Der Schallplattenpreis ist da!

Preis der Deutschen Schallplattenkritik 2015

Jury Foto 2015-pdsk Foto: pdsk

Im Jahresausschuss 2015 arbeiteten mit (v.l.n.r): Jan Reichow (Jury Traditionelle ethnische Musik, WDR, freier Autor), Jörg Wachsmuth (Jury Black Music, freier Musikjournalist, rap2soul), Werner Stiefele (Jury Jazz I, Fachjournalist für Jazz), Matthias Inhoffen (beratend), Sabine Fallenstein (Jury Cembalo & Orgel, SWR), Eleonore Büning (Jury Kammermusik, F.A.Z.), Torsten Fuchs (Jury Black Music, freier Musikjournalist, rap2soul), Norbert Hornig (Jury Konzerte, freier Musikjournalist, Fono Forum, Deutschlandfunk), Michael Kube (Jury Orchestermusik, Neue Schubert-Ausgabe), sitzend Albrecht Thiemann (Jury Lied, Opernwelt) und  Wolfgang Schiffer (Jury Hörbuch, WDR, Hörspieldramaturg, Buchautor). Nicht auf dem Foto: Susanne Benda (Jury Chormusik, Stuttgarter Nachrichten)

Einmal jährlich verleiht der „Preis der deutschen Schallplattenkritik“ bis zu 14 Jahrespreise aus verschiedenen Musikrichtungen für die besten Produktionen des zurückliegenden Jahres, die von einem juryübergreifenden Gremium ausgewählt werden. Die 12 Jahrespreise 2015 werden im Rahmen öffentlicher Konzertauftritte oder Literaturlesungen (im Bereich Hörbuch) in Deutschland, Österreich und der Schweiz an die Preisträger verliehen.

Die Ergebnisse: http://www.schallplattenkritik.de/jahrespreise

Absolutes Gehör

Was ist das?

Das Wort „absolut“ wird heute inflationär gebraucht (so häufig wie „genau“ oder „definitiv“, als Antwort genau dort, wo ein schlichtes „ja“ definitiv genügen würde), daher meint man häufig, ein absolutes Gehör sei ein besonders gutes Gehör, eine hervorragende Hörfähigkeit im musikalischen Sinn. In Wahrheit bezeichnet es nur die Fähigkeit, einen Ton auf Anhieb mit dem richtigen Namen zu benennen. Oder ihn ohne Überlegung mit der richtigen Klaviertaste zu assoziieren.

Wenn ich eine Weile keine Musik gehört habe und den Ton einer Kirchenglocke benennen möchte, stell ich mir kurz vor, wie ich die Geige anspiele, höre innerlich die beiden Saiten d‘ und a‘ als Quinte. Ich könnte mir auch vorstellen, dass der Oboist den Ton a‘ angibt, also den Kammerton, mit dem das Ensemble einstimmt. Und dann kann ich sagen: die Kirchenglocke hat den Ton G oder E. Ich vergewissere mich aber gern mit einer Stimmgabel, – unfehlbar bin ich durchaus nicht. Wenn ich am Schreibtisch sitze, überprüfe ich mich, indem ich den Telefonhörer abnehme und den Freiton höre, – es ist das eingestrichene a‘.

Ich habe also ein relatives Gehör; ich bestimme also bei Bedarf  die Töne relativ zu einem mir bekannten Ton. Wenn ich weiß, dass ich Schuberts „Unvollendete“ aufgelegt habe, sehe ich natürlich die Töne im Notenbild vor meinem geistigen Auge: den Anfangston H, ich weiß ja, dass sie in h-moll steht und so beginnt. Ich weiß auch im voraus, dass der zweite Satz in E-dur steht und höre ihn so im voraus. Aber die Tonarten (die Bezugstöne) wechseln während des Ablaufs der Musik, und ich konzentriere mich keinesfalls darauf, den Wechsel fortwährend benennen zu können. Musik ist kein Quiz. Vieles geht allerdings intuitiv „von selbst“, ich weiß z.B. wie die leeren Saiten der Streichinstrumente klingen und nehme sie wahr, ohne das wichtig zu finden.

Absolutes Gehör ist anders. Ich habe in einem Interview einmal die Violaspielerin Tabea Zimmermann gefragt, was sie als erstes denkt, wenn sie sich die „Concertante“ von Mozart vorstellt. Da sang sie, ohne eine Sekunde zu überlegen, sehr bestimmt den Ton es‘, – „diesen Ton, bzw. den Es-dur-Akkord, mit dem das Orchester einsetzt“, sagte sie. Das ist absolutes Gehör.

Es kann ein Problem beim Hören und Benennen geben, wenn der Kammerton in der alten Musik einen halben Ton tiefer gesetzt ist. Oder sagen wir, man würde von einer historischen  Orgel begleitet, die einen dreiviertel Ton tiefer eingestimmt  ist: man müsste diese Stimmung natürlich genau übernehmen und hätte möglicherweise fortwährend mit einer gravierenden Irritation zu kämpfen.

In den „Wissenschaftsgesprächen“ des ZEIT-Magazins sprach Stefan Klein mit der Psychologin Diana Deutsch über das Phänomen des absoluten Gehörs, das nur ein Mensch unter 10 000 besitze. Und sie relativierte, das sei nur in unserer Kultur so:

Aber wo die Menschen eine tonale Sprache wie Mandarin sprechen, ist das anders. Ich bemerkte das zufällig, als ich versuchte, chinesische Wörter nachzusprechen. Mein Gegenüber wusste nicht, was ich meine. Da versuchte ich es in einer anderen Tonlage. Plötzlich verstand er mich. So kam ich auf die Idee, zu untersuchen, wie häufig das absolute Gehör unter chinesischen und amerikanischen Musikern ist. Zwei Jahre lang fragte ich bei Konservatorien an, ob sie an der Studie teilnehmen wollten. Aber es war zum Verzweifeln: Hier in Amerika sagte man mir, dass die Erhebung unmöglich sei, weil selbst unter hochbegabten Studenten so gut wie niemand Tonhöhen auf Anhieb erkenne. Die Chinesen fanden mein Vorhaben unsinnig: Man wisse doch, dass Musiker diese Fähigkeit hätten! Schließlich fanden sich zwei Hochschulen. Heraus kam, was die Leute an den Konservatorien mir vorausgesagt hatten: In den USA hatte fast niemand das absolute Gehör, in China hatten es sehr viele.

(Stefan Klein: Man könnte genetische Gründe vermuten.)

Wir haben uns chinesischstämmige Amerikaner angesehen. Nur diejenigen, in deren Elternhaus Chinesisch gesprochen wurde, schnitten gut ab in unserem Test.

(Stefan Klein: Dann wäre das absolute Gehör also nicht angeboren, sondern erlernt.)

Es ist auch angeboren – und zwar jedem Menschen, wie mir scheint. Nur müssen Sie rechtzeitig im Leben Gebrauch davon machen, sonst geht es verloren. Und das heißt während der Sprachentwicklung. Je früher in Ihrer Kindheit die Chinesen übrigens mit dem Musikunterricht angefangen hatten, um so genauer hörten sie auch.

Quelle ZEIT MAGAZIN Nr. 50, 10. Dezember 2015 Stefan Kleins Wissenschaftsgespräche (27)  Mit der Psychologin Diana Deutsch über die Geheimnisse der Musik (Seite 20)

Sehr interessant auch der Rest des Gespräches z.B. über Links-Rechts-Vertauschung, akustische Täuschungen etc. siehe auch im 2 Zeilen höher gegebenen Link zu Wikipedia. Auch über frühe Sprachen und Gesang. Vögel, die Duett singen, siehe auch xxx, aber neu: wenn einer der beiden Vögel stirbt, kann der Überlebende sogar den Part des anderen übernehmen.

(Fortsetzung folgt)

Zwischenbemerkung zu Pop-Musik

Walk On The Wild Side

Eine mit Superlativ versehene Bemerkung in der Süddeutschen Zeitung zum Thema Song veranlasst mich zum kleinen Nachhilfeselbstunterricht. Ich war irgendwo zu Besuch und las und notierte:

Holly Woodlawn wurde dann selbst eine Ikone, ihre Ankunft im rauschhaften New York war zumindest ein kleiner Urknall. Der große Lou Reed sang darüber, in einem der schönsten Songs überhaupt – „Walk On The Wild Side“: Holly come from Miami, FLA / Hitch-hiked her way across the USA.“ Der Tramp aus Florida mit den gezupften Augenbrauen … (etc.etc.)

Quelle Süddeutsche Zeitung 8.12.2015 Autor: David Steinitz

Holly Woodlawn hatte jedenfalls mit Andy Warhol zu tun, eine Google-Suche  ergibt jede Menge Nachrufe. Zur Orientierung zunächst nur dies. Ich erinnere mich an einen Warhol-Film mit Joe Dallesandro, den ich damals gesehen habe, in der Zeit, als man in Konzertsälen „Happenings“ erlebte, z.B. mit Charlotte Moorman am Cello, halbnackt, in Cellophan gehüllt.

Vor allem aber will ich hören, was da melodisch „in einem der schönsten Songs überhaupt“ passiert, also nicht einem der schönsten von Lou Reed, sondern „überhaupt“. Youtube ergibt ausreichend Treffer, ich werde den Song nicht nur einmal hören, sondern – wie üblich – mehrmals. Zunächst mehr als Bilderfolge, einfach so, dann auf den ebenfalls wiedergegebenen Text konzentriert. Auch die Song-Infos bei Wikipedia führen weiter, eine Insider-Übersetzung ist ebenso leicht zu finden. Und noch eine Bilderfolge hier.

Was will ich mehr? Ich suchte ja einen „der schönsten Songs überhaupt“. Soll ich die Melodie notieren? Gibt es eine? Eins ist sicher: Ich werde bei diesem Autor Steinitz (Namen können verpflichtend sein!) nicht um Nachhilfe bitten. Sonst erwischt mich auch noch ein Urknall.

Nachtrag (Um doch noch etwas ins Detail zu gehen: der Text zum Mitlesen)

Walk On The Wild Side

Holly came from Miami, F.L.A.
Hitch-hiked her way across the U.S.A.
Plucked her eyebrows on the way
Shaved her legs and then he was a she
She says, ‚Hey babe, take a walk on the wild side‘
He said, ‚Hey honey, take a walk on the wild side‘

Candy came from out on the island
In the backroom she was everybody’s darlin‘
But she never lost her head
Even when she was giving head
She says, ‚Hey babe, take a walk on the wild side‘
He said, ‚Hey babe, take a walk on the wild side‘

And the colored girls go
Doo do doo, doo do doo, doo do doo

Little Joe never once gave it away
Everybody had to pay and pay
A hustle here and a hustle there
New York City’s the place where they said
‚Hey babe, take a walk on the wild side‘
I said, ‚Hey Joe, take a walk on the wild side‘

Sugar plum fairy came and hit the streets
Lookin‘ for soul food and a place to eat
Went to the Apollo, you should’ve seen ‚em go go go
They said, ‚Hey sugar, take a walk on the wild side‘
I said, ‚Hey babe, take a walk on the wild side‘
Alright, huh

Jackie is just speeding away
Thought she was James Dean for a day
Then I guess she had to crash
Valium would have helped that bash
She said, ‚Hey babe, take a walk on the wild side‘
I said, ‚Hey honey, take a walk on the wild side‘

And the colored girls say
Doo do doo, doo do doo, doo do doo

(Fazit: als lyrischer Text abgrundtief schlecht. Aber steckt irgendetwas an ‚Wahrheit‘ darin? Etwas, das in diesem Milieu als Wahrheit empfunden wird und eine andere Assoziationskette heraufbeschwört als bei mir? Was tun, wenn ich den Text Zeile für Zeile sympathetisch interpretieren müsste? Jede Strophe bezieht sich auf einen anderen Menschen. Lies zur Vorsicht mal eine deutsche Übersetzung, z.B. hier.)

Nachbemerkung 26. Dezember 2015

Zu diesem Beitrag erreicht mich per Mail eine vehemente Gegenposition … bedenkenswert. Ich werde in der Tat – wie in der Klammer angedeutet – dieser Sache noch des öfteren nachgehen. Es ist nicht zulässig, einer „Volksmusik“ mit den Kriterien der „Hochkultur“ zu begegnen. Aus einer ethnologischeren Sicht ist ALLES Volksmusik, auch die, die in einer geschützten Enklave ihre Entwicklung nach eigenen Gesetzen ausdifferenzieren und in jedem Detail durchdenken konnte. Anders als Musik, die „unmittelbar“ von der Bühne aus funktionieren muss, und sinnvollerweise mit Klischees arbeitet, die z.B. flexibel werden, bis hin zur Vieldeutigkeit, also ihren Klischee-Charakter verlieren können.

Nachhilfe 7. Juli 2016

1) Der mehrfach falsch geschriebene Name „Warhol“ wurde korrigiert.

2) Der Satz „Namen können verpflichtend sein!“ bezieht sich auf den Volksliedforscher Wolfgang Steinitz.

3) Der Artikel mag „konfus gestaltet“ sein. Er darf für Nachbearbeitung offen bleiben. Ich verstehe ihn gut.

(Dank an Ana.)

Merkzettel Papua

Was ich mir noch in Ruhe ansehen wollte

Dirk Steffens über Papua-Neuguinea / HIER /  Z.B. über Kannibalismus ab etwa 40:00 (… wurde gern bestimmten Völkern zugeschrieben, wenn die Entdecker einen Vorwand brauchten, sie auszurotten)

ZDF Mediathek Terra X: Faszination Erde  | 22.11.2015 

Papua-Neuguinea – Das verhexte Paradies

Ein faszinierender Garten Eden im Pazifik

Paradiesvögel und Krokodilmenschen, Kängurus, die auf Bäumen leben, und Vögel, die das Brüten einem Vulkan überlassen. Menschen, die sich in über 800 verschiedenen Sprachen verständigen und bis heute ihre magischen Rituale pflegen: Was hat Papua-Neuguinea so vielfältig und fremdartig gemacht?

Ein Film über die Dreharbeiten: auf facebook HIER   Länge: 3:41

Bemerkenswert die Worte (bei 2:25): „Die Probleme kommen immer … immer … vom Ton. Es ist gar nicht das Bild, das so schwer herzustellen ist, sondern der Ton. Auch jetzt wieder….“

Dirk Steffens auf Papua N Screenshot 2015-11-25 11.08.49 Screenshot facebook Beitrag Dirk Steffens

Warum all dies für mich? Um die entsprechenden Bücher und CD-Sammlungen zu aktivieren. Steven Feld „Sound & Sentiments“, Artur Simon „Irian Jaya“, Berliner Museum Ausstellungskataloge, Hans Christoph Buch über den Maler Nolde 1913 in Papua-Neuguinea

„Das Kolonisieren war eine brutale Angelegenheit und wenn eines Tages die Geschichte neu geschrieben würde, müssten die Europäer mit all ihren Humanitätslehren sich in Höhlen verkriechen“, notierte Nolde später, als er auf dem Dampfer Waldemar plötzlich einer Horde Ureinwohner gegenüberstand, die gewaltsam verschleppt, auf Schiffe verladen, weil deutsche Pflanzer Arbeitskräfte brauchten. „Die dunklen, schreckhaft geweiteten Augen der Menschen, aus denen Unverständnis und blankes Entsetzen über den Untergang ihres Volkes spricht“.

So Buchs Fazit von Noldes Reise.

Hans Christoph Buch: Nolde und ich. Ein Südsee-Traum. Kometen der Anderen Bibliothek, Aufbau Verlag, Berlin, 123 S., 18,00 Euro, ISBN 978-3-8477-3003-3

Asmat Cover

Museum für Völkerkunde Berlin 1996 ISBN 3-88609-381-6

 Irian Jaya CD   Artur Simon
Voices Rainforest Cover   Steven Feld
Wikipedia-Artikel zur Musik Neuguineas HIER
Die Frage entsteht, wieso Steven Feld, der grundlegende Arbeiten über die Kaluli (Bosavi) geschrieben hat, hier nicht vorkommt. Es sieht nach Absicht aus…
Vgl. zunächst hier.

Musik in Uganda

Den Tag mit einer Schnell-Recherche beginnen

Uganda ZEIT

Ich muss das ganz lesen, weil ichs nicht verstehe: „Und sie so…“ Was soll das? Fehlt da ein Wort? „…singt…“ oder : „…antwortet…“?

Im Artikel steht es anders (zuviel Pedanterie? Als kleine Übung aber doch wohl brauchbar):

Als Deena im Nationaltheater anfängt zu singen, werden die 400 Leute im Publikum totenstill, dann fangen sie an zu lachen – ungläubig, überzeugt davon, das sei Playback.

Aber dann kommt Deena zum A-Cappella-Teil, den sie extra für diesen Fall eingebaut hat. Sie singt: Omutima gunuma nga simulabye. „Mein Herz zerbricht, wenn er nicht bei mir ist.“ Das Publikum fängt an zu jubeln. Deena singt und singt. Mumulete! bringt ihn zu mir! Und das Publikum jubelt lauter. Mumulete“

Sie stellen den Song ins Netz und kriegen 10 000 Abrufe in 24 Stunden. Am selben Tag ruft das ugandische Fernsehen, will Deena ins Studio haben. Sie gibt an diesem Tag drei Interviews.

Quelle DIE ZEIT 12. November 2015 Seite 87 (Chancen) Und sie so:Omutima gunuma nga simulabye“#  Wie es ist, in Uganda Popstar zu werden – als weiße Frau. Von Bastian Berner.

Ich finde den Titel auf youtube: 58.095 Abrufe , 342 likes, 25 dislikes. Die Kommentare  sind aufschlussreich. Ich denke: wozu die Gewaltszenen? absatzfördernd? Damals: als wir im WDR Musik aus Uganda produzierten, faszinierte das rhythmische Moment und das „Gewebe“ der Strukturen. Aber soll ich hier den Meckerer auf Außenposten abgeben? (Die einzige Kritik dieser Art kommt offenbar – aus Germany)

ZITAT aus den Kommentaren bei youtube:

I thought africa is the home of rythmical music genius, how can the people like such a crappy and dull beat? Not even the people here in germany would like it.

ZITAT aus DIE ZEIT (Quelle wie oben)

Es gibt keine KritiK?

„Ein paar Leute haben auf You Tube gesschrieben: ‚Yeah, ich bin weiß und singe auf Luganda, ich bin so cool!‘ Aber das kommt immer nur von Weißen. Immer! Ich kann dann nur fragen: Wer gibt euch das Recht, für die Ugander zu entscheiden? Niemand! Ihr könnte eure Meinung äußern, aber ich nehme das nicht ernst. Wenn die Ugander irgendwann sagen, wir haben keinen Bock mehr auf dich, dann lasse ich es bleiben.“

Aber die Ugander lieben sie.

Überblick zur Musik in Uganda: HIER (https://en.wikipedia.org/wiki/Music_of_Uganda)

Die Erinnerungen gehen weit zurück, die ersten Begegnungen mit Evaristo Muyinda im WDR Köln gab es vor 1990, für die wissenschaftliche Begleitarbeit zuständig: Barbara Wrenger. (Hochinteressant das von Tiago de Oliveira Pinto aufgezeichnete Gespräch mit Gerhard Kubik über seine Lehrzeit bei Evaristo Muyinda HIER) – ZITAT:

Der erste Schock, als Muyinda mich auf dem 12stäbigen amadinda-Xylophon zu unterrichten begann, war daß er von mir verlangte, eine sich ständig wiederholende Reihe völlig gleichbleibender Schlagabstände zu spielen, von der er sagte, das nenne man „okunaga“. Ich hatte das nicht erwartet. Ich hatte das erwartet, wovon in den Büchern immer die Rede gewesen war: Formeln und komplizierte Rhythmen. Ich errinnere mich noch, daß ich bei diesem Anfang des Unterrichts zu zweifeln begann, ob Muyinda mir „the real thing“ zeigte. Der okunaga-Part erschien mir als solcher zu einfach, ja noch einfacher als die Rhythmen in der europäischen Musik. Das sollte Afrika sein? Dennoch lernte ich diese Reihe gewissenhaft und schlug sie mit den zwei parallel gehaltenen Schlegeln auf dem Xylophon in einem Intervall an, zu dem mir einfiel, dass dies Oktaven seien. Muyinda hatte auch dafür einen Ausdruck. Er sagte dafür: „miyanjo“.

Uganda Evaristo a Uganda Evaristo b

Uganda Acholi CDUganda Acholi b

Uganda Oppermann  Uganda wirkt weiter…

Eine völlig andere Sache:  Geoffrey Oryema war 2001 zu Gast in der Matinee der Liedersänger.

Thomas Daun, seit 1982 freier Mitarbeiter im WDR, machte mich zum erstenmal aufmerksam auf die Arbeit von Peter Cooke, dessen Uganda-Aufnahmen (seit 1966) jetzt im Netz zugänglich sind. Ein unglaubliche Fundgrube!

Nachtrag (Selbstversuch gestern 16.11.2015)

Fahrt nach Bonn (ab 15.30 – Staus – an 16.45, Rückfahrt 22.00 bis 23.00) mit Musik auschließlich CD „Evalisto Muyinda“ (s.o.), auf der Rückfahrt hatten sich die Lieblingstitel „eingependelt“: Tr. 7 und 8.

(Fortsetzung folgt)

Nachtrag 10. Juni 2016

Gestern bei Markus Lanz: Hier ab 64:34 – der Eindruck, den Deena im Gespräch macht, bestätigt die Skepsis angesichts des ZEIT-Artikels damals. Dass der MUMULETE-Beitrag auf youtube nicht mehr abrufbar ist, vielleicht kein Verlust. Man kann auch bei Lanz kurz hineinhören (bei 69:27), der Mann mit der Flaschenpost sitzt übrigens hier im Publikum. Deena: „Das Große an mir ist, glaube ich, dass ich das ganze ernst nehme…“ Absolut, total! Und Lanz: „… eine unfassbare Lebensgeschichte! Ein wahnsinnig schöner Flecken Erde … war selber mal da…es gibt wenig Landschaften, die einen so berühren wie Ostafrika, das geht einem wirklich unter die Haut…“ Ende 72:52.

Der Klang der Kreide

Über Geräusche des täglichen Lebens (Vergangenheit)

Schulsituation / Finde ich auch das Geräusch des Griffels? / Die Sammlung WWS

Zunächst zum Griffel: zum Nebeneffekt – beim Schreiben mit dem Griffel auf die kleine Schultafel entstanden die Quietschgeräusche, die man zu den unangenehmsten zählt. Warum? Ich bin nicht sicher, ob es die letzte Auskunft der Wissenschaft ist, über die Dieter E. Zimmer 1987 in der ZEIT berichtet hat, – sie hat jedenfalls einiges für sich:

Die Forscher nahmen sich im Interesse der Wissenschaft zusammen und erzeugten dieses Geräusch mutwillig. Sie ließen eine dreizinkige Metallforke über eine Steinplatte ratschen. Dieses Geräusch schickten sie dann durch ihre elektronischen Apparate. Ihre Vermutung war die, daß das Unangenehme an ihm sein Anteil an hohen Frequenzen darstellt – ist es nicht seine Schrillheit, die uns so nervt? So filterten sie einzelne Frequenzen heraus, Das Geräusch blieb unangenehm auch dann, wenn ihm seine schrillen hohen Frequenzen genommen waren. Einzelne Frequenzen waren anscheinend für seine Schauderhaftigkeit überhaupt nicht verantwortlich. Deren Geheimnis wollte sich im Akustiklabor nicht preisgeben. Da begannen sie in der Natur zu suchen. Und siehe da, dort fand sich ein spektographisch ähnliches Geräusch: der Warnruf japanischer Affen.

Quelle (zum Weiterlesen): „Das gräßliche Geräusch“ in: DIE ZEIT 16. Januar 1987 (HIER)

Bevor ich zum Thema (Anlass des Blogeintrags) komme, rekapituliere ich kurz meine persönlichen Rahmenbedingungen. Es fing an mit den faszinierenden Anregungen, die von Kevin Volans ausgingen; er war es, der immer wieder beteuerte, dass man zu seinen Aufnahmen aus Südafrika, insbesondere Lesotho) immer den Klanghintergrund der Natur und des Alltags mitdenken müsse. Ich war ein willfähriges Opfer, da mich seit je nicht nur Vogelgesang, sondern jeder tierische Laut, das belebte Rauschen, die Geräusche der Bäume und der Meeresbrandung, der Bauernhöfe und der Bäche in den Bergen bewegte. Oder mehr: mit Erinnerungen aus der Kindheit verschmolz (Ostsee Strandbad Eldena, Lohe bei Bad Oeynhausen, Langeoog, Misburg „Am alten Saupark“). Die Dörfer, aber die Städte ebenso: Beirut 1969, Jabukovac in Ostserbien 1979,  Ftan im Unterengadin seit 1982, Dublin 1983, Tenganan auf Bali 1995 usw., unvergessliche Klangbilder. Schluss!

Um 1980 gab das Buch von Murray Schafer (s.u.) eine äußere Grundlage der „Gefühle“, viele andere Stationen – vermittelt durch die Natur-Aufnahmen von Walter Tilgner, die enzyklopädischen Soundscape-Anverwandlungen von Hans Ulrich Werner (HUW), die CDs und das Kaluli-Buch von Steven Feld – bis hin zu SOUND DES JAHRHUNDERTS (Gerhard Paul / Ralph Schock) 2013, ein mächtiger Band, dessen erste Präsentation in meinem verlorenen Blog steckt. Hier eine Reprise:

Murray Sc hafer The Tuning 1977   Sound des Jahrhunderts Cover neu  2013                       s.a. Besprechung hier (samt Intervention eines meiner Anreger).

Sound des Jahrhunderts Inhalt 1a Sound des Jahrhunderts Inhalt 2a

Und nun dies: es gibt – in der Nachfolge von Murray Schafer und seinem „World Soundscape Project“ – eine große europäische Initiative der Sammlung von Klängen aller Art, Klänge, die sich wandeln und die für immer verloren gehen können. Einzelklänge ebenso wie Klanglandschaften („Soundscapes“). Das Projekt heißt WWS – Work With Sounds.

Ich würde vermuten, dass es sich um ein ein „never ending project“ handelt, aber es sind Daten vorgegeben, die darauf schließen lassen, dass Ende dieses Monats ein Großteil der Arbeit geschehen ist, oder durch eine Erneuerung der Initiative vorangetrieben werden muss:

What does WWS do?

WWS is recording the endangered or disappearing sounds of industrial society – including sounds people try/tried to protect themselves from. During 1st September 2013 and 31st September 2015 we will record at least 600 sounds in their original settings. Every sound will also be documented: What and where is it? And how did we record it?

WWS will be creating a soundscape of industrial Europe.

Zudem sind diese Geräusche oft durch die entsprechenden Filmaufnahmen ergänzt, und all dies ist per Internet verfügbar und unterliegt ähnlichen (also wenig restriktiven) Copyright-Bedingungen wie Wikipedia (Wikimedia, Wiki Commons). Siehe hier. Beispielseite als Screenshot:

WWS Screenshot 2015-09-13 07.04.09