Über Geräusche des täglichen Lebens (Vergangenheit)
Schulsituation / Finde ich auch das Geräusch des Griffels? / Die Sammlung WWS
Zunächst zum Griffel: zum Nebeneffekt – beim Schreiben mit dem Griffel auf die kleine Schultafel entstanden die Quietschgeräusche, die man zu den unangenehmsten zählt. Warum? Ich bin nicht sicher, ob es die letzte Auskunft der Wissenschaft ist, über die Dieter E. Zimmer 1987 in der ZEIT berichtet hat, – sie hat jedenfalls einiges für sich:
Die Forscher nahmen sich im Interesse der Wissenschaft zusammen und erzeugten dieses Geräusch mutwillig. Sie ließen eine dreizinkige Metallforke über eine Steinplatte ratschen. Dieses Geräusch schickten sie dann durch ihre elektronischen Apparate. Ihre Vermutung war die, daß das Unangenehme an ihm sein Anteil an hohen Frequenzen darstellt – ist es nicht seine Schrillheit, die uns so nervt? So filterten sie einzelne Frequenzen heraus, Das Geräusch blieb unangenehm auch dann, wenn ihm seine schrillen hohen Frequenzen genommen waren. Einzelne Frequenzen waren anscheinend für seine Schauderhaftigkeit überhaupt nicht verantwortlich. Deren Geheimnis wollte sich im Akustiklabor nicht preisgeben. Da begannen sie in der Natur zu suchen. Und siehe da, dort fand sich ein spektographisch ähnliches Geräusch: der Warnruf japanischer Affen.
Quelle (zum Weiterlesen): „Das gräßliche Geräusch“ in: DIE ZEIT 16. Januar 1987 (HIER)
Bevor ich zum Thema (Anlass des Blogeintrags) komme, rekapituliere ich kurz meine persönlichen Rahmenbedingungen. Es fing an mit den faszinierenden Anregungen, die von Kevin Volans ausgingen; er war es, der immer wieder beteuerte, dass man zu seinen Aufnahmen aus Südafrika, insbesondere Lesotho) immer den Klanghintergrund der Natur und des Alltags mitdenken müsse. Ich war ein willfähriges Opfer, da mich seit je nicht nur Vogelgesang, sondern jeder tierische Laut, das belebte Rauschen, die Geräusche der Bäume und der Meeresbrandung, der Bauernhöfe und der Bäche in den Bergen bewegte. Oder mehr: mit Erinnerungen aus der Kindheit verschmolz (Ostsee Strandbad Eldena, Lohe bei Bad Oeynhausen, Langeoog, Misburg „Am alten Saupark“). Die Dörfer, aber die Städte ebenso: Beirut 1969, Jabukovac in Ostserbien 1979, Ftan im Unterengadin seit 1982, Dublin 1983, Tenganan auf Bali 1995 usw., unvergessliche Klangbilder. Schluss!
Um 1980 gab das Buch von Murray Schafer (s.u.) eine äußere Grundlage der „Gefühle“, viele andere Stationen – vermittelt durch die Natur-Aufnahmen von Walter Tilgner, die enzyklopädischen Soundscape-Anverwandlungen von Hans Ulrich Werner (HUW), die CDs und das Kaluli-Buch von Steven Feld – bis hin zu SOUND DES JAHRHUNDERTS (Gerhard Paul / Ralph Schock) 2013, ein mächtiger Band, dessen erste Präsentation in meinem verlorenen Blog steckt. Hier eine Reprise:
1977 2013 s.a. Besprechung hier (samt Intervention eines meiner Anreger).
Und nun dies: es gibt – in der Nachfolge von Murray Schafer und seinem „World Soundscape Project“ – eine große europäische Initiative der Sammlung von Klängen aller Art, Klänge, die sich wandeln und die für immer verloren gehen können. Einzelklänge ebenso wie Klanglandschaften („Soundscapes“). Das Projekt heißt WWS – Work With Sounds.
Ich würde vermuten, dass es sich um ein ein „never ending project“ handelt, aber es sind Daten vorgegeben, die darauf schließen lassen, dass Ende dieses Monats ein Großteil der Arbeit geschehen ist, oder durch eine Erneuerung der Initiative vorangetrieben werden muss:
What does WWS do?
WWS is recording the endangered or disappearing sounds of industrial society – including sounds people try/tried to protect themselves from. During 1st September 2013 and 31st September 2015 we will record at least 600 sounds in their original settings. Every sound will also be documented: What and where is it? And how did we record it?
WWS will be creating a soundscape of industrial Europe.
Zudem sind diese Geräusche oft durch die entsprechenden Filmaufnahmen ergänzt, und all dies ist per Internet verfügbar und unterliegt ähnlichen (also wenig restriktiven) Copyright-Bedingungen wie Wikipedia (Wikimedia, Wiki Commons). Siehe hier. Beispielseite als Screenshot: