Archiv der Kategorie: Ethnologie

Tagesthemen

Es gibt Zeiten, nein: einzelne Tage wie diese, an denen man mit „Aufträgen“ (inneren) überschüttet wird, die Themen betreffen, die festzuhalten und zu bearbeiten wären. Es genügt ein Weg zum Bahnhof (wo es Brötchen gibt), und schon mischt sich eine Zeitung ein (oder zwei), begleitet mich nach Hause und diktiert mir die Themen:

1) Spaß am Zerstören / Wir leben in einem Zeitalter, in dem die Macht von Institutionen bedroht ist. Das ist ein Grund zur Freude.

(Stichwort: Institutionen)

2) Von klingenden Bilder / Die Londoner National Gallery bringt mit ihrem Programm „Soundscapes“ Kunst und Musik zusammen – Komponisten lassen sich von ausgewählten Gemälden zu mehr oder minder suggestiven Klangerfindungen inspirieren.

(Blickfang: Holbein „Die Gesandten“ / Stichwort: „unpassende Musik“ bei 100 Gelegenheiten, z.B. „Deutschland von oben“ oder „Dschungel im Baggersee“ gestern abend – Elsass, Nähe Rhein)

3) Ein kurzer Rausch reinsten Glücks / In „Euphorie“ erzählt die US-amerikanische Schriftstellerin Lily King von drei Ethnologen und ihrer Begegnung mit dem Stamm der Tam – der Roman vom Leben der berühmten Anthropologin Margaret Mead inspiriert.

Mead rororo am 24. Aug. 1960 in Mainz gekauft und mit Begeisterung gelesen. Die Relativierung durch die Ethnologie:

Mead Hahn Hans Peter Hahn „Ethnologie“ Suhrkamp 2013 S.98

4) Tücke und Segen des Mausklicks / Piketty-Papier zu Griechenland (Leserbriefe)

5) FADO Mariza kommt am 15.11. in die Kölner Philharmonie. (Ihre erste CD Fado em mim habe ich 2001 mit Begeisterung im WDR vorgestellt.) In der WDR „Nachtmusik“ und  „Matinee der Liedersänger“ waren zu Gast: Amália Rodrigues, sowie Carlos do Carmo und Camané (beide auch beim WDR-Weltmusikfestival Köln bzw. Bonn).

6) Reinhard Goebel (erinnert und wiedergelesen!) – er hat am 31. Juli Geburtstag!

KAMASUTRA als Kopf-Problem

INDIEN-Filme auf arte – noch bis 14. Juli !!!

Man sollte diese Filme nicht versäumen, wenn man sich für die heutige Situation in der indischen Gesellschaft interessiert. Es reicht nicht, irgendwie davon gehört zu haben, dass einzelne Vergewaltigungen spektakulär diskutiert wurden und dass die Lage der Frauen in dieser höchst differenzierten Kultur, der angeblich größten Demokratie der Welt, offenbar desolat ist. Nach einem früheren Beitrag habe ich mir die Notwendigkeit einer indischen Aufklärung, eine Aufklärung in und über Indien – anlässlich des BBC-Films India’s Daughter – zum Thema gemacht, nämlich hier. Es ist unverändert akut geblieben und geht nicht nur Indien an, zumal wenn man der festen Überzeugung ist, dass gerade die indische Kultur (nicht nur die klassische indische Musik oder die neue Literatur der Inder im Ausland) eine große Bedeutung für den Rest der Welt hat. Sie ist paradigmatisch.

Der Film „Sex: Tabu im Lande des Kamasutra“ war gestern abend auf ARTE zu sehen und kann jetzt noch bis nächsten Dienstag übers Internet abgerufen werden. Hier folgt ein Pressetext, in dem das Wort „Tollereien“ befremdet, die französische Version sagt es eindeutig: Récemment, un des plus célèbres éditorialistes indien débutait son article ainsi : „Comment nous avons tué le Kamasoutra“. Effectivement, le pays qui, le premier, a répertorié nos positions sexuelles, se trouve aujourd’hui en panne d’imagination. Der Originaltitel des Filmes lautet: „Sexe, mensonges et frustrations“. Ein Film von David Muntaner und Damien Pasinetti.

ZITAT (Pressetext arte)

Vor kurzem eröffnete einer der berühmtesten indischen Journalisten einen Artikel mit dem Satz: „Wie wir das Kamasutra zu Grabe trugen.“ Es stimmt: Ausgerechnet dem Land, das seine Tollereien als erstes zu Papier brachte, mangelt es heute beträchtlich an Fantasie. Vieles, was mit Sex zu tun hat, ist inzwischen sogar tabu. Während Indien wächst, sich entwickelt und modernisiert, bleibt es auf diesem Gebiet erschreckend altmodisch. Und die konservative Welt, in der die jungen Inder aufwachsen, kontrastiert lebhaft mit den Bildern, die ihnen über Internet, Kino und Werbeindustrie vermittelt werden. Besonders schlimm steht es um das Frauenbild: Westliche Frauen gelten seit langem als freizügig und frivol, doch auch die indische Frau ist in neueren Bollywoodstreifen und indischen Medien meist kaum mehr als ein reines Sexobjekt.

Die Diskrepanz zwischen einer fast mittelalterlich anmutenden Realität und den Frauenfantasien der Medien sorgt bei indischen Männern für große Frustration. In der Dokumentation beleuchten Ärzte, Journalisten und Soziologen sowie Vertreter der indischen Sexbranche die schwierige Beziehung der indischen Männer zu den Frauen.

Hinweis im Vorfeld: Dieser Film ist nicht für Jugendliche unter 18 geeignet.

http://www.arte.tv/guide/de/051049-000/sex-tabu-im-land-des-kamasutra#arte-header HIER 

Was gab es bisher? Einer der neuen Aufklärer Indiens schien Sudhir Kakar mit Frau Katharina zu sein; dies ist die erste Hälfte der Inhaltsangabe des gemeinsamen Buches, das vor fast 10 Jahren erschien:

Kakar Inhalt

Sudhir & Katharina Kakar: DIE INDER Porträt einer Gesellschaft / Verlag C.H.Beck München 2006

Zu Ergänzung lese man das Interview mit Katharina Kakar im Deutschlandfunk hier.

Schon vor 30 oder 40  Jahren gab es einzelne Hinweise auf den problematischen und widersprüchlichen Hintergrund, z.B. in  dem schönen Indien-Buch von Gisela Bonn, – aber es ist auch typisch, dass der eigentlich alarmierende Satz doch spirituell so eingehüllt ist, dass man ihn kaum zur Kenntnis nahm:

Gisela Bonn Khajuraho

Eine Seite vorher ist von der tantrischen Lehre die Rede: demnach wohne das höchste Wissen, die erhabenste Weisheit – Pradschna – im weiblichen Organ, das männliche Prinzip aber sitze im Kopf, im Verstand. Erst beides vereint ergebe das Ganze, die Harmonie. Merkwürdig, wie es nun weitergeht:

Die Yab-Yum-Vorstellung beruht auf dem Glauben, die Frau sei das aktive Prinzip, die Lebenskraft, die sie dem schlafenden männlichen Prinzip, durch ihre Umarmung einflößt. Das Yab-Yum, das Bild der Umarmung, kann man auch verstehen, wenn man den Mann als Prinzip des Weges sieht, auf dem das weibliche als ein transzendentes Ziel einherzieht.

(Fortsetzung siehe oben im abgebildeten Text, und da steht seltsam erratisch ein Satz, als sei die Humanisierung des Geschlechterverhälnisses im Prinzip schon verwirklicht: )

Das Yab-Yum (…) humanisiert eine Religion, die für ihre Verachtung der Frau, für die vollkommene Negierung der Welt bekannt war.

Quelle  Gisela Bonn / Giselher Wirsing: INDIEN und der Subkontinent / Reiseführer / Horst Erdmann Verlag Tübingen Basel 1973 ISBN 3 7711 0160 3 (Seite 63)

Man erinnere sich an diesen Satz, wenn man in dem oben annoncierten Film die indischen „Touristen“ sieht, die ihre gewagten Tempel-Skulpturen fotografieren, als kämen sie aus einer anderen Welt. Ihre eigene (moralische) Welt aber ist die des britischen Puritanismus geblieben, die ihnen als koloniales Erbe hinterlassen wurde. Die Konfrontation mit der westlichen Welt ist zweifach: zeitgenössisch und anachronistisch.

Weitere Filme zum Thema Indien auf ARTE:

Indien – Gewalt im Lande Gandhis

Ein Land voller Pracht. Ein Land voller Ungerechtigkeit. Weltweit das unmenschlichste aller Systeme: Kasten, wie im Mittelalter. Ein Land der Moderne: Atommacht, Global Player, Hightec Jongleur, Raumfahrtprogramm zum Mars. „Den Mars zu erreichen ist eine Sache, 500 Millionen Menschen ohne Toiletten eine andere. Außer man schießt diese 500 Millionen hoch zum Mars.“ (Villoo Patell, Managerin)

ab 9:00 über „Dorfgerichte“ (die jenseits der offiziellen Rechtsordnung wirken)

bei 15:25 der Satz: „Die Kaste  ist das Zentrum der indischen Demokratie, zusammengehalten von viel Gewalt.“ (Arundhati Roy)

 HIER http://www.arte.tv/guide/de/050500-000/indien-gewalt-im-lande-gandhis / Ein Film von Lourdes Picareta (2015) / Länge 53 Minuten

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INDIEN – Land mit Zukunft (zugleich ein fabelhafter Streifzug durch die Geschichte seit 1947)

HIER http://www.arte.tv/guide/de/045935-000/indien-land-mit-zukunft / Ein Film von Laurent Jaoui (2012) / Länge 95 Minuten

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Ich rufe mir einige Sätze in Erinnerung, die ich mir Anfang der 90er Jahre aus einem fesselnden Indien-Roman des FAZ-Korrespondenten Thomas Ross notiert habe; da heißt es über den Protagonisten:

In Indien sah er eine Metapher unserer Welt, das war es, was ihn vor allem hinzog. „Indien ist noch Magma, noch nicht erkaltet und erstarrt wie Europa“, sagte er, „Indien ist ein brodelnder, blasenwerfender Kessel, und niemand weiß, ob er eines Tages überkochen wird. Steht die Menschheit heute nicht vor der Notwendigkeit, auf einem geschrumpften Erdball miteinander auszukommen? Und nirgendwo auf Erden haben verschiedene Religionen, Sprachgemeinschaften, Rassen und Kulturen in einem Land solcher Größenordnung und durch so lange Zeitläufe hindurch miteinander zu leben versucht wie in Indien. Indien ist ein einzigartiges Experiment der Menschheit“, sagte er, „und wenn dieses Experiment des Miteinanderlebens scheitert, dann scheitert die Menschheit.“

Quelle Thomas Ross: Der Tod des heiligen Baumes. Bericht aus dem innersten Indien. Carl Hanser Verlag München Wien 1991 / ISBN 3-446-16186-4

Ich bin mir nicht sicher, was ich heute – fast 25 Jahre danach – und einen Tag nach dem Resümee dieser Indien-Filme über das einzigartige Experiment der Menschheit denken soll. Hätte ich im Augenblick die Ruhe, würde ich eine der großen Raga-Interpretationen von Kala Ramnath hören, vielleicht den Frühlings-Raga, den sie in Bielefeld mit Abhijit Banerjee gespielt hat…

Und alles wäre gut.

Alltäglicher Aberglaube

Mal muss man das Volk zur Toleranz mahnen, mal daran erinnern, dass nicht jeder Unsinn auf Toleranz pochen kann, wenn er im Volk verbreitet wird. So könnte die Maxime einer Tageszeitung lauten, die es allen recht machen will, – allerdings eine beliebig dehnbare Maxime.

Ich kann z.B. nicht einerseits die sonnenhelle Vernunft propagieren und zugleich dem finstersten Wahn eine Gasse brechen wollen. (Wobei ich natürlich andere Worte wählen könnte, etwa „einleuchtende Gedanken“ und „alternative Erfahrungen“: schon ist beides kompatibel.) Andererseits ist etwa die Forderung nach Demokratie nicht vereinbar mit dem Slogan „Ein Volk, ein Führer“, weil jeder inzwischen das gesamte gedankliche Umfeld und die Implikationen der Aussagen kennt.

Heute lese ich die Überschrift:

Immer mehr Südafrikaner erlernen die Magie der traditionellen Heiler. Dann folgt das Stichwort MEDIZIN und der Satz: „Tieropfer, Knochen-Orakel und Wunder wurden lange als Voodoo-Zauber abgetan. Nun bröckelt diese kulturelle Grenze.“

Ein Farbfoto zeigt uns eine blonde weiße Dame, die den Betrachter ins Auge fasst, an einem Tisch sitzend, auf dem ein Kartenspiel ausgebreitet ist und ein voluminöses Handbuch griffbereit liegt. Flößt die Szene Vertrauen ein? Je nachdem, wie man akkulturiert wurde, sagt man vielleicht, ohne dies unbedingt im Sinne von „kultiviert“ zu verstehen. Der Artikel geht von den 1960er Jahren in Südafrika aus, den finsteren Zeiten der „Rassentrennung“ am Kap, „als Kontakte zur schwarzen Kultur nicht vorgesehen waren“. Und weiter:

Südafrika Magie

Wer dazu neigt, sich von einer Verkäuferin in einem Esoterik-Laden beraten zu lassen, wird an diesem Weg nichts Kritikables finden. Und auch die folgende Meldung freundlich gelten lassen. Denn sie ist von gleicher Art.

Papst & Hochkultur

Quelle Solinger Tageblatt 6. Juli 2015

Natürlich, der Papst von einst ist ein ziemlich alter Mann, aber hätte er nicht wenigstens in einem höflichen Nebensatz den unvergleichlichen Karol Szymanowski erwähnen können? Oder das Wunder der polnischen Volksmusik? Ganz zu schweigen von den großen Kulturen der Welt, in denen der Fetischismus der Namen und der hoch-spezialisierten Individuen weniger verbreitet ist als „im Raum des christlichen Glaubens“.

Afghanistan heute. Und vor 41 Jahren

Selten erlebt man ein Déja Vu ganz unvorbereitet. Vorgestern im Kölner Hauptbahnhof, Wartezeit im PRESSE- und Buchladen, nach einem Treffen mit WDR-Kollegen, einem Gang über den Domplatz, Dom-Hotel zur Rechten, Römisch-Germanisches Museum zur Linken, langer Blick aufs Bürohaus von einst, durch die schmale Gasse an Sion-Kölsch vorbei, Alter Markt, Lintgasse, Ostermannplatz und nach 4 Stunden zurück. Wie gesagt, schönes Wiedersehen, Wartezeit, und dann dies:

Afghanistan THEMA 2015 kl  Detail:  Afghanistan Detail

Erinnerung und ein kleiner Schrecken, – wie war es denn damals, als der König noch in seinem Palast wohnte und der Bürger sanftmütig und freundlich vor der Lehmhütte saß? Daneben ein Redakteur aus Köln? Und es ging um nichts als Musik?

Mazar April 1974 k JR Farbe kl

Afghanistan CD Text kl  Diese CD erschien genau 20 Jahre später.

Afghanistan CD kl vorn Afghanistan CD kl rück

Afghanistan Spotify Screenshot 2015-08-11 07.32.09 Die Musik ist abrufbar auf Spotify!

Eine gute Nachricht per Mail: ich darf das Editorial der oben abgebildeten Zeitschrift wiedergeben! Abgeschrieben hatte ich es schon längst: es geht um die Situation HEUTE.

SVEN HANSEN :

 „Ihr habt die Uhren, wir haben die Zeit“, lautet der bekannteste Spruch der Taliban. Als hätte es dafür noch einen weiteren Beleg gebraucht, ist Ende 2014 auch der Nato, die Afghanistan mit ihrem „Krieg gegen den Terror“ unter Kontrolle bekommen wollte, die Zeit davon gelaufen. Das westliche Verteidigungsbündnis hat den Großteil seiner Kampftruppen vom Hindukusch abgezogen, ohne die dortige Situation nachhaltig stabilisiert zu haben. Im Gegenteil: Die Taliban sind heute wieder stärker denn je seit 2001.

In den Hauptstädten der Nato-Staaten, die Truppen entsendet hatten, ist der Frust groß. Die Bevölkerungen stehen einem weiteren Engagement ausgesprochen skeptisch gegenüber; das Gefühl, gescheitert zu sein, ist weit verbreitet.

In einem asymmetrischen Krieg müssen überlegene Armeen nicht auf dem Schlachtfeld verlieren, um politisch als Verlierer dazustehen. Es reicht, dass der militärisch schwächere Gegner eben politisch nicht besiegt ist und den längeren Atem hat. Der Kontrast zwischen den Erwartungen der Interventionisten und der Realität vor Ort wird dann so groß, dass die „gefühlte“ Niederlage zur realen wird. Genau das hat die Nato in Afghanistan erlebt, auch weil Ende 2001 der Optimismus in den westlichen Staaten allzu groß war.

Dabei hätte schon damals klar sein können und müssen, dass einige tausend, ja sogar einige zehntausend Soldaten der Nato und ihrer Verbündeten nicht automatisch eine Befriedung des Landes erreichen. An der sind schließlich auch schon Generationen von Afghanen selbst gescheitert.

Die stolzen Afghanen mögen sich ihrer – oft berechtigten – Klage über das Leid, das ihnen von außen angetan wird, einig sein, weiter geht die Einigkeit aber nur selten. Vielmehr nutzen sie die äußeren Kräfte gern zum eigenen Vorteil. Auch die Nachbarländer, die sich in Afghanistan einmischen, verfolgen damit natürlich ihre ganz eigenen Ziele und nehmen die entstehenden Konflikte mit anderen Nachbarn oder Teilen der afghanischen Bevölkerung in Kauf.

Wie der Blick in die Geschichte des Landes zeigt, konnten sich wichtige Teile der Elite zur Abwehr äußerer Feinde meist doch verbünden und diese schließlich vertreiben. Doch bei der Gestaltung des Friedens sind die Afghanen oft wieder uneins. Wenngleich sich noch nie eine Gruppe tatsächlich vom gemeinsamen Staat abspalten wollte, überwiegt zwischen den Stämmen und Ethnien das Misstrauen, das eine entwicklungsorientierte Politik zum Wohle der ganzen Nation noch immer verhindert hat.

Mit der Volksrepublik China tritt nun ein neuer Akteur am Hindukusch auf. Vielleicht hat die Regierung in Peking aus den Fehlern gelernt, die Moskau und Washington gemacht haben. Immerhin geht sie bislang äußerst behutsam vor. Auch die Taliban werden, wenn sie denn regieren oder mitregieren wollen, lernen müssen, weniger ideologisch und mehr zum Wohl der Menschen zu agieren. Militärisch gewonnen haben sie noch längst nicht.

Der neue Präsident Aschraf Ghani hat im Wahlkampf 2014 viel versprochen, gehalten hat er davon bisher fast nichts. Ein halbes Jahr nach seiner Vereidigung hatte er noch nicht einmal ein vollständiges Kabinett zusammen. Die große Unruhe wird wohl noch länger anhalten, und die Nachbarn werden noch weiter mitmischen.

***

Aus: „Chronik der afghanischen Geschichte“ (Sven Hansen)

Afghanistan Geschichte 1938 bis 2015 a

Mein Moment jenseits der afghanischen Geschichte: Frühlingsfest Mazar-e-Sherif April 1974

Mazar April 1974 a Mazar April 1974 b Mazar April 1974 c Mazar April 1974 d Mazar April 1974 e Mazar April 1974 f Mazar April 1974 h Farbe Mazar April 1974 l Moschee Männer Farbe Mazar April 1974 j Portrait Farbe Mazar April 1974 i Moschee FarbeMazar 1974 Gallia Madadi Aufnahmesituation gr

Mazar April 1974  Zorna & Dhol Farbe

Alle Fotos: ©Jan Reichow 1974

Quelle des Textes von Sven Hansen & Titelseite ganz oben: EDITION LE MONDE diplomatique, abrufbar HIER.

Waheit pur: nicht von dieser Welt!

Revolution nach Lektüre von ZEIT und Brigitte?

Ich frage mich, wie konservativ ich eigentlich bin. Warum DIE ZEIT und welche Artikel? Voriges Mal so viele, dass das Blatt jetzt noch fast ungelesen (aber auf vielen Seiten angelesen) neben mir auf dem Schreibtisch liegt (als Aufgabe), heute nur dieser 1 Artikel (abgesehen von – ausgerechnet – Josef Joffes Kolumne über die MAGNA CHARTA = 800 Jahre): der Lyriker Uwe Kolb und sein Sohn, der Hip-Hopper oder Rapper Mach One. Den im Artikel erwähnten Rap Schweinegrippe gebe ich hier nicht zum Durchklicken (ist mir zu provokativ & wirklich zu „unanständig“), aber doch einen anderen, damit klar ist, wovon die Rede ist. (Auch die Kommentare lesen!)

HIER  https://www.youtube.com/watch?v=kEHntTg4ZS0

Mach One sagt:

Was die You-Tube-Klicks angeht, bin ich selbst überrascht. Der Song  Schweinegrippe, der ja wirklich Blödsinn ist, hat jetzt fast eine Million Aufrufe. ich stelle mir dann immer hundert Verrückte vor, die vor ihrem Computer sitzen und klicken und klicken und klicken.

 Und ich stelle mir einen Kontrast vor. Könnte man in Afrika so viele Klicks mit einer Provokation erzielen? Oder auch nur mit „Blödsinn“?

ZITAT

Me: What makes you unique?

JAY A: Diversity; Singing across different genre – R&B, Hip Hop, Afro Fusion and a different Rap style.

Me: I first knew you when I heard your song ‘On Me ft Amina’, before that, had you worked on any other projects that we probably would want to listen to?

JAY A: My first song was titled „Clap your Hands“, a hip hop track with Jamaican fusion.

Me: Man, how do you cope with all the love ladies show you, considering that you are in a relationship?

JAY A: That is what makes this industry very challenging, I have been able to strike a good balance between the two keeping it very professional.

Quelle: Hier

Ich komme darauf, weil mich ein Bildbericht in der Frauenzeitschrift Brigitte sehr bewegt hat, so dass ich mich via Internet wieder einmal in Kenya umgeschaut habe. Ich kam auf etwas ganz anderes, aber ich habe den Versuch gemacht habe, die Rechte für ein paar der motivierenden Fotos zu bekommen, um sie hier zu präsentieren. Noch hoffe ich: der Fotograf Sergio Ramazzotti antwortete unter schwierigsten Mail-Bedingungen aus Burundi.

Das heißt: die Foto-Serie Kenya zu dem folgenden Text:

Kenya – Bach to the future / An extraordinary music school inside Nairobi’s largest slum

Music, wrote Claude Lévi-Strauss, is „a machine to suppress time“. In Korogocho, one of Nairobi’s largest slums, since some time ago music has also helped to suppress space, to make people forget the squalor and violence, to heal the wounds of the soul, and in some cases to open a door toward a future which, for those born on the edge of the huge open dump that is the symbol of the slum, wasn’t even possible to dream of. Before 2008, in Korogocho no one had ever heard play a piece by Bach or Beethoven. That was the year when a young Kenyan decided to found a school of classical music for children and adolescents in the heart of the shantytown, right next to the dump site. Some of those children have now reached a place whose existence they didn’t even suspect – the Nairobi conservatory – and have before them a future as musicians. But even for the less talented, music is the only opportunity to suppress the time and space in which, in Korogocho, it is often too painful to live.

Text: Sergio Ramazzotti

***

Eine Sache liegt mir noch auf dem Herzen: NGOMMA las ich dort oben auf dem Video, ein uraltes Wort, das ich aber zum ersten Mal mit zwei M geschrieben sehe. Es gibt mir Anlass, an den südafrikanischen (weißen) Musikethnologen zu erinnern, durch den ich das Wort überhaupt kennengelernt habe, – in einer Schrift, die sich an (schwarze) Afrikaner wendet. Und zwar mit eben diesem Begriff, der – offenbar weil jeder ihn kennt – in keiner Zeile des Buches erwähnt wird. NGOMA (Trommel).

Ngoma  Ngoma eine Art Vorwort

NGOMA An Introduction to Music for Southern Africans By Hugh Tracey / Longmans, Green & Co. London Cape Town New York / 1948

Rechts: Eine Art Vorwort vor dem Vorwort des Autors – fromme Wünsche eines Afrikaners 1945 „I do not mean to condemn foreign music at all but I am trying to advise my own people to reclaim our old music and to try to find ways in which we can improve it.“

***

26.06.2015 Inzwischen ist Sergio Ramazzoti wieder in seine Heimat zurückgekehrt und hat mir das Einverständnis zur Wiedergabe einiger Fotos gegeben. Ich kann mir keinen schöneren Kontrast vorstellen als diese Bilder, – sowohl zu der Einstellung eines deutschen Jugendlichen in Berlin, der mit seiner Instrumentalisierung des Internets jeder braven bürgerlichen Musiktradition Hohn spricht, ohne sie überhaupt in Betracht zu ziehen. Als auch zur puristischen Vision der Trennung fremder und eigener Musik. Und zu diesen Relikten westlicher Musikkultur, die in einer gottverlassenen, düsteren Region Afrikas für einen utopischen Hoffnungsschimmer sorgen und früher oder später etwas ganz Eigenes schaffen werden.

Fotos: „Courtesy of Sergio Ramazzotti/Parallelozero“

Ramazzotti Kenya Cello (bitte anklicken)

Ramazzotti e

Ramazzotti a

Ramazzotti d Geiger Kenya

ZITAT (Schwur eines Ghetto-Schülers)

Ich werde diese Violine lieben und beschützen,

als wäre sie mein eigener Sohn.

Fotos © Sergio Ramazzotti http://www.parallelozero.com/ Mit freundlicher Genehmigung für diesen Blog. Eine unvergleichliche Fundgrube: bitte schauen Sie weiter HIER !!!

Das „Andere“ der Melodie

Vom Reis und seinem Ritual (West Java)

Java Sunda 2 Musiker

Java Sunda Cover

Java Sunda 2 Figuren

Was mich zwingt, die unendlichen Melodien zu erkunden, sind die rätselhaften Blicke dieser Puppen und der Ernst, den die geheimnisvollen Tonfolgen mit ihren Bebungen und Haltetönen zum gleichmäßigen Skandieren der begleitenden Zither ausstrahlen. Verstehe ich, was mir die Töne sagen wollen? Mir? Wollen sie überhaupt etwas sagen? Glücklicherweise gibt es einen ausführlichen Kommentar, der auch in die Details geht. Aber schon stehe ich vor weiteren Fragen. Etwa zum Track 1, einer durchgehenden, scheinbar gleichförmigen Musik, – ich beschränke mich auf das, was ich höre, ohne mich zunächst um das Ritual und alles, was es da zu wissen oder zu betrachten gibt, zu kümmern. Diese Musik dauert fast 26 Minuten, ruhig, non stop, ab etwa 3:20 gibt es eine leichte Beschleunigung, aber keinesfalls eine kontinuierliche Steigerung bis zum Schluss. Erst wenn ich vom Schluss wieder auf den Anfang zurückspringe, wird klar, wie unmerklich ich in das  bewegtere Tempo gelangt bin, der vorwiegende Eindruck ist Ruhe und eine latente Spannung, von der sie erfüllt ist. Oder irre ich mich? Ich kann es nicht beurteilen, ich erkenne nicht einmal, von wo bis wo sich jede der drei Melodien erstreckt, aus denen das Kontinuum bestehen soll. Soll ich mir Notizen machen, den Gang der Melodie nachzeichnen? Soll ich dem Medium der fremden Musik meine Kriterien aufzwingen? Soll ich mich allein auf mein Ohr und mein Gedächtnis verlassen? Wie lange dauert es, bis sich dergleichen eingräbt? Es kann in jedem Fall nur darum gehen, dass ich Wiederholungen, die Wiederkehr bestimmter Tonfolgen, die Wechsel der Tonräume, als solche wahrnehme. Was da geschieht, kann keineswegs nach Zufallsprinzipien ablaufen, die Melodien haben Namen, man weiß, dass für diese Art Musik ein Repertoire von 42 verschiedenen Melodien existiert. Sie sind geheiligt, es geht um die Göttin der Grundnahrung aller Menschen: Reis. Und es geht um Allah, was eigentlich das Gleiche ist, wie auch immer dieses doppelt Gleiche koexistieren soll.

1) Pangapungan, Pamapag Ibu, Badud Rengkong. Es sind drei, daran geht kein Weg vorbei.

Zwischenüberlegung

Das Streichinstrument Tarawangsa klingt – im westlichen Sinne – so schön (wenn ich es etwa mit der herberen, näselnden javanischen Rebab vergleiche), dass ich meine, nicht ganz fehlzugehen, wenn ich auch den Melodiegang probeweise ebenfalls nach westlichem Empfinden beurteile, etwa die dynamischen Abstufungen, die nachdenkliche Anmutung der verklingenden langen Töne und ähnliches. Mir scheint ein erster Abschnitt vom ersten Zitherschlag oder auch dem Anfangston der Tarawangsa, dem A der kleinen Oktave bis zum eingestrichenen A zu gehen, also 0:00 bis 1:26, wir behalten die aufsteigende Skala und die Gewichtung der Töne im Sinn (Überspringen der Töne d‘ und g‘). Ein neues Motiv höre ich mit dem zweigestrichenen C auf 1:27, das entwickelt wird, aber zum H strebt (h‘), letztlich noch einen Ton tiefer, zum A (a‘), wo es verweilt, bis bei 2:08 der Ton B (b‘) rückgewonnen wird, der eine weitere Abwärtsbewegung ermöglicht (?), nämlich – das g‘ überspringend – über f‘ nach e‘ (2:16), gesichert erst ab 2:25, sogar mit einer Andeutung des Wechseltons d‘ (2:39), ein Moment des Verweilens auf A (a‘). Neuansatz wieder auf dem angeschliffenen zweigestrichenen C (c“) bei 2:47, jetzt könnte eine Wiederholung des gleichen Melodiegangs folgen…

In der Tat, so könnte man es deuten, sogar bis zu dem Moment, in dem – wie vorher – der Ton B (b‘) „rückgewonnen“ wird, bei 3:23 also. Die Rückkehr nach E (e‘) erfolgt in sanften Wellen, aber dann – bei 3:45 – wird dem Ton D (d‘), bei 3:51 dem Ton G (g‘), also den beiden bisher gemiedenen Tönen Referenz erwiesen, was immer das bedeuten mag. Auf dem Ton E läuft es aus wie beim ersten Durchgang, und wieder beginnt ein neuer Ansatz (der dritte „Durchgang“?) auf dem angeschliffenen zweigestrichenen C (c“) bei 4:03.

Wir ahnen, wie es weitergehen wird: nach dem Auskosten des Terzraumes C-H-A (4:03 bis 4:29) wird irgendwann das B wiederkehren (jawohl: 4:30) und den allmähliche Abstieg zum E „einläuten“. Aber es kommt anders: die Melodie kann sich von dem neuen Schwerpunkt der Terz A-F-A nicht lösen, berührt das E nur einen winzigen Moment in der Umspielung bei 4:43, verweilt bei F-A (noch zweimal blitzt das E auf), ab 5:04 haben wir fußgefasst in einer neuen Sphäre, beachtlich: das C in der Zither, gleich danach ein erstaunliches Dis in der Melodie (5:09). Die kleine Pause bei 5:14 markiert einen Neuansatz auf B; es wird mehr als je zuvor ausgekostet, und wenn der Entschluss zum Abstieg nach E erfolgt ist, wird dieses sogleich (bei 5:30) mit Glissando abgesenkt in Richtung C, kehrt zurück zum ornamentierten E, zurück zur Terz F-A, aber nur kurz, Triller auf E, die Terz bleibt bestimmend. 5:59 – das B kehrt zurück, bleibt vorrangig, bei Wendung in die Terz plus Ton E mischt sich für einen Moment ein C ein (6:19), als Absprung zu E, noch einmal und prononcierter bei 6:22. Folgt bogentechnische „Spielerei“ und Neuansatz auf B, überraschenderweise abgelöst von einem C (6:43), Rückkehr über Terzraum A-F zum E, mit Aufblitzen des Tones C (6:53), bis 7:09 bekanntes Gelände, – aber dann, bei 7:16 tiefes A, eine Region, die seit dem Anfang des Stückes nicht mehr berührt wurde.

***

Haben wir damit einen Zugang gewonnen? Wer weiß… Günstigstenfalls haben wir das genaue Hinhören gelernt.

(Fortsetzung folgt)

Faszination der geschwungenen Linie

Geige Cremona Decke

die Menge der Werkzeuge

Cremona Werkzeuge

und die Zahl der Arbeitsschritte. Einblicke:

HIER  – und ein Werbefilm über Geigenbau in Cremona, darin im Zeitraffer 3 Minuten, wie eine Geige zusammengesetzt wird (ab ca. 4:30 bis 7:30) HIER 

Dank an Wolfgang Hamm! 

Strad F-Loch-Zeichnung

Quelle Die akustischen Rätsel der Geige / Die endgültige Lösung des Geigenproblems / Für Physiker, Geigenbauer und Musiker / Dargestellt von Prof. Dr. Karl Fuhr / Bielefeld 1926

In Beziehung zu setzen mit

Line of Beauty and Grace (William Hogarth 1753) siehe dazu auch: Wolfgang Ullrich „Was war Kunst?“ Frankfurt a.M. 2005

und

Aby Warburg: Schlangenritual / Ein Reisebericht / Mit einem Nachwort von Ulrich Raulff (Wagenbach Berlin 1995)

Intoleranz tolerieren?

Inzwischen kehrt sich die Meinung von dem besinnungslosen „Ich bin Charlie“-Bekenntnis, das auf einem spontanen Mitgefühl für die Opfer von Gewalt beruhte, zu einer differenzierteren Betrachtung der Machtverhältnisse. Derjenige, der partiell die Macht übernimmt, weil er im Besitz von Waffen ist, kann sich, aufs Ganze gesehen, in einer Position der Ohnmacht befinden. Seine Lage ist hoffnungslos, er weiß, dass seine Gegenmeinung keine Chance hat, und die Anderen, die diese Meinung mit Füßen treten oder der Lächerlichkeit preisgeben, wissen es auch. Sie sind in einer Position der Stärke.

Man fragt sich jedoch, „ob der höchste Gebrauch, den man von der Meinungsfreiheit machen kann, ausgerechnet in der absichtsvollen Beleidigung einer Religion und in der Kränkung einer Minderheit bestehen muss…“.

Dass beide Prinzipien, das der Toleranz und das der Meinungsfreiheit, derselben Quelle entstammen, verhindert allerdings nicht, dass sie in der Praxis heftig aneinanderstoßen. Man kann aber das eine nicht zurückdrängen, ohne das andere zu beschädigen. Der polnische, seinerzeit in Oxford lehrende Philosoph Leszek Kołakowski hat schon vor Jahrzehnten darauf hingewiesen, dass hier eine echte Aporie vorliege. Toleranz gegenüber einer fremden Kultur wird zum Problem, wenn sich diese Kultur ihrerseits durch Intoleranz auszeichnet, wie beispielsweise der Islamismus unserer Tage. Vollendete Toleranz müsste eigentlich den Respekt vor der Intoleranz einschließen. Ist der Respekt vor der Intoleranz aber einmal gewährt, gibt es keinen Grund mehr, der eigenen Kultur nicht ebenfalls das recht auf Intoleranz zuzugestehen. Man könnte also sofort zurückschießen. Oder, anders gesagt: die vollständig tolerierte, einschließlich ihrer Feindseligkeit akzeptierte Minderheit wäre die, die man auch vollständig entrechten könnte. Respekt für einen radikalen Islamisten hieße dann – Guantánamo.

Quelle DIE ZEIT 7. Mai 2015 Seite 47  In den Sackgassen der Toleranz. Sind Mohammed-Karikaturen imperialistisch? Warum zweihundert Schriftsteller in New York gegen die posthume Ehrung der ermordeeten Mitarbeiter von „Charlie Hebdo“ protestieren. Von Jens Jessen

Ein Nachruf auf Kołakowski  (18.07.2009 FAZ) endete mit dem schönen Satz:

Der Selbstvergötterung des Menschen, so Kołakowski, habe der Marxismus den gültigen philosophischen Ausdruck verliehen. Auch diese Idolatrie ende „wie alle individuellen und kollektiven Versuche der Selbstvergötterung. Sie erweist sich als der farcenhafte Aspekt der menschlichen Unzulänglichkeit.“

Mit einem leider etwas komischen musikalischen Bild beginnt Jens Jessen die hörenswerte Coda seines Berichtes über den New Yorker Protest der Schriftsteller:

Den von Minderwertigkeitsgefühlen Gepeinigten sollte man die Melodie ihrer Minderwertigkeit nicht immer aufs Neue vorspielen. Es ist auch richtig, dass der Streit universaler Prinzipien nie im machtfreien Raum ausgetragen wird. Was sich in der philosophischen Logik nicht befriedigend auflösen lässt, könnte sehr wohl in der gesellschaftlichen Wirklichkeit wenigstens ausbalanciert werden, durch Sinn für Fairness – und sei es, dass die Mehrheit ihre Macht einmal nicht dazu einsetzt, die Minderheit zu verspotten, sondern ihr zu neuem Selbstbewusstsein zu verhelfen.

Insofern haben die zweihundert Autoren, die sich dem Konsens der Karikaturenverehrung entzogen, in New York etwas Großes getan. Sie haben die von Kołakowski bezeichnete Aporie nicht aus dem Weg schaffen können, aber sie haben den Umweg gezeigt, den man auch gehen könnte – und den die politischen Pragmatiker sei Langem schon gehen, auch wenn sie dafür von den Intellektuellen bis vor Kurzem verachtet wurden.

Quelle s.o. DIE ZEIT „In den Sackgassen der Toleranz“ (Jens Jessen)

Noch einmal: Muss der Respekt vor der anderen Kultur – ob wir sie nun in der Ferne als Mehrheitskultur oder bei uns in der Nähe als Minderheitskultur erleben – soweit gehen, dass wir z.B. auch ihre Frauenverachtung respektieren?

Natürlich nicht. Genügt es – frei nach Diderot – den anderen die Möglichkeit zu geben, ihre Meinung über die Stellung der Frau zu artikulieren?

Jens Jessen meint (a.a.O.):

Das Dilemma lässt sich nur lösen, wenn man das Prinzip der Toleranz an seiner Vollendung hindert. Daher die berühmte, schon von Voltaire und anderen im 18. Jahrhundert erdachte Formel: Die Toleranz müsse ihre Grenze an der Intoleranz finden. Mörderischer Fanatismus muss nicht toleriert werden. Für unsere Tage und unseren Konflikt mit der islamischen Welt könnte das aber auch heißen, das eigene Toleranzideal nicht auszureizen, bis es den intoleranten Kern der fremden Kultur erreicht. Wo aber sollte die Grenze sein? Erst bei offener Blasphemie? Oder schon beim Kopftuch oder der notorischen Unterdrückung der Frau?

Pop-Stenogramm

„Take me to Church“ (Eine Übung)

Buchstaben A bis I nacheinander anklicken

A Lena Meyer-Landrut (Cover-Version)

B Hozier (Original)

C Englischer Text

D Deutsche Übersetzung

E Hozier-Biographie

F Hozier-Interview (+ Live-Version „Church“)

G Ed Sheeran (Cover „Church“)

H Kiesza (Cover „Church“)

I Zur Interpretation Text & Video

Zurück zu A ? (Nein!)

Diese Übung wird gelöscht, wenn sie ihre Aufgabe erfüllt hat.

(Aber zunächst soll noch eine Notenskizze folgen. Und danach kann ich mich vermutlich nicht mehr trennen. Zumal erst damit der analytische Vergleich zwischen den verschiedenen Versionen auf festeren Füßen steht.) Was den überwältigenden Erfolg des Stückes ausmacht, wird natürlich durch keine musikalische Analyse verdeutlicht; der entscheidende Punkt war wohl das Video: die Botschaft, Homosexualität betreffend. Zu dieser persuasiven Haltung passt der fast leiernde Parlando-Ton der Melodie, das Auf- und Abwogen, das erst allmählich eine rein melodische, fast hymnische Wirkung entfaltet; aus dieser ökonomischen Anordnung weniger Töne entsteht Hozier’s Glaubwürdigkeit. Der Text – oder jedenfalls die Explikation des Inhalts – scheint mir völlig zweitrangig. Das „Amen“ sogar albern. Ein Manko im Fall Lena ist vielleicht die unverkennbare Blasiertheit, im Fall Kiesza trotz allen Engagements das allzu hoch gesteckte „Kunst“-Ziel.

Hozier Noten aa

Hozier Noten b''

Dank an Eos!

Kenya Anthem

Der aktuelle Anlass, Kenya musikalisch wahrzunehmen, könnte die CD RANG’ALA sein, die den Vierteljahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik erhielt: siehe HIER und HIER.

Allzu kurz ist die Musik Kenya’s abgehandelt im MGG-Lexikon („Afrika südlich der Sahara“), daher machte ich mich auf die Suche, wurde fündig in The New Grove Dictionary (Edited by Stanley Sadie 1980) Band 9 „Kenya“, Autor: Washington A. Omonde.

Mehr über den Autor HIER, vor allem auch der Hinweis, dass er für die Kenyanische Nationalhymne (mit)verantwortlich ist: unter Punkt 11. patents (if any). Sie wurde etabliert zur Staatsgründung am 12. Dezember 1963.

Nächster Schritt: youtube. Eine bezaubernde Version.

ZITAT

Athieno (formerly annieSoul), a singer from Nairobi, performs her vocal arrangement of the Kenyan National Anthem. „This truly is my favorite Kenyan song. I wish I wrote those powerful lyrics.“

Was liegt näher, als nach dem Text zu suchen? Hier ist er (zum Mitlesen):

Ee Mungu nguvu yetu——————O God of all creation
Ilete baraka kwetu———————–Bless this our land and nation
Haki iwe ngao na mlinzi—————Justice be our shield and defender
Natukae kwa Undugu——————-May we dwell in unity
Amani na uhuru—————————Peace and liberty
Raha tupate na ustawi.—————–Plenty be found within our borders.

Amkeni ndugu zetu———————-Let one and all arise
Tufanye sote bidii————————-With hearts both strong and true
Nasi tujitoe kwa nguvu——————Service be our earnest endeavour
Nchi yetu ya Kenya———————-And our homeland of Kenya
Tunayoipenda—————————-­–Heritage of splendour
Tuwe tayari kuilinda———————-Firm may we stand to defend.

Natujenge taifa letu———————–Let all with one accord
Ee, ndio wajibu wetu———————In common bond united
Kenya istahili heshima——————Build this our nation together
Tuungane mikono————————-And the glory of Kenya
Pamoja kazini——————————The fruit of our labour
Kila siku tuwe na shukrani————-Fill every heart with thanksgiving.

Quelle https://www.youtube.com/watch?v=-UI8l7N-76I (s.u. als Link)

Unter diesem Link findet man auch einen ausführlichen und lesenswerten Text zur Geschichte des Kenya National Anthems, darunter die folgenden Zeilen:

The government therefore constituted a five-member commission headed by the then Kenya Music Adviser, Graham Hyslop, with George. W. Senoga-Zake, Thomas Kalume, Peter Kibukosya and Washington Omondi as members.

This method of preparing a national anthem was completely new in Africa. It was the first time a group of local musicians were given the task of preparing an anthem for consideration by the Government.

Die Musik wird in diesem Fall vom Slovak State Philharmonic Orchestra (Kosice) gespielt. Die quasi offizielle Fassung für den internationalen Einsatz.

Washington A. Omondi:

On the whole, music in Kenya is associated with particular social occasions, which determine its style and nature. Song is the essential musical form and instruments are generally used for accompaniments which are subservient to song. The words of songs are of prime importance, for music is regarded as an enhanced form of speech. A full appreciation of the different music therefore requires knowledge not only of social customs, but also of language, and for this reason even neighbouring peoples may not appreciate each other’s music.

Quelle Artikel Kenya in The New Grove Dictionary (a.a.O. Vol. 9, 867)

Aktuelles zum Thema Kenia in WDR 5 (Radio) am 31. Mai 2015 DOK5 „das ARD radiofeature“ – Wie Terror entsteht – Von Johanna Braun Sonntag 11.05 / Wiederholung Montag 20.05