Schlagwort-Archive: Musik im Raum des Glaubens

Alltäglicher Aberglaube

Mal muss man das Volk zur Toleranz mahnen, mal daran erinnern, dass nicht jeder Unsinn auf Toleranz pochen kann, wenn er im Volk verbreitet wird. So könnte die Maxime einer Tageszeitung lauten, die es allen recht machen will, – allerdings eine beliebig dehnbare Maxime.

Ich kann z.B. nicht einerseits die sonnenhelle Vernunft propagieren und zugleich dem finstersten Wahn eine Gasse brechen wollen. (Wobei ich natürlich andere Worte wählen könnte, etwa „einleuchtende Gedanken“ und „alternative Erfahrungen“: schon ist beides kompatibel.) Andererseits ist etwa die Forderung nach Demokratie nicht vereinbar mit dem Slogan „Ein Volk, ein Führer“, weil jeder inzwischen das gesamte gedankliche Umfeld und die Implikationen der Aussagen kennt.

Heute lese ich die Überschrift:

Immer mehr Südafrikaner erlernen die Magie der traditionellen Heiler. Dann folgt das Stichwort MEDIZIN und der Satz: „Tieropfer, Knochen-Orakel und Wunder wurden lange als Voodoo-Zauber abgetan. Nun bröckelt diese kulturelle Grenze.“

Ein Farbfoto zeigt uns eine blonde weiße Dame, die den Betrachter ins Auge fasst, an einem Tisch sitzend, auf dem ein Kartenspiel ausgebreitet ist und ein voluminöses Handbuch griffbereit liegt. Flößt die Szene Vertrauen ein? Je nachdem, wie man akkulturiert wurde, sagt man vielleicht, ohne dies unbedingt im Sinne von „kultiviert“ zu verstehen. Der Artikel geht von den 1960er Jahren in Südafrika aus, den finsteren Zeiten der „Rassentrennung“ am Kap, „als Kontakte zur schwarzen Kultur nicht vorgesehen waren“. Und weiter:

Südafrika Magie

Wer dazu neigt, sich von einer Verkäuferin in einem Esoterik-Laden beraten zu lassen, wird an diesem Weg nichts Kritikables finden. Und auch die folgende Meldung freundlich gelten lassen. Denn sie ist von gleicher Art.

Papst & Hochkultur

Quelle Solinger Tageblatt 6. Juli 2015

Natürlich, der Papst von einst ist ein ziemlich alter Mann, aber hätte er nicht wenigstens in einem höflichen Nebensatz den unvergleichlichen Karol Szymanowski erwähnen können? Oder das Wunder der polnischen Volksmusik? Ganz zu schweigen von den großen Kulturen der Welt, in denen der Fetischismus der Namen und der hoch-spezialisierten Individuen weniger verbreitet ist als „im Raum des christlichen Glaubens“.