Archiv der Kategorie: Neue Musik

Konzert in Brunnen, Villa Schoeck

Vorbemerkung JR:

Dass ich dieses Konzert vom 12. September 2020 hier wiedergeben darf und dies sehr gern tue, versteht man leicht, wenn ich eine gewisse innere Verwandtschaft verbunden mit einer Wahlverwandtschaft andeute, die ich auch früher schon im Blog bezeugt habe. Zum Beispiel hier bei der „Begegnung auf dem Pragsattel“, wo z.B. schon einmal Werke von Stefan Keller zu Gehör gebracht wurden. Zudem kann man a.a.O. (als Link) auch die „Schaukel“ abrufen, deren Interpretation man etwa mit der hier gegebenen vergleichen kann. Was mich besonders fasziniert, ist die Stimme der Sängerin, die ich im Rahmen Neuer Musik schätzen gelernt habe, wo die extremsten Techniken mit spielerischer Leichtigkeit gehandhabt werden (Neue Vokalsolisten Stuttgart). Darüberhinaus aber getragen und aufgefangen durch ein naturgegebenes, einzigartiges Timbre, das vollkommen gerade in der „traditionellen“ Musik aufblüht. Genau so geht es mir auch mit dem Klang eines kostbaren Flügels, wenn der Pianist ihm – wie hier – den ganzen verborgenen Reichtum zu entlocken vermag. (Während ich selbst eben nur auch „Klavier spiele“.)

Was Othmar Schoeck angeht, erinnere ich mich an die eindrucksvolle Aufführung seiner Oper „Penthesilea“ in Bonn, hier dokumentiert, wo ich zudem ein paar CDs zur Vorbereitung auf den Schoeck-Sound aktiviert hatte.

Gern hätte ich im heutigen Zusammenhang auch die Texte von Unica Zürn wiedergegeben, warte aber noch auf die Freigabe durch die Rechte-Inhaber.

Werke von Stefan Keller und Othmar Schoeck (ZITAT aus dem Internet-Programm)

Der Komponist Stefan Keller (*1974) lebte und arbeitete einen Monat lang in Brunnen. Er vertonte ein Anagramm von Unica Zürn (1916-1970) für Singstimme und Klavier.

Nun wird das damals komponierte Lied mit zwei neuen Liedern zu einem Zyklus ergänzt, der im Rahmen dieses Konzerts uraufgeführt wird.

Website HIER siehe dort auch unter Service, sowie dann unter Medien (z.B. „Medienecho“ und darin 6.9.20 Gespräch mit Stefan Keller + Link neomx3)

Dieses Video EXTERN

Othmar Schoeck Festival 2020
Livemitschnitt des Konzerts vom 12.9.2020

Programm:
Othmar Schoeck: Toccata op. 29 0:46
Stefan Keller: Schaukel (2015) 6:00 – 16:56
Othmar Schoeck: Violinsonate op. 46 18:58 – 40:10
Stefan Keller: Drei Lieder nach Gedichten von Unica Zürn (UA)

 a) Ich, der einsamste mischt seine Ader mit Aschen. 41:28

b) Es war einmal ein kleines warmes Eisen allein. 47:16

c) Das Leben ist schoen / Tod blas‘ es in Schnee. 53:00 (56:52)

Othmar Schoeck: Consolation op. 29 59:20 – 1:04:50
Othmar Schoeck: Drei Lieder nach Gedichten von Keller, Storm und Eichendorff, op. 35 (1928)

  1. Fahrewohl „Den Linden ist zu Füssen“ 1:05:50
  2. April „Das ist die Drossel, die da schlägt“ 1:08:13
  3. Gottes Segen 1:09:15

Stefan Keller: Stück für Klavier (2009) 1:12:49

Moderation zu O.Sch. u. zur Zugabe 1:26:00

Othmar Schoeck: Andante Es-dur (Viola & Klavier) 1:32:45

Mitwirkende:
Truike van der Poel (Gesang)
J. Marc Reichow (Klavier)
Rafael Rütti (Klavier)
Mateusz Szczepkowski (Violine)
David Schnee (Viola)

Bemerkungen (in statu nascendi):

Soweit ich es erkennen kann, gab es fürs Publikum nichts Schriftliches, zum Beispiel zu den Liedern nach Texten von Unica Zürn, inhaltlich tappte man also ziemlich im Dunkeln. Und es ist schwierig genug, einen zusammenhängenden Text durch bloßes Hören zu entziffern, vielleicht geht es auch eher um ein fragmentiertes Erfassen der kleineren Satzeinheiten. Im ersten und dritten Lied wurde mir auch die zusätzliche Rolle des Pianisten erst beim Mitlesen des Textes allmählich klar: er fügt die Laute ein, die von der Sängerin ausgelassen werden. Beispiel: die hier durch Fettdruck gekennzeichneten Buchstaben oder Laute kommen aus dem Mund des klavierspielenden Begleiters:  „Ich, der einsamste mischt seine Ader mit Aschen.“ Faszinierend ist die Gestaltung der weit ausgreifenden Kurz-Melismen, Gesten, Glissandi, sirenenhaften Schleifer der Singstimme. Das Erlebnis der pianistischen Tontrauben, das Versprühen von Farbpartikeln, Sordino- und Zupfwirkungen vermischt mit der Charakteristik stimmlicher Klangentwicklung, der verfremdeten, sorgfältig ausgekosteten Artikulation einzelner Worte und Silben, die wie in Zeitlupe eine Bedeutung entfalten. Man kann versuchen, es innerlich mitzuformen, nachklingen zu lassen.

*    *    *

Hinweis (ab 23.01.2021) zum Nachhören

Porträtkonzert Stefan Keller im DLF abrufbar HIER

Thema des Gesprächs zu Anfang: Körperlichkeit in der Musik / anschließend: zum Tabla-Spiel des Komponisten, der auch Oboe studiert hat. erster Abschnitt 7:33

Nachtrag 21.07.2021 Hier (extern)

Schola Heidelberg Weihnachtskonzert

Eine Empfehlung

HIER  um die Ton- und Bild-Aufnahme digital abzurufen

hier um das Programmheft während des Konzertes oder vorher zu lesen / darin gibt es auch Zeitangaben, wann was im Gesamtablauf zu finden ist, also z.B. Johann Hermann Schein „Wie lieblich sind deine Wohnungen“ ab 27:55

Aktuelle Fenster in die Welt

Musik Landschaft Bücher – und was es für mich bedeutet

 Solingen 28. November 2020

 1997 bis heute

Dieses Filmchen gibt nur eine winzige Andeutung dessen, was das Buch bietet. Vor allem die lebendig stille Landschaft und die Musik selbst, die dem Buch in Gestalt der CD und der DVD beigegeben ist, eröffnen die weiten Perspektiven. Niemand, der dem Obertonsänger bei der Produktion seiner Töne auf den Mund geschaut hat, wird der Versuchung entgehen, dergleichen immer wieder selbst auszuprobieren, dem physisch-physikalischen Urgrund der Musik nahezukommen, auch wenn er noch keine Melodien zu produzieren lernt. Man spürt, dass hinter dieser DVD ein Musiker steckt.

Wer ist Wolfgang Hamm? Siehe hier

 Stichwort Folkfestival 1991 (WDR, JR)

 2005 bis heute

Wieso bin ich im JF Club? Das ist eine kurze Geschichte. VAN ist schuld. ⇒ Hier. Hochinteressant und sympathisch. Aber ich verhehle nicht, dass es auch befremdende Momente gibt, wenn ich etwa von maßgeblichen Vorbildern der jungen Musikerin höre, die schon früh auch das Wohltemperierte Klavier in den (Pianisten!-) Fingern hatte. (Wie konnte da Glenn Gould eine positive Rolle spielen?) Und bei aller Verehrung, – braucht man denn wirklich vier Portraits der Interpretin (Fotos: Dirk-Jan van Dijk), – wenn man sie mit Bachs Solissimo-Werken für Violine hören will? Aber das war ja damals…

Und schon damals so vollkommen in Ausdruck, Intonation und Dynamik, dass man es kaum in Worte fassen kann. Jede Idee, dass man es hier oder da anders machen könnte, ist nach wie vor möglich, aber genau genommen doch überflüssig. Abgesehen von wenigen strittigen Lesarten (s.a. hier). Gerade die empfindlichsten Stücke gelingen überwältigend schön und zart, ich warte z.B. auf die Siciliana in der G-moll-Sonata, auf die Loure in der E-dur-Partita, auf die Sarabanden in der h-moll- und d-moll-Partita, traumentrückt die einen, graziös-engelgleich die anderen. Aus irrationalen Gründen hat mich die Ciaccona mit der holländischen Geigerin Janine Jansen mehr erschüttert, und ich könnte dingfest machen, an welcher Stelle, an welchem Übergang (nicht etwa beim Eintritt des pp-Dur-Themas, wo es „fällig“ wäre) das Herz gewissermaßen zerspringen wollte, es ist egal, und überhaupt sind diese Detail-Vergleiche großer Interpretationen absolut sinnlos. Man soll sich der Feinfühligkeit, Anfälligkeit der eigenen Innerlichkeit nicht rühmen, mal ist es hier, mal dort, so ist Musik, so wirkt sie, und vor allem ist sie soviel größer als man wirklich als kleiner Mensch fassen kann…

  von etwa 1000 bis heute

Musik und Gesellschaft / Marktplätze – Kampfzonen -Elysium / Band 1 1000-1839 Von den Kreuzzügen bis zur Romantik / Frieder Reininghaus, Judith Kemp, Alexandra Ziane (Hg.) Königshausen & Neumann Würzburg 2020

Musik und Gesellschaft / Marktplätze – Kampfzonen – Elysium / Band 2 / Vom Vormärz bis zur Gegenwart 1840-2020

Vieles darin von Frieder Reininghaus, der in den 90er Jahren (Bertini!) aus dem WDR-Programm verschwand und (für mich) nun wieder neu zu entdecken ist. Er hat seine Zeit genutzt. Was ich hier zitiere, hätte ich z.B. gern schon früher gekannt (etwa hier).

 über Beethovens Neunte

Ein großes Werk, auch diese beiden Bände, es sind zwei Mal 700 Seiten, und ich erhoffe mir eine Steigerung dessen, was einst von Hans Mersmann, Jacques Handschin, Georg Knepler und Wilfrid Mellers avisiert worden ist. Peter Schleuning nicht zu vergessen. Und – nebenbei – von Leuten wie John Blacking, Mantle Hood und Bruno Nettl ins Universale gewendet wurde. Hier nun sieht man immerhin Japan mit Gagaku, Musik der Sinti und Roma, den Flamenco und die Beatles berücksichtigt, na ja, auch Volksliedsammlungen des Balkan. Man kann nicht alles wollen, muss auch nicht das Lexikon MGG ersetzen wollen.

Fehlt mir noch was? Weiter mit Bach, ebenso mit Indien! Notfalls weiter im Homeoffice. Und hoffentlich eines Tages wieder im wirklichen Leben. ABER: mit dem gleichen Maß an Vorbereitung, nicht vergessen!

Die aktuelle Solinger Initiative HIER (29.11.20) Bach Orgelwerke online mit Wolfgang Kläsener: Sonate I Es-dur BWV 525, Info dazu bei Wiki 2. Satz c-moll Adagio (30.11.20),  und so geht es mit Bach bis Weihnachten weiter, ein schöner Adventskalender. Weitere Beispiele sind hier allerdings nicht aufzurufen, sie erreichen die kleinere Gemeinde derer, die es gratis „abonniert“ haben. Bei mir tut es die erhoffte Zusatzwirkung: ich studiere die Werke aufs neue, z.B. auch anhand greifbarer Youtube-Aufnahmen, in diesem Fall für einige Tage mit Wolfgang Zerer, der hier eine Einführung gibt, und dann die drei Sätze der Sonate spielt, extern hier abzurufen. Im folgenden Link – weils so schön aussieht – auch direkt:

 Orgelspieltisch in Solingen-Ohligs

 Wolfgang Kläsener am 5.12.

Erste Adventswoche – Donnerstag 3.12.2020

Johann Sebastian Bach: Choralbearbeitung „Nun komm, der Heiden Heiland“ BWV 659

Erste Adventswoche – Freitag 4.12.2020

Johann Sebastian Bach: Choralbearbeitung „Nun komm, der Heiden Heiland“ BWV 660

Erste Adventswoche – Samstag 5.12.2020

Johann Sebastian Bach: Choralbearbeitung „Nun komm, der Heiden Heiland“ BWV 661

Es ist nicht so einfach, wie es scheint, – ein bearbeiteter Choral. Und ich kann gar nicht anders: ich muss Bach ernster nehmen, als es vielleicht einem Gemeindemitglied in den Sinn käme. Natürlich: man muss den Choral schon kennen (liebe Katholiken: auch Ihr!), er ist die Hauptsache, ist es aber wieder auch nicht: er hat seinen Auftritt, zweifellos; aber das, was ihn jetzt und hier groß macht, ist das „Beiwerk“, das Bach liefert ; denn dieser inszeniert ihn, unverwechselbar. Ein großes Wort, – wenn man im Schmieder (dem Bach-Werke-Verzeichnis 1950) nachschaut:

 Es ist vielleicht nicht einmal der Forschung letzter Stand. Und ich habe sogar noch eine berühmte Fassung übersehen, hier ist sie:

Mehr über diesen Choral (Wikipedia) HIER

*    *    *

An eine unvergessene Kölner Initiative sei HIER erinnert, – einzigartig schöne Indische WDR-Konzerte, auch in Bielefeld und Bonn. Bleibendes Echo in Holland. If you happen to like ragamusic the WDR-radiotransmission is not-to-be-missed! Vielleicht sogar dokumentiert wie hier, oder im WDR Hörfunkarchiv wie hier ?  Also: WDR 3 in alten Zeiten, die Entdeckung der Sängerin Kaushiki und des Sitarmeisters Purbayan Chatterjee, verfügbar bis zum 30.12. 2099 (!).

„Die Zeit ist ein Ausschnitt aus der Ewigkeit.“

Solingen 4. Dezember 2020 16.40 h

5 Minuten später

Fotos: E.Reichow

Jederzeit Bartók

Die letzten Werke, das Ungarische und das Klavier

Es geht um Zoltan Kocsis, Pál Kadosa, Dezsö Ránki u.a. (2002) Den Anfang dieses Films (s.u.) wird man nie vergessen! Der Klang des Flügels, die Zitate der Stadt mit dem Clou des Kusses, das Baby, die Menschen. Ab 5:18 Pál Kadosa als Lehrer, der junge Kocsis mit Chopin-Ballade in g, Dezsö Ránki als Schüler mit Beethoven op. 110, bei 8:33 Dezsö Ránki, Andras Schiff u Jenö Jandó – Mozart 3 Klaviere KV 242, Mahlers ganze Sinfonien, Liszt immer gegenwärtig! Kocsis 1986 Liszt Es-dur Konzert, nach 13:00 La Campanella, schön im Café, Ave Maria, wie er das entwickelt! Chopin E-dur-Etüde u.a. Liszt würde nie am Flügel sitzen und zeigen, wie man das spielt, er lässt Schüler machen! „close to human speech“. Ab 21:00 Kodály: Transylvanian Lament sehr gut: klangliche Gestaltung, Intensität des Gesangs! Ab 25:05 Brahms und Ungarn. „As teaching must or should be in a noble conservative spirit!“ 29:07 Dohnányi als Lehrer in Berlin 1940. / ab 29:46 Bartók Romanian Dance Nr.1 / 32:39 For Children book 1 nr.21 / 33:20 Film Bartók rauchend, fühlte sich in USA missachtet, zwischen den beiden Weltkriegen ein unglaublich intensives Leben, 35:35 Géza Anda, Cziffra, Annie Fischer: 1964 Beethoven Nr.3 C-moll, seit Liszt alle das gleiche Feeling, „I feel much more affinity with Annie Fischer than with Cziffra or the others“ 37:16 Rob. Schumann Konzert Annie Fischer

Folgendes Video: András Schiff im Gespräch mit Arie Vardi (2013) // Themen ab 1:02 György Sandor, Bartók Konzert Nr.3, Diskussion über den Charakter des Thema, ab 1:37 Musikbeispiel mit András Schiff bis 6:25, A.S. soll noch mal das Thema anspielen, ein „Schwanengesang“, Abschied vom Leben, wunderbares Buch seines Sohnes Peter Bartók „My Father“, er sagte: ich bin wirklich traurig, diese Erde verlassen zu müssen – mit einem gefüllten Koffer (von Ideen), 7:37, A.S.: Ich traf Sandor in der Carnegie Hall „he was very rude to me“: Du und Annie Fischer, ihr versteht diese Musik nicht, das ist so zu spielen (spielt: 7:43) – Vardi erzählt von einer ähnlich heftigen Kritik, „you are wrong!“,  he told me that this is a soldier song, „Verbunkos!“ A.S. erklärt was das ist, z.B. in Kodálys Harry Janos (spielt ab 8:41) this is a Verbunkos! not this (spielt noch einmal das Thema des Klav.konzertes) Bartók schreibt im Klavier mezzoforte, aber Sandor sagt: wieso spielt ihr alle piano, da steht mf, von Bartók geschrieben, wir sagten: schau auf die Begleitung! A.S.: Bartók hatte nicht die Zeit, die Orchestration zu beenden! Und viele dynamischen Zeichen stammen nicht von ihm sondern von Tibor Serly. In der Partitur steht p, aber ich habe immer um pp gebeten! Wie ein Waldesrauschen! 9:48 Vor Jahren, beim Marlborough Festival in Vermont, hörten wir morgens 6 Uhr diesen Vogelruf (spielt bis 10:09), den man im 2. Satz des Konzertes hört. Und Bartók hat dort in Vermont seinen Sommer verbracht! [Siehe dazu Alison K. Curzio hier , und die entsprechenden Vogelstimmen findet man hier .] Vardi: wenn das ein Verbunkos ist, wieso ist die Begleitung so delikat??? A.S.: Es gibt kein Verbunkos in Triple-Time! A.V.: Aber wenn man mit Sandor diskutierte, konnte man nicht gewinnen! A.S.: „Bless his memory, but we have not to argue with him…“ 11:01 Can you play once again this wonderful…“ (spielt ab 11:06) „that is also much about homesickness“: A.S. Seltsamerweise erinnert es mich an das letzte Mozart-Konzert the same list about mathematicians etc and there ist not a single non-jewish among them / Distanz zum gegenwärtigen Ungarn 14:03 the government and the Hungarian society terrible antisemitic / anti Gypsies / lost territorium after the world war / haben Sie Angst nach Ungarn zurück? I am angry wirh H. / 15:07 great conductors – Ormandy, Solti: Jewish names – Originally, Solti was called Stern, Dorati was called Deutsch, Ormandy was called Blau. Um 1900 fühlten sich die Juden sicherer, wenn sie keinen Nahmen trugen, der jüdisch klang. Ilona Vincze (Lehrerin von Vardi). A.S. Einer meiner Lehrer Sandor Vegh. Klaviertrio mit Ilona V.; Bitte um ein Bartók-Stück mit real Hungarian accent. Very sad.16:43 Für Kinder. Wunderbar! Chillalok, chillalok“- „Let the stars shine, show me the way to my lost beloved“. Beide singen mit in „One who stole a horse.“ Hungarian accent, (igen, igen). Bartóks eigenes Spiel auf Schallplatte. Written paper, you would see this – playing like a good student: 19:32 (spielt) dagegen Bartók rubato. „he plays parlando“. Beethoven similar conclusion wichtig A.V. parlando: nicht genug, wunderschön zu spielen, sondern you look in the eyes and you tell the truth! what happened to this guy, who stole a horse? Gefängnis. Ein anderes Stück für uns… über den wechselnden Takt! Brahms Gipsy Music in Budapest Restaurants, not Volksmusik bis etwa 23:10 [Siehe auch hier ab 1:59].

Meine neue CD, Aufnahme 1987

Die CD ist nicht leicht zu beschaffen, daher hier wenigstens etwas zur Lektüre:

Es lohnt sich, diese – ihrer Farbigkeit scheinbar beraubte – Klavierfassung des Concertos aufmerksam zu hören, gerade wenn man die brilliant instrumentierte Orchesterfassung gut kennt. Eine neue Eindringlichkeit entsteht, was man sich leicht erklären kann, wenn man einen dissonanten Akkord am Klavier vergleicht mit denselben Tönen, verteilt auf verschiedene Instrumente: ihr Zusammenklang erscheint weicher durch den physischen Abstand der Tonquellen voneinander. Ähnliche Erfahrungen macht man bei der Übertragung der Violin-Duos aufs Klavier. Es ist verblüffend: als habe sich ihre kompositorische Struktur geändert, möglicherweise erkennt man die Stücke gar nicht mehr, obwohl man sie als Geiger sehr deutlich „gefühlt“ gefühlt hatte.

Andererseits ist manches ja wirklich anders komponiert, weil es sich nicht in die Reichweite zweier Hände am Klavier mit insgesamt 10 Fingern hineinzwingen ließ. Wir erfahren ja auch nicht, wie der Rhythmus der Slide Drum im „Giuoco delle Coppie“ simuliert wird, und im eingebauten „Choral“ fehlt er einem dann tatsächlich. Er zeigt sich dem Kenner vielleicht als Phantasma.

 

(Fortsetzung folgt)

Königsdisziplin auf Abwegen?

Vor 10 Jahren Donaueschingen Thema Streichquartett

rekapituliert – ein praktischer Zugang (als Arbeitsblatt gedacht)

HIER klicken, wenn Sie zum obigen Bild samt weiterführender Website stoßen wollen

Persönliche Zwischenbemerkung: Ich habe in die Überschrift „Königsdisziplin“ hineingesetzt, weil Armin Köhler selbst dieses Wort, bezogen auf das Thema Streichquartett, verwendet. Die Worte „auf Abwegen“ nicht in böser Absicht, sondern nur im Blick auf Leser, die sich durch Verfremdung der traditionellen musikalischen Werkzeuge erschrecken lassen (siehe z.B. die Geweihbögen im folgenden Screenshot). Wer aber die „Happenings“ der 60er Jahre erlebt hat und bis heute die „Konzeptkunst“, dürfte eigentlich durch nichts zu erschüttern sein (was auch schade ist). Ich werde am Ende dieses Artikels eine kleine Episode aus meiner Schulmusikprüfung 1965 erzählen, die zeigt, dass ich auch damals kein Freund devoter Denkungsart war.

Uraufführungen von Vinko Globokar und Bernhard Lang

Quardittiade (12:24) ab 0:35 A.Köhler /Arditti / Interpretationsvergleich Streichquartett Nr. 6 James Dillon : Arditti Quartet – Quatuor Diotima – JACK Quartet /  ab 1:31 A.K. breitbeinig / ab 2:13 Irvine Arditti: „Als ich das Arditti Quartet gründete gab es viel weniger Möglichkeiten – viel weniger Komp.stile. Heute kann jeder machen was er will. Er muss nicht Teil einer Wiener Schule oder dieser oder jener Schule sein. Ich glaube, das ist gut, weil es völlige Individualität erlaubt.“ ab 2:46 Kevin McFarland JACK Quartet: „Wegen Streichquartetten wie dem Arditti Quartet, die auf der Suche nach neuer Musik waren, ist die Gattung heute lebendig. Ansonsten wäre das ‚Streichquartett‘ heute wohl tot.“ ab 2:03 Arditti: „Unser Quartett ist  da, es ist offen. Es ist wie ein schnelles Auto oder ein Luxuswagen. Wir geben dem Komponisten die Schlüssel: ‚Fahr ihn – wie du willst – er gehört dir!'“ 3:19 „slap Schlag, Klaps + stick Stock Alan Hilario“ „Wir haben alle unser eigenes Ego, unsere eigenen Vorstellungen. Wenn einer von uns nur seinen Kopf durchsetzen würde, wäre es kein Streichquartett mehr.“ Ari Streisfeld JACK Quartet „Ich glaube, unser Streichquartett funktioniert so großartig, weil alle unsere Ideen einfließen und abgeglichen werden bis es JACKs Idee wird.“ Arditti „Musikalische Ideen werden von uns allen getroffen, nicht nur von mir. Das Quartett trägt meinen Namen, weil es anfangs gut klang.“ / ab 3:54 Franck Chevalier Quatuor Diotima „Wir versuchen so demokratisch wie möglich zu sein. Wir tragen die Verantwortung und haben keinen Leiter. Natürlich wäre es irgendwie leichter, wenn jemand seine Vorstellung aufzwängen würde“ – „und schneller“ „Aber wir glauben, dass es so vielfältiger ist.“ Naaman Sluchin Quatuor Diotima „Für uns ist es wichtig, all diese Prozesse zu durchlaufen.“ Arditti: „Alle Quartette sollen das machen, was für sie das Richtige ist. Vielleicht ist es für sie das Beste, keinen Leiter zu haben. Aber für uns war und ist das der Weg.“ / ab 4:35 (mit Bassklarinette) Del reflejo de la sombra Alberto Posadas / 5:03 A.K. „Wir sind der Meinung, dass das Streichquartett ein Labor ist, weil wir hier eine Reagenzglasfunktion vor uns finden. Nämlich alle Künstler haben die gleiche Voraussetzung: 4 homogene Instrumente, ein ganz nackter Satz, keiner der Komponisten kann sich hinter irgendwas verstecken, keiner kann Klangwolken und Ähnliches seinen Klängen ummanteln und – wie gesagt – das Skelett liegt frei.“ 5:41

Wikipedia: Armin Köhler hier Arditti Quartett hier

 Screenshot Übersicht

 Screenshot Arditti

(Fortsetzung folgt)

Die angekündigte Geschichte aus meiner Schulmusikprüfung in Köln 1965: da wurde ich quasi mit Augenzwinkern gefragt, wie ich einen Komponisten bezeichne, der verlangt, dass der Geiger sein Instrument mit sachfremden Techniken bearbeitet. Jeder wusste damals, was gemeint war. Ich war ratlos, und der Prüfer (Prof. Norbert Schneider, immerhin ein Kollege Stockhausens) half mir, indem er die Aufgabe löste: „Sie dürften ihn als einen Idioten bezeichnen.“ Worauf ich einwandte: „Das beträfe allerdings schon Bartók mit dem nach ihm benannten Pizzicato.“ Die Antwort brachte mir kein Lächeln ein.

*    *    *

Empfehlung, eine Artikelserie zu lesen: Hier 

Überkommene Strategien der Neuen Musik

„Kunst braucht niemand, aber ohne Kunst ist das Leben sinnlos. Wie Frederick die Maus haben sich Künstler daher zu allen Epochen Strategien angeeignet, die ihrem Wirken eine gewisse Anbindung an gesellschaftliche Strukturen und Strömungen ermöglichte. Damit gelang es ihnen ihre Ideen und Kunstwerke überlebensfähig zu machen.“

Autor: Moritz Eggert

ALLE TEILE:

Teil 1 Akademische Anbindung
Teil 2 Komplexe Partiturbilder
Teil 3 Algorithmen
Teil 4 Elitäres Denken
Teil 5 Selbstverständnis

Empfehlung, die folgende Podcast-Reihe zu hören: Hier

„Zeitgenössische Musik ist stets aktuell und facettenreich. Als innovativer Bestandteil der Musikwelt nimmt neue Musik einen wichtigen Platz ein. Die Sopranistin Irene Kurka gibt in diesem Podcast ihre über Jahre gewonnene Expertise weiter. Sie erklärt, wie die verschiedenen neuen Spieltechniken, Musikstile und Kompositionstechniken zusammenhängen und funktionieren und welche großartigen Möglichkeiten sie bieten.“

Ich finde besonders interessant die Beiträge, die sich mit Situation der Künstlerinnen und Künstler in der Corona-Zeit beschäftigen, so z.B. Irene Kurka u.a. in Nr 93 und 95.

Neuere Beispiele:

 zum Lesen anklicken!

Aktuelles Oktober 2020

Notizblogzettel (Hier aufbewahren! Erinnern!)

LANZ 8.Oktober 2020 Sahra Wagenknecht / Middelhoff hier ab etwa 55′ Zur wirtschaftlichen Zukunft unserer Welt.

 ZDF Screenshot ZDF Screenshot

PRECHT & REZO

Gestern 10.10.20 nachts zwischen 23 und 24 h gehört. Würde ich auch noch mal ansehen (oder anderen empfehlen), man versteht die beiden akustisch ungleich gut. Interessante Prognosen („die Schallplatte bleibt“).

Immerhin, der im Urlaub etwas belächelte Bildband „Kunst in 30 Sekunden“ hat mich zum ersten Mal auf Artemisia Gentilleschi gebracht. (Danach kam erst der Artikel in der ZEIT). Und die Kurzbesprechung des Velasquez-Bildes „Las Meninas“ hat mich an den wunderbaren Essayband „Meisterwerke der Malerei“ herausgegeben von Reinhard Brandt erinnert, in dem genau jenes Bild von Seite 115 bis 140 tiefgehend behandelt ist (vgl. auch Wikipedia hier), und zugleich gibt es einen aktuellen oder vielmehr akuten Anlass, ein anderes Kapitel darin (über Roy Lichtenstein von Regina Prange) aufs neue zu studieren, weil es indirekt mich und andere Leuten täglich beim Einkaufen mit Kunst konfrontiert, ohne dass wir alle dieser Tatsache die fällige Beachtung schenken. Oder? Prüfen Sie sich selbst, und zwar ganz unten am Ende dieses Artikels!!! Nebenbei: Wie banal und wie brutal darf Kunst eigentlich sein? Im Alter scheint es schlimmer. Doch es ist alles eine Sache der Auslegung!

Die Bildquellen der Pop Art entstammen Zeitungen und Illustrierten mit ihren Cartoons, Werbeanzeigen und Schlagzeilen. Sie thematisieren den strahlenden Star und das Image der Jugend, die Welt des Stehimbisses und des Supermarkts, die unpersönliche Heraldik industrieller und patriotischer Insignien und nicht zuletzt der Modell-Wohnung des exemplarischen Konsumenten. Die Pop-Künstler konzentrierten sich also auf solche Motive, die das private Leben in standardisierten Formen, das Emotionale durch Konvention dirigiert, in der Warenform verdinglicht, zeigen. Die stereotype Artikulation des Gefühls oder des sinnlichen Genusses ist das Bindeglied der imitierten Trivialmythen. Lichtensteins Beitrag zur Massenkultur ist in dieser Hinsicht […] in seiner Kunst wie in seinen Selbstkommentaren, explizit. Anders als Warhol, der sich mit seinen Äußerungen in die Oberfläche der Popkultur einfühlte und sich selbst zur Kunstfigur schuf, behandelt er, der schon relativ bejahrt zur Pop Art kam, ein Magisterdiplom in der Tasche hatte und selbst lehrte, seine Arbeit fast wissenschaftlich. Die Gebrauchsgraphik und ihr schlechter Geschmack stehen ihm ein für die Gegenwart der industrialisierten Gesellschaft. Durch ihre schonungslose Bejahung in einer Art „brutaler“ und „antiseptischer“ Darstellung will er gegen die Kunst seit Cézanne opponieren, die „außerordentlich romantisch und unrealistisch geworden ist…“ Seine Sensibilität gegen das Antisensible stellt sich gegen eine „europäische Sensibilität“, welche sich „in dicken und dünnen Farbstrichen“ ausdrückt, also durch die Künstlerhand. Die Wahrheit des Cartoon liege darin, daß er „heftige Emotion und Leidenschaft in einer völlig mechanischen und distanzierten Weise ausdrückt.“ (folgende Quelle, Autorin Regina Prange Seite 249f)

Quelle Meisterwerke der Malerei / Von Rogier van der Weyden bis Andy Warhol / von Reinhard Brandt (Hg. und Einführung) / Reclam Leipzig 2001 (2013)

 Wikipedia hier

ZITAT (Hanno Rauterberg)

Artemisia war die Kunst, und die Kunst war sie – auch diese Botschaft spricht aus dem allegorischen Selbstporträt im grünen Seidenkleid, das sie vor leerer Leinwand zeigt. Es hatte natürlich auch praktische Gründe, das eigene Gesicht in die Gemälde hineinzumalen, damit ließen sich Kosten für teure Modelle sparen. Doch ebenso verlockend schien, das auf diese Weise die Bilder nicht nur für sich sprachen, sondern aus ihnen auch Artemisia zu sprechen schien und sich so der eigene Name gleich doppelt bewerben ließ. Erwarb ein Sammler eines ihrer Werke, konnte er glauben, so auch eines Teils der Künstlerin habhaft zu werden. Sie verkaufte, könnte man sagen, ihre Kunst und sich selbst.

Allerdings wäre das eine sehr verkürzte und sehr heutige Lesart. Denn nie gibt es bei Artemisia so etwas wie ein authentisches, ein wahres Selbst. Im 17. Jahrhundert war der Begriff des Projekts aufgekommen, die Vorstellung also, etwas entwerfen, in die Zukunft hineinplanen zu können. War man sich in den Jahrhunderten zuvor sicher, mit dem eigenen Leben nur Teil eines größeren, göttlichen Plans zu sein, war diese Idee einer göttlichen Ordnung im Barock nicht länger zu halten. In Artemisias Kunst ist das unübersehbar, sie brüskiert jedes innige Bedürfnis nach Demut. Sie verweltlich das Überweltliche und macht ihre Betrachter zu Komplizen einer Geschichte, die fast immer von einer körperlich einnehmenden, das Schicksal wendenden Tat handelt. Es sind Bilder, die von Veränderung erzählen, und sei es, dass diese Veränderung zum Tode führt.

Artemisia Gentilleschi  Wiki hier

Artikel in der ZEIT mit Rauterberg hier Britische Nationalgalerie hier

Unter dem zuletzt gegebenen Link kann man den folgenden Film finden & anschauen:

Ein Essay von Kai Köhler aus der Zeitung Junge Welt wurde mir freundlicherweise zugeschickt, enthält viele, soweit ich weiß, recht unbekannte Details zu Bartóks politischer Einstellung. Macht mich zugleich nachdrücklich aufmerksam auf die linke Tageszeitung, die mir ansonsten von Berthold Seligers lesenswerten Musikbeiträgen her bekannt war.

Bartók – Volkslied und Moderne – jw 2020 09 25

Enkel-Musik

Damit meine ich Pop-Musik, die in der Enkel-Generation im Schwang ist. Ich will wissen, was diese Jugendlichen daran fasziniert, und wenn ich mit ihnen rede, muss ich die Sachen gut kennen, um „sachgerechte“ Fragen zu stellen

Reine (extern hier ) von Dadju (über den Sänger siehe Wiki hier)

Oh oh ah, Seysey

Aujourd’hui je suis fatigué, je t’ai regardé dormir
Et si ma voix peut t’apaiser
Je chanterai pour toi toute la nuit
Je t’entends dire à tes pines-co
„Dadju, j’peux plus m’passer de lui“
Hey, tout va glisser sur ta peau
C’est comme si je te passais de l’huile
Et s’ils ne sont pas nous, c’est tant pis pour eux
Et s’ils sont jaloux, c’est tant pis pour eux
Fais-le moi savoir quand c’est douloureux
Je suis là s’il faut encaisser pour nous deux

Et je le sais, je te fais confiance
Quand tu me souris, tu fais pas semblant
J’ai pas besoin d’attendre plus longtemps
Je sais qu’il est temps d’partager mon sang
Et t’élever au rang de reine
Au rang de reine, au rang de reine
J’vais t’élever au rang de reine
Au rang de reine, au rang de reine
Oh oh ah

Je…

Oder zum Beispiel (jetzt gleich im externen Fenster) der Titel Django von Dadju

Oh, oh, ah (It’s E-Kelly)

Je veux que tu portes mon nom de famille
Mais ça prend du temps
J’ai même parlé de notre avenir à tes parents mais ils m’ont dit d’attendre
J’ai fait tout ce que ton père m’a dit mais
Il est jamais content
Et s’il décide d’être l’ennemi de notre amour il sera forcé d’entendre

Quand j’briserai les chaînes comme Django, Djan-Djan-Django
J’briserai les chaînes comme Django, Djan-Djan-Django
J’briserai les chaînes comme Django, Djan-Djan-Django
J’briserai les chaînes comme Django, Djan-Djan-Django

Il veut nous éloigner
Donc il sort toutes sortes de foutaises
Et quand j’lui demande quel genre d’homme il te faut il me dit „comme toi mais pas toi“
Laisse-moi le calmer, il faut que son cœur s’apaise
Laisse-moi lui montrer qu’il a tort de…

Des weiteren wurde genannt:  Vossi Bop von Stormzy

Was soll ich davon halten? (Songtext Vossi Bop siehe hier)

(folgt)

Jahrelang habe ich immer wieder gern den Scherz gemacht: „Dein Geburtstag fällt dieses Jahr aus“ oder wahlweise „Heute steht es in der Zeitung: Weihnachten ist offiziell abgesagt!“  Aber dieses Jahr ja wirklich, ich habe es in der Hand, Corona-Schutz für alle verbindlich! Ich las es zwischen den Zeilen in der Zeitschrift FOLKER:

 Danke im voraus für alle guten Wünsche! Aber ich bin das nicht, ich kann das nicht sein, mein Geburtstag fällt aus! Wie das Oktoberfest, wie Halloween, – nein, kein Geburtstag und schon gar nicht dieser.

Ich (79) verbleibe erinnerungstechnisch das relativ junge Tragetaschengesamtkunstwerk im Eingangsbereich des Moarhofs in Völs Südtirol September 2020

Ausgang & Eingang (Fotos E.Reichow)

Still: Saunders Sounds

Vom Zuhören

Im Ozean der Klänge: brauche ich ein Boot? einen Kompass? einen Sternenhimmel? Orientierungslosigkeit ist ein schwer erträglicher Zustand.

Aber was erwarte ich denn: sitze ich doch bequem, stehe nicht auf schwankendem Grunde, stelle mir vielleicht vor, dass die Geigerin an einem bestimmten Ort bleibt, inmitten des Orchesters oder davor, den Dirigenten zumindest per Augenwinkel im Blick, sie beide kennen das Werk vielleicht am genauesten nach der Komponistin, die vielleicht  genau so auf die Akteure schaut, wie sie von der Titelseite des CD-Booklets hinausschaut. Aufmerksam, höflich, anders muss ich ihren Blick nicht deuten. Und genügt es nicht einfach zu hören? Aber darauf hat sie selbst sich ja auch nicht beschränkt. Wir sind in der glücklichen Lage, etwas darüber zu erfahren. Die Autorin Martina Seeber erzählt es uns im Booklet:

Das zu erfahren und zwar aus absolut authentischer Quelle, ist (für mich) unerhört wichtig. Aus Wikipedia weiß ich, dass die Komponistin in Edinburgh auch Violine studiert hat, ich habe das neue Werk für Violine gehört, war beeindruckt und weiß zumindest, dass es aus zwei Hälften besteht, die sich stark unterscheiden. Bis 9:36 und von dort zum Ende 17:39. Es interessierte mich auch, dass ein Stück von Beckett mit dem Titel „Still“ Pate gestanden hat. Die Komponistin selbst hat sich darüber geäußert, man kann es ebenfalls im Booklet nachlesen:

Damit weiß ich letztlich schon immens viel über den Hintergrund des Werkes, jetzt kann ich allein bleiben und mich meinen Ohren überlassen. Vielleicht traue ich ihnen noch nicht genug, denn ich höre die erste Minute mindestens 10 Mal, genau gesagt zuerst nur bis 0:30 dann bis 1:07, im Schönklang der Terz breche ich ab. e’/g‘. Ich möchte die seltsame Faszination der Keimzelle durchleuchten. Ohne zu versuchen, dem irgendwie mit ärmlichen Worten gerecht zu werden. Nicht einmal auf das Wort „Mobile“ wäre ich gekommen, und es gefällt mir auch nicht besonders (weil es mich an die Blütezeit des Mobiles in den Wohnzimmern der 50er Jahre erinnert). Ich sollte es eher technisch nehmen… sobald ich etwas weiter bin… ich versuche natürlich zuerst: Gesten wahrzunehmen und bin dabei ganz auf die klangliche Gestalt angewiesen, deren gestischer Sinn sich mir aber nicht ohne weiteres erschließt. Ich bin mit den Gesten der Klassik vertraut. Martina Seeber entnimmt manche Charakteristika der Partitur – „der erste Teil ist ein entfesseltes Furioso, die Spielanweisung des zweiten lautet ‚dark, fragile, warm‘.“  Ansonsten spricht sie auch von Gesten – mir scheint, dass selbst das Bild des Mobiles derartiges vermittelt: „es wippt, wackelt, schaukelt und zittert auf der Suche nach dem labilen Gleichgewicht.“  Aber später auch hier – handgreifliche Gesten:

Die erste Reaktion des Orchesters auf das Solo der Violine ist ein dumpfer Trommelschlag, der sich ins Brummen der Kontrabässe verlängert. Das Orchester setzt ein, als hätte die Energie der Violingeste die Bewegung des Kollektivs erst in Gang gebracht. Rebecca Saunders entwirft Klangräume und –gestendie auf das Solo reagieren. Vor allem die Geräusche der Schlagzeuger, die in zwei Gruppen rechts und links auf der Bühne positioniert sind, erinnern an elementare Naturereignisse. An Stürme, Donner und Erdbeben, aber auch an die impulsiven Akzente und die elastische Zeitgestaltung des asiatischen Musiktheaters.

Aber man sieht, dass es mir leichter fällt, den Worten nachzuspüren, als der differenzierten klanglichen Realität, und ich werde sehr beschäftigt sein, in dieser das zuvor Gesagte wiederzuerkennen. Ebenso alles, was das Mobile betrifft. Und dann  – im zweiten Teil – die Melodie, denn – so heißt es : „Das Grundgerüst dieses langsamen Teils bildet sich in Gestalt einer Melodie, die in ihrer extremen Dehnung kaum zu erkennen ist.“ Wird es mir gelingen? Zum Beispiel auch zu erkennen, dass wie „in mittelalterlichen Büchern die rote Spur des Stifts durch den Text fließt“. Diese Erfahrung fehlt mir, ich erinnere mich nur an die rote Tinte, die Bach in der Matthäus-Passion – ja, wofür verwendet hat? für den Evangelisten, also das Evangelium oder für die Christus-Worte? Martina Seeber zitiert an dieser Stelle Rebecca Saunders, die an die Kalligraphen des Mittelalters erinnert, -„eine schöne Parallele zu der Art, wie sich eine melodische Linie im Orchestergewebe verstecken kann. Durch die zweite Hälfte von Still zieht sich das Material wie ein melodischer Faden. Er verschwindet immer wieder in der Stille und in den Resonanzen des Orchesters.“

Ich glaube nicht, dass ich ihn beim Hören mit bloßen Ohren erfasse (ohne Noten) – würde aber annehmen, das die Bemühung darum bereits eine Ahnung vermittelt. Der Weg jedenfalls ist verlockend.

Ausschlaggebend, gerade diese Aufnahme zu wählen, war die phantastische Geigerin (siehe u.a. auch hier). Und die mit ihr verbundene Genese dieses Stückes.

Und dann kommt noch die Rolle der Kurzgeschichte von Samuel Beckett. „Still ist das siebte der so genannten ‚Fizzles‘. Becketts Text hat Rebecca Saunders bei der Komposition begleitet. In der Stimmung und der Grundhaltung des Violinkonzerts hat er seinen Niederschlag gefunden.“

Sollte ich auch diesen Text kennen, wenn ich das Violinkonzert auf mich einwirken lasse? Es könnte doch auch die Beschreibung der Wirkung auf die Komponistin genügen, die es selbst formuliert hat, siehe unten.

Und vermutlich würde sie uns angesichts solcher Bemühungen noch einen nützlichen Rat: Vergessen Sie alles, und hören Sie einfach zu!

.    .    .    .    .

Nach „Still“ habe ich weitergelesen und -gehört: zwei Bassklarinetten, faszinierende Bewegungslosigkeit. Oder nicht? Ich dachte, Gesten seien ohnehin eher dem Violinspiel zugeordnet, wegen des Gebrauchs der Arme und Finger, nicht dem des Mundes und des vom Atemholen bewegten Leibes.

Eine ganze, aber fast unwirklich zeitlose Minute dauert die erste Geste dieses Duos. in dieser Minute geschieht viel und zugleich fast nichts. Ein schlichter Ton steigt auf und ab, beginnt zu vibrieren, glättet sich wieder wie zu einem elektrisch erzeugten Sinuston, der sich dann aber plötztlich aufraut und an den Rändern Schärfen entwickelt. Beim Hören lässt sich kaum sagen, ob es eine oder schon zwei Bassklarinetten sind, die den sich unablässig verändernden Klang modellieren. Man hält unweigerlich den Atem an, obwohl man lebendigen, vom menschlichen Atem erzeugten Tönen lauscht.

Wunder wirkende Worte. „Spiel, damit ich dich sehe“, möchte man in Abwandlung eines Hörspielspruches anmahnen.

Vielleicht werde ich dann später doch noch von meinen Erfahrungen beim Hören berichten. Oder aber mich einfach in Schweigen hüllen, darauf zählend, dass es beredter ist als alle Worte.

Zumal ich auch die Besprechung eines Buches über Rebecca Saunders neben mir liegen habe, die einer psychologischen Deutung bedarf. Ich will nicht sagen, dass uns das weiterbringt. Es sei denn, in einem Punkt: klarer zu sehen, welche Sprache über Neue Musik hilfreich ist und welche den gutwilligsten Leser ein für alle Mal das Fürchten lehrt. (Ich halte den Text zur Saunders-CD jedenfalls für vorbildlich.)

 Quelle: das Orchester Schott Oktober 2020 Seite 63

Es ist schwer begreifbar, dass ein Rezensent einen solchen Band der Musik-Konzepte und die Komponistin, um die es geht, mit einer solchen, von ihr ungeschützt geäußerten Formel zu fassen kriegen möchte:

Es gibt einfach Klänge, die mich begeistern…Aber eigentlich gibt es nichts zu sagen.

Aha, sie formuliert es definitiv: da ist also nichts als „diese Spannung von Affektivität und Aussagelosigkeit“! Daraus kann ich doch im Nu eine Theorie aufs Papier zaubern, mit einem kleinen Aufwand an weiterer Abstraktion wird mir das jeder abnehmen. Und schon haben wir aus  einer sozusagen alltagssprachlich dahingesagten Kommunikation ein Vademecum der Moderne an die Wand genagelt: bloß weg vom lebendigen Klang der Worte. Das ist doch ein geläufiger Topos in der Neuen Musik, und das bleibt chic: es gibt nichts zu sagen, der Rest ist Stille. Warum nur trotzdem dieses ganze Gerede, und warum über Werke, die aus realen Klängen bestehen, jedenfalls nur mit deren Realität in Erscheinung treten?

Das Wort Klang mit all seinen adjektivischen und adverbialen Kombinationen taucht massenhaft auf und wirkt wie ein texturales Mantra. Ein Terminus, der kaum weiter differenziert werden kann, zumal seine agglomerative Qualität bei Saunders durch die Berücksichtigung des jeweiligen Raumes und der klangbildenden Akteure weiter gesteigert ist.

Warum soll da nichts weiter zu differenzieren sein? Oder nur agglomerativ, auf dass ein Konglomerat entstehe, in dem Subjekt und Verb numerativ nicht mehr übereinstimmen, wie z.B. gleich im nächsten Satz: „wo Gestaltung ja oft als Ausdrucksdrama vermittel werden“.

Jaja, und „eingestreute Philosopheme jüngerer Provenienz haben ornamentale Funktion“, schlimm! Nur Martin Kaltenecker hat das Glück gelobt zu werden, denn er „hat das Problem einer Wissenschaft erkannt, die vor dem Phänomen Saunders zum Schweigen oder zum Raunen verdammt ist. Mit seinem Text zeichnet sich die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Passung ab.“

Gut, der Band Musik-Konzepte ist bestellt, obwohl nicht ganz billig, aber eine echte wissenschaftliche Passung möchte ich wirklich nicht versäumen…

Nachtrag 16.10.2020

   

Vorwort von Ulrich Tadday / zu Gunnar Hindrichs siehe im Blog hier , hier und hier

Resonanz

Erste Annäherung

Der Text klingt auf den ersten Blick vielleicht kompliziert, andererseits aber gilt es ja gerade die falsche Abkürzung zu vermeiden und nicht zu sagen: mir geht es ums bloße (voraussetzungslose) Hören. Denn das ist keine Tugend. Damit landet man ganz schnell bei leerer Meditationsmusik.

ZITAT

Gewöhnlich knüpfen kultur- und sozialwissenschaftliche Resonanzkonzepte in direkter oder metaphorischer Redeweise an musikalische Vorstellungen an, in denen ein extrem performativ ausgerichteter Musikbegriff zum Tragen kommt und Musik nicht als Gegenstand – weder als abstrakter noch als singulärer – begriffen wird, sondern eine „reine Beziehung“ sein soll; nicht entscheidbar, ob innen oder außen befindlich, im Raum oder im Hörer angesiedelt, vielmehr beides gleichermaßen. Kunst wird als Erfahrung gedacht, die mit dem Ausdruck „Resonanz“ gebündelt werden soll. Resonanz sei eine Erfahrung, die affektiv nicht neutral sei, sondern ein mehr oder minder intensives Erleben beinhalte. Musik als Medium konkreter Inhalte, als Medium definierten Sinns hingegen wird verneint. Definierter Sinn, der immer der Objektivierung bedarf, und Resonanz werden auseinandergehalten. Musik vermittelt demnach keine Inhalte, sie vermittelt leiblich und emotional Grundstimmungen.5 Das Erleben steht im Vordergrund, die Rolle kognitiver Vermittlung für das Erleben wird umgangen. Musik sei das Medium, „das Modi, Transformationern und Intensitäten der Weltbeziehungen unmittelbar, das heißt ohne kognitive Projektion oder Vermittlung, zum Ausdruck zu bringen vermag“6, schreibt Hartmut Rosa. Ein wenig differenzierter sieht dies Christian Grüny. In der Musik erlebte Resonanz hängt für ihn auch von der Vertrautheit mit bestimmten, je nach Musik verschiedenen Regeln ab, etwa denen der Tonalität, der Harmonik etc. Wer nicht über derlei Regeln verfüge, nicht an sie gewöhnt sei, dem mangele es unter Umständen an der Resonanzfähigkeit für die ihnen entsprechende Musik. Gleichwohl konstatiert auch er für die Resonanz ein „Überwiegen des pathischen Moments, von einem primären Bewegtwerden, das deutlich über einen bloßen Anstoß hinausgeht“.7 Von denselben oder zumindest sehr eng verwandten Vorstellungen von Musik geht Sören Kierkegaard bei der metaphorischen Bestimmung des musikalisch Dämonischen aus, freilich mit ganz anderem Resultat.

Quelle Boris Voigt: Metapherntanz auf dem Brocken / Musik & Ästhetik Klett-Cotta Stuttgart Juli 2020 (Seite 38f, in den Anmerkungen 5-7 auffindbare Quellenangaben folgen als Scan, dabei interessiert insbesondere: Christian Grüny: Die Kunst des Übergangs. Philosophische Konstellationen zur Musik, Weilerswist 2014)

In diesem Moment kann ich rückkoppeln und mich zugleich hindern, bei einem früheren Ansatz stehenzubleiben: siehe „Wann ist Musik?“ hier. Christian Grüny hat auch Susanne K. Langers großes Werk „Fühlen und Form“ übersetzt und mit einer großen Einleitung versehen. In seinem Werk „Kunst des Übergangs“ widmet er das dritte Kapitel dem Phänomen „Resonanz“ und bezieht sich darin ausführlich auf Ernst Kurth und Viktor Zuckerkandl. Zugleich wird ein kritischer Neuansatz unumgänglich.

Der Aufsatz von Boris Voigt wirkt in diesem Zusammenhang noch willkommener, weil er eine Verbindung zur „Ästhetik des Hässlichen“ nahelegt, die mich in den letzten Tagen aufs neue ernsthaft beschäftigt hat. Um diese Verbindung plausibel zu machen, zitiere ich auch den weiteren Text, der sich dem Negativen zuwendet:

Interessanter noch als die begrifflich problematische Konstitution der Resonanzkonzepte ist ein anderer Umstand. Trotz ihrer weiten Ausdehnung finden in sie bestimmte Phänomene keinen Eingang, die aber erheblich näher an dem sind, was mit dem Ausdruck „Resonanz“ möglicherweise gemeint sein könnte, als viele der von den Verfassern von Resonanzkonzepten betrachteten Gegenstände. Das wären etwa Phänomene wie Jagd, Kampf, Krieg oder Progrom, manche Spielarten des Betrugs wären ebenfalls einzubeziehen. Letztere deshalb, da einige Formen von Betrug erst durch hohe Empathie mit dem Betrugsopfer möglich werden. Die destruktive Seite dessen, worauf der Ausdruck „Resonanz“ angewandt wird, erfährt eine nahezu systematische Ausblendung, abgesehen von dem Zugeständnis, Resonanz sei auch Macht- und Herrschaftsverhältnissen einbezogen.8 Grüny ist insofern eine Ausnahme, als er eingehend den Einsatz von Musik als Folterinstrument erörtert, den er ausdrücklich als „Resonanzfolter“ bezeichnet.9

Quelle Boris Voigt: Metapherntanz auf dem Brocken a.a.O.

Notizen zum späteren Gebrauch

Spiegel! …. Noch eine Rückkopplung: hier !

Musik-Folter Grüny Seite 117 Link nicht auffindbar – aber Text hier

Eminem  „Real Slim Shady“ / David Gray „Babylon“

In der Tat spielt nun auch in dem (innerhalb desselben Heftes Musik & Ästhetik) vorhergehenden Artikel von Pfleiderer und Rosa, der die Resonanz zum Thema hat, das Hässliche – oder sagen wir: das weniger Schöne – eine Rolle, etwa in Schuberts „Leiermann“. Zugegeben: ich habe es nie im Leben so, wie andere Lieder der „Winterreise“ – etwa „Das Wirtshaus“ – separat aufgerufen, um es zu genießen. Ich fand es bedeutend, aber nicht „schön“, nur trostlos. ABER… (es lässt sich gut didaktisch „behandeln“, und zwar auch von Leuten, die sich nicht besonders für Schuberts Schönheit interessieren).

Eben eingetroffen:

 1853 Digitalisat des Originals hier / Man behalte im Sinn, dass wir uns hier in der Zeit befinden, in der Baudelaire seine „Fleurs du Mal“ („Blumen des Bösen“) veröffentlichte.

  

Die Systematik vermittelt bereits eine leise Ahnung, wie konservativ und sittenstreng der Hegelschüler mit den hässlichen Dingen verfahren wird. Die folgenden Seiten zeigen, wie er ein glänzend loses Mundwerk wie das des Dichters Heinrich Heine (gest.1856) unter dem Stichwort „Das Rohe“ abstraft:

Quelle Karl Rosenkranz: „Ästhetik des Häßlichen“ Reclam Universalbibliothek Nr. 19298 Stuttgart 1990, 2015

Lesenswertes Nachwort von Dieter Kliche: Pathologie des Schönen – Die „Ästhetik des Häßlichen“ von Karl Rosenkranz ab Seite 458, auch hier fällt schließlich der Name Baudelaire, der den Umschwung der Ästhetik bezeichnet.

[Rosenkranz] versteht das Häßliche, das „Negativ-Schöne“, als einen Teil der Ästhetik, auf gleiche Weise ihr zugehörig wie zur Biologie die Krankheit, zur Ethik das Böse, zur Rechtswissenschaft das Unrecht und zur Religionswissenschaft die Sünde. (…)

Die lange und sorgsam gehegte ästhetische Werteeinheit des Wahren, Guten und Schönen steckte tief in der Krise, und der späte Heinrich Heine sah mit dem Heraufkommen des Proletariats und von dem drohenden „Gespenst des Kommunismus“ die Schönheit überhaupt in ihrem Bestand bedroht.

Über solche und ähnliche Gründe für die Emanzipation des Häßlichen gegenüber dem Schönen spricht Rosenkranz kaum. Allenfalls im Subtext (…)

[endet mit den Sätzen S. 481f:]

Dem Aufklärer und Hegelianer Karl Rosenkranz lag natürlich daran, diese Zweifel an der Vernünftigkeit der Welt zu entkräften, aber die bohrenden Fragen blieben. Damit wurde es aber auch zweifelhaft, ob das Schöne noch die Macht sein konnte, „welche die Empörung des Häßlichen seiner Herrschaft wieder unterwirft“. Mit dieser neuen, schärferen Negativität des Häßlichen wurde ein neuer Zyklus seiner Geschichte eröffnet, der jenseits von Rosenkranz‘ „Ästhetik des Häßlichen“ beginnt und in Charles Baudelaire seinen ersten poetischen Protagonisten hat. Die „Blumen des Bösen“ von 1857 sind eine neue und neuartige Ästhetik des Häßlichen.

*    *    *

Ich hatte nicht geahnt, dass diese neue Lektüre-Saison mich dazu führen würde, diesem Vertreter einer alten Ästhetik doch ein gewisses historisierendes Verständnis abzugewinnen, das den Umschwung zur „Struktur der modernen Lyrik“ dann um so schärfer erfassen lässt. Noch weniger, dass der grundlegende Artikel über „Musik als Resonanzsphäre“, der dem von Boris Voigt vorausgeht, nach einigen Repetitionen eine immer stärkere Aversion auslöst. Es erinnerte mich an die frühe Begegnung mit Joachim E. Berendt. Wahrscheinlich ist es die Klassikferne, die gerade dort zutage tritt, wo sie überwunden scheint, indem das Performative hervorgekehrt wird. Das könnte mich als ausübenden Künstler erfreuen, andererseits ist es so, dass mich das Werk im emphatischen Sinne mehr interessiert als das, was ein beliebiger Rezipient dabei empfindet. Seine Resonanzerfahrung langweilt mich. Die Gründe dafür müsste ich natürlich ausführlicher darstellen, nehme mir daher vor, das Thema im übernächsten Blog-Artikel noch einmal vorzunehmen, um vorher bei den Bachschen Werken BWV 1001-1006 zu verweilen, von denen jedes ein opus perfectum et absolutum verkörpert, und zugleich eine Darstellung verlangt, die nicht statuarisch wirkt, sondern von Leben sprüht. Eine neue Aufnahme, in sensationeller Perfektion, – bietet sie eine neue Resonanzerfahrung? Das Label ECM könnte darauf hoffen lassen.

Quelle Martin Pfleiderer und Hartmut Rosa: Musik als Resonanzsphäre / Musik & Ästhetik 24,3 / 2020, 5-16 Klett-Cotta Stuttgart Juli 2020

Nono & Sciarrino / Hören & Lesen

Zum Erinnern und Weiterarbeiten (einige vorläufige Notizen)

 .    .    .    . .    .    .    . .    .    .    .

An dieser Stelle unterbreche ich die wiederholte Lektüre des Textes, um sie in meine persönliche Arbeitssituation einzubeziehen. Der Name Scherchen bedeutete mir etwas, seit ich mein Studium in Berlin begann, Frühling 1960, und – aus meiner optimistischen Sicht – wie immer in die wichtigste Phase meines Lebens eintrat. Dazu gehörte unbedingt die wirklich „Neue“ Musik, markiert durch die intensiv fortgesetzte Lektüre der „Philosophie der Neuen Musik“ von Theodor W. Adorno im Café Kranzler, verbunden mit halbstündlichen Kaffee-Bestellungen, eine Art Rausch. Der in Berlin beheimatete Mitstudent L.K., der die Uraufführung der Oper „Moses und Aron“ auf Band mitgeschnitten hatte (Skandal, Ansprache Scherchens an das randalierende Publikum), gemeinsamer Besuch mindestens zweier weiterer Aufführungen. Studium des Klavierauszugs „Moses und Aron“, dazu das Buch „Gotteswort und Magie“ von Karl H. Wörner 29.Nov.60, „Schöpfer der Neuen Musik“ von H.H.Stuckenschmidt 5.Dez.60, Begeisterung für Anton Webern, für „Wozzeck“ mit FiDi, Enttäuschung über Serielle Musik, die auch durch stetes Wiederholen (= „Einübung“) nicht attraktiver wurde usw. Nach dem Wechsel Richtung Köln alle Interessen fortgesponnen, u.a. Hermann Scherchens Buch „Lehrbuch des Dirigierens“ 8.Okt.61, LP Schönberg „Erwartung“ (durch stetes Wiederholen amalgamiert) und LP Violinkonzert mit Marschner, bei dem ich begann (u.a. Ursache für den Wechsel nach Köln). All dies hatte mit meinem eigentlichen (als vorläufig empfundenen) Studium „Schulmusik“ und „Germanistik“ wenig zu tun, bedeutete aber die wesentliche Motivation.

Was mich am obigen Booklet-Text und an der ganzen Produktion so affiziert, beginnt mit dem Titel „Leben in Anachronismen“, was in diesen Wochen zusammentrifft mit der eigenen Arbeit am Bartók-Text und dem Phänomen Bartók-Rezeption (schon in Berlin markiert, siehe folgende Seiten aus Adorno 1960, Gräter 1955).

 der erste Leitfaden (mit Protestnotizen!) s.a. hier Blatt 40/96

 Adorno mit lebenslangen Folgen…

Begonnen hatte ich in Bielefeld mit Hindemith, erlebte ihn als Dirigenten eigener Werke in der Oetkerhalle, arbeitete zuhaus nach seiner „Unterweisung im Tonsatz“ (seit Dez.1958), in Berlin kam das „wirklich Neue“. Inspiriert durch das Studium und die Schönberg-Oper „Moses und Aron“ unter Hermann Scherchen.

Namen, Personen, Problematiken prägten sich für immer ein, auch der junge Luigi Nono.

Zurück zum oben wiedergegebenen Booklettext Seite 6, rechte Spalte, der Zeile 10/11 angegebene Link „polifonica-monodia-ritmica“ ist hier abzurufen. Er beginnt so:

Vor, während und nach unserer Produktion von Luigi Nonos Polifonica-Monodia-Ritmica (am 7.-9.Februar 2005 im HR Frankfurt) ergaben sich unvorhergesehene, doch aus heutiger Sicht produktive Schwierigkeiten mit der Textform und Gestalt des Werkes.

Zu einem Teil erklären sie sich aus der relativ kurzfristig – nämlich noch im Aufführungsmaterial – von Hermann Scherchen, dem Dirigenten der Uraufführung 1951 in Darmstadt vorgenommenen Kürzung des ca. 18-minütigen Gesamtwerks auf ca. 8 Minuten Spieldauer, zum anderen waren sie Folgen des ersten großen Publikumserfolgs dieser Aufführung für den jungen Nono, aber wohl auch der Drucklegung durch Hermann Scherchen selbst bei seinem ars viva Verlag (später von SCHOTT übernommen).

(weiterlesen im vorher angegebenen Link)

Besprechung der CD in SWR2 von Dorothea Bossert 22.11.2020 / 12.30 Uhr / Treffpunkt Klassik HIER ab 1:03:58

Eine editorische Sensation
Luigi Nono / Salvatore Sciarrino
Parole e testi
Schola Heidelberg
Ensemble aesthesis
Walter Nußbaum
Divox CDX-21701

Auch das Manuskript kann man als pdf. downloaden hier, insgesamt ein großartiger Service des SWR.

*    *    *

Stichworte zur griechischen Vasenmalerei:

https://de.wikipedia.org/wiki/Griechische_Vasenmaler

https://de.wikipedia.org/wiki/Lieblingsinschrift

Comics auf griechischen Vasen? von Gesine Manuwald hier

Zitat:

Faßt man die Ergebnisse der vorgetragenen Überlegungen zusammen, ergibt sich, daß die griechischen Vasenmaler das szenische Sprechen ihrer Figuren mit den aus den Mündern entströmenden Buchstabenketten nicht quasi als Notlösung ‚naiv‘ gehandhabt haben. Die besprochenen Vasenbilder belegen, daß die Maler mit diesem formalen Mittel überaus kunstfertig umzugehen wußten. Sie konnten unterschiedliche Arten von Äußerungen optisch differenzieren, sie gestalteten die Buchstabenketten graphisch so, daß sie mit ihrer Form in die Interpretation des Bildmotivs eingehen, und sie haben sich durch die Verteilung der Texte auf die dargestellten Figuren die Möglichkeit geschaffen, im Einzelbild wie in einer Bilderfolge einen in der Zeit stattfindenden Handlungsablauf zu erzählen. Die dadurch erreichte narrative Qualität der Bilder ist in vieler Hinsicht mit der
eines Comic vergleichbar, wie die ausgewählten Beispiele zeigen. Im Unterschied zu
solchen Vasenbildern, die sich auf Ereignisse aus dem Mythos beziehen, erzählen diese Bilder mit ihren sprechenden Figuren ihre kleine Geschichte weitgehend selbst.

https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/furtwaengler1924/0009/scroll

Furtwängler, Adolf ; Reichhold, Karl ; Huber, Alois
Griechische Vasenmalerei: Auswahl hervorragender Vasenbilder aus dem gleichnamigen großen Werke (Tafeln) — München, 1924

Luigi Nono: Eunice hier

ZITAT: Iemanjá, Yemayá (andere Schreibweisen u. a. YemanjáYemojaIemoja) ist in der Religion der Yoruba, in der kubanischen Santeria und im brasilianischen Candomblé die Göttin (Orisha / Orixá) des Meeres und der Mutterschaft.

Quelle Wikipedia hier

Vorsicht, vielleicht irreführend dies hier

ZITAT (Scan):

Quelle: Struktur und Freiheit in der Musik des 20. Jahrhundertszum Weiterwirken der Wiener Schule / Hartmut Krones / Böhlau Verlag Wien 2002 

Cover

Biblioteca Marciana hier … „Marciana“

Schweigen aus Feuer (Pavese) hier (Quelle?)

 

… in Erinnerung an die Arbeit des Freundes Christian Schneider

Bartóks Blaubart, indisches Grabmal, Polyfusion

Vormerken!

ZITAT arte

„Das Grabmal einer großen Liebe“ beschreibt den romantischen Werdegang einer Prinzessin in einem sagenumwobenen Land: Indien. Die große Liebesgeschichte spielt dabei fast ausschließlich hinter den Toren eines riesigen Fürstenpalasts. Eine beeindruckende Kulisse, die der Regisseur bewusst ins Blickfeld rückt.

 Trailer HIER  Film s.a. ganz unten

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Bartóks Oper https://de.wikipedia.org/wiki/Herzog_Blaubarts_Burg hier

https://operlive.de/judith/

Hier nach dem „Konzert für Orchester“ ab 39:57

bis 26. März 2020 12:00 h !!! (Zu spät, ich habe die Frist versäumt)

ERSATZ (auf deutsch): https://www.youtube.com/watch?v=FSFFR9lSVJc HIER

über diese Film-Aufnahme hier !!!

Unbedingt kennenlernen:

https://www.ensembleresonanz.com/resonanzen/polyfusion/ HIER

Nachtrag Etwas Neues bei Resonanz (8. April 2020 Deryas Songbook) hier

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Abrufbar noch bis Ende Juni 2020 HIER

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Das Mädchen Wajdah

Ebenfalls noch abrufbar bis Ende Juni 2020 HIER

ARTE-Text zum Inhalt:

Die zehnjährige Wadjda (Waad Mohammed) träumt von einem eigenen Fahrrad. Doch in Saudi-Arabien gilt das Fahrradfahren für Frauen als unschicklich und so hofft sie vergebens auf die Unterstützung ihrer Mutter. Doch Wadjda, die Jeans und Turnschuhe trägt, gibt ihren Traum nicht so leicht auf …  – Ein berührender Film (2012) der ersten saudi-arabischen Regisseurin Haifaa Al Mansour

Die zehnjährige Wadjda lebt in einem Vorort von Riad, der Hauptstadt Saudi-Arabiens. Obwohl sie in einem konservativen Umfeld aufwächst, trägt das rebellische und selbstbewusste Mädchen Jeans und Turnschuhe, hört Rockmusik und träumt nur von einer Sache: das grüne Fahrrad zu besitzen, das in einem Spielzeugladen zum Verkauf angeboten wird und an dem sie tagtäglich vorbeiläuft. Denn mit dem Fahrrad könnte sie es endlich mit ihrem Freund Abdullah aufnehmen und ihm davonflitzen. Im wahabitischen Königreich ist das Fahrradfahren allerdings Männern vorbehalten; auf die Unterstützung ihrer Mutter hofft sie vergebens. Doch so einfach gibt Wadjda ihren Traum nicht auf! Sie setzt alles daran, die Kaufsumme aufzutreiben, und versucht sich in verbotenen Geschäften auf dem Schulhof. Rasch fliegt sie auf und es droht ein Schulverweis. So bleibt ihr nur noch eine Möglichkeit: ein von der Schule organisierter Koran-Rezitationswettbewerb mit einem ausgesetzten Preisgeld. Wadjda versucht mit viel Eifer und Erfindungsgeist, vermeintlich fromm zu werden. Wird sie es schaffen, den Wettbewerb zu gewinnen? Während Wadjda alles unternimmt, um das sehnlich erwünschte Fahrrad zu bekommen, hat ihre Mutter ganz andere Probleme: Sie versucht zu verhindern, dass sich ihr Mann eine zweite Frau nimmt …

Wenn Sie unschlüssig sind, beginnen Sie – um der Musik willen – beim Wettbewerb im Koransingen, am besten schon bei der Vorübung (während des Bügelns) hier → 1:07:20 und versuchen Sie, ab 1:20:20 auszusteigen. (Es geht nicht.)

In diesem Abschnitt wird die Sure 2 „Die Kuh“ eine Rolle spielen, hier sind zwei Textwiedergaben aus einer Koranausgabe, die ich mir angeschafft habe, als mir die Studienausgabe von Rudi Paret zu abweisend erschien. Also nur der Anfang – es ist die längste Sure des Korans – und die Stelle, nach der sie „Die Kuh“  benannt ist:

Seite 22  Seite 27

Zitiert aus „Der Koran“ Nach der Übertragung von Ludwig Ullmann neu bearbeitet und erläutert von L.W.-Winter / Wilhelm Goldmann Verlag München 1959 ISBN 3-442-0521-3