Archiv der Kategorie: Malerei

Die Linien sehen

Einige Notizen zu Dürer und Wölfflin

Antwerpen

Was Wikipedia vermittelt:

Eine Zeichnung ist ein (Ab-)Bild, das ein Motiv (Sujet) in vereinfachender Weise mit Linien und Strichen darstellt. Dies unterscheidet Zeichnungen von der Malerei, welche ein Motiv durch den flächenhaften Einsatz von Farben und Tonwerten darstellt.

Linie

Grundtechnik der Zeichnung ist das Zeichnen einer Linie. Die Konturlinie oder Umrisslinie markiert die Grenzen, den Umriss, eines Gegenstandes und charakteristische Kontraste, wie sie sich zum Schatten ergeben. Ohne jede Schattierung lassen sich so die Grundzüge eines Gegenstandes festhalten, beispielsweise die Umrisse einer Frucht, die sich von ihrem Hintergrund abgrenzt, und Falten, die ja nichts weiter sind als kontraststarke Schatten. Die Binnenlinie zeigt die Struktur eines Gegenstandes innerhalb seiner Kontur. Auch bei nicht-gegenständlicher Darstellung ist die Linie das hervorstechende Merkmal, auch wenn in der modernen Zeichnung die Grenzen nicht immer eindeutig zu ziehen sind.

Die Linie als das spezifische Charakteristikum der Zeichnung hat historische Entwicklungen durchlebt: Obgleich die Linie als individuelles Markenzeichen jedes Zeichners anzusehen ist, gab es in der Renaissance einen allgemein anerkannte Linientyp, die „schöne“ Linie, die rund, schwingend oder kurvig war. Darüber hinaus existierten gerade und starre Linientypen im Bereich des architektonischen Zeichnens. Der volle Linienreichtum entstand mit dem Impressionismus, weil sich die Beziehung zum beschreibenden Gegenstand lockerte. Eine „Befreiung der Linie“ hin zur gegenstandslosen Zeichnung erfolgte erst im 19. Jahrhundert, etwa im Werk von Honoré Daumier. Die bis dahin dominante schön-kurvige Linie wurde nun um bisher als nicht bildwürdig erachtete eckige, sperrige und ruinöse Linientypen ergänzt. Neue Ausdrucksmöglichkeiten der Linie fanden sich überdies im Werk von Paul Klee und der expressiven Zeichnung Pablo Picassos.

Schraffur

Die Schraffur setzt den zeichnerischen Gedanken der Linie in der Fläche fort. Sie wird eingesetzt, um in der Zeichnung räumliche Effekte (Plastizität) und unterschiedliche Tonwerte darzustellen. Dazu werden in gleichmäßigen Abständen dünne Linien in einem Winkel schräg zur Hauptlinie gezogen. In der reinen Zeichnung ist es verpönt, dabei die Linien so eng zu ziehen, dass sie verschmieren – zum Beispiel durch einen schräg gehaltenen Bleistift – weil damit die Grenze zu Malerei als einem flächigen Arbeiten überschritten wird. Man nennt das „schummern“. Mittlerweile ist aber auch dieses flächige Arbeiten mit Graphit und Kohlestiften weit verbreitet.

Weitere Abstufungen in den Tonwerten lassen sich durch eine zweite Schraffur erzeugen, die leicht versetzt über die erste Schraffur gesetzt wird und deren Linien kreuzt. Man spricht deshalb auch von Kreuzschraffur. Mit dem Mittel der Kreuzschraffur lassen sich bei gleichbleibender Linienstärke viele verschiedenen Schattierungen und Tonwerte erzeugen. Besondere Bedeutung hat die Kreuzschraffur beim farbigen Arbeiten, weil durch verschiedenfarbige Schraffuren neue Farben erzeugt werden können.

Quelle Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Zeichnung_(Kunst) hier

Entdeckung im Bücherschrank:

 

Kloster Säben Geschichte Nemesis „Das große Glück“ (diese Landschaft?)

Zunächst wollte ich nur Näheres über die Linie wissen, nachdem ich die interessanten Ausführungen von Heinrich Wölfflin gelesen hatte, dann über Dürer, der mich immer angezogen, aber auch abgestoßen hat. Was ganz sicher an der Fremdartigkeit seiner Lebenswelt lag (ohne dass ich dieses psychologische Thema vertiefen wollte). Nun halte ich es  in Bewegung:

wbg – was ist inzwischen aus der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft geworden? Siehe hier.

ZEN als Verwandlung

Sehr alte Geschichten

Einerseits will ich nicht meine frühe 1960er-Zeit aufwärmen, mit den damals verschlungenen Werken von Alan W. Watts über Zen-Buddhismus (rde) und „Mann und Frau“ (Dumont), andererseits endet der Anreiz von Zen auch heute nicht, wenn ausgewiesene Denker dahinterstehen und ihn in ihre Philosophie einschließen, wie Byung-Chul Han, der im westlichen „System“ gleichermaßen zu Hause ist.

Als ich 2008 auf dem durchaus westlichen Wege Rüdiger Safranki las, seine bewunderswert ausführliche Antwort auf die Frage „Wieviel Wahrheit braucht der Mensch?“, freute ich mich über eine mir aus der „asiatischen Philosophie“ bekannte Geschichte, mit der er ein chinesisches Bild vor Augen führte. Oder gerade nicht vor Augen: nach wie vor war es mir einfach genug, von dem Bild nur zu hören.

Rüdiger Safranski

Woher er die Geschichte hatte, blieb also im Dunklen. Jetzt – plötzlich und unerwartet – wurde ich auf diesen Seitenweg zurückgeführt: durch die Klinik-Lektüre des Reclam-Büchleins von Byung-Chul Han! Darüberhinaus gemahnt an die Aufführung eines japanischen Noh-Spiels in der Kölner Philharmonie, und – Koinzidenz der Erinnerungsphänomene – durch die Mail eines getreuen WDR-Mitarbeiters, der gerade eine Gedenksendung anderer Thematik im WDR gehört hatte. Er hat selbst zum Thema Japan ungezählte luzide Radio-Sendungen gemacht, die – nicht nur – meinen Horizont erweiterten, auch den eines spezifisch interessierten Publikums, und so die Neugier auf ferne Welten weckten oder wachhielten. Und nun war alles wieder da! Ich las:

in das gemalte Bild hinein«.

Ich las also Byung-Chul Han’s „Philosophie des Zen-Buddhismus“ und darin den Hinweis auf das chinesische Bild (oder ein anderes, ähnliches) und die Wendung zum japanischen Noh-Spiel.

Ein Kreis war geschlossen. Zufällig mein letztes Jahr im WDR, ein Abend des Jahres 2005. Die unglaubliche Atmosphäre in der Kölner Philharmonie, die (nicht einmal) knisternde Stille, ein hörbares Nichts, ein atemloses Publikum, so hatte ich das noch nie erlebt (ausgenommen vielleicht in wenigen Quartett-Konzerten). Alldies mochte ich evozieren und durch Wissen vertiefen. Anhand eines einzigen großen Stückes IZUTSU und eines instruktiven Filmes, den das WDR-Fernsehen (Lothar Mattner) im Vorfeld produziert und gesendet hat. Hier ist er:

Heinz-Dieter Reese im Nachspann

Mehr über den Autor des Filmes Thomas Schmelzer hier. Mystica TV (?). Zur Diskussion…

https://de.wikipedia.org/wiki/Izutsu_(N%C5%8D) hier (Wikipedia über das Noh-Stück „Izutsu“)

https://www.youtube.com/@nohtheatreexplained8410 hier (Übersicht über die Reihe, in der das folgende Stück vorkommt)

Folgt: die Aufführung in der Kölner Philharmonie (Informelle Aufzeichnung, copyright-geschützt)

Weitere Daten zur Aufführung in Köln von Heinz-Dieter Reese:

Phil-Ankundigung  28|10 Freitag 20:00 Uhr
Zwischen Traum und Wirklichkeit
Japanisches Nô-Theater mit dem Ensemble
der UMEWAKA KENNÔKAI FOUNDATION

NohPRGHEFT  Freitag 28. Oktober 2005 20:00
Die Aufführung wird vom Westdeutschen Rundfunk für den
Hörfunk aufgezeichnet und am Sonntag, 12. Februar 2006,
20:05 Uhr auf WDR3 gesendet.

WDR3Buehne Radio06-02-12   Bühne: Radio 12.02.2006
Konnichi wa, Japan
Zwischen Traum und Wirklichkeit:
Nô- und Kyôgen-Theater mit dem Ensemble der Umewaka Kennôkai
Aufnahme vom 28. Oktober 2005 aus der Kölner Philharmonie
vorgestellt von Heinz-Dieter Reese

Die Realisation im Radio

Zugang zum Skript der Radiosendung von Heinz-Dieter Reese, mit der freundlichen Erlaubnis des Autors:

NO Reese WDR3BR120206_Ms

„In Japan wird das Singen im Nô-Theater gelegentlich mit unaru, mit Brummen bezeichnet. Dem liegt eine durchaus zutreffende Beobachtung zugrunde. Der Nô-Sänger achtet bei seinem Vortrag darauf, dass die komplexen Obertöne der Stimme im gesamten Körper resonieren. Dadurch wird die simple Melodik durch vielfältige Klangfarben bereichert. Es entstehen klare, helle Töne, dann wieder getrübte, dunkle Töne, die bald kräftig, bald weich erscheinen. So werden die szenische Atmosphäre, aber auch die verborgenen Gedanken und Gefühle der Figuren zum Ausdruck gebracht. Und das gilt für den Solo wie den Chorgesang.“

Mail-Mitteilung (15.11.2023) Heinz-Dieter Reese:

Zum Noh-Spiel  “Izutsu” finden Sie auf meinem Kanal auch noch eine historische und eindrucksvolle professionelle Aufnahme (des NHK) mit dem legendären KANZE Hisao aus den 1970er Jahren, die ich komplett deutsch untertitelt habe:

https://youtu.be/LCtxXKYD96M  hier

*     *     *

Zurück zu Byung-Chul Han, anknüpfend an seine Bemerkungen zur chinesischen Landschaft:

https://de.wikipedia.org/wiki/Chinesische_Malerei hier

https://www.wikidata.org/wiki/Q11638255  hier Wer ist Kōichi Tsujimura? (s.u. pdf)

https://terebess.hu/zen/mesterek/TsujimuraKoichi.html  hier

https://en.wikipedia.org/wiki/Henry_Pike_Bowie  hier

Henry Pike Bowie’s Werk „ON THE LAWS OF JAPANESE PAINTING“ (1911) Gutenberg hier

https://leopard.tu-braunschweig.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbbs_derivate_00031277/Tsujimura_Yue-chiens_Landschaftsbild.pdf hier / Zitat:

Lichte Phänomene

Aus dem Alterswerk von Jürgen Giersch (*15.09.1940)

Was mich an diesen Bildern fasziniert, ist im wörtlichen Sinn „phänomenal“: dass sie – entgegen meinem Untertitel – der Zeit enthoben sind, ob Vorfrühling oder Spätherbst, ob Jahreszahlen oder Größenangaben. Aber gerade im offensichtlich gegenständlichen Bezug entstehen die rätselhaften Zeichen: ein Fahrradfahrer an der Hauswand, ballspielende Kinder auf der Uferstraße, die angespannte Haltung der spähenden Mädchen, Gitterwerk an der Treppe im kargen Wald und irgendetwas drohend Geheimnisvolles im Wasser, im Nebelmeer oder hinter den Bäumen. Oder ist es ein diffuses Licht, Linienspiel der Schatten, labiles Gleichgewicht aller Dinge, was die Welt so vorläufig und fragil erscheinen lässt.

2020,3 Frühlingstag (Schloßberg, Südseite) 135×90

 2021,04 Vorfrühling,150×105 (letzter Zustand)

 2017,11 (2018) Vier Mädchen auf der Brücke, 65×24

  2022,10 Seilbahn über herbstlichem Wald, 145 x 100 (1)

Siehe auch hier und hier .

Wahlverwandtschaften (Lebende Bilder)

Eine vergessene Kunst? Oder bloß ein Spiel?

Wie mein Interesse begann

Schubert und das lebende Bild

Eine andere Beschreibung, die ich durch Zufall in Goethes „Wahlverwandtschaften“ fand und für meine Entdeckung hielt:

Damals gab es doch schon Wikipedia…

https://de.wikipedia.org/wiki/Tableau_vivant hier

Aber wohl noch nicht diese unvergleichliche Website (mit den Erläuterungen zu den lebenden Bildern ab dem Fünften Kapitel):

http://wwwhomes.uni-bielefeld.de/bseiler/Wahlverwandt/kultur.htm HIER

ZITAT aus dieser Arbeit:

Das Titelblatt der Erstausgabe

Die Aufmerksamkeit, die der Roman fand, war groß, das Urteil jedoch keineswegs nur positiv. Von den moralischen Bedenken abgesehen, wurde auch die nicht immer konsequente Erzählweise beanstandet. Wilhelm Grimm schrieb am 22. November 1809 an seinen Bruder: „Ich begreife auch, daß das ganze Verhältnis sehr langsam und sorgfältig mußte entwickelt werden, nur nicht langweilig, wie es mir durchaus ist. Ich erkläre mir es aus der Art der Entstehung des Buchs, weil es durchaus diktiert ist, wo der Faden wohl nicht streng angehalten worden, sondern ganz gemächlich abgehaspelt worden und zuweilen auf die Lehne des Schlafsessels herabgefallen ist.“

Goethe in seinem Arbeitszimmer

Auch wenn Goethe stehend und nicht sitzend diktierte, muss man wohl wirklich die oft umständliche Allgemeinheit der Aussagen auf diese Arbeitsweise zurückführen. Zur Besinnung auf plastische Einzelheiten wird man bei einem vorwärtsdrängenden Diktieren kaum veranlasst.

Zitat-Ende / der Autor:

SEILER Bernd W. Seiler, Januar 2015 hier

Zu Humboldts Kritik: Mir waren bei der Goethelektüre durchaus auch stilistische Schwächen aufgefallen, die sich aus der Praxis des Diktierens ergeben, z.B. die stereotype Verwendung des Wortes „entgegnen“ statt entsprechender Varianten. Andererseits: las er denn das Diktierte nachher nicht mehr durch? –  Mir fiel jedoch das Wort vielleicht nur deshalb auf, weil es heute so viel auffälliger klingt als  „antworten“, das ich nicht moniert hätte.

Ein anderes Thema dieses interessanten Autors:

http://wwwhomes.uni-bielefeld.de/bseiler/Lesmona/ hier

Cranach in Wien (1502)

Kleine Recherchen

aufgrund des heute – dank der SZ – betrachteten Doppelportraits (als Gastleser):

ich glaube, es waren die Augen, die mich fesselten, und wie sie im Artikel gedeutet wurden. Dann im Detail die Tiere und ihre Symbolik. Die Vögel (am Himmel, hier nicht mitgescannt). Auch der eigene Blick – unmittelbar – in eine ferne Zeit.

https://www.sueddeutsche.de/kultur/kunst-lucas-cranach-khm-wien-ausstellung-1.5627310 HIER

Kunsthistorisches Museum Wien (Flurplan u Bilder) HIER

(!!!) https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst-und-architektur/ausstellung-cranach-der-wilde-die-anfaenge-in-wien-im-khm-18120935.html HIER Stefan Trinks hier und hier

Wikipedia-Artikel HIER

Zur Tier-Symbolik: hier (was mich an diesem Link stört: man findet nichts über seine Urheberschaft, also: eine gewisse Skepsis ist angebracht, in diesem Sinn weiter hier)

Weshalb mich Cranach schon lange interessiert? Weil ein alter Bildband im Regal meines Übe-Zimmers auf Augenhöhe steht: sein späteres Wirken als Propaganda-Maler des Protestantismus! Erhöhte Aufmerksamkeit heute – parallel zur „Bußfahrt“ des Papstes in Kanada betr. die geraubten und ermordeten Kinder in den Internaten indigener Christen.

Mindestens ebenso interessant ist ein anderer Artikel der heutigen Süddeutschen, der allerdings nichts mit dem hier im Blog angeschlagenen Thema zu tun, dafür mit vielen anderen:

hier, und noch mehr dazu hier

(nicht vergessen, folgendes zu rekapitulieren:)

  Suhrkamp 2011 Susan Buck-Morss

Apropos Zeitunglesen: mein Wort der Woche steht am Ende des Leitartikels „Morde mit Botschaft“ von David Pfeifer:

Die westliche Wertegemeinschaft kann schon jetzt beginnen, sich zu schämen.

End-Täuschung

Isenheimer Altar und anderes

Neu war mir der Altar damals nicht. Auch nicht am Tag meiner Konfirmation, als sogar aus Hamburg Verwandte eintrafen und ein großes, in Packpapier gehülltes Gemälde im Kinderzimmer abstellten. Wie lieb sie sind. Mein Herz klopfte, denn meine größte Hoffnung schien in Erfüllung zu gehen: das große bekannte Bach-Portrait von Haussmann. Wer beschreibt meine Enttäuschung, als sich bei der Enthüllung herausstellte – nein, der Komponist Schütz wäre zur Not akzeptabel gewesen – aber das Engelskonzert des Isenheimer Altars, das ging gar nicht, diese falsche Bogenhaltung und diese manierierte Verklärung einer dürftig zirpenden Musik. Kein Zufall, dass dieses repräsentative Bildwerk sich nicht über die Zeit meiner Jugend hinweg erhalten hat. Aber gemerkt habe ich’s mir, in Berlin und in Köln habe ich oft Museen besucht, alte Meister studiert (vielleicht in Anlehnung an Proust). Als Reproduktion zweifellos unzulänglich.

Kunst 1962

Irgendwann Ende der 60er Jahre – im Zuge der Begeisterung für Elsässer Wein – haben wir auch realiter vorm Isenheimer Altar in Colmar gestanden, ich weiß nichts von Erschütterung, aber die Bedeutung des Augenblicks war mir sicher klar. Und nun heute beim Aufblättern der Morgenzeitung: was für ein Zeitsprung über 60 Jahre rückwärts und weiter! Hinein in die farbige Realität des Mittelalters! Restauriert, natürlich wusste ich es längst aus anderen Medien. Aber im Solinger Tageblatt, das mich weiterhin – trotz meines Einspruchs –  mit den hirnlos zusammengestellten Sprüchen der Herrnhuter Brüder ärgert, – ein solcher Blickfang auf der heutigen Kulturseite!

und in Colmar mehr: hier

Und in Solingen wie immer AUCH dies:

  Original: 

Ich hoffe, dass bei den Herrnhutern auf der Rückseite des Kalenderblattes eine Erläuterung zu lesen ist. Denn: Auch wenn man die Bibel Vers für Vers als „Gotteswort“ liest, stehen doch die meisten Verse in einem dichten Zusammenhang, der dazugehört und vermittelt werden muss. Selbst stock-ungläubige Philologen verlangen danach. Deshalb hier das Original neben der privativen  Verfälschung.

Es war in Portugal an der Algarve 2010 oder 2011 – soweit ich weiß – als ich mich mit Beethovens Cellosonate op. 102 beschäftigte. Die Erinnerung saß „tief“. Siehe hier. Alban Gerhardt?

Ach, die Erinnerung trügt. Hier erkenne ich deutlich vor der Person, die ich sein könnte, die Intonationslehre von Doris Geller. Doch das ist nicht der Punkt: den erwähnten Beethoven hatte ich dort ja ebenfalls studiert, später jedoch erinnerungstechnisch vollkommen verdrängt, was jetzt nur mühsam zum Vorschein kam: soso, Webern hat er auch gespielt? Ich habe sogar die Ablaufzeiten beim Beethoven korrigiert, also oft gehört, und erinnere mich einfach nicht an den Ablauf, an die Thematik dunkel, genauer nur daran, dass die Interpretation sehr gut war? Ja, und der Name war falsch, ich wollte nur, dass es Alban Gerhardt gewesen sei. Das ist aber gar nicht so selten: Enttäuschung über sich selbst (statt über andere).

Und der Blick in den zweiten Band der Beethoven-Interpretationen (Riethmüller, Dahlhaus, Ringer, neu wieder im Laaber Verlag) verrät mir auch den Grund (die Ausrede). Es wäre interpretationstechnisch wirklich ein Thema gewesen!!! Ein Vergleich. Aber doch nicht in Portugal…

Text: Hermann Danuser

Die Aufgabe wartet noch. (Hier z.B. – live 1989! ) Dies nur als An- und Vorsatz. Aber: Muss es sein?

Ähnlich geht es mir heute mit einem philosophischen Buch, in dem ich nicht vorankomme. Soll ich darauf bestehen – oder anderen Verlockungen nachgeben? Solchen, die direkt zu eigener Praxis führen? Z.B – der neue Band Musik & Ästhetik mit unterschiedlichsten Angeboten, – ich gehe sie durch und bin gefesselt von Notenbeispielen: warum ausgerechnet Richard Strauss? Weil ich mich dann ans Klavier begeben darf. Auch ein Salome-Klavierauszug liegt dort griffbereit, vielleicht sogar „Ariadne“? Nicht zum Spielen, nur zur Realisierung der Akkordfolgen… (Ist es ein Zufall? Strauss habe ich in Berlin gehört, 1960, die Zerbinetta-Arie von Ilse Siekbach mit meinem Vater am Flügel, „Großmächtige Prinzessin“ in – Bielefeld, etwa 1955).

Autor: Robert Christoph Bauer (Bio u.a. hier) / Tatsächlich: diese Arbeit zu studieren, ist von A bis Z ein Vergnügen, wenn man es liebt, harmonisch ins Detail zu gehen. Warum? (Im Andenken meines Vaters, der mir einiges im „Louis-Thuille“ gezeigt hat.)

*     *     *

Habe heute (7.7.22) in aller Frühe die CD von Nicolas Altstaedt vollständig gehört (2007) und dabei – das sei zugegeben – die neue ZEIT durchgeblättert. Mein Eindruck von damals hat sich bestätigt, ein fabelhafter Cellist, aber es gibt nichts „Auffälliges“ im Beethoven-Werk, abgesehen von der Dynamik. Zuviel C-dur (a-moll usw., gewiss). Sehr ungeschickt in der Programmfolge: wenn man nicht aufpasst, setzt in Tr. 5 der Webern ein, G-dur-Akkord, und man zweifelt keinen Augenblick: Beethoven geht weiter, endlich harmonisch spannender. Pure Irritation, es ist ein früher Webern, aus dem Jahr 1899 (da war er kaum 16 Jahre), danach folgen die Stücke Op.11 (1914) und eine Cello-„Sonate“ von nicht 2 Minuten Länge, aus demselben Jahr, aber vom Komponisten offenbar keiner Opuszahl gewürdigt. Das alles schreit nach Kommentar, stattdessen ein ziemlich unergiebiges Gespräch mit Norbert Ely, – wenn man absieht von der Bemerkung zur Bach-Suite: ob man es überhaupt bemerkt hätte, dass da in Scordatur gespielt wird? (Ist doch egal, sagen Sie, wenn es nur klingt???) Aber man schämt sich, wenn man nicht bemerkt hat, dass da eine (nachträglich aufgenommene) zweite Stimme hinzugefügt wurde (in Gigue und Gavotte 2). Dann Ligeti, um die Moderne noch einmal zu Wort kommen zu lassen, allerdings auch hier „ein eher untypisches, frühes Stück“. Ich habe damals mit offenen Augen geschlafen, wollte wohl eher nebenbei den Beethoven knacken, hörte durchaus imponierendes  Cellospiel, habe mich aber nicht mal so aufgeregt, dass ich mich daran erinnere. Vom Bach blieb erst recht nichts haften. Gerade auch nicht die – übertrieben im ppp, extrem „transzendierende“ – Sarabande.

So geht es einem 10 Jahre danach. Man wird radikaler. Oder das Gegenteil. Bin ich vielleicht nur deshalb niedergeschlagen, weil ich nachts – statt Frühlingsluft an der Algarve – die Lanz-Sendung in Solingen-Ohligs erlebt habe? den Moderator endlich relativ kleinlaut, um so erschütternder Habeck (Globalisierung!) und Theveßen (USA am Ende?). Ich kann das nur empfehlen, wenn man eine gewisse psychische Stärke aufbauen bzw. der Gefahr ins Auge schauen will. HIER. Ein Jahr lang verfügbar, bis 6.7.23. Wie wird es dann um uns stehen?

*     *     *

Ariadne auf Naxos : es ist nur ein kompositorisches Detail, um das es geht. Um es dingfest zu machen, höre ich hier hinein ab 5:05 den Text beachten: „da mischt sich im Herzen leise betörend“.  Dann etwas großräumiger den Zusammenhang erfassen. Als nächstes denselben Text  hier nach 5:20 aufsuchen, die Noten beachten, also die Stelle zwischen Ziffer 115 und 116 identifizieren, „da mischt sich im Herzen leise betörend“, es ist genau diese Stelle, die im Aufsatz von Robert Christoph Bauer behandelt wird, Seite 45 f, Beispiel 3 und Beispiel 4.

Auf der Seite vorher geht es um die Stelle fünf Takte nach Ziffer 107, in unserm Youtube-Beispiel ab 2:55 (nach den Worten „ohne Grenzen!“) folgt „Eine kurze Nacht, ein hastiger Tag, ein Wehen der Luft, ein fließender Blick verwandelt ihr Herz! Aber sind wir denn gefeit gegen die“ Ziffer 108  „grausamen, entzückenden …“

Damit hätte man als Musiker die Werkzeuge in der Hand, den Text Seite 44 zu verstehen. Zugegeben: leicht ist es nicht. Hier der entsprechende Text von Robert Christoph Bauer:

Ich hätte wohl nur genauer bedenken sollen, was ich da unterstrichen haben (über „Umkehrungsakkorde“). Die Frage bleibt, was der Autor mit einem „kurzen, unaufgelösten E-Dur-Quartsextakkord“ meint. Meint er den (unmittelbar vor Ziffer 108) auf Fis stehenden in H, der Dominante von E-dur? (Nein, siehe Nachtrag 28.7.22 hier).

Mir scheint hier lösen sich Rätsel auf, die ich 1955, als mein Vater mit der Sängerin genau dieses Koloraturkunststück probte, nur  dunkel ahnte. Die Musik der permanenten Modulation verwirrte mich nicht weniger als der Text über „flatterhafte“ Liebe…

*    *    *

Zwei andere Artikel des Journals „Musik und Ästhetik“ Juli 2022 habe ich mit besonderem Interesse gelesen, den über Neue Musik (von Clytus Gottwald) und den über Alte Musik (von Jörg-Andreas Bötticher). Den einen Autor (Generation Altväter) kannte ich, weil ich gegen ihn 1985 polemisiert habe, als er sich im Adorno-Slang über den Boom Alter Musik mockierte; den andern (Generation Nachwuchs) kannte ich nicht, obwohl er sich auf neue Art zur Alten Musik bekennt. Beide aus Insider-Perspektive sprechend, der eine nach wie vor hochtrabend-wichtig („Schlüsselloch“), der andere nachsichtig-kompetent („Sympathieträger“). Letzterer vorbehaltlos zu empfehlen, obwohl er Sloterdijk (statt Adorno) zitiert; manches konnte man ahnen, aber nicht, dass der jetzt eine Traurede für Christian Lindner und Zweitfrau auf Sylt halten würde. Den Böttcher-Beitrag empfehle ich Musiker:innen jeglicher Couleur (ich selbst werde als nächstes seinen MGG-Beitrag über Generalbass lesen, passend zum oben hervorgehobenen Strauss-Artikel).

MGG-Beitrag 1995 mit seinem Mentor und Kollegen Jesper B. Christensen, unerhört instruktive Notenbeispiele!

Zur Erinnerung, – ich dachte damals, es sei schon spät, aber es war noch früh genug für einen teils polemischen teils pädagogischen Artikel (aus den Anfängen der Zeitschrift Concerto 1984):

Finale dieses Artikels (12.07.22)

Wochenendbesuch in Bielefeld (im Anschluss an die Lohe bei Bad Oeynhausen): anders als die Melancholie einem einflüstert, – alles ist schöner geworden. Ohne Ironie: wirklich! Ich werde einen Teil des Schulwegs nachzeichnen, aber er endet nicht an der ehrwürdigen Schule, sondern im herrlichen Museum, gleich dahinter. Allerdings bringen wir es nicht übers Herz, Zeit für die Ausstellung zu opfern, wunderbar: dem Thema Wasser gewidmet. Ich weiß: Bielefeld hatte die Teiche am Tierpark Olderdissen und einen Bach namens die „Lutter“, der damals irgendwo unterirdisch verfrachtet war; man wusste davon, aber man sah sie nie (vgl. hier). Und bis heute wusste ich nichts Weiteres, abgesehen von dem, was sich in der Nähe unserer Schule verändert hat (mehr darüber hier).

Blick zur Neustädter Kirche (längs der Lutter!)

Die Perspektive spielt verrückt. Die Kastanie aber war damals schon riesig.

   

Hier, nicht weit von der gewaltigen Kastanie, stand in der Anfangszeit ein Bismarck-Denkmal, das irgendwann von Schülern der Oberstufe farblich verunstaltet wurde. Skandal à la Feuerzangenbowle! Später stand dort die Kopie der Rodin-Skulptur „Der Denker“, neben der ich mich einmal, ironisch-komisch geduckt, in ähnlicher Pose ablichten ließ, als es um ein Foto für die Wahl des Schulsprechers 1958 ging. Dieses Foto wurde nicht dafür verwendet, aber gewählt wurde ich tatsächlich, obwohl die Chancen für einen Altsprachler nicht optimal standen. Die Kunsthalle Bielefeld ist der Firma Oetker zu verdanken, die mir – ein nicht ganz vergleichbarer Vorgang – schon ab 1960 mit einem monatlichen Zuschuss von 200.- DM beim Studium half. Den Ort wählte ich in größtmöglicher Entfernung vom Heimatort: nicht in Detmold, was im doppelten Sinne nahelag, sondern in Berlin. Erst 1962 (wegen der Geige) in Köln (statt des angestrebten Wunschziels Wien), was letztlich eine neue Weichenstellung fürs ganze Leben brachte.

s.a. hier – Einen Widerspruch gibt es noch aufzulösen: die Kopie der Rodin-Skulptur soll es – dort in der Nähe des Gymnasiums – gar nicht gegeben haben, als ich noch zur Schule ging (vgl. hier). Sondern erst 1966. Spielt mir die Erinnerung einen solchen Streich? Ist auch hier eine Ent-täuschung fällig? Fortsetzung folgt vielleicht…

(Alle Fotos JR, Portugal: E.Reichow)

Epilog 

Plakat

CD Cover

Was steht auf dem Plakat – rund um das Bild – geschrieben?

I am convinced that almost all great men who, because of their accomplishments, are
recognized as leaders even of small groups share the same ideals. But they have little
influence on the course of political events. It would almost appear that the very domain of
human activity most crucial to the fate of nations is inescapably in the hands of wholly
irresponsible political rulers.
Political leaders or governments owe their power either to the use of force or to their
election by the masses. They cannot be regarded as representative of the superior moral
or intellectual elements in a nation. In our time, the intellectual elite does not exercise any
direct influence on the history of the world; the very fact of its division into many
factions makes it impossible for its members to co-operate in the solution of today’s
problems. Do you not share the feeling that a change could be brought about by a free
association of men whose previous work and achievements offer a guarantee of their
ability and integrity?

Es handelt sich um einen Ausschnitt aus dem Brief, den Albert Einstein 1931 an Sigmund Freud geschrieben hat. Das Plakat oben stammt aus der Bielefelder Kunsthalle. Design: Goshka Macuga „Pavillon for [an] International Institute of Intellectual Co-Operation“ (2016). Mehr dazu hier.

Die musizierende Gruppe aus dem Iran hat damit zunächst nichts zu tun. Ich habe mich bei der Betrachtung des Plakats ihrer erinnert (ebenso wie des Abendmahls von Leonardo da Vinci). Wunderbare Melismen, die einstimmig wirken, aber durch die aufeinanderfolgenden Einsätze der Stimmen ein vielstimmiges, parallel und zugleich in sich verschoben ablaufendes Muster schaffen. Ich möchte nicht, dass solche Musik je in Vergessenheit gerät: Hossein Alizadeh.

Razé No

Und wünsche mir, dass ihr Geist nicht im Widerspruch steht zu dem, der im Briefwechsel zwischen Albert Einstein und Sigmund Freud 1932 zum Ausdruck kam. Mir geht es um Tr.3 (Homayun), aber Tr. 10, der hier greifbar ist, vermittelt auch einen schönen ersten Eindruck.

Liebermann

Bilder einer Ausstellung (Düsseldorf Kunstpalast 22.04.22)

auf dem Weg

wer ist wer? Max Liebermann (Wikipedia)

Unten: Der Bürgermeister war verärgert über die realistische Darstellung.

 

 

Liebermann (Lafer?) im Prunkstillleben

der Schafmaler

Liebermann / Slevogt

.    .    .    .    .

Sommerbesuch im Liebermann Garten 2009

Alle Fotos Handy JR

Aus Wikipedia: Wannseegarten, 1926. Das Spätwerk Liebermanns ist geprägt durch Rückzug ins Private und impressionistische Darstellungen seines Gartens.

2022 Noch ein Rundgang im Kunstpalast – sehen und lesen – HIER

Das Buch von Florian Illies gibt ein unglaubliches Panorama des psychologischen Klimas in der Zeit zwischen den Weltkriegen; ich dachte an meine Eltern, die sich 1937 kennenlernten, an die unguten Gefühle meiner kindlichen Welt, deren Hintergrund der Krieg war, auch an das später so ambivalente Idol meiner Primanerjahre, Gottfried Benn, dessen unheilbare Trauer ich liebte und auf seinen politischen Fehltritt bezog. Aber nichts über Max Liebermann, der den Absturz der letzten Jahre kompensierte, indem er sich in die Betrachtung seines paradiesischen Gartens vergrub. Anders als Victor Klemperer, der in seinen Tagebüchern 1937 auch den Tod des Malers bedachte, kurz und akribisch, wie er Seiten zuvor protokollierte, dass die Juden sich ihrer Haustiere zu entledigen hatten. Eine labyrinthische Lektüre, sowohl hier wie dort. Doppelt gespenstisch, da die Welt gerade wieder aus den Fugen geht.

Florian Illies

Victor Klemperer Tagebücher

Es war sehr unwahrscheinlich, dass in jener Zeit zwei Menschen, die aus entfernten Dörfern im Osten und Westen des damaligen Deutschen Reiches stammten, ausgerechnet im Sommer 1938 in Berlin aufeinandertrafen. Aber wo sonst? Artur R., geboren 1901 in Roggow bei Belgard, und Gertrud A., geboren 1913 in Lohe bei Bad Oeynhausen. Und die letztere hat zeitlebens immer wieder ihre Lebengeschichte rekapituliert und für jedes Kind separat noch einmal.

Der zuletzt genannte ältere Bruder Hans „mit seinem VW Käfer“ war schon arriviert.

In Greifswald wurde 1939 Bernd R. geboren und 1940 ich. Es war schon „im Krieg“.  Und niemand hätte gedacht, wie die Jahrzehnte dahingehen, und wie wir eines Tages in unsern Gärten stehen würden und wieder über Krieg nachdenken müssen, ob wir wollen oder nicht. Dies etwa würde ich heute meinen Enkeln erzählen, auch, warum ich den Botanischen Garten liebe, die Musik, die Bilder und natürlich die Blumen am Haus, andererseits dazu neige, in der ebenso nahen Wildnis unterzutauchen oder den ekstatischen Vogelstimmen des Frühlings  zuzuhören. Und wie sich das Autobahngeräusch von fern hineinmischt oder der Flugzeuglärm, der von Düsseldorf nach Köln zeigt – nach Frankfurt – in alle Richtungen der Welt.

Mienenspiel (ein Leben)

Wie wir denken und fühlen

Prinzessin sein

    

10 Jahre später: Übung

Augen, Nase, Mund?

Kein Selbstportrait (Rihanna?)

Wiederum 10 Jahre später: Zum Studium der Anthropologie

HIER 

Was gibt es noch? Weitere Beispiele für „Kultur-Anthropologie“: Hier

Visuelle Anthropologie Hier Weiteres (aus München) Hier

Osteuropa betreffend: hier Wiki hier  Mediathek Osteuropa hier

Großstadt hier

Wie [man] das Leben gestaltet.

Der suggerierte Zusammenhang einer Geschichte in diesem Blog-Verlauf ist ziemlich frei erfunden bzw. assoziiert (JR). Dank an Eos!

Individuum:

2022

Alle Fotos ©

[ Lesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophische_Anthropologie hier ]

Delacroix Farbenmusik

Chopin, Salon und Konversation

Zur Aufmunterung: Live (und als „Konserve“ hier) – und Artur Rubinstein op.24 Nr.1 hier.

Was den Stein ins Rollen brachte:

Siehe auch hier. Und hier (nach Kleist-Abschnitt).

ZITAT

Zu Chopins Zeit wurden in Paris etwa 850 Salons geführt, halb private, in großen Häusern übliche Zusammenkünfte von Freunden und Kunstsinnigen, die sich mit gewisser Regelmäßigkeit, wöchentlich oder monatlich, zum Abendessen, Gesprächen und Musik trafen. Wer in diesen Zirkeln der Pariser Großbürger verkehrte, der hatte es zu gesellschaftlicher Reputation gebracht. Am wohlsten dürfte sich Chopin in den Künstlersalons gefühlt haben, wo er unter seinesgleichen verkehrte und Musizieren und Gedankenaustausch intellektuelles Niveau sicherten.

Quelle Wikipedia Chopin hier

  … ein kleines, neues, übersichtliches, anspruchsvolles und (trotz allem) praktisch anregendes Buch:  Thomas Kabisch „Chopins Klaviermusik. Ein musikalischer Werkführer.“ C.H.Beck München 2021 128 Seiten. ca. 10,00 €

Eine Vorbemerkung oder sogar Vorwarnung erweist sich jedoch als notwendig: Es gibt kein einziges Notenbeispiel im Buch, wodurch die Lektüre keineswegs erleichtert wird: es ist ganz unmöglich, die Analysen zu verstehen, ohne sie Takt für Takt im Notentext dingfest zu machen. Das ist eine schwere Arbeit, für Laien wohl überhaupt nicht zu leisten. Und ich kann im Augenblick auch für mich nicht entscheiden, ob sich das Unterfangen lohnt. Es ist die Übertragung in ein anderes Denken, das sicherlich auf einer abstrakten Ebene „Sinn macht“, das ich mir aber selbst erst wieder in eine Sprache zurückübertragen müsste, die ich als musikalisch empfinden könnte. Am Ende wäre ich gewiss reicher, würde aber keinem Pianisten je diese Art von Studium zumuten. Ich vermute, dass Chopin selbst den Kopf schütteln würde. (Sobald ich Zeit habe, werde ich die Ausführungen über die Klavierkonzerte im Detail es geht nur um Abschnitte der ersten Sätze! – untersuchen und synchron immer wieder mit den klingenden Ereignissen vergleichen; vielleicht ändert sich meine Meinung. Dann werde ich mit öffentlichen Selbstvorwürfen nicht sparen.)

Und noch einmal Kunst, Farben und alles was Chopin betrifft…

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Im folgenden Text ab Mitte „Die Romantik und alles…“ bis auf nächste Seite „…Zeit und Ewigkeit so eins wie hier.“

Quelle René Huyghe: DELACROIX Beck’sche Verlagsbuchhandlung München 1967

Seite 257

Denn auf der einen Seite sieht sich der Mensch gleich der Barke Don Juans in der Endlosigkeit des Ozeans ausgesetzt, der sein Spiel mit ihm treibt und ihn in die Tiefe zieht, wo alle Leidenschaften über ihm zusammenschlagen. Baudelaire hatte sich eines ähnlichen Bildes bedient:

Und meine Seele trieb, hinfällige Gabarre, haltlos auf grausig- unbegrenztem Meer.

Les Fleurs du Mal (Fischer 1962 S.148ff)

Die Barke Don Juans 1839, Salon von 1841

Chopin, gesehen von Delacroix

Soeben erreicht mich auf wundersame Weise folgende Abhandlung (versehen mit dem Hinweis: 110 Minuten Lesedauer ♥ ) :

Philipp Teriete
Frédéric Chopins Méthode de Piano: eine Rekonstruktion –
Zur Ausbildung der »Pianistes Compositeurs« des
19. Jahrhunderts

 *    *    *

Thomas Kabisch:

Verhängnisvoll ist ein Fehler auf Seite 26, wo zweimal die Mazurka op.33 Nr.4 genannt wird, so dass man eine Weile im Dunkeln tappt: denn das erste Mal ist die Mazurka op.33 Nr.2 (!) gemeint, man merkt es nur nicht gleich, weil die Taktzahl-Angaben in beiden Fällen sinnvoll wirken; denn die bezeichneten Abschnitte beginnen in beiden Mazurken „zufällig“ an denselben Punkten, z.B. Takt 49 und Takt 65. Ärgerlich.

Zugleich hatte ich mich aufgrund des Kabisch-Hinweises (Seite 28) auf die Suche nach der empfohlenen Horowitz-Wiedergabe der Mazurka h-moll op.33 Nr.4 begeben (der Youtube-Link gilt nicht mehr). Man schaue stattdessen hier  beim Klavierabend (1987) „Vladimir Horowitz. Goldener Saal, Wiener Musikverein“, man kann dort die Mazurka 33,4 direkt anklicken oder auf 1:08:10 gehen (bis 1:12:57). Wer will, kann versuchen, sich mit Hilfe der obigen Analyse zu orientieren; oder sich auf den Fragesatz zurückziehen, den ich rot markiert habe, :

Die musikalische Analyse erweist das klangliche Minimum der Mazurka als denjenigen Punkt, an dem sie die größte Fülle musikalischer Bedeutung erreicht. Doch was soll ein Ausführender mit dieser Auskunft anfangen?

Die Mazurka endet folgendermaßen:

Kein Zweifel: die Klavierkunst des alten Mannes ist bewundernswert. Es handelt sich um ein großes Live-Konzert! Uns geht es trotzdem nur um Chopin und diese eine Mazurka. In der vorletzten Zeile steht ein langes Diminuendo, aber kein stringendo. Und woher nimmt Horowitz das fortissimo des letzten Taktes? In einer Kopie von Fontana steht dort – ohne dynamische Angabe (!) – das Wort risvegliato (aufgewacht), Rubinstein schläft ebenfalls nicht ein, er erwacht aber auch nicht spektakulär, effekthaschend, sondern – sagen wir – mit einem innigen Abschiedsgruß.

Nebenbei: Arturo Benedetti Michelangeli (1971) entscheidet sich – wie Horowitz – für ein „Machtwort“ am Schluss. Ich finde es nicht angebracht: nach 5 Takten diminuendo, 6 Takten provokativer (?), resignativer (?) Stagnation auf dem Quintfall g – c (C-dur-Nachklang) wird der Ton C bei einem letzten, weiteren Quintfall akzentuiert, „weil“ er zum letzten Mal kommen soll, dabei umgedeutet wird in einen „Neapolitaner“ von h-moll und mit einer entsprechenden h-moll-Kadenz beantwortet. Eher zärtlich als triumphal. Man vergleiche diesen allerletzten Takt (rhythmische Reminiszenz der 5 wiederholten Takte diminuendo) mit ähnlichen Übergangstakten an anderen Formanschnitten (vor Takt 69 – s.o. aufliegend in den Youtube-Noten, und vor Takt 113) : man erwartet vielleicht wieder ein „gesundes“ forte, aber gerade das dürfte am finalen Ende nicht kommen, ob risvegliato oder nicht. (Rubinstein hat recht! – falls man hier noch rechthaben will…)

Nochmals nebenbei: finde ich verfehlt, ausgerechnet Friedrich Gulda als Chopin-Pianisten zu bemühen, wie es Kabisch tut (ab Seite 109), nur weil es frühe Aufnahmen davon gibt. (Der angegebene Link funktioniert allerdings gar nicht, siehe notfalls hier.)

Es sind ein paar ideologische Momente, die mich beim Lesen der Analysen irritieren und – fast möchte ich sagen – ein bisschen (fast) rühren. 1 die Tendenz, Chopin um jeden Preis der Moderne zuordnen zu wollen, was damit beginnt, dass der Fremdwortgebrauch mindestens mit dem Theodor W. Adornos wetteifern kann. 2 dass man bewusste Folklore-Reminiszenzen gern mit dem Wort „Trällern“  abwertet, 3 lieber von Intervallen spricht als von emotionalen Charakteristiken und die Reduktion auf Minimalismen begrüßt, besonders wenn man sie auf Boulez beziehen kann, 4 dass man sich (etwa in den Klavierkonzerten und den Impromptus) auf die Sinngebung des Ornamentalen anhand partieller Formteile capriziert, da dies offenbar einer Rechtfertigung bedarf.

Der geformte Einzelton zeigt sich, wenn bunt massenwirksame Dramaturgie ausgeschlossen ist, als Kern der Musik. Musik ist Bestimmung des Einzeltons, und der bestimmte Einzelton ist Musik. (Seite 12)

Aber das ist nicht alles, der Rahmen bleibt ungeheuer:

Einerseits Kalkbrenner („Usancen des Virtuosentums“), andererseits Bach (der „Schöpfer einer großen Vielfalt satztechnischer Zustandsformen, die durch kontrapunktisches Denken auch dort geprägt sind, wo auf der Oberfläche eine harmonische Progression oder die Außenstimmen dominieren“). Seite 87

Nachwort 26.01.22

Angesichts des Titels, den ich bei der Planung dieses Artikels voreilig gespeichert hatte, befürchte ich, falsche Erwartungen geweckt zu haben. Zwar würde ich viel geben, Näheres über die Gespräche zwischen Chopin und Delacroix zu erfahren, Nachschriften, Gedächtnisprotokolle. Ich habe auch immer mal über das Novalis-Wort nachgedacht, dass die Ästhetik der einen Kunst auch die der anderen ist, weil es offenbar für Schumann wichtig war. Aber ich habe es nie für richtig gehalten. Das umfangreiche Buch mit dem entsprechenden Titel habe ich nie gründlich durchgeschaut. Ich gehe gern in Ausstellungen, vertiefe mich in Kataloge und „Bilderbücher“, lese interessiert Analysen wie die von Horst Bredekamp oder Kia Vahland, aber nie, wenn ich eine Ausstellung wie die in Düsseldorf mit Bildern von Zurbaran oder Edvard Munch sehe, und zwar gründlich und langsam, wenn auch nicht fachkundig, – nie höre ich innerlich dabei Musik oder denke auch nur an musikalische Vorgänge. Während ich glaube (und in Einzelfällen auch weiß), dass Künstler beim Malen von Klängen inspiriert sind. Deshalb will ich nicht versäumen, auf dieses Werk hinzuweisen, das mir ein gut befreundeter Musiker vor rund 40 Jahren geschenkt hat. Gründe genug, es täglich zu Rate zu ziehen. Das sagt sich leicht, es hat nie längere Zeit aufgeschlagen auf meinem Tisch gelegen. Es könnte daran gelegen haben, dass darin für die Musik Grete Wehmeyer zuständig zu sein schien, die schon in frühen Jahren eine originelle „Nachtmusik im WDR“ über Satie gemacht hat und der ich des öfteren im Kreis um Kevin Volans begegnete; dieser war es auch, der mir die Perlenkunst der Volkskunst in Lesotho nahebrachte, und ähnliche Strukturen wohl auch in seiner Musik realisierte. Aber G.W. war mir endgültig suspekt durch ihren Einsatz für eine neue (krampfhafte) Verlangsamung in der klassischen Musik. Ich erinnere mich an die Nachtmusik-Plakate von Heinz Edelmann, an seine zuweilen sehr sonderbaren Motive der Folkfestival-Werbung  („Brot für die Welt“). Dennoch hätten mich ja wenigstens Namen wie Hans-Heinz Stuckenschmidt oder die WDR-Kollegin Dorothee Eberlein bewegen müssen. Nichts. Meine Schuld. Auch jetzt der Entschluss, das Inhaltsverzeichnis neben die Veranstaltung von 1981 zu legen

 

ISBN 3-7913-0727-4

„Werk ohne Autor“ (bis 4.1.2021)

Autor: Florian Henckel von Donnersmarck

Biographie bei Wikipedia Hier

Seit gestern: einer der besten (kunstbezogenen) Filme, die ich je gesehen habe. Es gibt ihn schon seit 2018. Warum grenze ich mit dem Adjektiv „kunstbezogen“ die Reichweite meiner Begeisterung ein? Genauso wie mit der Floskel „die ich je“ – weil ich kein Cineast bin, der unendlich viele Filme professionell erlebt hat und somit auf ein umfangreiches Repertoire zurückschaut, das er ständig reflektiert. Mit andern Worten: ohne jede Autorität. Aber ich denke nicht nur an Filme wie die über Vincent van Gogh (1956) oder Toulouse-Lautrec (1952), die mich früh beeindruckt haben und die ich heute als im besten Sinne dilettantisch bezeichnen würde. Sondern solche, die selber Kunst sind (sein wollen). Ich lasse mich nicht beeindrucken durch professionell destruierende Urteile, wie sie z.B. im Wikipedia-Artikel hier auftauchen, – was geht mich das an, wenn ich begeistert bin? Natürlich benutze ich dieses Wort „begeistert“ nicht als Argument, wenn jemand, mir widersprechend, als erstes an die Gaskammer erinnert, die nicht inszeniert werden dürfe. Das Entsetzen dürfe nicht instrumentalisiert werden, um den kritischen Abstand des „Konsumenten“ zu brechen. (Kurz: darüber rede ich nicht.)

Über Gerhard Richter und sein Urteil über den Film: hier. Ich erinnere an Schönberg und die Kontroverse über Thomas Manns „Doktor Faustus“

Keine Nebensache: der Film umspannt auch den größten Teil meines eigenen Lebens. Ein Mitschüler aus Bielefeld studierte an derselben Kunstakademie. Mit dem realen Hintergrund (der ersten Frau des realen Malers Richter) in Düsseldorf hatten wir in den 80/90er Jahren eine äußere Verbindung.

Was erinnere ich seltsamerweise als erstes? Das wogende Kornfeld. (Kindheit, vielleicht deswegen: hier)

Wichtiger Punkt: der gute Einsatz der Musik (überwältigend: Bach BWV208 am Klavier), was mich nach dem Autor dieses Parameters fragen lässt, Max Richter.

DER FILM

HIER

Nur noch bis zum 4. Januar abrufbar. Montag. Hier noch der Trailer, mit dem man nicht einverstanden sein muss:

Und in diesem Moment liegt wieder ein Buch auf dem Tisch, das ich im Dezember 2005 von lieben Kollegen zum Abschied geschenkt bekommen habe: eine geniale Geschichte der Unschärfe. Daraus nur 1 Zitat.

ISBN 9783803151698

Auch hier bestätigt sich die Vermutung, dass interessante Bücher interessante Kritiken produzieren, vgl. hier. (Samt genauer Quellenangabe, falls man dem Buch nähertreten will.) Bemerkenswert besonders diese Sätze zur Rezension von Elke Buhr (FR):

Sie hebt hervor, dass es Ullrich gelingt, die gängige These, wonach die Fotografie der Malerei die Naturnachahmung abnahm und letztere sich darum der Abstraktion zuwenden musste, zu modifizieren. „Auch die Fotografen folgten dem Trend zur Autonomisierung von Fläche und Form, auch sie sahen die entscheidende Herausforderung darin, das reine Abbild der Realität zu transzendieren“, erklärt die Rezensentin. Bedauerlich findet sie nur, dass Ulrich am Ende seines Buches die aktuelle Unschärfeästhetik mit dem Label der „postmodernen Beliebigkeit“ kritisiert, und mit diesem Pauschalurteil seine so sorgfältig entwickelte Differenzierungsfähigkeit wieder zerstört.

Was mir noch dazu einfällt, stammt vom Filmemacher Edgar Reitz. Der Zeitungsausschnitt hängt am nächstgelegenen Bücherregal. Aber man kann ihn auch im Netz-Archiv der Süddeutschen Zeitung abrufen:

Seit ich Filme mache, beschäftigt mich, wie unser Sehsinn funktioniert. Sind unsere Augen kleine biologische Kameras und ist das Gehirn ein Bilderarchiv, in dem optische Wahrnehmungen ähnlich wie in einem Videorekorder gespeichert werden? Diese Annahme erweist sich als rettungslos naiv, wenn man als Filmemacher erlebt, wie unterschiedlich ein Film wahrgenommen wird. Man muss sich damit abfinden, dass der Zuschauer nicht objektiv wahrnimmt, was wir ihm auf der Leinwand erzählen, sondern dass jeder nur sieht, was er mit eigenen Erfahrungen bestätigen kann. Der Satz, dass ein Film im Kopf des Zusehers entsteht, dass also jeder seinen eigenen Film sieht, bewahrheitet sich in immer neuen Formen des Missverstehens. [weiter hier]

Ein ganz anderes Buch habe ich wieder hervorgesucht, das vor 60 Jahren vielleicht ein Meilenstein des Erinnerns war. Vom Gymnasium Bielefeld aus, Fach Religion, hatten wir aber auch schon im Oktober 1956 die Betheler Anstalten besucht und in der Vorbereitung vom Euthanasie-Programm der Nazis erfahren.

  dazu Wikipedia hier

Nachtrag 3. Januar 2021 (Geburtstag meines Großvaters mütterlicherseits)

Es könnte ja sein, dass mich vielleicht eine allzuschnelle Begeisterung über schöne Bilder und Töne hingerissen hat, den oben genannten Film so herauszustellen, auch die „letzte“ Möglichkeit, ihn bis morgen noch einmal abzurufen. Ich muss zur Ergänzung die Meinung eines Freundes zitieren, dessen Perspektive ich schätze, ohne sie deshalb zu übernehmen. (A propos: Kann man Perspektiven überhaupt einfach übernehmen, wie eine fremde Brille beim Lesen?)

Ich war am Anfang von der Introduktion des Films begeistert, fasziniert, angezogen von dieser unglaublichen Geschichte – auch durch die guten Schauspieler! Sebastian Koch eindrucksvoll, der brutale Vollzug der Euthanasie (über die ich später nochmal im Wikipedia-Artikel über Gerhard Richter einiges erfuhr) gut inszeniert, der Werdegang des jungen Künstlers in der frühen DDR … alles durchaus glaubwürdig!

Aber dann: Mit dem Eintritt der Hauptfigur in den Westen und in die Düsseldorfer Kunstakademie leistet sich der Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck einen Schnitzer nach dem anderen. 

X.Y., die/der sich intensiv mit der Zeit (ZERO-Künstler), Günther Ücker u.a. befasst hatte, fand das genauso unglaubwürdig und klischeehaft wie ich (dieser aufgebläht „mystische“ Beuys … hab so viel von Beuys auch durch Dokumentarfilme begriffen, zu denen ich in einem Fall die Musik komponierte), dieser lächerliche „Kraftprotz“ von Ücker, die „Fontana“-Leinwandschnitte usw. usf.) 

Es herrschte ein ganz anderer Geist zu dieser Zeit in der Kunst und in der D’dorfer Kunstakademie … Von Donnersmarck bringt es fertig, die dümmsten Klischees zu reproduzieren, die auch noch die dümmsten Vorurteile gegenüber diesen Künstlern mobilisieren (u.a. das Fett & Filz-Klischee bei Beuys).

Es war nur konsequent, dass sich Gerhard Richter von diesem Film distanzierte, der es geschafft hat, meine Biografie zu missbrauchen und übel zu verzerren.“  Aber darüberhinaus eine ganze Künstlergeneration in eine unglaubwürdige Atmosphäre versetzt, um daraus eine „spannende Kinogeschichte“ zu machen 

So schreibt jemand in der Kunstzeitschrift MONOPOL m.E. zu recht:

„… Oliver Masucci als Joseph-Beuys-Verschnitt spachtelt riesige Fettecken und erzählt nochmal die beliebte – bei Donnersmarck nun wieder wahre – Tataren-Legende, während sein Student nach einer schlimmen Schaffenskrise endlich zur fotorealistischen Malerei findet. Zum Heureka erklingt Max Richters wabernde „Rheingold“-Musik. Wenn Kurt schließlich ein Bild malt, mit dem er den Schwiegervater-Schurken entlarvt, ist die Rosamunde-Pilcher-Höchstmarke erreicht. Das Ergebnis zählt? Mit „Werk ohne Autor“ verliert Florian Henckel von Donnersmarck nach Punkten.

Nun ja, es sind wahrscheinlich – Du hast es angedeutet in Deinem Blog – ganz andere Assoziationen, die Dich über diese Schwächen des Films hinwegsehen ließen … Aber was Du geschrieben hast, wollte ich so nicht ohne Kommentar stehenlassen. 

*    *    *

Was sage ich dazu? Bitte, ohne – weil das letzte Wort – damit recht behalten zu wollen! Ich erinnere nur daran, dass es nicht um die empirische Person Gerhard Richter ging. Auch die andern Künstler waren nicht mit „Echt-Namen“ versehen. Deshalb habe ich an die Auseinandersetzung Arnold Schönberg / Thomas Mann betreffend „Doktor Faustus“ erinnert. Niemand kann sich einen wirklichen Künstler mit allen biographischen und werkimmanenten Details in der bloßen Phantasie ausmalen… Nicht einmal Goethe.

*    *    *

Heinrich Arnhölter, geb. 3. Januar 1882 zu Solterwisch, Krs. Exter, gest. 14. Januar 1966, Lohe bei Bad Oeynhausen.