Archiv der Kategorie: Musik

Schnellstmöglich – und bitte noch schneller

Auf der Flucht vor dem Erlkönig

(Youtube-Beispiele)

Und das gleiche kann man hier in asynchron beobachten (ein Problem der Technik – des Technikers am Pult), ebenso weiter unten, dort nur noch schlimmer: Hilary Hahn (also nicht die Schuld der Violinistin!). Welchen Fehler hat der Film-Techniker beim Schneiden gemacht? Er weiß nicht, dass manche Akkorde von oben nach unten über die Saiten „gebrochen“ werden. Die heftige Bewegung des Bogenarmes geht also in Richtung der optisch höher (!) gelegenen tiefen Saite, die jedoch nachschlägt. Wenn man diesen Ton bewegungstechnisch (!) als betonten Ton auffasst, läuft alles falsch, nämlich um ein Triolenachtel verschoben.

Lieber mal mit Noten?

Vadim Repin

Julia Fischer

Kristóf Baráti

Ning Feng

Pierce Wang (11)

Das ist eine vorläufige Stoffsammlung (Auswahl und Kommentar folgen). Man muss das alles nicht lieben, so faszinierend es ist. Aber man kann es auch als Übung betrachten, Ohr und Auge zu koordinieren. – Vom Geigen-Ernst springen wir dann später im Ernst zu Schubert, dem Original mit Gesang. Doch zunächst zu Robert Schumann. Was meint er, wenn er in seiner Zweiten Klaviersonate dem Pianisten rät: „So rasch wie möglich“  und später meint, das sei noch nicht genug? (Sechzehntel sind am Anfang ebenso wie später das Maß der Schnelligkeit!)

Schumann Schnellstmöglich

Schumann Schneller

Schumann Noch schneller

Auf diesen Widerspruch wies mich einst lachend mein Hochschullehrer in Köln hin (Erich Rummel), als ich die Sonate noch nicht kannte. Vielleicht hat er doch nicht ganz recht gehabt: die erforderliche Spanne der linken Hand in den ersten Takten ist so weit, dass das schnellstmögliche Tempo nicht ganz so hoch sein kann, wie wenn die Sechzehntel wie später – beim „Schneller“ – relativ bequem in der Hand bzw. in beiden Händen liegen … – Quatsch! unter dem „Noch schneller“ am Ende haben wir wieder die Dezimen-Spannung in der linken Hand. Es muss also wohl einen psychologischen Faktor geben. (Oder einen „Pfuschfaktor“, – in der Tiefe und mit Pedal.)

Ähnlich übrigens beim Tempo der Geige im Ernst-Schubert. Die Schwierigkeit liegt nicht im Tempo der Triolen, sondern in dem gleichzeitigen Einbau der Doppelgriffe, dadurch wirkt das Tempo auch sehr hoch. Und wenn die Akkorde nicht mehr „klingen“, wenn man sie nicht mehr unterbringt, ist eben das Tempo zu hoch, und die ganze Akrobatik ist für die Katz‘.

Auf dem Klavier ist das Problem ein völlig anderes. Anders als bei der Geige bedeuten schnell repetierte Töne hier bereits eine virtuose Aufgabe: die Bogenhand der Geige spielt ab und auf, ab und auf usw., meinetwegen auch hin und her,  und wenn es schneller geht, verkürzt man einfach die Strecke für das Ab-Auf (oder Hin und Her), die Taste des Klaviers (und so auch der anschlagende Finger des Pianisten) muss immer abwärtsgehen: ab, ab, ab, ab etc. und zwischendurch allein wieder zurückspringen, um für den neuen Abwärts-Impuls bereit zu sein. Beethoven fand eine einfache Lösung: wo die Geige und das Cello im Thema schnelle Repetitionen spielt , lässt er das Klavier einfach Wechselnoten einfügen, so etwa im Klaviertrio op. 1 Nr.2 G-dur. Man vergleiche Violine oben, Klavier im zweiten System und Cello beim Einsatz im dritten System.

Beethoven Repetitionen

Das Thema klingt überall gleich „pfiffig“ und gewinnt durch die leichten Unterschiede noch an Übermut.

Anders ist es, wenn die Interpreten selbst an ihre Grenze geführt (gezwungen) werden sollen, um etwas auszudrücken, das über alle Begriffe grausig ist: die Triolen in Schuberts Erlkönig entsprechen nicht nur dem wilden Galopp des Pferdes, sondern auch dem Beben und Bibbern des Kindes und wohl auch des Vaters, der sein Äußerstes gibt, um den rettenden Hof zu erreichen.

Ich wähle das folgende Video, weil die Hand des Pianisten gleich zu Beginn ins Bild rückt, ansonsten ist die Aufnahme für Lernzwecke etwas kindisch kommentiert, und nicht einmal der Name des Pianisten wird genannt. (Vermutlich Gerald Moore, 1962, siehe nach dem Schlussakkord.)

Jetzt kommt der Grund, weshalb ich mich überhaupt des Erlkönig-Themas angenommen habe, ein höchst lesenswertes Buch, das ich im Jahre 1993 einmal für den WDR rezensiert habe und nach wie vor sehr gern frequentiere. Im Kapitel „Die Grundschnelligkeit“ wird auch das Problem der Repetition behandelt, das Schubert für sich selbst auf elegante Weise gelöst hat:

Klöppel Erlkönig Renate Klöppel: Die Kunst des Musizierens / Schott Mainz 1993

Das Buch ist eine Fundgrube und wurde inzwischen in einer  6., überarbeiteten Auflage herausgebracht (mit Eckart Altenmüller). Unentbehrlich für jeden Musiker und Instrumentallehrer. Siehe hier. Ich frage mich, ob ich auch die neue Version brauche. Sooft ich in mein altes Exemplar geschaut habe, gab es mir neuen Elan fürs Üben. – Nebenbei:  Der Lebensweg der Autorin ist sehr bemerkenswert, siehe bei Wikipedia hier.

Was ist mit der Grundschnelligkeit gemeint? Falls Sie ein Metronom zur Hand haben, können Sie anhand dieses Buches einen erhellenden Selbstversuch durchführen:

Wenn man bei einer Metronomzahl von 120 noch fortlaufend von Schlag zu Schlag vier mal in die Hände klatschen kann, hat man immerhin eine Bewegungsfrequenz von acht pro Sekunde in den beteiligten Gelenken erreicht.

(Klöppel S. 69)

Schubert hat in der vierten Fassung seines Erlkönigs die Metronomzahl von 152 für Viertel angegeben. Das hieße, so Renate Klöppel, dass bei den Oktavtriolen der rechten Hand „eine repetierende Bewegung mit einer Frequenz von mehr als sieben pro Sekunde gefordert“ sei.

Ich kann mich nicht erinnern, ob dieses Lied in die Diskussion der 80er Jahre um die Bedeutung der Metronomzahlen der Beethovenzeit einbezogen worden ist (Talsma, Wehmeyer). Wenn man sich vorstellt, wie ein Sänger seine Partie vortragen wird, wenn er den Klavierpart nicht kennt, so findet man die Metronomzahl 152 völlig angemessen und würde nie darauf kommen, dass das wahre Tempo halb so langsam gemeint sein könnte. Zum Glück hat auch niemand zu behaupten gewagt, dass ein nicht gesungener, sondern dramatisch gesprochener Vortrag der Ballade damals – verglichen mit heute – im halben Tempo stattgefunden hätte. Es gibt menschliche (physiologische) Konstanten durch alle Jahrhunderte. Daran hat sich prinzipiell nichts geändert, auch wenn die Autos heute schneller fahren als je ein Pferd reiten konnte. Und wenn man damals von Virtuosität sprach, die man am Musikinstrument erwartete, stellte man sich keineswegs Fingerbewegungen in Zeitlupe vor, sondern atemberaubend schnell. Und wenn man sich ein galoppierendes Pferd vorstellte – wie im Erlkönig -, so meinte man nicht etwa ein gemächlich trabendes.

Mendelssohn: der Schrei

Der Schrei (Edvard Munch)

Mendelssohn op 80 Schrei

„Der Schrei“, das Bild von Edvard Munch, hat natürlich nichts mit Mendelssohn Bartholdy zu tun, sondern entstand mehr als ein halbes Jahrhundert später. Aber das Urbild des Schreies, des existentiellen Schreies, ist wahrscheinlich der, den Jesus am Kreuz ausstieß, und es war nicht nur einer, da es heißt: Aber Jesus schrie abermals laut und verschied . (Matthäus 27:50-57)

Der junge Mendelssohn war es, der die Matthäus-Passion von Bach 1829 (mehr als 100 Jahre nach der Entstehung) zum ersten Mal wieder aufführte, und er kannte die Tonsprache Bachs besser als die meisten anderen Komponisten seiner Zeit. Ob er beim fp-Tremolo-Einsatz des Cellos zu Beginn des Streichquartetts op.80 an Bachs „Und die Erde erbebete“ gedacht hat?  Als er das letzte Werk konzipierte, das er noch vollenden konnte, 1847 – nach dem plötzlichen Tod seiner Schwester -, hat er es vielleicht mit seiner Erschütterung durch die Musik Bachs in Verbindung gebracht. (Seine Schwester hatte schon mit 12 Jahren das „Wohltemperierte Klavier“ auswendig gespielt.) Er war dem Motiv des Wehe-Schreies oft begegnet. Auch ganz unvermittelt, innerhalb eines Klavierwerkes oder einer Sonate für Violine Solo. Oder in einer Bach-Motette.

1Bach Kantate 102 „Weh! der Seele“ Kantate 102,3 Adagio

2Bach WTC II Fuge c-moll Wohltemperiertes Cl. II Fuge c-moll

3Bach Sonata III BWV 1005 Bach Sonata III Viol.Solo C-dur BWV 1005

4Bach Motette Erd und Abgrund Motette „Jesu, meine Freude“ Vers 3

5Bach Orgel h-moll-Einwurf Orgel Praeludium h-moll BWV 544

(Anmerkungen folgen)

Und wie geht’s weiter? Natürlich mit dem ganzen ersten Satz des Streichquartetts op. 80 von Felix Mendelssohn-Bartholdy, am besten in der ebenso ungestümen wie ausgefeilten Interpretation des Dudok Kwartets, 7:12, alles andere später.

Lesen und fortführen: a) Wikipedia hier b) „Requiem für Fanny“ hier

I. Allegro vivace assai 0:07 II. Allegro assai 7:34 III. Adagio 12:27 IV. Finale: Allegro molto 20:32

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Für meine Quartett-Kollegen Hanns-Heinz Odenthal, Klaus Naumann, Thomas Blees. Probe am Do 12. Mai 2016

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Seltsamer Eindruck während und nach der Probe: dass ich das Werk als solches überschätzt habe. Dass es ein Maß an Willkürlichkeiten enthält, die ich mir nicht schönreden kann. Vielleicht ist mir das dank des hohen Tempos und der verrückten Intensität der Dudok-Interpretation entgangen. Vielleicht irre ich jetzt. Im langsamen Satz glaube ich zu bemerken, dass der Komponist sich an dem Vorbild der ihm gewidmeten Schumann-Quartette orientiert: ihm ist zu Bewusstsein gekommen, dass er die Konvention fahren lassen und in jedem Moment originell sein muss. Vielleicht ist es nicht richtig, seine ungewöhnliche Verfahrensweise in diesem Werk allein mit der Schockerfahrung von Fannys Tod in Verbindung zu bringen. Vielleicht gab es darüberhinaus das krisenhafte Innewerden einer schöpferischen Sackgasse? Seine große Stärke, die weit tragende, wohl disponierte Dehnung einer Melodie, ist ihm selbst im Adagio suspekt, das sich in bestimmten rührenden Motiven verliert. (Man vergleiche die Funktion des punktierten Rhythmus mit dem in Schumanns op. 41 Nr.3, wo die Zeit magisch stillzustehen scheint.)

Figurenwerk

Mozarts Facile in der Orgelwalze

Sicher bin ich nicht der erste, dem es auffällt. Aber die meisten „echten“ Pianisten schauen eben nicht in das (zu undankbare?) Andante für eine Orgelwalze KV 616 (komponiert 1791), suchen es gar nicht erst, siehe unten links, aber jeder spielt irgendwann mal die Sonate KV 545 (komponiert 1788) siehe unten rechts. In jedem Fall ist es nützlich, die scheinbaren Routine-Stellen zu vergleichen und von ihnen zu wissen:

Mozart Orgelwalze 636   Mozart Sonate C 545 Durchführg

Ich bin unendlich dankbar, dass man heute so viele Quellen mit ein paar Klicks greifen und vergleichen kann: die Sonata Facile spiele ich seit etwa 1955 aus unterschiedlichsten Noten (z.Zt. aus der Henle-Ausgabe), aber das Andante für eine Orgelwalze kenne ich im Notentext erst seit einer Woche. Allein dank der Möglichkeit sie über das Wort Petrucci (oder die Buchstabenfolge IMSLP) im Handumdrehen zu finden und anzuschauen. Wie HIER und HIER.

Selbstverständlich kaufe ich weiterhin Noten, wenn ich sie spielen will, weil ich sie anders nicht wirklich besitze…

A propos Facile: Exkurs vom Notenlernen

Im Grunde könnten die Verlage, die auf dem öffentlichen Markt Noten anbieten, froh sein, wenn einmal das bloße Notenlesen propagiert wird. Von Jazz- und U-Musik-Produzenten wird ja gern so getan, als ob die Ohren und das Zuhören entscheidend seien, weit gefehlt, – es ist das Gehirn, in dem die Bedeutung der Musik entsteht und wahrgenommen wird, die Welt der Vorstellung und des Wissens… Man kann durchaus behaupten, dass viele Menschen, die immerhin persönlich im Konzert erscheinen um zuzuhören, ja, wenn man es messen könnte, nur – sagen wir – 20 Prozent der Musik hören und noch weniger wahrnehmen. Allein schon deshalb, weil sie sich nicht vorbereiten; sie glauben, das Konzert sei eine Bringschuld der Musiker, es ist aber ebenso eine Holschuld der Zuhörer! Von deren Aufmerksamkeit, Aufnahmefähigkeit und Konzentration hängt nicht zuletzt auch die Leistung auf der Bühne ab. Paradoxerweise kann allerdings der Konzertbesucher eigentlich gar nicht erwarten, an der vielgerühmten Wirkung der Musik teilzuhaben, wenn er die Grundlagen gar nicht mitbringt. Wenn er musikalischer Analphabet geblieben ist, weil das Schulsystem mehr nicht hergab.

Der am weitesten verbreitete Fehler ist übrigens, dass man glaubt, das Notenlesen sei eine Geheimwissenschaft, für die man eine besondere Begabung mitbringen müsse. Es ist nie zu spät. Schauen Sie nur, was man bei Google findet, wenn man „Notenlesen lernen“ eingibt. Aber Vorsicht, – vielleicht kaufen Sie sich lieber ein Kinderliederbuch und lassen sich daraus vorsingen. Im Ernst: es gibt eine Klippe, an die ich mich erinnere, einen Verstoß gegen die Logik, den man schon als Kind unterschwellig spürt und der einen beim Lernen behindert. Wenn ich schon akzeptieren muss, dass es 5 Notenlinien gibt, und nicht 6 oder 4, was rein logisch ja durchaus gleich sinnvoll wäre.

Die Klippe, die ich als Kind überwinden musste, war die: zu akzeptieren, dass es für einen Ton völlig gleich ist, ob er genau auf der Linie oder zwischen zwei Linien steht. Ich muss die „Leiter“ erkennen, die Tonleiter: sie besteht in diesem Fall eben nicht aus den Sprossen der 5 Linien, – vergiss das Bild der Leiter! -, sondern aus Linie, Zwischenraum, Linie, Zwischenraum, Linie, Zwischenraum, Linie, Zwischenraum, Linie.

Eine andere Voraussetzung, die man nur deutschen Kindern erklären muss: die Notennamen folgen nicht dem Alphabet, sonst hieße es nicht A – H – C. Fang also besser mit C an, dann stimmt es erstmal: C – D – E – F – G, dann hast du bereits 5 brauchbare Töne, und wenn du die hast, sage A – H („Aha!“) , und gehe so darüber hinaus: schon bist Du fast beim nächsthöheren C angekommen. Was für ein Ton wartet da! Logisch ist es allerdings nicht, dass diese Töne so heißen, und dass nun C das „Centrum“ wird. Ebensowenig wie Dein Vorname. Es hat zwar eine Erklärung, dass wir nicht A – B -C  sagen, wie die Engländer, aber die Erklärung kommt aus dem Mittelalter und ist für uns unwichtig.

Noch etwas, was ich als unlogisch empfand: dass das Viereck der großen (ganzen) Pause hängen muss, während die halbe Pause sitzen darf. Aber über viele Jahre hat mir dieser Widersinn geholfen, die betreffenden Pausen korrekt einzuschätzen.

Und dann beginnt das Lernen, zunächst der Notenwerte (Ganze, Halbe, Viertel, Achtel, Sechzehntel usw.), dann (oder zugleich) ihren Bezug auf den Takt (wieviele in einen Takt passen), warum wir überhaupt Takte brauchen… Dann die Schlüssel, fürs erste genügen Violin- und Bass-Schlüssel.

So, und jetzt können Sie die Notenbeispiele von Mozart noch lange nicht lesen… nur eins verrate ich Ihnen: sie finden darin im Prinzip schon alle Notenwerte, die Sie im Leben brauchen, aber keine einzige GANZE NOTE, allerdings einige GANZE PAUSEN, nämlich im Beispiel auf der linken Seite, in den Dreiergruppen der Notenlinien jeweils in der mittleren Reihe, da finden Sie genau 6 ganze Pausen hintereinander.

Was ich eigentlich sagen wollte: wenn man nur nicht in jedem Detail Logik erwartet, kann das Notenlernen ziemlich einfach sein!  Und es bringt ungeheuer viel Sinn und Übersicht in das Universum der Musik. Genauer … der abendländischen Musik von – sagen wir – 1600 bis 1900.

In der indischen Musik hätte ich einen anderen Rat. (folgt gleich)

Stop! Warum habe ich diesen Exkurs überhaupt begonnen? Weil ich dachte: für Leute, die keine Noten lesen können, ist vieles in meinem Blog überflüssig. Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen. So kam ich auf die Idee, sie auf Indien zu verweisen. Aber es wäre ein großer Irrtum zu denken, dass es dort leichter zugeht. Als erstes kommt doch „Sa ri ga ma pa dha ni sa“ und das ewige Silbensingen und diese endlosen Übungen. Das macht allerdings unweigerlich musikalischer. Oder Sie versuchen es auch dort erstmal mit mehr Augenarbeit: eine Methode finden Sie hier.

Ohligser Heide 1. Mai

Frühling am Drei-Insel-Teich und am Kovelenberg

Mai 1 2016 Heide 5 Mai 1 2016 Heide 17

Mai 1 2016 Heide 3 Mai 1 2016 Heide 4

Mai 1 2016 Heide 7 Mai 1 2016 Heide 11

(Fotos E.Reichow) s.a. hier / Kovelenberg (Foto 2 ganz oben): Griechischer Wein und Vorspeisen.

Spät abends auf ARTE der eindrucksvolle Film von Bruno Monsaingeon über Yehudi Menuhin. Was er über Geigeüben sagte (sinngemäß): Das tägliche Üben ist selbstverständlich, wie für den Vogel das Fliegen. Man kann sich keinen Vogel vorstellen, der morgens aufwacht und sagt: Heute fliege ich mal nicht. (Die Kanadagans könnte allerdings fortsetzen: Heute schwimme ich!)

Merkwürdiger Eindruck: als ob sich die Kunst seines Geigenspiels vor allem durch den Vortrag von Schmonzetten dokumentierte (Air von Bach, Ave Maria von Schubert, zu langsam; dagegen Sarasate, Mendelssohn, Lalo wie „Hummelflug“ zu schnell, wie im Zeitraffer, aber auch atemberaubend). Anrührend, wie er über seine Defekte spricht: im Sozialverhalten, das doch durch Wohltätigkeit bestimmt schien, über die innige Beziehung zu seiner Schwester Hephzibah, – dass er ihr hätte helfen können, wenn er in der Lage gewesen wäre, mit ihr über diese Dinge (?) zu reden. (Hatte sie ein psychisches Leiden?) Dass er keine individuelle Beziehung zu den Menschen gewonnen habe, sondern sie alle wie Figuren in einem Theaterstück betrachtet habe. Tatsächlich ist mir das auch aufgefallen, als ich einmal mit ihm sprechen konnte: dass seine menschliche Wärme ziemlich „automatisch“ wirkte. Wie in einem Glashaus. Höhenluft der Prominenz. Sein Urteil über Mozarts „Titus“, den er damals in Bonn dirigierte, klischeehaft. In seiner Wunschsendung für den WDR (2. Jan.1985) wählte er ausschließlich eigene Aufnahmen (u.a. mit dem Polnischen Kammerorchester). Im Gespräch über die Geige in anderen Kulturen sprang ein Funke über. Merkwürdig, dass ich damals nicht daran dachte, ein Erinnerungsfoto machen zu lassen. – Man kann den ganzen Film unter dem oben angegebenen Link abrufen. Unbedingt empfehlenswert.

Menuhins Widmung

Hinweis: eine gute Hörfunksendereihe war zu Menuhins 100. Geburtstag von Michael Struck-Schloen im Kulturradio rbb zu hören und ist im Skript nachzulesen: z.B. Folge 7 (14. Febr. 2016) insbesondere George Enescu betreffend hier / darin auch Zitate aus der Sendung JR (1985) vor Musik 9 und nach Musik 11. Die WDR-Sendung existiert also noch…

2.Mai 2016 – die Wand des Nachbarhauses in der Morgensonne. Blutbuche. Ab 8:45 tönte dazu für 3 Min. die schöne Hauptglocke (Ton Cis) der nahen Kirche St. Josef. Beerdigung?

Nachbarhaus Morgensonne Buche 2 Mai 2016

(Handyfoto JR)

Notiz zu Bartóks Bauernliedern

Wirklich nur eine Kleinigkeit (und ein großer Film als Zugabe)

Bartok Druckfehler

Meine Notiz stammt vom 2. Juni 1981: da hörte (und sah) ich eine Sendung mit dem Pianisten Andor Foldes (WDR 3 22.30 h) und er berichtete, dass Bartók ihn auf einen Druckfehler aufmerksam gemacht habe, was ich damals sofort in meinen Noten vermerkte: im Scherzo (Nr. 5). Auf die Ermunterung, dass eine Neuausgabe den Fehler eliminieren werde, reagierte der Komponist halb resigniert. Er glaube nicht, dass sich noch jemand dafür interessieren würde.

Es ging also darum, dass der in meinem Beispiel eingekreiste Überleitungstakt verdoppelt werden muss: wobei die Achtelpause in eine Viertelpause, die Achtelnoten in Viertel verändert und nach dem zweiten Viertel ein zusätzlicher Taktstrich eingefügt wird. Das ist völlig plausibel, wenn man 11 Takte weiter schaut: wo diese Tongruppe auf 4 Überleitungstakte mit den gleichen Notenwerten ausgedehnt wird.

Nun gibt es eine neue Ausgabe, siehe hier, und ich würde diesen Blogbeitrag gern wieder entfernen, sobald ich dort der Korrektur dieses Taktes begegne oder mir jemand darüber Mitteilung macht. Vielleicht sogar der Verlag selbst? Meine Anfrage läuft……

ZITAT (unter dem oben angegebenen Link auffindbar)

Zur Vorbereitung der vorliegenden revidierten Neuauflage wurden alle verfügbaren handschriftlichen Quellen mit der zuletzt erschienenen Ausgabe verglichen. Die dabei gefundenen Unterschiede wurden analysiert und gegebenenfalls korrigiert. Folgende Handschriften lagen vor: 1. die Kompositionsskizze, 2. die Stichvorlage (eine Kopistenabschrift mit Bartóks eigenhändigen Zusätzen). Abzüge der Schlusskorrektur, welche einige Abweichungen von der Stichvorlage erklären könnten, wurden nicht gefunden. (P. Bartók)

***

Kaum zu glauben: Eine halbe Stunde später traf die Antwort des Verlages ein. Einen solchen Service habe ich buchstäblich noch nie erlebt!

Im originalen Text des Vorwortes von Peter Bartók geht es demnach wenig später folgendermaßen weiter:

Möglicherweise wünschte Béla Bartók, daß Takt 11 des Scherzos langsamer als notiert ausgeführt wird. In einer gedruckten Ausgabe, die sich im Besitz des verstorbenen Pianisten Andor Foldes befand, merkte der Komponist mit Rotstift an, daß dieser Takt im halben Tempo zu spielen sei: Viertelpause und Viertelnoten, auf zwei Takte aufgeteilt, anstatt Achtel in nur einem Takt.

Herzlichen Dank an Katja Kaiser, Editorial Department / Historical Archive / Universal Edition AG Forsthausgasse 9 / 1200 Wien, Austria

Ich möchte den Blogbeitrag also doch nicht entfernen, sondern zu weiterem Nutzen des Komponisten verlängern. Vielleicht finde ich die Original-Notation des Liedes?

Bartok Ungarisches Volkslied

Hierin S.197 der Text, S.316 die Melodie des Liedes aus dem das Scherzo gemacht ist:

Bartok Scherzo TextBartok Scherzo Melodie

Zudem erinnere ich an einen beeindruckenden Film über den Volksliedsammler Béla Bartók…

Den Hinweis auf diese youtube-Quelle verdanke ich JMR.

Reale Berührung und Virtual Reality

Ich erinnere mich, wie es mich einst zum Widerspruch reizte, bei Adorno zu lesen, es sei beklagenswert, dass man Türen oft nicht mehr behutsam öffnen und schließen könne, also mit einer Klinke, sondern nur noch mit einem Knauf, der das bloße Auf und Zu mit einem Klick bestätigte. (Mit Sicherheit war es anders formuliert.) Für mich war klar, das es unterschiedliche Knäufe gibt oder geben könne, also auch solche, die über einen Spielraum verfügen, der mit Feingefühl und Muskelsinn durchmessen werden kann.

Wie dem auch sei: eine Serie von Klicks auf die Schreibtastatur ist etwas anderes als ein sorgfältiges Abfahren der Buchstaben eines Wortes mit einem Füllfederhalter, der in der Hand liegt und einen leichten, aber dauernden Druckkontakt mit dem Papier vermittelt. Gewiss: „etwas anderes“, – aber werde ich deswegen auf die Tastatur verzichten und die ganze Post per Hand erledigen? Es ist kaum anzunehmen, dass dies die „menschliche“ Qualität des Briefes erhöhen würde. (Vielleicht aber die suggestive Aussage?) Der Adressat muss mich entziffern können, ich muss ihm das zumuten dürfen.

Das Schreibgefühl in der Hand verrät nicht einmal dem Schreibenden etwas über die eigene emotionale Beteiligung. Vielleicht bemerkt er nur, dass sein Zugriff unangemessen ist, er wird die Technik des flüssigen Schreibens reflektieren, nicht die Bremsvorrichtungen.

Der schwitzende, muskulär überaktive Geiger versteht nichts von der Energie, die etwa ein Brahms in Musik gegossen hat. Eine andere Sache, ein Extremfall, ist die vom Komponisten gewollte Überforderung des Interpreten, wie etwa durch Bartók in seiner Etüde, von der man sagt, sie diene der Zerstörung der Finger des Pianisten.

Beim Handhaben eines Musikinstrumentes würde ich natürlich nicht analog zum Schreiben argumentieren. Ich würde von der Berührung der Saite reden, dem Unterschied zwischen rechts und links, der spürbaren Vibration, der Reibung, dem notwendigen Widerstand. Und wenn mir jemand entgegnete, es sei ja schon mit den Tasten des Klaviers oder gar der Orgel ganz anders, könnte ich immerhin noch auf die psychologische Wirkung des Tastenkontakts verweisen: so lange ich die Orgeltaste wirklich niederdrücke, „fließt“ der Ton. Aber gewiss, die Mechanisierung beginnt genau an dieser Stelle. Warum soll es ein ganz anderes Phänomen sein, wenn ich den Tonverlauf zum Beispiel in ein System einspeichere und per Knopfdruck abrufe?

Michelangelo Hände Einzigartige Nicht-Berührung

Zweifellos ist das Thema Berührung, Hautkontakt, Sinnlichkeit en vogue, wobei viel für die Wahrscheinlichkeit spricht, dass es in Wechselwirkung mit dem Thema Mechanisierung und Virtualisierung steht. Man kann sich zunächst kundig machen, indem man die entsprechenden Stichworte googelt, beginnend etwa bei Wikipedia mit Berührung, fortfahrend mit Körperkontakt oder übergehend zu taktiler Kommunikation. Es ist der Anregung kein Ende, in schlimmen Fällen kann es unvermittelt zu latenter Erregung führen und uns fragen lassen, wo das Subkutane beginnt und wo dann das bloße Körpergefühl sich nicht mehr von der seelischen Balance unterscheiden lassen will. Und was ist nochmal Vergeistigung? Wenn Bilder entstehen? Oder müssten wir nicht bei den Sinnen verweilen, zunächst zwischen Hautsinnlichkeit und den Sinnen des Auge bzw. Ohres strikt unterscheiden, und dann ebenso strikt zwischen diesen beiden? Und vor allem zwischen geistiger Realität, Imagination und Virtual Reality.

Siehe auch Auditive Wahrnehmung und Universalien der Musikwahrnehmung , Wahrnehmungstäuschung.

Hand Richard Sennett: Handwerk / Berlin Verlag 2008 ISBN 978-3-8270-0033-0 (432 Seiten) / Dies ist der Beginn eines sehr interessanten Kapitels, – mit ein paar kleinen Webfehlern drin. Darüber an anderer Stelle. Über den fragwürdigen (!) Bezug Kant und Hand siehe hier.

Der Augenmensch David Hockney machte mit der krasseren Seite der Virtual Reality in einem Interview kurzen Prozess:

Mich kam kürzlich ein Experte mit einer dieser neuen, großen Virtual-Reality-Brillen besuchen, ich setzte sie auf und sah ein Monster neben mir. Ich hätte das Monster gerne berührt, aber ich hatte keine Hand mehr. Man hat in dieser Virtual Reality gar keinen Körper. Das ist fatal. Und auch lachhaft, das ist keine Realität. Aber diese Technik ist eine gute Erfindung für die Welt der Pornografie, da will man große Busen und große Ärsche sehen. Für Pornos braucht man Volumen. Ich wüsste jedenfalls, wie man guten Porno in 3-D drehen würde.

Und ergänzte die Idee mit einem historischen Überblick, – es gebe nämlich mit der Virtual Reality noch ein anderes Problem:

Wo bleibt die gemeinsame, die geteilte Erfahrung? Fünfhundert Jahre lang war die Kirche der Hauptlieferant für Bilder. Wenn man Bilder sehen wollte – und das wollten die Menschen schon immer -, dann ging man in die Kirche und traf dort andere Menschen. Die Bilder in diesen Kirchen wurden damals als so lebhaft empfunden wie später die Filme. Als die Massenmedien erfunden wurden, folgten die Massen den Bildern und verließen die Kirche. Aber auch Kino und Radio waren noch wie die Kirchen geteilte Erfahrungsräume. Heute aber hat jeder seinen eigenen Bildschirm, die geteilte Erfahrung verschwindet. Stars waren im Jahrhundert der Massenmedien jene Menschen, die man auf Bildschirmen und Leinwänden sah. Heute sehen die meisten auf ihren Individualschirmen nur noch die eigenen Freunde.

Quelle DIE ZEIT Beiheft KULTURSOMMER 18.April 2016 (Seite 16-19) „Ich bin ein Anarchist“ In London stellt der große Maler David Hockney seine neueste Werkgruppe vor: 92 Porträts von Freunden. Ein Gespräch über seine Malerei, 3-D-Pornografie und dumme Präsidenten. Von Tobias Timm.

Wie ist es mit den „geteilten“ Erfahrungsräumen der Musik? (… bleiben sie imaginär „gemeinsame“ Räume?)

(Fortsetzung folgt)

Ein Vorschlag, Chopin zu verbessern

Nur für aufgeklärte Pianisten

Chopin verschlimmbessert Mittelteil Impromptu Op.29 „gesäubert“ (s.u.)

Brief an K. zu op.29

Du fühltest Dich also an das andere Impromptu (cis-moll) erinnert, nur dass Dir hier (im As-dur) vieles weniger glatt einging, vor allem wenn der Mittelteil beginnt, – so merkwürdig stockend in der linken Hand, mit nachgelieferten Basstönen, leeren Stellen am Taktanfang, unnötigen Dissonanzen zwischen Melodieton rechts und Akkord links und anderes mehr. Man hat den Eindruck, er ist erst auf der Suche nach der richtigen Melodie, sie gelingt ihm nicht richtig. Daher diese Ausweichungen … und schließlich der Neubeginn eine Oktave höher.  – Tja, das habe ich mir fast gedacht, deshalb habe ich versucht, die Melodie von Anfang an zu verbessern, nur in der linken Hand habe ich alles beim alten gelassen. Fürs erste jedenfalls. Ich frage mich (und Dich), warum die linke Hand eigentlich die Melodie nicht geradlinig unterstützt. Sondern ihr immer wieder den Vortritt lässt. (Das hört ja später auf, da gibt es dann keine Pause mehr auf der ersten Zählzeit. Warum nicht?)

(Ein Blick auf die – in der Erinnerung – fast verwechselbaren Melodien:)

Chopin Impromptu cis-moll Mittelteil op.66 (posth.) *1834 publ. 1855

Chopin Impromptu Fis-dur F-Teil op.36 *1840

Weshalb diese typologische Ähnlichkeit noch nirgendwo behandelt wurde, ist mir ein Rätsel. Stattdessen immer wieder die Erwähnung Bellinis. Hat schon jemand seine Melodien daraufhin untersucht? Zu den Impromptus und zur verspäteten Veröffentlichung des op.66 siehe zunächst Wikipedia hier. Dort ist auch dessen Anfangsmotiv mit einem angeblich ähnlichen von Moscheles zusammengestellt. Wesentlicher scheint mir jedoch die Abwandlung dieses Motivs, dergestalt, dass es – wie auch das am Anfang von op. 29  – auf den Kern der Ur-Melodie verweist! Vollends wunderbar wird die ökonomische Inventionsarbeit des Komponisten, wenn man diesen As-dur-Anfangstakt nach Ges-dur transponiert und dann auf die ersten Takte des Impromptu op. 51 schaut.

Impromptu cis Motiv op.66 Impromptu As Motiv op.29 Impromptu Ges Motiv op.51

Und weiter!

Impromptu As Melodie op.29 Übergang zum Mittelteil und Melodie orig.

Alle Beispiele aus der von mir präferierten Ausgabe Paderewski / Instytut Fryderyka Chopina Polskie Wydawnictwo Musycznet Warschau 1949 / Sämtliche Werke 1960 erworben in Ost-Berlin.

Brief an K. zu op.29

Als nächstes käme der Schritt, in Worte zu fassen (freie Fahrt für Phantasie!), was der Komponist von hier an mit der schrittweise verfremdeten Melodie sagen will. Warum spielt er sie nicht einfach von A-Z, wie ich das oben angedeutet habe? Warum unterbricht er sich selbst, moduliert so geheimnisvoll, kehrt zurück, warum sagt er die Dinge immer wieder zweimal, einmal stark, einmal den eigenen Worten (Tönen) nachsinnend, warum geht er nicht direkt auf die Spitzentöne zu, nach denen er aufwärts „die Hände reckt“?  Was ist das Ziel seiner Aussage? Das Fortissimo oder die Rückkehr ins atemlose Figurenwerk? Virtuosität oder Unrast! Charmante oder – panische Unrast. Ja, ist es denn überhaupt heiter gemeint? Und am Schluss – der zerfallende Choral – ist das wirklich ein auflösendes, erlösendes Ende?

Du findest selbst die Antwort.

Liebe K., ich habe noch einen Vorschlag, Chopin bei seinem Impromptu zu Hilfe zu eilen, – er hat sich verzählt: er setzt lauter Vier-Takt-Gruppen hintereinander, das ist klar, aber dann plötzlich, in Takt 16 verzählt er sich. (Achtung: möglicherweise bluffe ich?) Oder er kann sich nicht bremsen, wenn er einmal chromatisch in Fahrt ist, – da hilft nichts, es wird doch einfach zuviel!!! Schon bin ich zur Stelle und kann Überflüssiges nahtlos heraustrennen, schau nur:

 Impromptu As leicht verkürzt

Siehst Du, jetzt sind wir pünktlich bei der Wiederkehr des Anfangs. Die Pünktlichkeit ist eine deutsche Tugend, von der weder Polen noch Franzosen viel halten. Da dürfen wir nachhelfen!

Du sagst: es ist gar keine Wiederkehr, er geht jetzt einen ganz anderen Weg?! Siehst Du, auch mit der Logik hapert es bei diesen Romantikern… Ein guter Formaufbau verläuft wie eine gute Melodie, nämlich quadratisch.

Streng logisch denkende Musiker nennt man daher auch Quadratköpfe.

Im indischen Zentrum der Musik

Kaushiki Chakraborty und Ajoy Chakrabarty

Eine Auswahl zur Einführung

Biographische Links Wikipedia u.ä. KC hier und hier, AC hier und hier

Zur Problematik der Tanpura (eine Problematik gibt es allenfalls aus westlicher Sicht; während es sich – gerade vor diesem Hintergrund – über das Harmonium zu diskutieren lohnt).

Unser „Problem“ ist es, die ständige Gegenwart des Grundtons (des Grundtonklangs) hinzunehmen oder besser: als schön und hilfreich wahrzunehmen. Für die indische Seite steht die Notwendigkeit außer Frage, und so sind die hier ausgewählten Stellungnahmen vielleicht für uns nicht zentral, aber zu weiteren Überlegungen anregend: 1) Seit wann gilt gerade die Tanpura in der Raga-Musik als unentbehrlich, 2) Gab es ein Problem mit der Tanpura in der Hand einer Frau? Merkwürdig die Betonung der Freiheit…

  1. Der Sänger Shri Dinkar Kaikini (1997)

Tanpura Daikini s.a. hier und hier

2) Die Sängerin Neela Bhagvat (1997):

Tanpura Neela a  Tanpura Neela b s.a. hier

Quelle: Sangeet Research Academy Workshop on „Tanpura“ Organised by ITC – SRA (Western Region) 6th July 1997 Venue NCPA, Nariman Point, Mumbai – 400 021 / Papers Seite 49 (Kaikini), Seite 57 (Bhagwat)

Musikalische Meinungsmache – indisch

(in Arbeit)
Lassen Sie sich auf fremde Musik ein? Sie ist nicht fremd.
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Kaushiki Screenshot 2016-04-16 09.29.17 (abrufbar nach dem folgenden Text)
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Gewiss, ich glaube dieser Künstlerin alles, egal, ob jemand eine abweichende Meinung dazu vertritt. Ich habe sie selbst in Konzerten erlebt, kenne viele Aufnahmen von ihr, habe versucht, einiges auf westliche Art zu analysieren und bin immer wieder bezaubert von dem Live-Erlebnis, auch wenn es, als Youtube-Aufnahme nicht die technische Qualität der CD oder gar der Realität bieten kann. Ich vermute aber, dass genau diese Aufnahme auch Menschen hinreißen kann, die noch keine große Erfahrung mit indischer Musik haben: es ist eine Einheit von stimmlicher Perfektion und zugleich von so souveräner wie freundlicher Suggestion, wie man sie selten bei westlichen Musikern oder Sängerinnen erlebt. Kaushiki Chakraborty spricht singend mit ihrem Publikum, ohne wie eine schauspielernde Bühnenfigur zu wirken. Es würde uns nicht wundern, wenn sie uns zwischendurch eine Tasse Tee anbieten und dann mit größtem Ernst ihren Gesang fortsetzen  würde. Versuchen Sie doch nur  8 Minuten lang sich einspinnen zu lassen in diese Zauberkünste der indischen Musik. Und kommen Sie dann zurück, um die Fachsimpelei einiger indischer Kenner klaglos hinzunehmen. Es ist nicht ohne Nutzen. Vor allem, wenn Sie sich auf einen detaillierten Vergleich mit der anderen Sängerin einlassen wollen, die im Gespräch genannt wird und deren Interpretation weiter unten folgt.

HIER Die Sängerin KAUSHIKI CHAKRABORTY mit „Rangi Sari“, einem Thumri in Raga Pahadi

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Es ist nicht uninteressant, mehr oder weniger unfreiwillig Zeuge eines Gedankenaustausches zu werden, das Insider-Charakter hat. Aber nicht kompetenter sein muss als das, was man bei uns in Konzertpausen zu hören bekommt. Meinungen eben…

KC: leicht zu erraten – ist das Kürzel für den Namen der Sängerin. Der Name Chakraborty (auch in anderen Schreibweisen) ist im übrigen weit verbreitet. Zu „Shobha Gurtu“ siehe weiter unten. „Shobaji“ = Koseform ihres Vornamens. Thumri ist ein leichter Gesangsstil, auch „semi-classical“ genannt. (Eine ausführliche Arbeit darüber findet man hier.) „Asmita Parva“ ist offenbar eine Art Festival in Mahuva (Gujarat).

Narayan Svor:
I have heard much better Thumri by KC. This one she has botched up pretty badly. In this presentation she has deviated from the aesthetics experimenting with many ‚unmusical‘ expressions. She just does not seem to be honest and sincere in this performance. Too casual approach. She can learn aesthetics of presentation just by listening to this thumri sung by legendary Shobha Gurtu.

Ajayverdhan Maury

 Ajayverdhan Maury

 

Narayan S

Narayan an Ajayverdhan
I am shocked to receive your unexpected response. It seems that you completely misunderstood my point. I have been listening to this little ‚gem‘ of classical vocal singing ever since she appeared on the stage. Believe me she has sung this and other thumris much better in the past. I am not comparing her to the stalwarts you mentioned. I do not know where you got that silly idea. I am not degrading her at all. All I said that this thumri ‚Rangi Sari‘ has been immortalized by late legendary Shobhaji and Kaushiki can absorb the beautiful aesthetic nuances just by listening to Shobhaji’s rendition. Hope you get my point this time (if I am lucky). It is quite possible that you have not heard Shobhaji’s ‚Rangi Sari‘. If you did, then you would understand my points. Good luck.

Shreenivas Mate'

Shreenivas Mate:
 
I agree. Shreenivas श्रीनिवास स्थपति

Bishakha Chakraborty

Bishaka Chakraborty an Narayan S.:
You are right…. Shobaji sang it with more heart and leaves us spell bound with clarity of her voice and nuances of the raag. KC seems to loose many notes here and there in alaps.

Narayan S

Narayan Svor an Bishaka Chakraborty:
I am glad you understood my honest criticism of KC’s. I know she is a fantastic female vocalist today but this one she did not do justice. You probably have the same sensitivities like me. Thanks.

IndianClassical97

„Indian Classical 97“:
Yes. The same thumri, she sang exceedingly well in the Asmita Parva.

Abhishek Singh

Abhishek Singh an Narayan Svor:
You are correct, Sir,  and I fully agree with you. Thumri is a different style of singing which lies in semi classical music category in which the use of taans are limited and only used for ornamenting the bol or words. But here she is deviated enough with long taans and showing her taiyari or taans. I think she needs to take a break and revive the aura.

 

Narayan S

Narayan Svor an Abhishek Singh:
You said my thoughts in a very nice manner. We are both on the same wavelength and I do feel she should pay attentions to our comments. I strongly feel she can learn a lot by simply listening to Begam Akthar, Girija Devi, Shobha Gurtu, Bade Ghulam Ali etc who were great thumari singers in the history.

Abhishek Singh

 Abhishek Singh an Narayan Svor:
Sir, among these names there is also a name of my guruji that is pt channulal mishra ji…. he is awarded as thumari samrat and these is a soul in his singing….

IndianClassical97

 „Indian Classical 97“ an Abhishek Singh:
Taking a break, is slightly on the harsh side, I think. She is a beautiful and amazing artist. It’s just that excess of any one one particular thing is not good. It drains the overall feel of Indian Classical Music.

***

Zur Sängerin: Shobha Gurtu / in Wikipedia HIER und HIER

Zum Text:

Rangi Saari Gulaabi Chunariya Re
My beloved coloured my Saree pink
(Saari/Saree is a traditional dress of women in India)
Mohe Maare Najariya Sawariya Re
My beloved is throwing gazes at me
(My beloved is throwing arrows of his gaze at me)
Mohe Maare Najariya Sawariya
My beloved is throwing gazes at me 

Hmm... Rangi Saari Gulaabi Chunariya Re
My beloved coloured my Saree pink
Rangi Saari Gulaabi Chunariya Re
My beloved coloured my Saree pink
Mohe Maare Najariya Sawariya Re (x2)
My beloved is throwing gazes at me 

Rangi Saari… Gulaabi… Gulaabi Chunriya…
My beloved coloured my Saree pink
Haan...

Jao Ji Jao, Karo Na Batiya…
Go away, don’t make false/sweet talks
Jao Ji Jao, Karo Na Hi Batiya… 
Go away, don’t make false talks
Jao Ji Jao, Karo Na Batiya…
Go away, don’t make false talks

Ae Ji Baali, Ae Ji Baali Hai Mori Umariya
I’m in my prime youth
Mohe Maare Najariya Sawariya Re (x2)
My beloved is throwing gazes at me

Rangi Saari Gulaabi Chunariya Re
My beloved coloured my Saree pink
Mohe Maare Najariya Sawariya Re (x2)
My beloved is throwing gazes at me 

Rangi Saari Ho…
He coloured my Saree
Pehni Saari Gulaabi Chunariya Re
I’ve now worn that pink Saree
Mohe Maare Najariya Sawariya Re (x2)
My beloved is throwing gazes at me

Text gefunden – hier:

http://www.bollynook.com/en/lyrics/13995/rangi-saari-gulaabi/

Noch ein diskutabler Ton bei Bach

Wohltemperiertes Clavier II in Cis-dur bzw. Des-dur

Praeludium letzter Teil (kleine Fuge ab Takt 25)

Bach WTC II Cis

Ich mache hier nur dingfest, was ich seit Jahrzehnten in meinen Noten stehen habe, eine Korrektur – schlechten Gewissens, und oben sieht man die Handschrift, die solches verursacht. Gut lesbar: zweites System, dritter Takt, Mittelstimme, drittes Sechzehntel – ist das cis‘ (in Des-dur-Ausgaben das des‘) wirklich richtig? (Nicht irritieren lassen durch den versetzten Notenschlüssel: die rechte Hand muss eine Terz tiefer gelesen werden!) Siehe auch folgendes Beispiel, darin zweites System, vierter Takt:

Bach WTC II Cis Druck

Die hineingeschriebene Zahl 25 bedeutet 25. Takt und Ende des ersten Praeludium-Teils, die hineingeschriebene 1 heißt erster Takt der kleinen Fuge, die wie der erste Teil aus 25 Takten besteht.

Meine alte Übe-Ausgabe von Kroll (Edition Peters):

Bach WTC II Des Kroll

Ich lasse den Leser, die Leserin damit vorläufig allein. Sagen Sie ruhig: Warum denn nicht dieser Ton in Takt 35?? Warum der Terzenwahn, warum soll die Mittelstimme sofort mit einer Unterterz dabeisein? Ja, genau, das meine ich! Aber nur beim Spielen, beim Hören bin ich vielleicht zufrieden…. oder? Ich bin der Sache noch nicht nachgegangen… mal sehen… Ton Koopman und Andras Schiff.

***

Leider: von beiden besitze ich nur WTC I, von Evgeni Koroliev jedoch auch WTC II. Er spielt nicht meinen Ton, und ich muss zugeben, in seinem flotten Allegro-Tempo stört nichts daran. Aber in einem Fugengebilde kann letztlich nicht das täuschbare Ohr die letzte Instanz sein, sondern die Grammatik, ja, selbst der Buchstabe, meine ich. Ich werde die Sache weiterverfolgen (s.u.), andererseits auch nicht so wichtig nehmen wie im Fall des einen Tones im ersten Satz der ersten Violin-Solo-Sonate. Dort scheint mir schwer verzeihlich, wenn jemand – gegen bessere Argumente – beim strittigen Ton verharrt. (Siehe hier!)

In der Tat ist die Geschichte dieses Praeludiums, wie sie von Alfred Dürr dargelegt wird, ergiebig genug, und sie gewährt gerade dank der Variabilität dieses Vor-Spiels einen Zugang zum experimentellen Bereich des Schaffensprozesses. Ähnlich wie das C-dur-Praeludium, an dessen Stelle dieses nach Cis-dur transponierte (!) Stück vielleicht einmal hat stehen sollen.

Hier nur soviel:

Das Cis-Dur-Präludium ist das einzige Klangflächenpräludium reinen Wassers des WK II, und auch daß es eine im Tempo beschleunigte Coda besitzt, hat es mit vielen Präludien des WK I gemeinsam – auch wenn der Unterschied hier besonders kraß ist, so daß (…) auch an ein zunächst ohne nachfolgende Fuge konzipiertes Stück gedacht werden kann.

(…)

Als eigentlicher Schluß erweist sich Takt 20 (= 6, subdominanttransponiert); die darauffolgenden vier Takte stellen den Übergang zum Allegro her. Dieses Allegro (nur in der Cis-Dur-Version so bezeichnet), ein dreistimmiges Fugato, erweist sich bei aller Knappheit als reizvolles Kabinettstückchen mit Exposition (T. 25-34, Kadenz auf der Tonika), II. Durchführung mit Themenumkehrung (T. 34-41, Kadenz auf der Dominante) und reprisenartiger III. Durchführung (T. 41-44 = 25-28) samt nachfolgender Coda – dies alles auf kleinstem Raum.

Quelle Alfred Dürr: Johann Sebastian Bach / Das Wohltemperierte Klavier / Bärenreiter Kassel Basel London etc. 1998 (Seite 266 f)

Ich habe mir das jetzt in meine alte Kroll-Ausgabe rot eingetragen: als „Kabinettstückchen“ übe ich es seltsamerweise mit neuem Impetus. Übrigens füge ich den Achtelvorhalt aus Takt 26 auch an den anderen Stellen ein, also Takt 27, 31, 38, 42, und 43.

Bach Des Fugato

Ich glaube, es war ein notwendiger Prozess, mich von einem schnell gefassten und dann eingebrannten Vorurteil zu lösen. Das geschah beim Üben und Abwägen. Der eine Ton hat sich letztlich als irrelevant erwiesen, meine Auflösung in Terzenparallelen war für eine polyphone Arbeit zu simpel gedacht. Im langsamen Tempo gespielt, zeigt sich, dass die Mittelstimme des Taktes 35 samt Abwärts-Terz korrespondiert mit der Bassstimme des Taktes 36 und ihrer Abwärts-Terz.

Aber dieses Praeludium hat sich als eine Fundgrube anderer Art erwiesen. Der nächste Schritt wird sein – so äußerlich das scheint – es nicht mehr in Des-dur zu lesen, sondern in Cis-dur. Die Struktur des Klangflächen-Teils zu erfassen, Christoph Bergners Taktgruppen-Gliederung überprüfen: das Ohr sagt etwas anderes als seine Zahlen…

Chr. Bergner: Studien zur Form der Präludien des Wohltemperierten Klaviers von J.S.B. / Hänssler Neuhausen-Stuttgart 1986

Youtube-Versionen anbieten – z.B. Evelyne Crochet hier oder Nikolai Demidenko (Angela Hewitt)  hier, die absurd schnelle Fuge bei Demidenko. Hässlicher Klang (aufnahmetechnisch). Der Übergang im Praeludium zum Allegro: es besteht kein Anlass, den ersten Akkord (bei 11:04 als „Break“-Effekt) hart anzuschlagen, so auch bei Koroliev. Bach hat die Tempobezeichnung allegro mit Bedacht erst über die Sechzehntel, also den Themenbeginn, gesetzt. Die Fermate am Ende bedeutet nicht, dass man den Schlussakkord sinnlos lang aushalten soll; er muss im Verhältnis zum allegro-Tempo bzw. ritardando (falls man es macht) stehen. Besser: den Abstand zur Fuge genau nehmen, nicht irrational. Z.B. 1 Takt Schlussakkord, 1 Takt Pause, nächste Zählzeit = Achtelpause des Fugenbeginns.

Kriterium für gutes Fugenspiel: Deutlichkeit! Vorbildlich bei Koroliov. Mögliche Temporelation im Ganzen: Die Viertel des Praeludiums gehen im „allegro“ als ganze Takte weiter und sind in der Fuge wieder als Viertel-Zählzeit gültig, wobei dies durchaus nicht im metronomischen Sinn gelten muss.

Das Werk ist ein erratischer Bestandteil des WTC II, nämlich in Vorformen bis in die Weimarer Zeit (1708-1717) zurückreichend. Fast der ganze Rest ist ja nach 1738 enstanden.

Ich werde diesen Beitrag einfach abbrechen.