Oder gegen ihn!
Ich vermute, dass man des Zweifels und des Schwankens zwischen seiner eher flüssigen Schriftlichkeit und dem eigenen, noch gasförmigen Widerspruchsgeist nur Herr wird, indem man sich fortwährend Zeit nimmt, die eigenen Bedenken wirklich zuendezudenken. Nicht als erstes sich dazu verurteilt nachzugrübeln, was der andere wohl gemeint haben könnte. Und auch seine Fundstücke – auf die er besonders stolz ist, er nennt sie „Brocken“ – nicht bestaunt, ohne sie zugleich einer Prüfung zu unterziehen.
Er greift mit Vorliebe eine pars pro toto heraus, wobei zu berücksichtigen ist, dass die „pars“ offenbar ein sehr dürftiges Teilchen sein kann, nicht im geringsten repräsentativ für einen größeren Zusammenhang. Nehmen wir z.B. diesen Amateur-Komponisten namens Zacharias, der entdeckt hat, dass er für sein Werk „versehentlich“ ein paar Takte von Graun geklaut hat und nunmehr, zerknirscht, gewillt ist, sich selbst und allen Kollegen vorzuschreiben, jede entwendete (?) Stelle in eigenen Stücken zu kennzeichnen. Als sei dies ein Hauptproblem. Und nicht ein verstecktes Kompliment. Ab wann ist ein bestimmter Harmoniewechsel, eine chromatische Schärfung persönliches Eigentum? Damit scheint er jedenfalls ein kleinkariertes Besitzdenken vorwegzunehmen, dass sich in GEMA-Zeiten zur Seuche ausgeweitet hat. Wem gehören diese 5 Töne??? Lächerlich!
In diesem Moment kommt die Post, und ein weiteres Werk von Peter Szendy flattert ins Haus, ein früher geschriebenes, zu einem Thema, das mich schon oft beschäftigt hat. (Auch hier im Blog. Siehe z.B. hier).
Also erweitert sich die Aufgabenstellung… Lesen Sie nur den Klappentext! Ich brauche ein paar Tage Zeit. (Fortsetzung folgt).
Vormerken (aus andern Gründen):
Notwendig sind neue gesellschaftliche und kulturelle Infrastrukturen, um mit der neuen Freizügigkeit umgehen zu können. Träte die Gesellschaft in einer solchen Zukunft mit denselben Ansprüchen an das Individuum heran wie bisher, zerriebe sie sich in Konflikten. Mit dem technischen Wandel wird ein kultureller Wandel kommen müssen. Statt alles verstehen und nachvollziehen zu wollen, müssen wir toleranter werden gegenüber den nicht länger privaten Eigenheiten unserer Mitmenschen.
30.06.2017 (nach der Bielefeld-Fahrt)
Das neue Szendy-Buch über „Tubes, Hits, Ohrwürmer“ lässt sich, zumindest im ersten Drittel, viel leichter lesen als „Hören(n)“. Was für eine schöne Überraschung, dass auch hier auf Seite 60 Mendelssohn auftaucht, mit eben der Melodie, die mich am ehesten aus der Fassung bringt, natürlich samt Heine-Versen: „Auf Flügeln des Gesanges“. (Siehe HIER.) Überhaupt Mendelssohn: seine Muster-Melodik wäre eine Untersuchung wert: das Klaviertrio d-moll, das Violinkonzert, auch die „Wasserfahrt“ (Heine!) oder „Wer hat dich, du schöner Wald“. Vollkommene Simplizität. Raffinierte Einfalt.
10.09.2017
Seltsam, heute, wo ich nicht mal das Büchlein von Szendy mit auf die Reise genommen habe, aber mich über den Klappentext rück-informieren möchte, könnte ich nicht einmal sagen, von welchen Titeln er als „Tubes“ spricht: ich kann nichts, aber auch gar nichts daran finden. Ich könnte nur mutmaßen, was andere daran finden.
So bei „Parole, parole, parole“ hier oder hier. Vielleicht nur hier? Oder bei „Can’t Get You Out Of My Head“ – meint er wirklich diese Aufnahme mit Kylie Minogue hier? Unbegreiflich simpel. Immerhin: ich lese die ergriffenen Kommentare der Fans, – es muss doch etwas daran sein!? Wie könnte ich mich denn darauf festlegen, dass meine Ohrwürmer mehr musikalische Qualität haben? Nach welchen Kriterien? Von Einfachheit muss durchaus die Rede sein. Auch von Wiederholung, Wiederkehr, Heimkehr, Refrain, Reflexen.
Oder ist es hier der visuelle Anteil, Alain Delon (der schöne Mann), Dalida (die schöne Frau), die bewegten Körper, der Wille zum Gleichmaß, der optische Reizwechsel im Sekundentakt. Und die motivische Formel, die melodischen Partikel besorgen nur den Rest? Kurz: Das Thema bedarf noch einer vorsätzlich positiv gestimmten Behandlung…