Chopins Modulation verstehen

Impromptu Op. 39 Fis-dur

Chopin Impromptus Thema kl

Die Modulation in Takt 14f zu verstehen, ist nicht ganz einfach, weil wir uns in Fis-dur befinden, einer Tonart mit 6 Kreuzen, und uns hier nach ais-moll bewegen, der Paralleltonart von Cis-dur, wodurch nicht nur die 8 Kreuze von Cis-dur wirksam werden, sondern auch noch die erhöhten Leitetöne der Mollparallele, also zunächst gisis und diesem melodisch angepasst das darunterliegende fisis. Man könnte beim Studium der ersten Seite empfehlen, das Ganze von Fis-dur nach F-dur zu transponieren, was bedeuten würde, alle vorgezeichneten Kreuze wegzudenken und stattdessen ein vorgezeichnetes b vorauszusetzen. Dadurch wird das harmonische Mitdenken erleichtert, andererseits eine neue Schwierigkeit geschaffen, nämlich die innerhalb des Notenbildes wechselnden Vorzeichen auszutauschen. Also machen wir uns ruhig die Schreibarbeit und verbinden sie zugleich mit einer Harmonielehreübung, – vielleicht ohne uns mit der entsprechenden Terminologie zu belasten.

Chopin Impromptu Mod Übung

Kommentar

1) Wir haben die Begleitung der linken Hand in 1a) so weit als eben möglich vereinfacht. In 1b) jedoch dem wirklichen Verlauf angenähert, die „Girlande“ am Ende der Zeile kann nach Belieben entwickelt werden, 1c) entspricht ebenfalls dem realen Verlauf in Chopins Text.

2) Der zweite Takt von 1b) wird durch einen Zwischenakkord ergänzt, statt des Tones „es“ erscheint ein „d“, das „a“ in der Oberstimme wird verlängert, so dass an dieser Stelle ein d-moll-Klang anstelle von F-dur tritt, der Ton „h“ erscheint kühn, erhält aber durch die Anschärfung des „d“ zum „dis“ Verstärkung, Leittonwirkung ist spürbar, das „H“ im Bass vollendet den Eindruck eins dominantischen Klangs, der sich auflösen will: ins „E“ (vielleicht E-dur), das im Verlauf des Taktes selbst in eine Dominante verwandelt wird, die nach a-moll drängt und dies gleich zweimal bestätigt, zuletzt (siehe 1b, letzter Takt) mit dem Aufwand der Girlande. Fast zuviel, es gibt in 1c) geradezu einen Ruck zurück nach F-dur. – Zu erwähnen wäre noch, dass die im zweiten Takt von 2) eingefügte Lösung durch den Ton „d“ suggeriert wurde durch den in 1b) wohlmeinend umgedeuteten Ton „es“ (statt „dis“). Wenn die Melodie nicht den kühnen Ton „h“ anschlüge, könnte der Ton „es“ alias „dis“ durchaus einen anderen Zug ausüben, nämlich den, der in  3) realisiert wurde: man kommt nach g-moll und könnte fortfahren mit der Version 1c) ab zweite Zählzeit und könnte weniger „ruckartig“ F-dur erreichen. Und – der Zauber der Stelle wäre vollständig verloren…

Dieser Zauber hängt offenbar mit dem melodischen Aufstieg f – g – a – h zusammen, der an die lydische Kirchentonart gemahnt, im Abstieg jedoch in eine phrygische Kadenz mündet, mit deren Hilfe das zarteste a-moll erreicht ist, auf dem wir mit Rührung verweilen.

Und jetzt müssten wir eigentlich alles neu formulieren und auch von der seltsam insistierenden Begleitfigur des Anfangs reden, die dann als Kontrapunkt der eigentlichen Melodie fungiert.

PS.

Übrigens liebe ich diese Paderewski-Ausgabe (s.o.), weil mir die Fingersätze und der Druck behagen. Ich verdanke die 10 Bände der Chopin-Gesamtausgabe den zwei Semestern 1960/1961 in Westberlin, als man noch problemlos in den Osten fahren konnte, um im polnischen Pavillon preisgünstig einzukaufen. Vielleicht bin ich nur durch diesen Besitz in späteren Jahren ein solcher Chopin-Verehrer geworden.