Wer kann sich so radikal ändern?

Und wieviel Zeit bleibt?

Ich überlegte, warum ich selten mit Ausdauer darüber nachdenke, während es doch ständig im Untergrund schwelt. Zuletzt hier? Immer nur, wenn die Zeitungen es zum Thema machen, in der Hoffnung, dass es etwas zu hoffen gibt. Wie ärgerlich ist der Pauschal-Knüppel „Lügenpresse“, das allgemeine Schimpfen ist am leichtesten, die guten Beispiele fände man leichter individuell in der seriösen Presse, aber die Leugner kommen lieber mit einer (scheinbar) perfekten wissenschaftlichen Mimikry daher. Man weiß, es ist falsch, aber man würde viel Zeit mit Theorien zur Großmachtpolitik verlieren, wenn man es widerlegen wollte. Und es erledigt sich von selbst. Anders als in der Klimapolitik, wo man von einem Politiker folgende Entgegnung lesen kann:

Die Wis­sen­schaft ist sich sehr wohl ei­nig. Das ist jüngst im Welt­kli­ma­be­richt be­stä­tigt wor­den, dass der Mensch ei­nen er­heb­li­chen An­teil an der Erd­er­wär­mung und dem Kli­ma­wan­del hat.

Die­se Auf­fas­sung tei­le ich nicht. Schau­en Sie sich die Fach­ka­pi­tel in Un­er­wünsch­te Wahr­hei­ten von Vah­ren­holt und Lü­ning an, zwei ex­zel­len­ten Ken­nern der Ma­te­rie. Hier wird un­ter an­de­rem aus­ge­führt, dass der Bei­trag der Son­ne zur Erd­er­wär­mung nach wie vor nicht ge­klärt ist. Es gibt al­ter­na­ti­ve Hy­po­the­sen. Wis­sen­schaft ist kei­ne De­mo­kra­tie, wo ei­ne Mehr­heit ent­schei­den könn­te, was rich­tig ist. Wis­sen­schaft ist ei­ne Fra­ge von ra­tio­na­ler Be­weis­füh­rung. Ei­ne sol­che ra­tio­na­le Be­weis­füh­rung liegt nicht vor.

Man kann sich aber auch in umgekehrter Richtung leicht orientieren, nämlich unter Vahrenholt und Lüning, schon weiß man, dass sie als Kronzeugen auf tönernen Füßen stehen. Man muss nicht die gesamte Literatur des Für und Wider studieren, um es beurteilen zu können. Man kennt Leute, die das getan haben. Und der (AfD-)Politiker beruft sich bezeichnenderweise nur auf das eine gemeinsame Buch genau dieser beiden Autoren. Es reicht.

Zur seriösen Presse zählt zweifellos auch die ZEIT, was mich nicht verpflichtet, einem Artikel zu folgen, der mir wenig Hoffnung lässt. Denn dies liegt auch nicht in der Absicht des Autors, der uns alle Werkzeuge des Widerspruchs selbst in die Hand gibt:

Ich muss wenigstens die einzelnen Schwerpunkte aufzählen, die Fragestellungen, vielleicht lässt man sich verlocken, es ganz genau nachzulesen (man kann!) und individuelle Folgerungen zu ziehen. (Artikel von Jens Beckert.)

Warum zögert die Wirtschaft?

Hinzu kommt die mangelnde Transparenz der Märkte. Was ist eine nach ethischen Maßgaben produzierte Jeans? Wann ist eine Finanzanlage nachhaltig? Skandale um das sogenannte Greenwashing zeigen auch: Für die Nachfrageseite ist nicht erkennbar, was an weit entfernt liegenden Enden von Lieferketten tatsächlich geschieht. Eine Änderung klimazerstörender Produktionsweisen ist durch ein den Individuen aufgebürdetes Konsumverhalten am Markt nicht zu erreichen.

Warum zögert der Staat?

Und warum zögert das Staatsvolk?

Überall droht eine Absenkung des Lebensstandards. (…)

Beschränkung steht im Widerspruch zu einem ökonomischen System, das auf Konsum als Motor baut, und einem politischen System, das den Konsum der Bevölkerung als Steuergrundlage benötigt.

Und welche Spielräume bleiben?

Die während der letzten 300 Jahre entstandenen Strukturen der kapitalistischen Moderne zerstören die biologische Nische, in der menschliche Kultur stabil bestehen kann, und verhindern zugleich eine hinreichende Reaktion auf die Krise.

(folgt)

DIE ZEIT gibt keine Ruhe (17.11.2022)

NEU 28.11.22

JULIA FISCHER (nicht nur eine große Künstlerin):

siehe HIER