Schlagwort-Archive: „Beethoven pur“

Kammermusik absolut

Über das Artemis-Quartett, das …

ich gestern 15. Januar in der Kölner Philharmonie nicht wahrnehmen konnte (weil der Husten, den ich von der Küste mitgebracht habe, nicht zumutbar war)  – Freund Odenthal war dort und berichtete über die wieder neue Formation – begeistert – und ich war tagsüber mit den opera 95, 96, 97 beschäftigt, streng genommen hätte mich opus 130 plus Große Fuge etwas aus der Bahn geworfen. Ich weiß nicht, warum mich dieses kurze Video dann so ergriffen hat, der Zufallsfaktor darin, der Ernst im Spiel, die Erinnerung an viele andere Begegnungen, z.B. mit dem C-dur-Quartett op. 59 Nr. 3 mit dem Fugenbeginn, Friedemann Weigle in Positur, unnachahmlich, Eckart Runge am Cello-Podest, ich werde das alles nie vergessen, eine unzerstörbare Assoziationskette zurück bis zur Serie der Beethoven-Quartette mit dem Alban-Berg-Quartett 1987/88.

Ich hatte gerade in dem Adorno-Band „Beethoven – Philosophie der Musik“ (Suhrkamp 1993) über die Violinsonate op. 96 nachgelesen und war im Begriff, einiges abzuschreiben, stark motiviert im Blick auf Samstag in Bonn, hier.

„Eine der großen Kategorien Beethovens ist die des Ernstfalls, des Nicht-länger-Spiel-Seins. Diesen Ton – der stets fast der Transzendenz zur Form sich verdankt – hat es vor ihm nicht gegeben.“ (Seite 243)

… vor ihm nicht gegeben?

Die G-dur-Violinsonate op. 96, die ich am wenigsten von allen kenne (mehr noch: ich habe früh eine Sperre entwickelt), schien mir jetzt im Gegensatz zu den benachbarten Werken wirklich zuwendungsbedürftig: das Quartett op. 95 haben wir bei Prof. Günter Kehr studiert (damals schon mit Freund H.H. Odenthal als Primarius), das Erzherzog-Trio op. 97 kannte ich schon von meinem Vater: wir Kinder haben im Konzert bei der Pizzicato-Stelle dümmlich gelacht, später habe ich mich dessen geschämt: während der Studienzeit habe ich es ständig vom Tonband gehört, zuerst vom Trio di Trieste, dann vom Beaux-Arts-Trio, es war mein Non-plus-ultra. Die Violinsonate op. 97 hörte ich im Hochschulkonzert von Jörg-Wolfgang Jahn, sicher sehr gut, beschloss aber, das Werk nie selbst einzustudieren (im Examen spielte ich die Kreutzer-Sonate), letztlich aufgrund einer törichten Fehleinschätzung. Heute habe ich manches wettgemacht, hörend (ohne Noten) und lesend, – „Beethoven Interpretationen seiner Werke“ (Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1996) Bd. II Seite 86 bis 92, sehr gut: Peter Cahn. Ich bemerkte, wie ich mich damals getäuscht habe, schon das Thema hatte ich dürftig gefunden, wie eine Verlegenheit.

Als ich die Youtube-Aufnahme jetzt aufmerksam ohne Noten hörte, 3 Minuten Exposition, 3 Minuten Wiederholung, Durchführung, wurde ich in den Bann gezogen (der „rührende“ Ernst der Interpretinnen hier), bis ich schließlich, eingelullt von den Triolen, auf die Reprise wartend, erst nach einigen weiteren Takten erkannte, dass sie sich ganz unvermerkt eingeschlichen hatte. Und hielt es für ein Manko meiner Höreinstellung, es war aber die Raffinesse Beethovens.

Adorno zum „Sich-Zeit-lassen“ (Seite 141 f). Er spricht vor allem über das Trio op. 97. (Darin habe ich es früh erkannt und gefühlt, nicht in der Violinsonate.)

In op. 97 etwa ist die Tonika (äußerst gewagt) einen Takt vorm Einsatz der Reprise schon da [T. 190], aus eben dem doppelten Grunde, daß die Reprise dann ganz dicht anschließt, weil sie ja nicht als Climax kommt, und daß sie, weil das harmonische Hauptereignis in der aufgelösten Kadenz schon vorausging, unscheinbar bleibt. Der piano-Einsatz des Hauptthemas ist bescheiden, verbunden und doch – gegenüber dem Reprisentypus des intensiven Stils – von vorn beginnend, gleichsam Atem holend – wie dieser ganze Stil (…) das Element des Atemholenden hat. Es ist das Absetzen des Erzählers in der durchgehaltenen Einheit der langen Erinnerung. Die Reprise wird in diesem Stil zum „Darauf-Zurückkommen“, zum Eingedenken. Übrigens hat der letzte Takt vor der Reprise Verwandtschaft mit dem berühmten der Eroica. Denn er ist nicht einfach die Tonika, sondern eine Überschneidung von Tonika und Dominante, damit, bei engster Verflechtung, die Reprise doch Atem holen kann, aber nicht als Erfüllung oder Neues, sondern gleichsam als Reinigung; als Hervortreten der schon vorher erreichten, aber verdunkelten Tonika, die sich jetzt herauslöst und rückwirkend spricht: ja, das ist so und so ist es schon wieder. Es ist eine der kunstvollsten und zerbrechlichsten Stelle bei Beethoven. – In op. 96 ist auch ein tour de force: dem Kopfmotiv wird, unter Ausnutzung seines Rufcharakters und wieder durch die spielende Unverbindlichkeit des Trillers, eine Art Exterritorialität gesichert, dann aber wird es doch wieder, trotz der Aufgelöstheit, als Anfang gedeutet, und ehe man sich besinnt, ist man wider drin. Der subtile Betrug, der allemal hier waltet, deutet auf die Aporie des extensiven Typus hin und diese Aporie erzwingt dann den Spätstil.

Quelle Theodor W. Adorno Beethoven / Philosophie der Musik Suhrkamp Frankfurt am Main 1993 ISBN3-518-58166-X (Seite 143 f)

(Die letzten Worte werfen Fragen auf, – das weiß Adorno, denn er fährt zwei Zeilen später fort: „Es ist das Problematische, Riskierte, Exponierte des extensiven Typus sehr herauszustellen.“)

Die erwähnte Stelle im „Erzherzogtrio“, linke Seite mitten in der Pizzicato-Stelle, über die wir Kinder gelacht haben. Die Reprise in Takt 191. (Youtube-Aufnahme genau 6:52.)

Die gleiche (ähnliche) Stelle wäre wahrzunehmen in der schon angeführten Aufnahme der (Klavier-) Violinsonate ab etwa 6:00, die Reprise hört man – wenn man sie nicht verpasst –  genau bei 7:18. (Auch die Gegenbewegungskontrapunktik vorher ist vergleichbar.)

Für den langsamen Satz (Video ab 11:33) gilt in noch höherem Maße, dass man sich ihn erarbeiten muss. Wenn man die Melodie nicht versteht – sie scheint so klar, dass man mit ihren Schwierigkeiten nicht rechnet, man denkt vielleicht an den langsamen Satz der „Pathétique“ – fragt sich zugleich, was denn daran misszuverstehen ist. Einfach schön. An den langsamen Satz des 5. Klavierkonzertes, – da ist die Gliederung klar und eindeutig. Ein Hymnus. Hier aber hilft kein Blick in die Noten, Klavier im vollen Satz 8 Takte, die Geige tritt endlich ein (Melodiegarantin) und klärt – gar nichts. Sie hängt sotto voce  dem Takt 8 des Klaviers nach, im nächsten Takt macht das Klavier dasselbe eine Oktave höher, und wiederum der nächste Takt isoliert den Schlussakkord, hängt ihm nach. Was soll das? War es so bedeutend, was bis hier erreicht wurde? Erst die letzten zwei Töne der Geige, mit espr.-Angabe hervorgehoben, auftaktig, haben ein Ziel, und der erste Ton des 12. Taktes, das ist fast wie eine große Geste in klein, – ich denke an Brahms, Violinkonzert, zweiter Satz, Takt ? – dort schien sie mir das schlichte Anfangsthema aufzugreifen und durch Opulenz zu verderben – hier ist es das Klavier, das mit seiner synkopischen Begleitfigur, die dem Geigenauftakt nachgebildet ist, alles vollends zu verunklaren scheint. Die Geige holt Ende des 14. Taktes noch einmal auf gleiche Weise aus wie Ende des 11. Taktes, also wird wohl jetzt … eine ordentliche Periode daraus, nein, es scheint nur so, denn dass der Takt 17 in Takt 18 wörtlich noch einmal erscheint, stört doch erheblich, was helfen da noch die 64stel-Ketten molto dolce, wenn nichts als eine Abschlusskadenz folgen soll, als sei nun Großes erreicht; man glaubt es nicht recht, mag der Abschlusston As auch durch sein cresc. zeigen wollen, dass noch lange nicht zuendegesungen ist…

Ich muss nicht betonen, dass dies böse Gedanken waren, die man besser verschweigt; aber es ist wie die Stimme meines Bruders in der Kindheit, wenn er mir nachweisen wollte, dass „meine“ Musik nichts wert sei im Vergleich zu der von ihm präferierten. Irgendwie hatte er auch recht, jedenfalls konnte ich ihm dann gerade nichts aus tiefstem Herzen entgegensetzen. Das tiefste Herz, das „Gefühl“, hatte er gepachtet.

Heute kam es mit einem Schlag, mit dem Stichwort Choral (das schon durch das Wort „Hymnus“ vorbereitet war). Es ist ein anderer Typus von Melodie, einer der auf engstem Raum mit Tönen spielt wie mit Glockenschlägen. Auch die „Freuden“-Melodie ist von dieser Art, oder die Melodie der Chorfantasie op. 80, die mir immer etwas peinlich war (ich wollte sie „groß“ finden, und es gelang nicht). Ich muss die Melodie als Choral aufschreiben, um das wirklich zu begreifen (ohne alle Akzidentien):

Es ist unerhört schwer zu spielen – und zu hören. Weil es so einfach ist. Ich bin sicher, dass man die Aufnahme anders hören wird als vorher, das Innehalten, das Weiterfließen, die unerhörte Kraft der Interpretation, die scheinbar ohne Anstrengung gelingt. Was für eine Wiederkehr des Themas in der Violine bei 14:50!!!

Man höre auch die sehr dichte Aufnahme Argerich/Kremer; was mich in diesem Satz stört ist allerdings die (zeit-, generationsbedingte) Amplitude des Violinvibratos.

*     *     *

Soweit am Morgen vor dem Konzert. Danach ist alles anders. Jetzt erst kenne ich die Sonate. („Du musst dein Leben ändern!“) Ich übertreibe. Vielleicht hätte ich es damals so pathetisch gesagt. Aber jetzt? Was tun?

(Henle-Verlag Herausgeber: Sieghard Brandenburg)

Beginne ich – eine Ausflucht! – als Pedant: hat der Triller auf der ersten Note der Sonate wirklich 2 Töne als Nachschlag? Soll er sie haben? Erst in der Konsequenz (jedes Mal!) stört es mich eher als dass es mich freut. (Niemand sonst spielt sie!) Hat der späte Beethoven den Nachschlag stillschweigend vorausgesetzt, während er sonst in Kleinigkeiten so pingelig war? Es geht ja nach dem Nachschlag nicht zum benachbarten Ton, sondern eine Quarte hinauf; hätte Beethoven ihn nicht wenigstens in den ersten Takten hineingeschrieben? (Man vergleiche „Erzherzog“ Klavier Takt 7: dort stehen die Nachschläge, obwohl sie eigentlich selbstverständlich sind.) Wahrscheinlich … hat jemand Hummels Ausführungen über Ornamentik missverstanden. – Aber ich bin nicht im Konzert gewesen als Kritiker. Ich bin erschlagen vom Gesamteindruck, also halte ich mich lieber ans Konkrete: ein solches Festival ist ein lebendes Monument. Ähnlich wie heute noch – Jahrzehnte im Nachhinein – die Aufführung aller Beethoven-Sonaten durch Alfred Brendel (trotz Levin), aller Streichquartette durch das Alban-Berg-Quartett (trotz Artemis) in den 80er Jahren. Wie vorher die Bach-Sonaten und -Partiten durch Isabelle Faust (wenn es Thomas Zehetmair nicht gäbe, der nicht „besser“ spielt, sondern nur anders, cum grano salis: unberechenbarer). Isabelle Faust ist ein Phänomen.

Gedanken vor Beginn: Warum steht auf dem Rückumschlag des Programmbuches als zweiter Name, gleich unter Beethoven, der Name Olli Mustonen? Über die Nennung in der Reihe der Interpreten hinaus? (Für mich ist er seit der CD mit op.109 als Beethoven-Interpret völlig inakzeptabel. Als Komponist interessiert er mich nicht.)

Von den Niederungen der menschlichen Physis

Für manche älteren Zuhörer hätte das Konzert mit einem persönlichen Desaster enden können, für mich zum Beispiel vor zwei Jahren, als ich des öfteren mit Cystitis zu tun hatte: im Anschluss an die wahrhaft atemberaubende Wiedergabe des Beethovenschen  Quartetts op. 95 trat der freundliche Organisator des Festivals vor das Publikum (es war ausverkauft) und teilte mit, dass für den Rest des Abends die Toilettenanlage für Künstler und Gäste wegen eines Defekts geschlossen sei, die Nachbarn des Beethovenhauses würden sich freundlicherweise hilfreich zeigen… (Für uns bedeutete das: von 19:05 bis 22:05 Uhr begeistertes, aber auch tapferes Ausharren, danach fanden wir Asyl in der nahgelegenen Kneipe „Zur ewigen Lampe“, die Atmo war umwerfend, zum Ausgleich gönnten wir uns noch 3 Kölsch.) Nach der Violinsonate trat derselbe nette Herr noch einmal vor, um nach einem Augenarzt zu fragen. Wir entwickelten augenblicklich Empathie für den Pianisten, der mehrmals die Brille abgenommen hatte, augenscheinlich um Schweiß von der Stirne zu wischen, aber vielleicht steckte ja mehr dahinter. – Es gab in der letzten Reihe oben ohnehin besorgte Blicke unsererseits: nach links, da saßen dezente, spanisch sprechende Mitwirkende des Festivals, weiter hinten Tabea Zimmermann, die sich gewiss nicht mehr an unser Interview in den 90er Jahren erinnern würde, aber auffallen wollte ich um keinen Preis; rechts von uns hatte Daniel Sepec und das Novus String Quartet Platz gefunden, wer will in dieser Umgebung schon aus niederen Gründen den Saal verlassen… Alles ging gut. Ich möchte diesen Abend nicht missen.

 

Wenn der Geist zu uns spricht

Was mich in der Sonate op. 96 vor allem überraschte – nach einem himmlischen langsamen Satz – war der Witz der Interpretin (ich hebe die Geige hervor, weil sie von ihrer melodischen Natur her nicht dazu verlockt), auch in den Tempo-Nuancen des Finales vollkommen bezaubernd. Man vergisst fast, welche Schwierigkeiten quasi en passant zu bewältigen sind. Und eine letzte Frechheit zum Schluss, wenn man nichts mehr vergessen machen kann: ähnlich wie bei Haydn die „Jakobsleiter“ in höchster Höhe und, wie man sieht, im autographen Skript mit einem absurden Fingersatz (4 4 4) versehen, – alles blitzsauber gespielt und geradezu verrückt inszeniert auf dem Weg vom poco Adagio ins Presto, so dass im Publikum Lachen und Applaus zusammen losplatzen.

(Man sieht in der Henle-Ausgabe, wie sorgfältig das Autograph beobachtet wurde, die Bezeichnung der Violinstimme ansonsten: Max Rostal) Von den beiden folgenden Bildern könnte man mindestens eins als überflüssig betrachten, zwischen ihnen liegt eine geraume Zeit des Beifalls für die Interpreten, beim Hinausgehen und der Wiederkehr zum Verbeugen, die Saalbeleuchtung geht an, die Realität kehrt zurück usw., ich finde es wichtig, diese Zeit außerhalb der Musik zur Kenntnis zu nehmen. Überhaupt: das Publikum, das man üblicherweise für sein Stillschweigen lobt, den Atem der Konzentration. Ich möchte ein anderes Wort in den Vordergrund rücken, es kommt aus der Mitte der Arena, es geht von der Bühne aus.

Das Klaviertrio op. 97, dem Erzherzog Rudolph gewidmet, – er wird freundlicherweise im Programmheft durch Wiedergabe seines Konterfeis geehrt -, es ist das Meister-Trio des 19. Jahrhunderts, alles was danach kommt, wird daran gemessen.

Das Zauberwort dieser Aufführung heißt Kommunikation. Man könnte ausführlich über die Paradoxie schreiben, zwei Streicher – hoch und tief – und ein übermächtiges, allmächtiges Tasteninstrument miteinander in Beziehung zu setzen. Aber nach 14 Takten ist es klar, wie es gelingt, wie zuerst das Cello, dann die Geige – noch ehe die herrliche Klaviermelodie vollständig aufgebaut ist – sich zu Wort melden: wir zwei haben etwas dazu zu sagen. Und schon beginnt man, Jean-Guihen Queyras im Auge zu behalten, mit welchem Charme er – auch ohne zu lächeln – seine Kommentare oder Bedenken vorträgt, mit welcher Emphase er seine leuchtenden Statements platziert , mit welchem Understatement die Doppelgriffstelle der beiden Streicher harmoniert, wenn sie das Klavier zum zweiten Thema hin geleiten. Unglaublich was im Scherzo an Einfällen aufblitzt, was speziell der Cellist sich im Mittelteil traut, besonders in der Chromatik, ein mikrotonales Spiel im Grenzbereich „falscher“ Töne. Ein Vergnügen. Überraschungen allenthalben, mit dem Risiko, dass man im 8taktigen Wechselspiel auch beim Finale ständig etwas erwartet, einen Dynamikschock, eine Rubatoandeutung, auf die Gefahr hin, dass fromme Kunstjünger vielleicht den Zerfall in Puzzleteile zu fürchten beginnen. Andererseits ist dies die Kehrseite der unglaublichen Ausblicke, die der langsame Satz gewährt, der ergreifende Abgesang der letzten Variation und – der Blitzeinschlag, der Aufruhr ankündigt (es ist nur f, nicht ff) und ein Gassenhauerthema gebiert, das von Rhythmus und Frechheit bebt.

Ich übertreibe vielleicht die Wirkung des Live-Erlebnisses, ich könnte mir im Augenblick nicht vorstellen, ob das geniale Ganze genauso auch in einer Aufnahme funktionieren würde, in der man die Geigerin, den Cellisten, den Pianisten also nicht leibhaftig miteinander kommunizieren sieht: die beiden Streicher als konträre Typen, mit einer Körpersprache und Mimik wie Nord und Süd, die einander an Witz und Ausdruck doch völlig kongruent sind, der Pianist, der durchaus nicht, wie einst Menahem Pressler im Beaux-Arts-Trio, permanente Führung nach außen projiziert, und doch dreinschlagen kann wie ein Donnergott. Ich würde lieber noch dreimal in das gleiche Konzert gehen, um mir jedes Detail, jede Taktgruppe in der physischen Realität einzuprägen.

Und mir all dies vorzustellen, wenn ich die Noten wieder durchgehe oder mich der alten Analysen erinnere, die ich vor (wieviel? 30???) Jahren für die Gesamtaufnahme mit dem Abeggtrio angefertigt habe. Vielleicht werde ich sie als nächste Beiträge in diesen Blog setzen; die Notenbeispiele und Zitate zumindest haben bleibenden Wert.

Wenn ich jetzt den Cellisten vielleicht über Gebühr hervorgehoben habe, so liegt das daran, dass ich ihm und seiner Spielweise schon früher aus anderem Anlass einige Aufmerksamkeit gewidmet habe: als sich seine Offenheit für die Musik anderer Kulturen zeigte, in der Zusammenarbeit mit den iranischen Brüdern Chemirani und dem kretischen Lyraspieler Sokratis Sinopoulos. (Siehe im Text vom „Glück der Unruhe“ hier.)

All das will ich ebensowenig vergessen wie die Bach-Interpretationen und das Schumann-Konzert mit Isabelle Faust. Von allen Menschen, die Geige spielen auf diesem Planeten, gehört sie zweifellos zu den unfehlbarsten.

Unvergesslich. Wie übrigens auch die kompakte Darstellung des wilden f-moll-Quartetts op. 95 durch das koreanische Novus String Quartet im Beethovenhaus.

(Handyfotos: JR)