Annäherung zwischen Ost und West?
Erstaunliches konnte man vor neun Jahren erleben: Eine umfangreiche und opulent ausgestattete Klang-Dokumentation vom „AL TARAB Muscat Ud Festival“, unter den Verantwortlichen im Verzeichnis (linke Seite separat anklicken) ganz oben und ganz unten: Issam El-Mallah.
FAZ und SZ schrieben recht positiv, wenn auch mit einer gewissen Rück- und Vorsicht, über das ferne Festival (10. und 15. Dezember 2005).
Eine ausnahmslose Freundlichkeit aller Bevölkerungsschichten könnte als Zeichen gelten, daß der bekennende Humanist Qaboos [der Sultan, „His Majesty“] die Menschen ein wenig verändert hat. Kulturbewußt ist er natürlich auch. Musikgruppen gehören fest zu seinem Palast, und vor zwanzig Jahren hat er für ein Novum in der arabischen Welt gesorgt: mit der Gründung des auch heute noch einzigen nur mit Einheimischen besetzten Sinfonieorchesters. (Ulrich Olshausen FAZ 10.12.2005)
Issam El-Mallah, der in Bayern lebende ägyptische Musikwissenschaftler, ist seit langem der Leiter des Oman Centre for Traditional Music und damit Organisator des Festivals. Seine Rechtfertigung für die der arabischen Musik fremde Kombination einer Ud mit einem klassischen Orchester: „Ich finde nicht nur eine Annäherung des westlichen und arabischen Stilidioms im Orchester interessant, sondern auch eine selbstständige Entwicklung der Ud nach dem Vorbild des westlichen Violin-, Cello- oder Klavierkonzerts.“ Die Risiken dabei sind groß. Einmal entkommt man kaum der Versuchung, die oft dreisätzigen Ud-Konzerte als Versatzstücke der europäischen Musikgeschichte zu hören. Zudem finden sich absichtliche Beethoven- oder Wagnerzitate im Konzert von Ammar al-Sherei oder, unbeabsichtigt, Relikte spanischer Folklore im Konzert von Atiyya Sharara. Das zweite Risioko: die Klangbalance, die nur über die elektrische Verstärkung der Ud beherrschbar wird. Und das dritte: die Glättung oder gar Vermeidung der für die arabische Musik typischen 3/4-Töne im westlichen Orchestersatz. (Klaus Peter Richter SZ 15.12.2005)
Um so aufschlussreicher für das subkutane Ost-West-Verhältnis, was jüngst die Augenzeugin Eleonore Büning anlässlich einer Aufführung der Oper Manon Lescaut im Royal Opera House von Oman berichtete. Ein kurzer Ausschnitt aus dem langen, schönen Artikel:
Bei uns, hierzulande, würde man Issam El-Mallah einen Zensor nennen. In Maskat ist er einer der vielen Vertrauten von „His Majesty“, Sultan Qabus ibn Said al Said, und in den Augen von dessen singenden und musizierenden Untertanen ist er ein freundlich-väterlicher Berater. Lange vor der Reise, bevor wir losflogen in Deutschland, haben mir gute Freunde aus der Musikwelt von diesem guten Freund in der Hauptstadt von Oman nur Gutes berichtet. Ein kluger Mann sei er, weltläufig, gebildet. Ich habe ihn leider nicht kennengelernt. Er blieb die ganze Zeit über unsichtbar.
Dass er aber dagewesen war, wird bezeugt, zum Beispiel von den Dekolletés der Rokokoschönheiten, die von einer Probe auf die andere immer kleiner werden. Zentimeter um Zentimeter wachsen die eingelegten Brusttücher. Auch wirken die locker zockenden Studenten in der Kneipe von Amiens, im ersten Akt der Oper „Manon Lescaut“ von Giacomo Puccini, mit einem Male stocknüchtern. Man muss dazu wissen: Alkoholmissbrauch von Ausländern wird in Oman mit bis zu drei Wochen Gefängnis bestraft, und in diesem Falle könnte die Scharia sogar, auch wenn sich nur gefärbtes Wasser in den Bühnenweinflaschen befindet, von einer Verführung der Omaner zum Alkoholkonsum ausgehen, das wird dann noch teurer.
Die Prostituierten, die im dritten Akt der „Manon Lescaut“ ins Auswanderer-Schiff verladen werden, drosseln ihre obszöne Gestik auf ein Minimum, sie wirken hochgeschlossen. Die allegorische Ballettszene im zweiten Akt, getanzt von zwei männlichen Tänzern, verwandelt sich in etwas Unverständliches, denn auch Homosexualität ist in Oman gesetzlich verboten. Auch der leidenschaftliche Kuss, der die Amour fou besiegelt zwischen dem stürmischen Chevalier des Grieux und seiner entzückenden Manon, bleibt in der Luft hängen. Lippen schweigen, es flüstern Geigen.
Quelle Frankfurter Allgemeine Zeitung 30.11.2014 Des Sultans Leidenschaft Große Oper in der Wüste von Oman Der Sultan von Oman hat seinen Untertanen ein Opernhaus geschenkt. Es ist das einzige auf der Arabischen Halbinsel. Dort Puccinis „Manon Lescaut“ zu sehen, ist ein Ereignis, auch wenn leidenschaftliche Bühnen-Küsse streng verboten sind. Von Eleonore Büning.
Nachwort
Inzwischen habe ich gelernt, was ich 2006 noch nicht wusste: dass die Aussprache des Festivals „Muscat Ud“ nicht an Muskat-Nuss erinnern darf, die Hauptstadt von Oman heißt Maskat. Der Sultan hat, so weiß man, einen Zweitwohnsitz in Garmisch-Partenkirchen, wohin ihn manchmal auch eine seiner Musikkapellen begleitet.
Bemerkenswert ist auch der Satz:
Das Sultanat ist eine absolute Monarchie und besitzt gleichzeitig eine Verfassung. Die vom Sultan ernannten Minister und die zwei nationalen Parlamente haben nur beratende Funktion.
Dies schreibe ich ohne Ironie. (Letztes Zitat: Wikipedia „Oman“ s.o.).