Archiv des Autors: JR

La Singla

Geschichten vom Flamenco (zum Vormerken)

https://www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/la-singla-2023 hier

https://www.arte.tv/de/videos/109359-000-A/la-singla/ HIER

Zitat

Der Film erzählt die unglaubliche Geschichte von Antoñita „La Singla“, der Flamenco-Tänzerin, die in den 1960-er Jahren Spanien und den Rest der Welt im Sturm eroberte. Als Kleinkind verlor sie ihr Gehör und lernte trotzdem zu tanzen. Mit zwölf Jahren begann sie aufzutreten. Und dann, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, verschwand sie spurlos.

Der Film erzählt die unglaubliche Geschichte von Antoñita „La Singla“, der Flamenco-Tänzerin, die in den 1960er Jahren Spanien und den Rest der Welt im Sturm eroberte. Aufgewachsen in einer Roma-Siedlung am heruntergekommenen Strand von Barcelona, war es eine Weltkarriere gegen alle Wahrscheinlichkeit. Denn als Kleinkind hatte Antoñita ihr Gehör verloren und lernte nur mühsam sprechen. Das Tanzen lernte sie, indem sie ihrer Mutter beim Klatschen zum Flamenco zusah und den Rhythmus in sich aufnahm. Mit zwölf Jahren begann sie, in den in Tavernen von Barcelona aufzutreten. 1965 erlebte sie ihren Durchbruch bei der internationalen Tournee des Festival Flamenco Gitano. Manche bezeichneten die damals 17-Jährige als beste Flamenco-Tänzerin der Welt. Sie ging mit Ella Fitzgerald auf Tournee, tanzte für Salvador Dalí, wurde bewundert von Marcel Duchamps und Jean Cocteau. Und dann, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, verschwand sie spurlos. Der Film erzählt das Leben und die Tragödie von Antoñita Singla. Paloma Zapata nutzt Archivmaterial, Fotos und Fernsehauftritte, aber auch nachgestellte Szenen. Sie erzählt das bewegende Leben eines Roma-Mädchens, deren Tanz wie ein stummer Schrei ihrer Verzweiflung wirkte. Aber warum verschwand sie spurlos? Der Film begibt sich auf die Suche nach dem verschollenen Flamenco-Star und findet in der Nähe des Strandes von Barcelona, dort, wo Antoñita Singla aufgewachsen ist, eine Spur zu ihrer Familie.

In der Arte Mediathek abrufbar vom 04/02/2024 bis 03/05/2024

https://en.wikipedia.org/wiki/Anto%C3%B1ita_Singla hier

Wikipedia zu Flamenco HIER

Alle Übersichten (alphabetisch) Flamencopolis HIER

Quelle: Bernard Leblon: Flamenco Palmyra-Verlag

Quelle MGG (Musik in Geschichte u Gegenwart 1995) Marlies Glück (Marius Schneider)

Wir „Migranten“ in Oberägypten

Ägyptern helfen, von Ägyptern lernen

von Hans Mauritz, Luxor, Januar 2024

„Assuan, Familienraum“ Foto ©Hans Mauritz

„Wer einmal Wasser aus dem Nil getrunken hat…“ Manchem Ausländer, der Ägypten besucht hat, ist Merkwürdiges geschehen: er hat sich verliebt in einen Menschen, ein Volk, eine Sprache, die Landschaft, die Kunst der Pharaonen. Er ist wiedergekommen, ist geblieben, monate- und jahrelang, ein ganzes Leben. Und weil der Wertverlust des ägyptischen Pfundes unsere europäischen Währungen so stark gemacht hat, konnten und können wir uns hier ein angenehmes Leben leisten. Übertriebene Sparsamkeit oder gar Geiz sollten für uns kein Thema sein. Das könnte man vermuten.

„Geiz ist geil“. Der Werbeslogan einer deutschen Elektrohandelskette, im Oktober 2002 lanciert, hatte unerwarteten Erfolg. Ähnliche Werbesprüche wurden in den Niederlanden, in Belgien, in Spanien und Frankreich kreiert. Ein grosser Non-Food-Discounter machte Filialen auf, die den Namen „Mäc-Geiz“ trugen. Sogar ein Bordell auf der Hamburger Reeperbahn wählte den Namen „Geiz-Club“, weil es seine Dienstleistungen zu einem besonders günstigen Preis anbot. (1)

Diese neue Mentalität machte auch vor der Reisebranche nicht halt. Ein Tourismusunternehmen gab sich den Namen „Reisegeier“ und ermunterte seine Kunden , „Geizreisen“ zu buchen. Meinungsinstitute stellten ein „Geiz-Ranking“ auf, das zeigte, dass die Deutschen sich unter den europäischen Urlaubern als besonders geizig erweisen. (2)

Diese Kampagne hat ihren Höhepunkt längst überschritten. Aber sie hat bewirkt, dass eine neue „Geiz-ist-geil“-Mentalität offen und schamlos zur Schau gestellt werden kann. „Supergeile Preise“, „Ausverkauf“, „Aktionen“, „Tiefpreise“, „sottocosto“ oder „Black Friday“ haben für manche Menschen eine existentielle Bedeutung bekommen. Es sieht so aus, als ob wir Deutschen ein Volk von Schnäppchenjägern geworden seien.

Dabei gilt doch der Geiz seit altersher in der christlichen Lehre als eine der Todsünden. Den Geizigen droht die Hölle. Im Alten Testament wird gesagt, dass „ein geiziges Auge die Seele austrocknet“ (Sir 14,9). Für Paulus ist der Geiz die Wurzel allen Übels und der Geizige ein Götzendiener. Augustinus definiert den Geiz als „Wahnsinn der Seele“. Der Kirchenvater Thascius Cäcilius Cyprian erklärte im 3.Jahrhundert: „Die Geizigen besitzen ihr Geld weniger als es sie besitzt. Sie sind Sklaven ihrer Schätze“ (3)

So wird die „Geiz ist geil“-Kampagne auch von heutigen Theologen verurteilt. Die Erzdiozöse Wien prangert den Geiz als Lebensverneinung an, und das Hilfswerk „Adveniat“ lanciert seine Gegenkampagne unter dem Motto“Geiz ist gottlos“. (4)

Wie die christlichen Kirchen geisselt auch der Islam dieses Laster. Der Koran preist den Frommen, der seinen Besitz hingibt, um sich zu läutern, und warnt den Geizigen und Selbstherrlichen vor dem lodernden Feuer (Sure 92). „Geiz und Glaube kommen im Herzen eines Muslims nicht zusammen“, sagt ein Hadith des Propheten.

  Ramadhan-Tafel Foto: ©Asmaa Waguih für Reuter

Weil der Geiz „harâm“ und Sünde ist, fordern beide Religionen vom Gläubigen, freigebig zu sein und einen Teil seines Reichtums für die Ärmeren zu spenden. Im Islam wird von ihm eine Spende verlangt, die 2,5 % des Einkommens betragen soll. Dieses Gebot der زكاة „Zakât“, einer der fünf Säulen des Islam, bedeutet „Reinheit, Lauterkeit“ und „Zuwachs“. (4a) Wer spendet, reinigt sich und bekommt einen Zuwachs an Wert. Gespendet wird vor allem im Fastenmonat Ramadhan. Die Vermögenden stellen für die Armen مائدة الرحمان (mâ’idet ar-rahmân), „eine Tafel des Barmherzigen“, auf. Man sieht dann ganze Strassen, in denen solche Tische aneinander gereiht sind. Weniger Reiche übergeben einem Armen aus der Nachbarschaft einen Geldbetrag.

Auch das Christentum verlangt, Almosen zu geben. Im Alten Testament heisst es: „Mit deinem Hab und Gut hilf den Armen und wende dich auch nicht von einem einzigen ab (…) Wo du kannst, hilf den Bedürftigen. Hast du viel, so gib reichlich. Hast du wenig, so gib doch das Wenige von Herzen.“ (Lutherbibel, Tobias 4)

  „Tod des Geizhalses“ von Hieronymus Bosch, 1494

Die Geizigen werden seit eh und je verspottet und verlacht, nicht nur im täglichen Leben, sondern auch in der Literatur. Was wäre das Welttheater ohne jene Figuren, über die sich das Publikum seit Jahrhunderten amüsiert: Pantalone in der „Commedia dell’arte“, Volpone in Ben Jonsons gleichnamiger Komödie, Shylock in Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig“ und Harpagon in Molières „L’Avare“. (5) Auch die arabische Welt spottet über „al-bakhil“, den Geizhals, und in der Literatur ist das „Kitâb al-Bukhalâ'“ (Das Buch der Geizigen) von al-Jâhiz zu einem Klassiker geworden.

Unter den erzählerischen Darstellungen des Geizes ist der Roman „Eugénie Grandet“ von Honoré de Balzac die berühmteste. Hier wird vor allem der Altersgeiz behandelt, ein Phänomen das letztlich auf der Angst vor dem Tod beruht. Der französische Moralist Vauvernagues nennt ihn „die letzte und tyrannischste unserer Leidenschaften“, und Schopenhauer meint, dass „das Geldraffen im Alter an die Stelle der abgestorbenen Lüste tritt.“ (6) Den Altersgeiz verurteilen zahlreiche Redensarten und Sprichwörter, europäische wie arabische. „Der Gedanke an den Tod macht knausrig, obwohl das letzte Hemd keine Taschen hat“. „Der gierige Mund wird nicht gefüllt, ausser mit der Erde des Grabes.“

 Detail aus „l’Avaro“, Druck von Antonio Piccinni, 1878

Grosszügig, edel und würdig

Das Gegenteil von „geizig“ ist in der deutschen Sprache „großzügig“, „freigebig“, „wohltätig“. Im Arabischen steht dafür das Adjektiv كريم (karím), das ein breites Bedeutungsfeld abdeckt. Es bedeutet auch „freundlich“, „gütig“, „gastfreundlich“, „vornehm“, „edel“ und „ritterlich“. حجر كريم „hagar karîm“ ist ein Edelstein, كاتب كريم „kâtib karîm“ ein berümter Schriftsteller. „karîm“ ist einer der 99 Namen Allahs, und „Karim“ oder „Abd-el-Karim“ und „Karima“ sind beliebte Vornamen. Das Adjektiv „karîm“ ist eines der am häufigsten gebrauchten Wörter der arabischen Sprache. In der nach ihrer Häufigkeit geordneten Rangliste des arabischen Wortschatzes (7) nimmt „karîm“ den Rang 381 ein. „Großzügig“ dürfte in einer Häufigkeitsliste der deutschen Sprache an einem wesentlich späteren Platz figurieren.

Die entsprechenden Substantive sind كرم (karam) und كرامة (karâma). „Karam“ bedeutet Großzügigkeit, Freundlichkeit, Güte, „karâma“ Ehre, Würde, Adel, Ansehen, Prestige. Dass beide Begriffe vom selben Stamm gebildet sind, deutet an, dass nur der Grosszügige ein edler, würdiger, angesehener Mensch sein kann. „(8) Großzügig, freigebig, wohltätig sein ist eine Grundbedingung für den Araber, der etwas auf sich hält. Der Geizhals dagegen ist ein gemeines, verächtliches Exemplar der Gattung Mensch.

Was Geiz und Großzügigkeit angeht, stimmen also die Urteile der europäischen und der arabischen Ethik weitgehend überein. Freilich nimmt freigebiges, wohltätiges Verhalten in der islamisch geprägten Welt einen weit höheren Rang ein als bei uns, und kaum jemand würde dort wagen, sich schamlos zu seinem Geiz zu bekennen. Das ethische Verhalten ist durch die Religion bestimmt, während der Westen weitgehend laizistisch denkt und handelt.

Unter den Fremden, die bei uns in Luxor leben, gibt es nicht wenige, die großzügig helfen. Ein Engländer baut auf der Strasse eine Schiefertafel auf gibt den Kindern des Dorfes Englisch-Unterricht. Diese machen begeistert mit, aber schliesslich kommen so viele, dass er den Unterricht einstellen muss, bis er einen Helfer findet, der die Aufgabe mit ihm teilt. Eine Dame aus Deutschland verschaffte sich gebrauchte Nähmaschinen und liess sie von der Egyptair kostenlos nach Luxor transportieren. So konnte sie mittellosen jungen Frauen helfen, sich einen kleinen Verdienst zu verschaffen. Einige der Niedergelassenen, freilich viel zu wenige, übernehmen Patenschaften, damit Kinder aus bescheidenem Milieu eine Privatschule besuchen statt die hoffnungslos überfüllten und wenig effizienten öffentlichen Schulen. Eine Dame, die vor ein paar Jahren verstorben ist, hinterließ ihr Erbe einem Hilfswerk, das sich um behinderte Kinder kümmert.

Geiz-Strategien

Leider engagieren sich längst nicht alle in solcher Großzügigkeit. Dabei gehört doch jemand, der in Europa bescheidene Einkünfte hat, in Ägypten zu den Reichen und könnte es sich leisten, einen Teil seines Reichtums abzugeben. Indessen hört man Sätze wie „Mach‘ bloss die Preise nicht kaputt“ oder „Hier ist ohnehin alles viel zu teuer“. Die Preise sind tatsächlich kaputt, denn für Ägypter ist wegen der Geldentwertung alles sehr teuer geworden. Der Fremde, der heute bis zu 50 ägyptische Pfund für einen Euro bekommt, lebt wie im Schlaraffenland. „Wir Europäer können die Probleme Ägyptens nicht lösen“, sagt eine andere Ausländerin. Recht hat sie, aber das heisst nicht, dass nicht jeder in seinem Umkreis sein Bestes tun kann. Im Restaurant hört man über das Trinkgeld diskutieren. „Geben wir etwas oder nicht? Sind 50 Pfund zuviel?“ Dabei wird ausgeblendet, dass 50 Pfund nur noch wenig mehr als einen Euro wert sind.

Um Geld zu sparen, hat sich einer dieser Fremden einen fast genialen Trick ausgedacht: er lehnt das Umrechnen einfach ab. Für ihn bleibt ein Pfund gleich einem Euro. Damit vermeidet er große Ausgaben und bleibt beim Schenken und beim Trinkgeld bei unglaublich kleinen Beträgen. Alle anderen wissen natürlich genau, wieviel ihre Währung wert ist. Im täglichen Leben schaffen sie es dennoch, dieses Wissen auszublenden. Der uneingestandene Geiz hat seine eigenen abstrusen Strategien.

Eine solche Sparsamkeit wird dadurch erleichtert, dass man über das Leben und die finanzielle Situation der Einheimischen wenig weiss und vielleicht wenig wissen will. Der Verdienst der Leute bleibt weit hinter der Preissteigerung zurück. Die Ärmsten verdienen 2000 Pfund (etwa 40 bis 50 Euro), was nicht mehr reicht, um ihre Familie zu ernähren.

Toleranz

Unwissenheit in Bezug auf die Einheimischen geht einher mit Unverständnis und Besserwisserei. Die Unterschiede im Leben und Denken zwischen Ägyptern und Ausländern sind riesengross. Es gibt Dinge, die wir Europäer nur schwer akzeptieren können. Aber als Gäste in diesem Land ziemt es sich, mit der Kritik zurückzuhalten. Es ist anzunehmen, dass die Einheimischen auch nicht alles verstehen und akzeptieren, was ihnen an uns auffällt. Wer miteinander lebt, muss Toleranz üben und sich bemühen, auch das Gute im Verhalten der Anderen zu sehen. Er wird erkennen, dass wir manches von den Ägyptern lernen können. Wer hier lebt, erkennt sehr schnell, wie gross die Anteilnahme untereinander ist. Wenn man sein Gegenüber nicht mit dem Vornamen anspricht, sagt man أخويا „akhûya“ (mein Bruder), عمّي „‚ammî“ (mein Onkel) oder حبيبي „habîbî“ (mein Liebling). Wer krank ist, wird sofort besucht. Wer hungert, wird unterstützt. Wer dringend Geld braucht, bekommt es geliehen, auch von Verwandten und Freunden, die selbst Schulden haben. Die Alten bleiben in ihrer Familie, verrichten kleine Aufgaben und haben die Gewissheit, ein sinnvolles Leben zu führen. Behinderte, Blinde und alte Menschen werden mit einer Zärtlichkeit behandelt, die wir fast als peinlich empfinden. Wenn jemand stirbt, wird vor dem Haus ein Trauerzelt aufgeschlagen, in welchem die Leute drei Tage lang zusammenkommen, kondolieren und schweigend dasitzen, wobei die Nachbarn für das Essen sorgen. Solche Kranken- und Kondolenzbesuche, „wâgib“ (Pflicht) genannt, können mehrmals in der Woche anstehen. Niemand beruft sich darauf, unabkömmlich zu sein. Für andere da zu sein, ist Pflicht, auch weil Einsamkeit das Schlimmste ist, das man sich vorstellen kann. „Wer allein ist, der hustet auch allein.“ Ein anderes Sprichwort sagt: „Sogar ein Frommer würde aus dem Paradies entfliehen, wenn er dort allein bleiben müsste.“ Dieses Bestreben, nicht allein zu sein, führt zu einem beständigen Bemühen um die anderen, in der Familie und der Dorfgemeinschaft.

  „Trauerzug in Ägypten“ Foto ©picture-alliance/Hervé Champollion/akg-image

Was manchem Fremden zu schaffen macht, ist die Religion und die Art, wie sie das Leben bestimmt. „Jetzt fängt der schon wieder an!“ ruft eine Touristin aus, als der Muezzin zum Gebet ruft, wie er es fünfmal am Tag zu tun hat. Eine andere Europäerin vergnügt sich damit, den Gebetruf „Allah akbar“ zu verballhornen, indem sie daraus „Ulla in der Eckbar“ macht. Wer Gast ist in einem Land, sollte den Glauben seiner Gastgeber respektieren, so gross auch seine Vorbehalte sein mögen. Dasselbe verlangen wir ja von den Fremden und Migranten, die bei uns leben. Wir sollten uns hüten, gängige Stereotype ungeprüft zu übernehmen. Einen fanatischen und gewaltbereiten „Moslembruder“ habe ich in den 25 Jahren meines Lebens hier noch nie erblickt. Der Glaube in Oberägypten ist stark geprägt vom Sufismus, der islamischen Mystik, die nicht das Dogma in den Mittelpunkt stellt, sondern die Meditation, das Gebet, den Gesang und die rhythmische Bewegung (9). Dieser Islam schenkt, das ist unverkennbar, den Gläubigen Sicherheit und Zuversicht. Aus den Gesichtern der Alten strahlt eine Gelassenheit, welche keine Angst vor dem Ende verrät.

„Kinder in Assuan“ Foto: ©Hans Mauritz

Wir Fremden sollten dankbar sein dafür, in diesem Land freundlich empfangen und verwöhnt zu werden. Viele Migranten und Flüchtlinge in Europa werden wohl weit weniger wohlgesonnen und tolerant behandelt als wir „Luxus-Migranten“ in Ägypten.

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Quellen

(1) Wikipedia, „Geiz ist geil“. Siehe auch Erzdiozöse Wien „Todsünde: Geiz und Enge“

(2) Heute.at: „Deutsche besonders geizig beim Reisen“

(3) Rosa Luxemburg Stiftung: „Geiz ist geil! Wieso auf einmal?“

(4) Wikipedia: „Almosen“ und „Zakat“

(5) Wikibrief: „Geizig“

(6) Rosa Luxemburg Stiftung, s. (3)

(7) Abdulghafir Sabuni, „Wörterbuch des arabischen Grundwortschatzes. Die 2000 häufigsten Wörter“, Helmut Buske Verlag, Hamburg 1988

(8) Vgl. Hans Mauritz, „Ägypten verstehen – seine Sprache erleben“, p.53 ff. (Kubri Verlag, Zürich 2016)

(9) ders., „Arabische Volksfrömmigkeit. Allahs Namen nennen“ http://s128739886.online.de/volksfroemmigkeit/ hier

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Veröffentlicht am 5. Februar 2024, am 85. Geburtstag des Autors Dr. Hans Mauritz (s.a. hier)

Herzlichen Glückwunsch, lieber Hans, „ad multos annos“ und lieben Dank für Jahrzehnte der Freundschaft, die – wenn ich es recht erinnere – in Langeoog1955 begann („Klingsors letzter Sommer“). Erinnerungsfoto von unserm Wiedersehen im Sommer 2010 in der Toskana:

Das Weltraumgefühl

Nur die goldne Abendsonne?

Ich kannte es lange nicht mehr, außer in meiner Kindheit, auf der Lohe und in Misburg, – späte Spaziergänge -, auf Langeoog, – dann war es nur, um das Meeresleuchten zu sehen, auf Texel, beim Rückweg von „Paal 9“ auf den Parkplatz, wo man im Dunkeln das Auto sucht und plötzlich innehält, Blick nach oben. Der gestirnte Himmel. Wer hat das blöde Lied gesummt, Sonnenuntergang hat nichts damit zu tun. Nein, das kommt nicht vom Alter! (Und was ist das schon: 70 !)

Es war aber „die güldne Sonne“, nur sie gilt!!!

GOLD ! Sterne kollideren !

EWIGKEIT ! Nicht ausgeschlossen !

Es kam also beim Zeitunglesen, ZEIT lesen, Seite 26 die Geschichte vom Gold, also doch wohl Wissenschaft, und erst Tage später, nahe am Kitsch, dachte ich, die Geschichte von Helga Schubert, Seite 45 „In der Ewigkeit“. Die Ewigkeit sei nicht woanders, „ich bin nicht ausgeschlossen, die Sekunden, die ich sterblicher Mensch auf dieser winzigen Erde bin, diesem blauen Planeten, wenn man ihn vom Mond sieht aus kurzer Entfernung, diese Sekunden sind ein Geschenk. Ich darf es annehmen. Und ich gehöre dazu, und die, die ich liebe, gehören auch dazu.“ Auch noch das Gedicht von Friederike Mayröcker zitieren, das endet mit: „O Sirius, o Mandelbaum und Stern: Noch leben alle, die wir lieben.“

Eines Tages, wenn ich dieses wiederlese, ärgere ich mich, dass ich es nicht ganz zitiert habe, alle 8 Zeilen. Oder Näheres darüber, dass das Leben von Helga Schubert (84) gerade in die Kinos gekommen sei…

Aber fest vorgenommen hatte ich mir nur die Geschichte vom Gold, und zwar die Zeilen, deren Summierung mich spürbar ergriffen hat, nein, „ergriffen“ nicht – ? es war nur die Erinnerung an den Parkplatz  bei „Paal 9“. Ganz kurz, aber fast wäre es auch das Weltall persönlich gewesen, wie damals. Und die wirklich vergangene ZEIT, die schwindlig macht, der „WeltRAUM“.

Wie groß jedoch so ein schöpferischer Wumms sein muss, damit das Edelmetall entsteht, davon konnte sich die Wissenschaft lange keine Vorstellung machen. Die Erde, so stellte sich bald heraus, ist für ein solches Ereignis viel zu klein. Alles Gold auf dem Planeten ist außerirdischen Ursprungs. Denn es müssen dazu schon Sterne miteinander kollidieren – Neutronensterne. (…)

Das frühe Universum war, vor fast 14 Milliarden Jahren, noch recht arm an Elementen. Nach dem Urknall gab es zunächst nur Wasserstoff und Helium sowie ein wenig Lithium und Beryllium. Nach wenigen Minuten sanken im expandierenden Universum Temperatur und Dichte, sodass vorerst keine schwereren Atomkerne entstanden. Für die Bildung weiterer Elemente brauchte es kosmische Backstuben, in denen mithilfe von Kernfusionen schweres Material hergestellt werden konnte. Diese Backprozesse gelangen später im Innern von Sonnen. Je größer die Masse eines Sterns, desto protonenreichere und schwerere Elemente konnte er hervorbringen: Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Silizium. Spätestens bei Eisen mit 26 zusammengebackenen Protonen war jedoch Schluss.

Wie also können schwere Elemente wie Gold entstehen? (…)

Neutronensterne – extrem kompakte Überreste ausgebrannter Sonnen. Wenn zwei dieser gigantisch dichten Objekte kollidieren und verschmelzen, tragen ihre Neutronen in rasender Geschwindigkeit dazu bei, dass verschiedene Elemente sich bilden und wieder zerfallen. Das Licht, das bei diesen chemischen Reaktionen erzeugt wird, gelangt bis zur Erde.

2017 konnten Astrophysiker eine solche Kollision zweier Sternenleichen beobachten – sie hatte sich vor 130 Millionen Jahren ereignet (so lange brauchte das Licht, bis es zur Erde gelangte). Das optische Spektakel dauerte eine Woche. Erst sahen die Forscher viel blaues , und nach drei Tagen viel infrarotes Licht. Die exakten Wellenlängen verrieten ihnen, was damals (als auf der Erde noch Dinosaurier lebten) entstanden war: unter anderem Gold in der Größenordnung von 30 Erdmassen plus zehn Erdmassen Uran. (…)

Was sich bei solchen Kollisionen bildet, fliegt danach als Sternenstaub durch das Universum. Ab und zu landet etwas davon auf einem Planeten – etwa Gold auf der Erde. (…)

Quelle DIE ZEIT Nº 5 25. Januar 2024 Seite 26 Als das Gold vom Himmel fiel / Wie das Edelmetall entstand, verstehen Forscher erst heute. Eines wissen sie aber schon länger: Das Weltall spielte eine wichtige Rolle / Von Urs Willmann

vorher:

DIE ZEIT Nº 5 25. Januar 2024 Seite 45 In der Ewigkeit / Wir verlieren uns nicht, egal wo wir sind. Über Trost – und wo er zu finden ist. Eine Betrachtung / Von Helga Schubert

P.S. Was war nun mit dem Lied?

Das gäbe eine lange Geschichte. Ich habe es kennengelernt in meinem 4. Schuljahr, als ich – noch nicht zehnjährig – von der Dorfschule in Lohe bei Bad Oeynhausen zur Melanchthon-Schule in Bielefeld kam: dort wurde als erstes morgens ein gemeinsames Lied gesungen  (Bielefelder Kinderchor! manchmal kam der „alte Oberschelp“, auf der Suche nach glockenhellen Kinderstimmen), aber nur dieses prägte sich mir unauslöschlich ein. Bis ich das Gedicht von Ingeborg Bachmann fand, von ihr gelesen, „An die Sonne“, und wieder dachte ich über die alte Melodie nach, die so kindgerecht Unter- und Aufgang der Sonne nachzeichnet („Mein Haupt und Glieder die lagen darnieder, aber nun steh ich, bin munter und fröhlich“), Text von Paul Gerhardt; wenn man umblättert hat es 12 Strophen. Das andere Lied ist für mich „das falsche“.

richtig!

„falsch“

Übrigens: von der Lohe kannte ich ein anderes frommes Lied, dessen mittlere Sequenz ich schon bald lieber  parodistisch verfälscht sang: „Jesu geh voran / auf der Lebensbahn! / Und ich will mich nicht verweilen, / dir getreulich nachzueilen: / Jesu geh voran / auf der Lebensbahn!“

Walgesänge

Babysprache? / eine Kurz-Recherche

Der Artikel in der Programmzeitschrift Hörzu (19.1.24 Nele-Marie Brüdgam) brachte mich aufs neue drauf, – die Gesänge der Bucklewale, da muss doch noch mehr gefunden worde sein, – seit meiner Erstbeschäftigung mit der berühmten LP ! (Wo ist sie?) Deshalb diese Notiz: hier kommt man weiter!

Die Erinnerung (Youtube gibt Nachhilfe):

also zum Film:

Hinweis auf WDC „Whale and Dolphin Conversation“ Tamara Narganes Homfeldt „Wal & Meer“

ZITAT

Und nicht irgendein Wal, sondern Buckelwal-Weibchen „Twain“ aus Alaska stand für die Wissenschaftler:innen von SETI (= Search for Extraterrestrial Intelligence) Modell für eine nicht-menschliche Intelligenz. Gemeinsam mit Fred Sharpe von der Alaska Whale Foundation, haben die Wissenschaftler:innen mit „Twain“ über einen Unterwasser-Lautsprecher kommuniziert. 

Dazu sendeten sie Kontaktsignale in bestimmten Abständen aus, auf die Twain immer auf dieselbe Art und Weise sowohl physisch als auch akustisch reagierte: Sie näherte sich dem Boot, zeigte aufmerksames Verhalten und entfernte sich wieder. Das Team notierte diese Beobachtungen über einen Zeitraum von 20 Minuten und wertete sie in einer Vorstudie aus.

Damit sei ein bis dato einzigartiger „Unterhaltungsversuch“ mit einem Wal unternommen worden, so die Forscher:innen. Die Ergebnisse sollen dabei helfen, sich auf die Kommunikation mit intelligentem, außerirdischem Leben vorzubereiten.  

Walgesang als Form von Kultur 

Die Gesänge der Buckelwale sind ein hochinteressantes und faszinierendes Beispiel für soziales Lernen und die Weitergabe von kulturellen Eigenheiten, also auch Intelligenz: Lieder werden von einem Individuum zum nächsten weitergegeben. Forscher:innen haben untersucht, wie die Wale diese Gesänge erlernen und verändern. Dazu analysierten sie Liedersequenzen aus über 9.300 Strophen, gesungen von Buckelwalen im Südpazifik. Das Ergebnis: Der Gesang der Buckelwale entwickelt sich stetig weiter und verändert sich im Laufe der Zeit. Dazu ist konstantes Erlernen und Neulernen Voraussetzung.  

Die Gesänge sind aus einem Repertoire sich ständig wiederholender Strophen aufgebaut, die in Kombination ein Lied von durchschnittlich zehn Minuten Dauer ergeben. Interessant ist, dass alle Wale in einer Population dieselben Lieder mit der gleichen Versabfolge singen. Um einen Gesang zu erlernen, hören die Wale einander zu und geben Vers für Vers wieder, was sie von anderen Tieren hören – ähnlich wie der Mensch beim Spracherwerb. 

„In einem Punkt ähneln sich der Weltraum und der Ozean: Wir wissen immer noch viel zu wenig über sie. Die Weltmeere bedecken über 70% unseres Planeten. Dennoch stehen wir in vielen Bereichen noch am Anfang, das geheimnisvolle Leben darin zu entschlüsseln. Dass Wale intelligent, mitfühlend sind und sogar eigene Kulturen pflegen ist hingegen schon lange bekannt. Es ist dringend notwendig, dass wir sie als das anerkennen, was sie sind: Lebewesen mit Rechten und unsere Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel!“, sagt Tamara Narganes-Homfeldt, Meeresbiologin bei WDC.

ZITAT aus https://de.whales.org/2023/12/21/unterhaltung-mit-einem-buckelwal/ HIER

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Nebenthema: Peifsprache bei Menschen (ähnlich auf Gomera)

Repetition Irish Folk

Kennst Du Martin Hayes?

ISBN 9781848272644 TRANSWORLD IRELAND / PENGUIN RANDOM HOUSE UK 2021

Siehe auch 11. April 2018 hier

The Sailor’s Bonnet

4. Juli 2017 hier

Ist es Tommy Potts?

Martin Hayes über Tommy Potts:

3. November 2021 hier

Irish Music 1983 und heute

Und hier folgt der aktuelle Anlass für meine private „Repetition Irish Folk“:

To Fran O’Rourke & Jan (unten: Gruß aus Georgien)

Von alten Zeiten

Die Linien sehen

Einige Notizen zu Dürer und Wölfflin

Antwerpen

Was Wikipedia vermittelt:

Eine Zeichnung ist ein (Ab-)Bild, das ein Motiv (Sujet) in vereinfachender Weise mit Linien und Strichen darstellt. Dies unterscheidet Zeichnungen von der Malerei, welche ein Motiv durch den flächenhaften Einsatz von Farben und Tonwerten darstellt.

Linie

Grundtechnik der Zeichnung ist das Zeichnen einer Linie. Die Konturlinie oder Umrisslinie markiert die Grenzen, den Umriss, eines Gegenstandes und charakteristische Kontraste, wie sie sich zum Schatten ergeben. Ohne jede Schattierung lassen sich so die Grundzüge eines Gegenstandes festhalten, beispielsweise die Umrisse einer Frucht, die sich von ihrem Hintergrund abgrenzt, und Falten, die ja nichts weiter sind als kontraststarke Schatten. Die Binnenlinie zeigt die Struktur eines Gegenstandes innerhalb seiner Kontur. Auch bei nicht-gegenständlicher Darstellung ist die Linie das hervorstechende Merkmal, auch wenn in der modernen Zeichnung die Grenzen nicht immer eindeutig zu ziehen sind.

Die Linie als das spezifische Charakteristikum der Zeichnung hat historische Entwicklungen durchlebt: Obgleich die Linie als individuelles Markenzeichen jedes Zeichners anzusehen ist, gab es in der Renaissance einen allgemein anerkannte Linientyp, die „schöne“ Linie, die rund, schwingend oder kurvig war. Darüber hinaus existierten gerade und starre Linientypen im Bereich des architektonischen Zeichnens. Der volle Linienreichtum entstand mit dem Impressionismus, weil sich die Beziehung zum beschreibenden Gegenstand lockerte. Eine „Befreiung der Linie“ hin zur gegenstandslosen Zeichnung erfolgte erst im 19. Jahrhundert, etwa im Werk von Honoré Daumier. Die bis dahin dominante schön-kurvige Linie wurde nun um bisher als nicht bildwürdig erachtete eckige, sperrige und ruinöse Linientypen ergänzt. Neue Ausdrucksmöglichkeiten der Linie fanden sich überdies im Werk von Paul Klee und der expressiven Zeichnung Pablo Picassos.

Schraffur

Die Schraffur setzt den zeichnerischen Gedanken der Linie in der Fläche fort. Sie wird eingesetzt, um in der Zeichnung räumliche Effekte (Plastizität) und unterschiedliche Tonwerte darzustellen. Dazu werden in gleichmäßigen Abständen dünne Linien in einem Winkel schräg zur Hauptlinie gezogen. In der reinen Zeichnung ist es verpönt, dabei die Linien so eng zu ziehen, dass sie verschmieren – zum Beispiel durch einen schräg gehaltenen Bleistift – weil damit die Grenze zu Malerei als einem flächigen Arbeiten überschritten wird. Man nennt das „schummern“. Mittlerweile ist aber auch dieses flächige Arbeiten mit Graphit und Kohlestiften weit verbreitet.

Weitere Abstufungen in den Tonwerten lassen sich durch eine zweite Schraffur erzeugen, die leicht versetzt über die erste Schraffur gesetzt wird und deren Linien kreuzt. Man spricht deshalb auch von Kreuzschraffur. Mit dem Mittel der Kreuzschraffur lassen sich bei gleichbleibender Linienstärke viele verschiedenen Schattierungen und Tonwerte erzeugen. Besondere Bedeutung hat die Kreuzschraffur beim farbigen Arbeiten, weil durch verschiedenfarbige Schraffuren neue Farben erzeugt werden können.

Quelle Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Zeichnung_(Kunst) hier

Entdeckung im Bücherschrank:

 

Kloster Säben Geschichte Nemesis „Das große Glück“ (diese Landschaft?)

Zunächst wollte ich nur Näheres über die Linie wissen, nachdem ich die interessanten Ausführungen von Heinrich Wölfflin gelesen hatte, dann über Dürer, der mich immer angezogen, aber auch abgestoßen hat. Was ganz sicher an der Fremdartigkeit seiner Lebenswelt lag (ohne dass ich dieses psychologische Thema vertiefen wollte). Nun halte ich es  in Bewegung:

wbg – was ist inzwischen aus der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft geworden? Siehe hier.

Venus als älteste Menschenfigur

Was unterscheidet Mensch und Tier?

Schauen Sie nur, diese ominöse Figur da unten ist zwischen 35.000 und 40.000 Jahre alt. Die gesuchte Grenze aber wird viel früher gezogen. „Spätestens mit dem Australopithecus lassen sich unsere Vorgänger  von den tierischen Vorfahren etwas abgrenzen.“ Etwas! Was ist denn das, was wir als Kriterium benutzen könnten? (Der aufrechte Gang, der uns erlaubt, die Hände frei zu gebrauchen?)

Sicher erschrecken wir, weil wir bei offensichtlichen Nacktdarstellungen gern den Pornoverdacht äußern. Wie bitte? Und das ohne Hand und Fuß, vor allem: ohne Kopf? Durchaus, damals stand zweifellos Wichtigeres im Vordergrund. Zum Beispiel: wie kann ich die Geburt eines neuen Menschen schützen? Schauen Sie mutig der Gefahr ins Auge, hier: Venus vom Hohle Fels und Venus vom Galgenberg. Stichwort: Interpretationen.

In der Paläolithforschung besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass die figürliche jungpaläolithische Kleinkunst ausschließlich mit dem anatomisch modernen Menschen (in Europa auch Cro-Magnon-Mensch genannt) in Verbindung steht. Insgesamt gibt es etwa 600 figürliche Kunstwerke von mindestens 20 Fundstellen aus der Zeit zwischen 40.000 und 30.000 BP, hingegen kein einziges figürliches Kunstwerk aus der Zeit davor. Die mögliche kulturelle Beeinflussung des Neandertalers durch den Cro-Magnon-Mensch beschränkt sich auf wenige, nicht figurale Schmuckobjekte des Châtelperroniens.

Eine 2010 erschienene Erzählung unter Mitwirkung des Grabungsleiters Nicholas Conard zeichnet ein anderes Bild: In dieser Dokufiktion hat eine junge Neandertalerin die „Venus aus dem Eis“ geschnitzt, nachdem sie von einer Cro-Magnon-Gruppe gerettet wurde und sich in kurzer Zeit kulturell assimiliert hat. Eine Rezension in der FAZ wies auf unplausible Aspekte dieses Szenarios hin. Nach Ansicht von Conard könnten Theorien zur Entstehung der Figur aufgrund der vorliegenden Daten jedoch „weder bestätigt noch widerlegt“ werden, da in den Höhlen der Schwäbischen Alb bislang keine zugehörigen Menschenreste gefunden wurden.

Quelle: Wikipedia (Links s.o.)

Gerade dieser zuletzt genannte Forscher Conard, Nicholas Conard, ist es, dessen Name uns hätte alarmieren können, als er in der neuen ZEIT ein Ganz-Seiten-Gespräch der Rubrik WISSEN schmückte. Denn die Antwort auf die Titelfrage glaubten wir doch wohl längst zu wissen… glaubten wir…

So fragt man wohl, ohne wie früher vorschnell zu antworten: der Werkzeuggebrauch macht den Unterschied.

Verachtet mir die Tiere nicht! – Und doch – was wäre es dann, das uns von ihnen unterscheidet?

Ja, und vorher, was war der Schritt vom Tier zum Menschen?

Die Antwort hat mich stutzen lassen, das habe ich noch nie gehört: wirklich menschenähnliche Wesen benutzen nicht nur Werkzeuge (wie u.a. Schimpansen oder auch Krähen), sie benutzen ein Werkzeug, um andere Werkzeuge herzustellen. „Erst dieser Prozess von Arbeitsschritten führt dazu, dass neue Geräte und damit neue Technologien entstehen,“ sagt Conard, und weiter (ganz wichtig!): „Solche Fähigkeiten werden von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Wir Archäologen sprechen von «tool to make a tool»  – das gibt es in sehr ausgeprägter Form beim Menschen.“

Was für ein komplexes Denken gehört dazu, ein Werkzeug etwa zu dem Zweck einzusetzen, eine Flöte nach präzisen Klangvorstellungen herzustellen. (Die Vögel sangen schon!) Das wesentliche Ziel bestünde in ungreifbaren, hörbar übermittelten Gestalten, vergleichbar allenfalls den Umrissen der Höhlenmalerei…

Der entscheidende Punkt:

Primär geht es um sozial tradiertes Verhalten. Von kumulativer Kultur spricht man, wenn Informationen, Kenntnisse oder Fähigkeiten bewusst weitergegeben werden (…)

In den meisten Dingen stecken Erfahrungen und Know-how aus Jahrhunderten, gar Jahrtausenden. Wir nutzen Bücher, Autos, Heckenscheren, Smartphones, weil der Mensch die Fähigkeit besitzt, Informationen über Generationen zu akkumulieren. Unsere individuelle Kompetenz ist winzig, aber wir sind groß in unserem kulturellen Wissen. (…) Darin steckt ein beeindruckender Aufbau über extrem lange Zeiträume. Unsere Kultur ist nicht von heutigen Individuen erfunden worden.

Und dann, fast beiläufig, kommt das Schlüsselwort, das eine ganze Philosophiegeschichte der Menschheit aufruft:

Ein weiteres wichtiges Merkmal der menschlichen Kultur ist die Symbolik. Anzeichen dafür gibt es seit mindestens 100.000 Jahren.

Ich habe den Satz hervorgehoben, weil er mir unendlich viel bedeutet. Ich will das anhand früherer Blogartikel belegen, in denen ich dieser Entdeckung immer wieder nachgegangen bin, – aus Angst, ich könnte diese Einsichten vergessen oder vernachlässigen.

Einübung in die Welt der symbolischen Formen

Symbolische Formen

Und jetzt, mit einem gewissen Abstand:

Vom Kosmos

Zurück zum ZEIT-Gespräch mit Nicholas Conard: was mich begeistert, ist natürlich die Tatsache wie all die verschiedenen historischen Einsichten miteinander zusammenhängen. Obwohl es zunächst scheint, als fixiere ich mich willkürlich auf einige heterogene Themen, um sie „autobiographisch“ zu beschweren. In Wahrheit entdecke ich, dass meine Autobiographie sozusagen am Anfang der Menschheit beginnt.

Und was ich ganz oben schrieb, – über die Bedeutung des weiblichen Torsos, genannt „Venus vom Hohle Fels“ -, war ja bereits geschuldet der ersten Lektüre des Conard-Textes, es erschien mir erst nach der Rückkehr zum Anfang (inzwischen hatte auch Wikipedia eine erhellende Rolle gespielt) als mein eigenes Geistesprodukt, – weit gefehlt, ich verdanke sie natürlich seiner Deutung:

ja!

Nun werde ich auch weitere Stichworte zur frühesten Kunst verlinken, um Stoff für absolut eigene Gedanken zu haben, steinzeitlich verankert:

Zum Beispiel zu den Innenräumen von Chauvet, sowie Vogelherdhöhle, Steinzeit-Flöten aus Schwanen- oder Geierknochen undsoweiter …

Und ganz besonders zu weiteren Teilen des klugen Gesprächs:

Quelle: DIE ZEIT 11.01.2024 Seite 35 „Unterscheidet sich der Mensch wirklich vom Tier, Herr Conard?“ –  Wir benutzen Werkzeuge und zeigen komplexes Sozialverhalten – genauso wie Krähen, Schimpansen und Delfine. Und doch ist der Homo sapiens einzigartig. Der Archäologe Nicholas Conard erforscht, warum.

Ethno-Film

Wie kommt man eigentlich zu solchen Spezialinteressen?

Rekapituliert nach der Lektüre von Eliot Weinbergers Essay in „Kaskaden“ Seite 219 ff und (über Ash und Chagnon) Seite 236 ff „Die Kameramenschen“:

Quelle Eliot Weinberger: Die Kameramenschen (engl. 1995) / in: Kaskaden, Essays, edition Suhrkamp Frankfurt am Main 2003

Beginn dieses Filmes („Moana“)

https://de.wikipedia.org/wiki/Moana_(Film) hier

Yanomani – Yanumamö ?

Towards an Indigenous economics

darin:

„These descriptions are also echoed by Phil Agland in his TV documentaries on the Baka tribe in the rainforest of Cameroon.“ ( Siehe auch oben bei Weinberger, auf gescannter Seite)

The Ax Fight thus operates on several levels. It plunges the viewer into the anthropology of Yanomamö kinship, alliance, and village fission; of violence and conflict resolution. At the same time it raises questions about how anthropologists and filmmakers make sense of and translate their experience into meaningful words and coherent, moving images.

https://store.der.org/the-ax-fight-p180.aspx hier –  –  –  bei Weinberger Seite 237 f

https://www.livinganthropologically.com/yanomami-science-violence-empirical-data-facts/ hier

https://www.polsoz.fu-berlin.de/ethnologie/studium/magister/visuelle_anthropologie/media/Filmarchiv_IfE.pdf hier

Im Zusammenhang mit meinen fernen, ersten Bali-Eindrücken (aus Bielefeld Ende der 50er?) der Murnau-Film TABU

https://www.deutsche-kinemathek.de/de/sammlungen-archive/sammlung-digital/murnaus-tabu hier

Die nachdrücklichsten, späteren Eindrücke von ethnischen Realitäten: anhand der LP von Ivo Strecker „Musik der Hamar“ und einer persönlichen Begegnung mit ihm im Büro WDR Köln.

Text-Beispiele

Im Schallplatten-Cover fand ich noch einige Papiere, die ich damals gesammelt hatte; ich kopiere 2 Seiten, um mich hier daran zu erinnern (es würde sich lohnen, den Artikel später vollständig zu scannen):

Im TV habe ich eines Nachts (vor Jahren, aber unvergessen) „Dukas Dilemma“ gesehen. Intensiv und ethnologisch eindringlich. Leider im Internet nicht auffindbar…

http://www.interview-im-dokumentarfilm.de/filmemacher/ivo_strecker hier

https://www.cinema.de/film/dukas-dilemma,1293533.html hier

http://www.ityopis.org/Issues-Extra-1_files/ityopis-extra-strecker.pdf

Die folgende Arbeit zu studieren, habe ich mir vorgenommen: https://eprints.soas.ac.uk/35510/1/Trojer_2021.pdf – ich stieß darauf bei der Suche nach Ivo Streckers Film, er wurde im Literaturverzeichnis aufgeführt:

Strecker, Ivo. 1988. ‘Filming among the Hamar’. Visual Anthropology 1 (3): 369–78.
https://doi.org/10.1080/08949468.1988.9966494 hier. (nur abstract)

Statt eines Nachwortes (ein Brief, der mich per Facebook erreichte):

„Visuelle Anthropologie“ war in den 1980-90ern ein in der Kölner „Völkerkunde“ hochaktuelles Thema. Kurt Tauchmann hat damals Semester-weise Seminare dazu gehalten und über das IWF zahlreiche Filme als Kopien besorgt: Dziga Vertov, Robert Flaherty, Robert Gardener, Ivo Strecker etc.etc. Alle in voller Länge gesehen.
War eine tolle Zeit, in der ich viel für meine eigenen späteren Video-Projekte habe lernen können.
Nur Tauchmanns zahllose ‚Filterlose‘ (Rothändle, Reval) waren in den Vortragsräumen (!) ‚gewöhnungsbedürftig‘ … so etwas ist heute undenkbar … die Filmseminare leider auch …

 

*    *    *

Was mich persönlich betrifft: Woher kam die Leidenschaft („Interesse“ wäre zu wenig gesagt) für das Ethnische der Südsee? Kindheit! Es war nicht die exotisch-erotische Wirkung, die im Westen überhaupt eine Rolle gespielt haben mag. (Das kam vielleicht später hinzu.) Über das Märchenhafte hinaus, mit einer starken Prise durchaus ethnologischen Stoffes: zunächst – in der Zeit, als ich gerade lesen konnte (Lohe): „Robinson Crusoe“, dann unbedingt: „Mut, Mafatu“: alles daran war wichtig, das Fremdartige, die vergleichbare persönliche Situation (?), das zur Identifikation Einladende, die Einsamkeit, die Umwandlung der Schwächen in Stärken, die Verbundenheit mit den Tieren (Hund und Vogel), die Bewährung in Abenteuern, die Rückkehr nach Hause, die Anerkennung durch den Vater (!).

 

Viele Szenen, ganz besonders aber den Schluss habe ich oft in der Phantasie nachgespielt, war allerdings nicht ganz zufrieden damit, dass all dies weit in der Vergangenheit zurückliegen sollte, und las immer wieder in den „enzyclopädischen“ Anhang hinein, der mich etwas überforderte.

1 gute Tat zum Jahresanfang (Fuge in D)

(Nicht dramatisch, gehört zu den normalen Vorsätzen)

Diese majestätische Fuge in BWV 850 ist nicht so einfach zu „verstehen“, wie es mir bisher schien, – und dann doch wieder sehr einfach.

Die Fuge in D-dur (BWV 850) aus dem ersten Band des Wohltemperierten Klaviers, – die Kroll-Ausgabe, ein anonymes Geschenk 1960 (bereitgelegt in der Berliner Hochschule auf dem Tisch der Garderobe); sie hat sich seitdem bewährt, nur nicht in dieser Fuge, die ich bis dahin aus der Czerny-Ausgabe meines Vaters geübt hatte. Diese neue Version (mit guten Fingersätzen) schien mir insgesamt unantastbar, ich habe sie neu binden lassen und im Laufe der Jahre alle Praeludien und Fugen daraus erarbeitet, gelegentlich auch die Integrität des Notentextes überprüft, – aber hier wollte ich keine Fehler entdecken, – und einfach weiterüben. Die Noten zerfallen allmählich, besonders der erste Teil. Neuer Vorsatz Neujahr 2024: neue Noten, kritische Urtext-Ausgabe mit guten Fingersätzen. Erster Schritt jedoch – Nachbesserung in der seit „Urzeiten“ geübten Fuge in D-dur. Sie ist nicht so einfach wie sie aussieht. Durchführung / Zwischenspiel / Durchführung / Zwischenspiel / „übersteigerte Scheindurchführung“.

Das Praeludium (siehe hier und vor allem hier) ist seit Jahren mein Prüfstein der Fingerfertigkeit, sowohl die rechte Hand allein (Fingersatz!), als auch dieselbe Stimme mit der linken Hand (Fingersatz!), dann auch in Oktaven (langsam). Dagegen erscheint die Fuge wie ein Kinderspiel. – Weit gefehlt. Jetzt erste entdecke ich meine mit Bleistift eingetragene Änderung unten auf der ersten Seite, Verweis auf Czazkes … hatte ich sie für gegenstandslos oder beliebig gehalten? Nein, ich fand es gut, wie hier im Bass die Themenversion des 1. Taktes zitiert (!) wird. „Vor-echo“ des Sopraneinsatzes. Endlich ein Punkt, in dem Czazkes mal nicht recht hat.

Ich gehe noch einmal mit Rotstift an seinen Text, sehe die alarmierende Anmerkung, und selbst die früher nicht geglaubte Analyse der Fuge will mir heute einleuchten, – was für ein Esel ich doch war! (Sogar die schwer lesbare, aber gerade an dieser Stelle gut entzifferbare Kopie des Faksimiles lag mir vor – dank Adlatus Wolfhard Wirtz: Anfang des dritten Systems. Später auch die kleine Taschenpartitur aus Budapest, letzter Takt unten rechts. Ich wollte es nicht sehen! und ließ es ungeprüft.)

Praeludium und Fuge hören:

Die folgenden analytischen Markierungen in der Fuge ( B, S, A = die realen 3 Stimmen Bass, Sopran und Alt, sowie die Durchführungen I,II,III,IV) verdanke ich zum Teil der Lektüre der recht komplizierten Gedankenentwicklung in der Analyse von Ludwig Czazkes, ziehe allerdings Folgerungen, die dort so nicht stehen. Sie entsprechen lediglich den formalen Vorstellungen, die mir beim Spielen hilfreich erscheinen. Z.B. der Hinweis auf die Mitte, der die Bedeutung des oben behandelten Oktavsprunges ins Licht hebt und auch der Sonderstellung der „überlangen“ Durchführung  IV entspricht. (Sie umfasst zugleich eine neue Verarbeitung des Zwischenspiels und eine gesteigerte „Reprise“ des Bassthemas in der Grundtonart.) Darüber wird noch zu reden sein.

Czazkes macht mit fremden Analysen meist kurzen Prozess, und meistens hat er recht:

Nachdem ich eingesehen habe, dass im Bass des Taktes 13 der Oktavsprung ein bemerkenswertes Signal darstellt (Mitte) – auch:  dass hier die Durchführung IV beginnt, obwohl dadurch die Durchführung III „zu“ kurz wirkt – auch: dass das „Vor-Echo“ in Takt 13 dem in Takt 11 entspricht -, erkenne ich auch, dass es nach der Themen-Folge der Durchführung IV (mit Kadenzerweiterung in Takt 16) einer bemerkenswerten Kraftanstrengung bedarf, den mit Hilfe des Zwischenspielmotivs gestalteten Höhepunkt der Fuge (Takt 24 +25) aufzurufen: sie ist markiert durch die Interjektion des Dezimsprungs im Sopran Takt 17, der den Oktavsprung im Bass des Taktes 13 überbietet und: eine Phase himmlischer Ruhe einleitet, indem er zugleich das Zwischenspielmotiv (aus Takt 9) in der Basslage anheben lässt…

Warum der Ausdruck „überlange“ Durchführung IV? So wie das Zwischenspiel, das den Takten 9 und 10 folgte, zu den Durchführungen I und II gehört, so gehört die Wiederkehr in den Takten 17 ff zu dem Gespann der Durchführungen III und IV, gewissermaßen (wie Czazkes andeutet) mit überzähligem Bass-Einsatz in Takt 24. Man kann in diesem Höhepunkt natürlich auch die krönende Coda der Fuge sehen!

Zu beachten der (revolutionäre) Quartaufstieg im Bass: H – E – A – D – G → , Fortsetzung folgt, ich möchte glauben, mir vertraut seit … wieviel Jahren?

Quelle Ludwig Czazkes: Analyse des Wohltemperierten Klaviers, Form und Aufbau der Fuge bei Bach, Wien I: 1956, II: 1956 (unveränderte 2.Auflage Wien 1982)

Universalien in der Musik?

„Auf der Suche nach den Universalien“ (JR 2010)

Quelle Musikforum Januar 2010

Während ich diese Rekapitulation abschließe (am Geburtstag meines Großvaters Heinrich Arnhölter 3.1.1887), bringt die Post das folgende Buch, das beweist, dass ich in der Gegenwart lebe, bestellt von einem, der am 1.4.1966 geboren wurde (nachdem sein eben erwähnter Urgroßvater am 14.1.1966 gestorben war).

mehr zu Navid Kermani hier