Material zum Film
Im SPIEGEL wurde darüber berichtet und in der ZEIT. Lesenswert, den Film habe ich mir vorgemerkt. Und ihn zum Anlass genommen, mir eine Veröffentlichung des Berliner Phonogramm-Archivs aus dem Jahr 2006 wieder vorzunehmen. Zu Theodor Koch-Grünberg siehe auch Wikipedia hier. Siehe auch Wikisource hier.
ZITAT aus dem ZEIT-Artikel von Andreas Busche:
Der Film handelt aber auch in einem unmittelbaren Sinn von einer Bewusstseinserweiterung: Es werden mehr psychedelische Substanzen konsumiert als in den Acid-Filmen des chilenischen Psychomagikers Alejandro Jodorowsky. Gleichzeitig besitzt die Psychedelik Guerras eine politische Dimension. Der Regisseur bezieht sich auf einen Grundlagentext der Kolonialliteratur, Joseph Conrads Herz der Finsternis, sowie dessen berühmteste Adaption Apocalypse Now von Francis Ford Coppola. Auch die Bilder, die Guerra dem kolonialisierten Unbewussten entreißt, bieten guten Stoff für Albträume.
ZITAT aus der Süddeutschen Zeitung vom 21. April 2016 Seite 12 (Martina Knoben):
So einen Film hat es noch nicht gegeben. „Der Schamane und die Schlange“ ist Abenteuerkino, spirituelle Reise, ein fiebriger Traum und Dokument einer vergessenen Kultur. Der alte Schamane hat das Wissen seiner Vorfahren vergessen, erst die Begegnung mit Evan hilft ihm, sich zu erinnern. Dies ist auch das Credo des Films, der die Kultur der Amazonas-Indianer bewahren und davon erzählen will – weil die Indianer es nicht mehr können, weil sie ihr Wissen nur mündlich überliefert haben und viele Stämme ausgerottet wurden.
Angeblich sind die beiden Hauptdarsteller zufrieden mit dem Film. Das grundsätzliche Dilemma einer solchen Reise bleibt bestehen: Auch Ciro Guerras Blick ist ein Blick „von außen“, sein Film will eine Kultur auf eine Weise festhalten, die ihr selbst völlig fremd ist. Der Regisseur ist sich dessen sehr bewusst, das beweisen nicht zuletzt seine Anspielungen und Parodien auf andere Dschungelfilme. Einen Ausweg aber gibt es nicht, Guerra simuliert ein Eingeständnis der Indios: Als Théo vom jungen Karamakate ein Foto* macht, empfindet dieser das Bild als „Chullachaqui“, als eine leere Hülle seiner selbst. Aber er erlaubt Théo, es mitzunehmen.
Theodor Koch-Grünberg s. hier
Zitat Wikipedia zu Koch-Grünberg:
Aus seinen Tagebüchern und Reiseaufzeichnungen Vom Roroima zum Orinoco schöpfte 1927 der brasilianische Autor Mário de Andrade für seinen Roman Macunaíma – Der Held ohne jeden Charakter (Macunaíma: o héroi sem nenhum caráter), eines der Hauptwerke der modernen brasilianischen Literatur. Ebenfalls auf die Aufzeichnungen Koch-Gürnbergs (sic!) über seine Reisen im Amazonasgebiet stützt sich der kolumbianische Film Der Schamane und die Schlange (Originaltitel El abrazo de la serpiente) von RegisseurCiro Guerra, der 2016 für den Oscar in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film nominiert wurde.
Zum Studium eines Werkes: hier „Zwei Jahre bei den Indianern Nordwest-Brasiliens“ (1921)
Zum Studium der dort aufgenommenen Musik:
*Stichwort: Phonographie als Zerstörung des Schamanen-„Zaubers“
Anders war die Situation allerdings bei den Aufzeichnungen der Schamanengesänge (bei Koch-Grünberg: ,Zauberärzte‘). Vor allem der Schamane Katúra blieb misstrauisch und erkundigte sich besorgt, warum der Forscher ,seine Stimme mit sich nehmen wolle‘. Ein Grund hierfür mag darin liegen, dass die Krankenheilung aus indianischer Sicht u.a. Kontaktaufnahme mit der Welt sowohl hilfreicher als auch gefährlicher Geister darstellt, während der der Schamane bzw. seine Seele unter Singen, dem Geräusch des Begleitinstrumentes sowie vor allem über das Trinken von Tabaksaft seinen eigenen Körper verlässt, um in anderen Sphären einen Kampf mit dem Verursacher der Krankheit zu führen, ein Kampf, bei dem es nicht selten um Leben und Tod geht. Nur mit Unterstützung von Häuptling Pitá wie auch dem Versprechen eines großen Messers als Gegenleistung willigte Katúra schließlich in die Tonaufnahmen ein, bestand allerdings darauf, dass diese heimlich vonstatten gingen und anschließend nicht den anderen Dorfbewohnern vorgeführt würden. Mit stark näselnder Stimme sang er sodann in einem verschlossenen, halbdunklen Raum in das Aufnahmegerät, wobei er in der rechten Hand ein Bündel Zweige hielt, mit dem er auf dem Boden den Takt klatschte und in der linken die bei Heilungszeremonien so wichtige Zigarre inhalierte. Als auch diese Aufnahme anschließend in kleinem Kreise – neben Katúra und Koch-Grünberg waren lediglich Häuptling Pitú und der Indianer Pirokaí noch anwesend – vorgespielt wurde, war die Reaktion wie folgt: „Katúra macht ein bestürztes Gesicht, als ihm seine eigene Stimme klar und deutlich entgegen schallt; Pitá schüttelt sich vor Lachen“ (Koch-Grünberg 1917:53, Vgl. auch 1923:119f.).
Quelle CD (s.o.) Bookletbeitrag von Michael Kraus: Theodor Koch-Grünberg: Phonographische Aufnahmen im nördlichen Amazonien. (Seite 21)
(Ergänzungen folgen)