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Raga Hören Üben

Lektionen mit Dr. Jayanthi Kumaresh

Wikipedia über die Künstlerin hier und ihre eigene Website hier

Raga Charukeshi  nach Wikipedia hier . Ich bemühe mich, die Rahmentöne zu lokalisieren, oft summe ich mit oder halte einzelne Töne aus. Vor allem den Grundton Sa mittels eigener Stimme immer präsent halten, nennen wir ihn C. Die Melodie beginnt also mit dem Ton E. Erstes Beispiel ab 1:02 bis 1:56. Die oberen Töne D1 und N2, also As und B, auch wenn sie eine Oktave tiefer – unterhalb des Grundtones Sa – erklingen, so beim zweiten Beispiel, das bei 2:09 auf dem tiefen AS beginnt. Stimmung: fröhlich (Hochzeit z.B.).  Jetzt – gleiche Skala, dieselben Töne, aber traurig oder nachdenklich: drittes Beispiel ab 2:09 bis 3:05. Neue Stimmung, sehr fröhlich: viertes Beispiel ab 3:17 bis 4:12. Wiederum neue Stimmung, romantisch, fünftes Beispiel ab 4:16 bis 5:36. Eine Art Streit beginnt, ein Wortwechsel, sechstes Beispiel, ab 5:50 bis 6:42. Die Eignung verschiedener Töne für verschiedene Färbungen, heiter z.B. GA (G3), „unser“ Ton E, um 6:50, eher traurig auf dem tiefen As (D1), um 9:15. Ein schönes Farbenspiel… Raga bedeutete: das, was den Geist färbt…

Das südindische (karnatische) Melakarta-System, wie ich es in den 60er Jahren bei meinem Lehrer Prof.Dr. Josef Kuckertz im Seminar an der Kölner Universität kennengelernt habe. Quelle J.K.: Form und Melodiebildung der Karnatischen Musik Südindiens / Schriftenreihe des Südasien-Institutes der Universität Heidelberg / Verlag Otto Harrassowitz, Wiesbaden 1969

Siehe Nr. 26 Charukeshi (es ist nur die Skala, ob sie je als solche gesungen wird oder nicht, ein Abstraktum halt…)

Die Systematik hat mich damals fasziniert, weil sie angesichts der Vielfalt der Raga-Skalen eine Übersicht versprach. Heute neige ich dazu, mich auf ausgewählte, individuell behandelte Ragas einzulassen, was Kuckertz damals natürlich auch gemacht hat. Seine peniblen Transkriptionen zeugen davon. Aber die Tabelle führt auf die falsche Spur: als sei dies eine primäre Erfahrung. Diese liegt aber in den einzelnen Raga-Gebilden, und jede verbale Einführung, die ich von indischer Seite erlebt habe, begann mit dem Hinweis, dass ein Raga keine Skala ist. Insofern ist man zweifellos auf dem rechten Weg, wenn man der singenden Instrumentalistin einfach aufmerksam zuhört…

Falls ich – der Reihe nach – alle Lektionen durchgehen will, die schon ohne mich stattgefunden haben: eine Übersicht mit Direktzugang befindet sich hier ! Der folgende Screenshot ist nur ein Vorgeschmack, bitte kurz anklicken…

Dank für den Hinweis und die freundliche Empfehlung des Kurses: Prof. Dr. Manfred Bartmann.

Nebenbei habe ich mir vorgenommen, dieses Buch zu reaktivieren, das ich 2018 mit guten Vorsätzen angeschafft – und vernachlässigt habe (s.a. hier). Zugleich anknüpfend an die Erinnerungen, die seit dem Besuch des T(h)yagaraja-Festivals 1997 in Tiruvayaru lebendig geblieben sind. (Übrigens: es gab im Publikum eine organisierte Gruppe mit Protest, weil Tyagaraja nicht in Tamil, sondern in der Orig.sprache Telugu gesungen wurde. Deshalb Polizeieinsatz!)

  in der offenen Konzerthalle

 

ist es wirklich 25 Jahre her?

sie soll eine große Sängerin werden

andere Kinder haben andere Interessen

über allem die Atmosphäre der Musik

Hochinteressant, was T.M Krishna schreibt über die Bedeutung der Religion für die karnatische Musik Südindiens. Muss man ein gläubiger Hindu sein, um diese Musik zu verstehen oder sogar auszuüben?

Wie würde man bei uns argumentieren, wenn behauptet würde, man könne die Musik Bachs nur verstehen (und interpretieren), wenn man ein gläubiger Christ ist? Oder noch enger: entschiedener Protestant. Man studiere nur das Kapitel vom „Räderwerk des Glaubens“ in dem Buch „Musik für die Himmelsburg“ von John Eliot Gardiner.

Ein anderes Thema: Die Sonderrolle mancher Nagasvara-Ensembles in hinduistischen Tempeln, ausgeführt von Musikern, die – wie ich hier lese – dem Islam angehören. Eine Frage, der ich früher nicht nachgegangen bin, weil es mir in der nordindischen Musik geläufig war: z.B. der Shannai-Virtuose Bismillah Khan, dessen erste WDR-Aufnahme am 29.1.1970 in Neuss irgendwie (finanziell) mit der Reise des Ensembles nach Mekka zusammenhing. Woher kommt der Namenszusatz „Sheik“, z.B. bei Sheik Chinna Moulana? siehe hier oder hier. Naga- oder Nadaswaram Wiki hier.

Ich picke also jetzt eine Stelle heraus, die insgesamt vielleicht nur ein nebensächliches Detail des Buches ausmacht:

Und dann kommt eine Bemerkung, die ich in Nordindien mehrfach gehört habe: dass Musiker mit offensichtlich muslimischen Namen zuhaus durchaus ihre hinduistischen Götterfiguren stehen haben  und keineswegs als Zierrat.

im Kapitel „The Shrine and the Song“ S. 294-313

Noch etwas erstaunte mich (da Kollege Manfred Bartmann letztlich den Zusammenhang zwischen indischem Tanz und der Musik besonders hervorhob: Rasa in Mimik und Ornament), wie sorgfältig T.M.Krishna die Rolle der Musik im Bharatanatyam und auf der Konzertbühne voneinander unterscheidet. Aus der Sicht des Publikums. Als ein entscheidendes (unterscheidendes) Merkmal: die Cymbeln… als sei es so, dass sich die Einstellung der Ohren beim Klang der Cymbeln komplett verändert. (Seite 218)

Cum grano salis.

Im Taxi nach Thanjavur (wie das Korn auf der asphaltierten Straße gedroschen wird):

Alle Fotos: E.Reichow

Kritisches Nachwort zu diesem Artikel

Ich habe mich jetzt vom 1. bis 5. Februar aufs Neue mit all diesen Fragen beschäftigt, auch solchen, die sich aus einem Artikel von Manfred Bartmann ergaben, z.B. dem Dualismus, der sich aus der inneren Struktur des Ragas Charukesi ergibt, dem Dualismus, den man in die Existenz der zwei Gesichter indischer Musik oder auch einzelner Ragas analysieren könnte, je nachdem, ob man Musik aus Nordindien oder aus Südindien vor sich hat, also Hindustani oder Karnatika, oder noch weit darüber hinaus, was Josef Kuckertz in seiner ersten großen Arbeit zum Ziel hatte: „Form und Melodiebildung der karnatischen Musik Südindiens im Umkreis der vorderorientalischen und der nordindischen Kunstmusik“ (1970). Das Wort „Dualismus“ habe ich nach typisch westlicher Obsession als krass vereinfachendes Klischee verwendet. Ich erinnere mich an ein Zugabestück von Amjad Ali Khan, dessen Raga er auf das geteilte Deutschland und die „Wiedervereinigung“ bezog, ein Konzert um 1980 herum, „A Tribute to Germany“ (im Moment kann ich nicht den Raga benennen, habe auch die „Chanda-Dhara“ CD bei mir noch nicht wiedergefunden, das Stück aber als Nr. 15 der „Glimpses of Great Masters“ entdeckt: hier. Übrigens waren Ragas mit einer solchen tonalen Innenspannung immer wieder Thema meiner Radiosendungen, z.B. mit Hariprasad Chaurasia, Purbayan Chatterjee oder Dhruba Ghosh, z.B. über die Ragas Lalit oder Marva, in denen sogar unter Vermeidung des Grundtones ein tonal „fremdes“ Feld aufgebaut wird. Man sehe z.B. auch aus dem Programmheft „Das Schilfrohr tönt“ die dort wiedergegebene Seite über den Raga Dipak, – die  den Anschein erweckt, als könne man mit seinen einzelnen Tönen ein musikalisches Programm, ein Drama der Emotionen, realisieren. Das klingt verdächtig nach Magie, und dieses Wort hat für mich innerhalb der Musik, so „magisch“ sie auf uns wirken mag, nur den fragwürdigen Wert einer Metapher.

Um es kurz zu machen: auch die Empfehlung der umfangreichen Sammlung der Raga-Darstellungen von Dr. Jayanthi Kumaresh soll nicht bedeuten, dass sich daraus ein wirklicher Lehrgang ergibt, – dafür müsste man bereits die indischen Begriffe (Notennamen) verinnerlicht haben, so dass man auf Anhieb versteht, welche Töne und Wendungen die Künstlerin meint. Und bereit sein, sich auf die ganze (verwirrende) Vielzahl der Ragas einzulassen. Gleichwohl kann man vieles aus ihren Klangbeispielen heraushören. Aber ob man ohne spezielle Vorbildung damit klar kommt, wage ich zu bezweifeln. Das gleiche gilt für die wissenschaftliche Arbeit, mit der ich mich in diesen Tagen beschäftigt habe: WORLDS FALLING APART — THE BOWED STRING INSTRUMENT ESRAJ AMID A DEMOLITION SCENE / Authors:
Pamalka Manjitha Karunanayake and Manfred Bartmann (2021).

So I went to see Ashok [das ist der Sitar-Lehrer] in Mannheim with Kaushiki [Sängerin des Ragas Charukeshi s.u.] still singing in my head. In my mind, she never stopped singing that song for me. Ashok didn’t yet know about these unspoken preferences of mine. Nevertheless, he didn’t hesitate to introduce the raga ‘charukeshi’ to me. I may never know whether this was magic, or coincidence. However, I can report that this raga has changed my musical journey. And, as a result, it has changed my life. All in all, I had it coming!

Magie oder Zufall? Ich würde immer sagen: gelenkter Zufall, auch: sinngebend beobachteter Zufall.

Aber wir sollten die betreffende Aufnahme der Sängerin Kaushiki Chakrabarty ebenso tief auf uns wirken lassen, vielleicht wirkt der Zauber auch auf uns. Ich könnte es gut verstehen (s.a. hier).

Es könnte sein, dass wir uns danach sehnen, auch die sorgfältige Einführung in das melodische Geheimnis dieses Ragas zu erleben, denn im Video fehlt die Wiedergabe des „Alaaps“ der die Eigenart des Ragas Ton für Ton entwickelt. (In der folgenden, vollständigen Aufnahme entsteht die Frage, ob es sich wirklich um dasselbe Konzert handelt, man muss sehr genau hinhören… Was macht der Harmoniumspieler – ganz genau! – beim Übergang vom Alaap zum Lied? bei 3:05.)