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Frauen Bauhaus Philosophie

Film und Info (Es eilt!)

Vor allem wegen der Abrufbarkeit dieses Films „Lotte am Bauhaus“ bis 30. November, also bis kommenden Samstag.

Direkt zu erreichen über den Link HIER !

Fangen Sie einfach an, ihn zu sehen. Sie werden dranbleiben…

Für die informative Zugabe „Bauhausfrauen“ bleibt mehr Zeit:

 .     .     .     .

Der Weg dorthin verläuft hier !

Mein Weg die Treppe hinab in den Übekeller:

Kein Zufallsweg in die Bahnhofsbuchhandlung Solingen:

 . . . mein Zugriff erfolgte dank dreier Namen:

Hannah Arendt und – an erster Stelle – Hypatia, die mir vor kurzem zum ersten Mal in meinem Leben begegnet ist: hier: Skandal des Missbrauchs ihrer Biographie.

Und der dritte Name?

 Köln, am 24. Mai 1964

Ein Buch, das mich damals in meinen Grundfesten (!) erschütterte. (Das wirkt heute weiter bei der Lektüre von Anna Gien.)  Die handschriftliche Anmerkung Watts auf der linken Seite bezog sich auf „meine“ Philosophie jener Tage: Alan Watts: Natur – Mann und Frau  (seit Weihnachten 1962). Das Jahr 1966 brachte einen anderen Wendepunkt, basierend auf einer meiner glücklichsten Nicht-Entscheidungen. Etwas mehr Bauhaus hätte mir gutgetan. Schon die folgende Buchseite hätte mich auf den Weg des Widerspruchs bringen können: das ganze Gerede von Entspannung – ohne jede Ergänzung durch die Seite der Spannung, des Konflikts. 

   Alan Watts, DuMont Köln 1962

Und damit bin ich zugleich in den vorigen Beitrag („Ich stelle mir vor…„) zurückgeswitched, ich meine dort: „Das Innere Hören“. Später habe ich mich über Joachim E. Berendt lustig gemacht, der ebenfalls die ganz große Vergeistigung zu betreiben vorgab und vergaß, was alle Jazzer von ihm wussten. Er war aus einem tiefer gelegenen Zentrum gesteuert und konnte keine Noten. (Das ist erlaubt, aber dann muss man nicht gerade über die größten musikalischen Schriftwerke des Abendlandes daherlabern.)

„Damit das Wort ‚Klang‘ in diesem Zusammenhang vollends klar wird, muss realisiert werden: ‚Klang‘ existiert für das wissenschaftliche Denken durchaus auch als Abstraktum. So empfinden ihn auch die Musiker: Bevor sie ihn spielen, lesen sie ihn in der Partitur. Schon dort ist er Klang. Oder sie hören ihn klingen in ihrem Inneren. Erst dann ’speisen‘ sie ihn ein in ihr Instrument. In genau diesem Sinn ’speist‘ das Universum ständig Klänge in jedes einzelne seiner ‚Instrumente‘ – vom Atom, und vom Gen bis zum Planeten und Pulsar.“ (JEB)

Diesen Rollenwechsel des Klanges, des in der Partitur gelesenen, sollten wir nachklingen lassen: „Schon dort ist er Klang. Oder sie hören ihn klingen in ihrem Inneren.“ Oder so ähnlich.

Lieber Professor h.c.! Für einen Musiker liegen zwischen diesen Nadas ganze Brahmas. Ich kann ein wenig Partitur lesen, und das heißt: Ich stelle mir den Klang vor. Wenn mir aber jemand erklärt, das s e i bereits der Klang, verzeihen Sie, so möchte ich ihm all meine abgenutzten Lieblingsschallplatten um die Ohren knallen oder ihn zu einem gemalten Mittagessen ins Museum einladen.

Das ist auch schon wieder lange her, 1989, siehe hier. Dem Philosophen Sloterdijk habe ich seinen Pakt mit dem Altmeister der musikalischen Ungenauigkeit nie ganz verzeihen können. Der aber starb leider schon im Jahre 2000, als er in Hamburg die rote Fußgängerampel ignorierte und von einem Auto erfasst wurde. Er war auf dem Weg zu einer Vorstellung seines Buches Es gibt keinen Weg. Nur gehen. Sieben Jahre vorher hatte ich mich zum letzten Mal über ein neues Werk von ihm geärgert, das einzige, das ich nach Nada Brahma noch gelesen habe: Hinübergehen – Das Wunder des Spätwerks. Mozart und Bach spielten darin eine tragende und von musikwissenschaftlicher Fehldeutung getragene Rolle.

Es ist ein Trauerspiel, aber man muss einfach irgendwann damit abschließen, sonst funktioniert es nur noch als Komödie. Nächstes Jahr werden vielleicht Gedenksendungen fällig….

P.S.

Der Indienkenner Peter Pannke machte mich inzwischen auf seine Erfahrungen mit dem listenreichen Indienverwerter aufmerksam, festgehalten in dem Buch „Sänger müssen zweimal sterben / Eine Reise ins unerhörte Indien“ Piper Verlag München 2006. Ich zitiere:

Februar 1981, New Delhi

„Ich müßte mehr über „Nada Brahma“ wissen,“ begann der Brief, den Joachim Ernst Berendt mir im Februar 1981 nach Delhi schrieb. „Es ist ja ein Grundwort indischer Spiritualität, aber woher stammt es?“ fragte er nach. Ich kannte Berendt, seit ich 1974 – gerade aus Indien zurückgekehrt – bei den Plattenaufnahmen für „Hesse Between Music“ Sarangi und Tanpura gespielt hatte. Er war der Produzent. Ich empfahl ihm die Lektüre des „Ozeans der Musik“, dessen englische Übersetzung, besorgt von Premlata Sharma, 1978 erschienen war.

Fünf Jahre später bekam ich wieder Post von Joachim Ernst Berendt. Mittlerweile war „Nada Brahma – Die Welt ist Klang“ erschienen. Sein Buch sei nicht von Indien aus, sondern vom Westen aus geschrieben, teilte er mir mit. „Ich habe es bewußt freigehalten von allem, was die Leser doch nur als Fachinformation empfinden, und was auf ihren Bauch keinen Einfluß hat.“

Virtualität

Innere und ausgelagerte Gedanken

Die Musik läuft wie keine andere „Gedankenkunst“ (um es in aller Vorsicht einmal so zu benennen) Gefahr, missdeutet und ihres Realitätsgehaltes beraubt zu werden. Man hört oder sieht es ihr nicht ohne weiteres an, dass sie mit mimetischen Vorstellungen arbeitet und auch körperlich verstanden werden muss. Der Anfang der Musik könnte heißen: aghat – „schlagen“, „verwunden“.

Die schöne indische Lehre von der Herkunft der Musik aus einer Welt der Stille, dargestellt von Vidya Rao (Music today, New Delhi 1992), von mir in vielen WDR-Sendungen zitiert:

Nadbrahma Music Appreciation Vol.1

Im Jahre 1989 hatte ich mich mit den esoterischen Theorien des Joachim E. Berendt auseinandergesetzt, die sich damals einer merkwürdigen Popularität erfreuten. Selbst ein Philosoph wie Peter Sloterdijk hat sich vor den Karren spannen lassen und seltsam verschlungene Worte der Anerkennung gefunden, was mit seinen eigenen Indienerfahrungen und -missverständnissen zusammenhängen mochte (vgl. „Kopernikanische Mobilmachung und ptolemäische Abrüstung“1987). Für mich war die Nada-Brahma-Formel für immer unbrauchbar geworden, ich sah die Klarheit und Größe der indischen Musik, der meine jahrelange Arbeit gegolten hatte, in ein gefühliges Ungefähr verzerrt. Die ganze Polemik findet man hier, Berendt sah sich zu ausführlichen privaten Stellungnahmen genötigt, für mich war die Angelegenheit mit deren Veröffentlichung erledigt. Und die heutigen Performance-Inszenierungen klassischer Musik, die von ferne an esoterische Musikaufführungen von einst – etwa in der Balwer Höhle – erinnern mögen, haben ein ganz anderes Niveau (Levit, Grimaud).

„Damit das Wort ‚Klang‘ in diesem Zusammenhang vollends klar wird, muss realisiert werden: ‚Klang‘ existiert für das wissenschaftliche Denken durchaus auch als Abstraktum. So empfinden ihn auch die Musiker: Bevor sie ihn spielen, lesen sie ihn in der Partitur. Schon dort ist er Klang. Oder sie hören ihn klingen in ihrem Inneren. Erst dann ’speisen‘ sie ihn ein in ihr Instrument. In genau diesem Sinn ’speist‘ das Universum ständig Klänge in jedes einzelne seiner ‚Instrumente‘ – vom Atom, und vom Gen bis zum Planeten und Pulsar.“ (Joachim E. Berendt)

Diesen Rollenwechsel des Klanges, des in der Partitur gelesenen, sollten wir nachklingen lassen: „Schon dort ist er Klang. Oder sie hören ihn klingen in ihrem Inneren.“ Oder so ähnlich.

Lieber Professor h.c.! Für einen Musiker liegen zwischen diesen Nadas ganze Brahmas. Ich kann ein wenig Partitur lesen, und das heißt: Ich stelle mir den Klang vor. Wenn mir aber jemand erklärt, das s e i  bereits der Klang, verzeihen Sie, so möchte ich ihm all meine abgenutzten Lieblingsschallplatten um die Ohren knallen oder ihn zu einem gemalten Mittagessen ins Museum einladen.

Dieses Insistieren auf dem realen Klang hat ihn offenbar am meisten irritiert, auch wenn er das „Um-die Ohren-Knallen“ wohl als verbale Aggression empfunden hat, während ich es natürlich nur gedanklich-metaphorisch gemeint hatte. Wie denn sonst??? – Andererseits würde ich gern weiterhin über die Natur des Klangs in unserer Vorstellung nachdenken. Denn in der Tat kann das innere Hören mit erstaunlicher Intensität erfahren werden. Das gilt aber in gleicher Weise für viele andere Vorstellungen, die wir keinesfalls mit den realen Vorgängen gleichsetzen.

Damals hätte ich ein nützliches Büchlein zitieren können, das dem ganz pragmatischen Umgang mit notierter „Opusmusik“ gilt: Partiturlesen / Ein Schlüssel zum Erlebnis Musik / Von Michael Dickreiter (Goldmann Schott 1983). Es beginnt (Seite 7) folgendermaßen:

Sind Noten eigentlich Musik? Ist eine Partitur – die übersichtliche Zusammenstellung aller Orchesterstimmen, auch der Solo- und Chorstimmen einer Komposition – nur die Summe vielfältiger Anweisungen, was jeder Musiker zu spielen hat, oder ist die Partitur selbst schon Musik? Fest steht immerhin, daß die meisten Komponisten ihre Werke schreiben, ohne ein Musikinstrument zu Hilfe zu nehmen, daß Musiker, aber auch viele geübte Laien, sich durchaus vorstellen können, wie eine Komposition klingen wird, auch wenn sie die Partitur nur lesen. In ihrem Bewußtsein entsteht dabei nämlich ein Klangbild, das freilich akustisch nicht vorhanden ist. Ist diese Vorstellung Musik? Auch wenn Musik erklingt, erleben wir sie ja nicht als Schwankungen des Luftdrucks, sondern wir erleben sie bewußt sozusagen nach einer „gehirngerechten“ Umwandlung der physikalischen Schwingungen durch das Gehör. So werden gelesene und gehörte Noten erst im Bewußtsein des Menschen zu Musik, Partiturlesen ist wohl auch eine Form des Musikerlebens.

Also doch?

Natürlich. Wie eben schon gesagt. Niemand bezweifelt die Kraft des Gedankens, der Idee, der (bloßen) Vorstellung, des scheinbar realen Bildes im Kopf. Ich erinnere mich genau, wie ich bemerkte, dass es eine von mir quasi losgelöste Existenzform annahm, lange bevor ich in die Schule kam. Lange? Vermutlich zwischen meinem fünften und sechsten Lebensjahr.

Vorausgegangen waren nächtliche Angstträume, die wohl mit körperlichen Zuständen zu tun gehabt haben, Mangelernährung in den letzten Kriegsjahren, kombiniert mit Bildern und psychologischen Machtmodellen (Phantasien von Herrschaft und Unterwerfung), die aus Grimms Märchen und ähnlichem Vorlesestoff (Tiergeschichten!) stammten. Eines Tages kam etwas Neues hinzu: Ich wollte gar nicht warten, bis ich abends im Bett lag, sondern legte mich am hellichten Tag aufs Sofa und schloss die Augen, um meine eigenen Geschichten zu sehen (ich habe sie noch nicht Film genannt, weil ich noch keine Filme kannte, nur Hörspiele). Dass meine Großmutter in Schrecken geraten würde, hatte ich geahnt.

(Fortsetzung folgt)

Die Zitate hier einbeziehen und fortsetzen (S.K.Langer)
E.M.R.-Aufsatz s.u.
Julian Jaynes‘ Idee

ZITAT E.M.R. (26.02.16):

Cathrin Kahlweit schreibt, die Virtualität des Netzes ersetze eigene Aktivitäten und die eigene Identität. Je nachdem, auf welche Weise man das Internet nutzt, behält sie Recht. Wer seinen fiktiven Rollenspielcharakter stundenlang durch eine virtuelle Welt spazieren lässt, kann sich schnell in dieser Fiktion verlieren und das im Virtuellen erlebte als wirkliche eigene Erfahrungen wahrnehmen. Oft genug hört man zufällig in der Öffentlichkeit Gespräche mit, in denen es darum geht, wer wie viele Personen mit welchen Waffen umgelegt habe, und erst im Laufe des Gesprächs wird dem unfreiwilligen Zuhörer klar, dass mit „Ich“ eine aus Pixeln zusammengesetzte Figur, die mit Tastenkombinationen über den Bildschirm gesteuert wird, gemeint ist.

Trotzdem gibt es durchaus Möglichkeiten, sich im Internet selbst zu verwirklichen. Im Internet kann ich eine Fotografin sein, ich kann zur Aktivistin werden, indem ich per Mausklick Petitionen für Greenpeace oder Amnesty International unterschreibe, ich kann zur Autorin, Musikerin oder Komikerin werden oder zu allem gleichzeitig. Wenn ich die Anerkennung für meine Werke bekomme, fühlt sich das alles real an. Trotzdem erweist es sich als kompliziert, die realen Dinge von den weniger realen zu unterscheiden, wenn alles im Internet stattfindet.

Durch das Internet wird einerseits alles öffentlich gemacht, andererseits herrscht aber auch eine gewisse Anonymität. Selten kann man mit Sicherheit sagen, dass das virtuelle Gegenüber wirklich der ist, der er vorgibt zu sein. Umgekehrt kann er dies auch nicht beurteilen. Fragwürdig ist auch, ob man selbst weiß, wen man online darstellt. Mit der Zeit kann sich ein Verlangen danach entwickeln, nur seine besten Seiten preiszugeben – oder aber einige bessere Seiten hinzuzufügen, so dass der Bildschirm eine Art Fassade zur Außenwelt ist.

Quelle Schulaufsatz Stuttgart 26.02.16 Eos (17 Jahre)