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Osterlachen – mit Vorsatz

Ich habe nicht geahnt, wie zweifelhaft dieses Vergnügen ist, von dem ich kaum etwas wusste, und wie verdächtig es den ernsten Christen war. Warum hat sich noch kein „Comedian“ dessen angenommen? Ich vermute, weil vorsätzliches Lachen immer nur albern bleibt, egal wie witzig der vorausgehende Text war. Man kann es nicht glorifizieren, nur ignorieren. Im Grunde lasse ich – als ernster Mensch – nur ein Lachen gelten, das hervorplatzt, wie eine Naturgewalt, ja, vulkanisch, und das immer aufs neue ansetzt, ununterdrückbar. Andererseits: Das schlimmste Lachen, das ich je erlebt habe, war das eines Cellisten, das wie ein epileptischer Anfall nicht enden wollte, auch nicht nach Beginn des Konzertes; kaum hatte er zu spielen begonnen, musste der Arme nur einen der Mittäter mit dem Blick zu streifen, schon brach es wieder los. Schließlich musste er vorübergehend das Podium verlassen. Ich weiß nicht, wie er sich abgedämpft hat. Unglücklicherweise habe ich auch den Anlass des Lachanfalls vergessen.

Was wollte ich sagen? Ostern – in heidnischem Sinn, aber durchaus gebändigt – bedeutet für mich Initialzündung, Neuanfang, und dafür ist es nie zu spät. Auch wenn man nicht gefastet hat, wie viele Menschen, die letztlich doch jederzeit im Jahr beginnen oder aufhören könnten, abnehmen zu wollen. Ich las DIE ZEIT vom 23. März, wohlahnend, was auf mich zukam: ausgerechnet die Rubrik WISSEN hat als Riesen-Thema: Der Traum vom ewigen Leben. Genau genommen nur 2 Seiten lang, dann folgt schon die Seegurke. Aber ich habe das Osterlachen gesucht und gefunden, jeweils am Ende der Predigt. Einmal halblustig und dann fast unstillbar.

Seite 29 Wir Genesungs-Gläubigen / Längst hat sich eine säkulare Alternative zur Auferstehung etabliert. Und natürlich erhoffen wir uns zu viel davon. Von Gero von Randow. [Fazit:]

… Der Mensch ist das Tier, das von seiner Endlichkeit weiß und gegen sie rebelliert, im religiösen Glauben an die Auferstehung oder im irdischen an die Genesung. Das ist jetzt kein besonders österlicher Gedanke, aber er muss uns nicht die Laune vermiesen. Die Ostereier bleiben uns trotzdem. Jedes einzelne.

Na, geht so.

Seite 30 Ewig leben! Oder lieber nicht? / Über die Sehnsucht der Menschen nach Unsterblichkeit. Und warum wir sie fürchten sollten. Von Evelyn Finger. [Fazit:]

… Wir lernen: der Tod ist zu fürchten, aber die Unsterblichkeit noch mehr. Was hilft? Die Endlichkeit bejahen. An Auferstehung glauben. Oder dem ungewissen Danach mit Humor begegnen, wie es der bekennende Atheist Woody Allen tut: „Was mich an der Unsterblichkeit am meisten erschreckt? Ich habe gar nicht so viel Unterwäsche!“

Nun zu meinen Plänen. Sie gelten für die nächsten 10 Jahre, vorerst nicht länger. Genau im Sinne des Prinzips: Die Endlichkeit bejahen. Andererseits nicht ohne Tricks, denn es gilt unbedingt zu vermeiden, sich in der ersten Hälfte hängen zu lassen, um dann irgendwann alles Wesentliche vom Endspurt zu erwarten. Man weiß, wie Langstreckenläufer im Training daran feilen, das rechte Timing zu lernen, also die gegebene Strecke mit angestrebten Zeiteinheiten zu koordinieren. Ich bin in der glücklichen Lage, ein musikalisches Zeitraster längst vor mir ausgebreitet zu sehen, zweimal 24 Einheiten, teilweise schon in den 80er Jahren erarbeitet, als es auf Johann Sebastian Bachs 300 Geburtstag zuging, der Rest des Jahres 2016 sollte dafür ausreichen. „Das Wohltemperierte Clavier“, alle Arbeitsmittel liegen bereit, auch die analytischen*. Nun mein erster Trick: ich beginne mit Teil II, weil Teil I aus unerfindlichen Gründen schon seit frühester Studienzeit bevorzugt wurde; jedoch gehe ich keinesfalls rückwärts, was ja auch denkbar wäre, mit Blick auf den Ostersonntag jedoch soll C-dur am Anfang stehen, wobei ich die Fuge – zugegeben: etwas willkürlich – als Osterlachen deute. Hinter den maltraitierten Übe-Noten (Kroll-Ausgabe, die 1960 in der Garderobe der Berliner Hochschule gratis zu haben war, – wer weiß welcher Nebenfächler sich davon getrennt haben mochte), also dahinter steht die mächtige Faksimile-Ausgabe, die mir Eberhard Emmert 1990 geschenkt hat. Eine private Renaissance also, eine Wiedergeburt auf anderer Ebene. Die „heilige“ Solosonate C-dur für Violine könnte dazu passen.

Aber noch wichtiger ist mir ein ideeller Neuansatz oder einstweilen: die Rekapitulation eines anderen Themas „Was ist Melodie?“ – unter Verzicht auf andere Parameter (Harmonie, Metrik), beim Punkt Zéro, oder jedenfalls so, dass ich arabische oder indische Melodik anschließen kann, – ohne dass jemand die Stimme erheben kann mit der Warnung: Vorsicht – anderer Kulturkreis! Es ist doch derselbe Erdkreis und es gibt Verbindungslinien allüberall und auch die Konklusion, dass sie fehlen, wäre keine Katastrophe, sondern ein Durchblick. Ich beginne mit Victor Zuckerkandl und der Choralmelodie „Seid froh dieweil“ (er behandelt sie als „Allelujah“).

Und während ich dies schreibe, scheint die immer noch glänzende Abendsonne seitlich in mein Arbeitszimmer, die Schwarzdrossel singt auf dem First des Nachbarhauses kraftvoll ihre März-2016-Motive und ahnt nicht, dass ich es ebenfalls als Aufgabe betrachte, jedes einzelne in mein Gedächtnis einzugravieren, als sei es von Bach.

Bach WTC II,1 Detail

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Der Ostermorgen (es regnet) beginnt mit den Bach-Motetten (RIAS-Kammerchor!), Größeres gibt es nicht. Unterschied zwischen Ergebnis und Motiv (sie aufzulegen): „Singet dem Herrn ein neues Lied“ C-dur vgl. mit dem Praeludium Nr. 1, Ergebnis: wieder tut sich im Nacheinander der Motetten eine neue Welt auf. Die Fäden der Choräle innerhalb des Gewebes. Die Wiederholung einzelner Satzteile. Die Auflösung, dass dabei der Sinn der Worte sich anreichert, intensiviert. „Fürchte dich nicht!“

Unglaublich. (Wie schade, dass die Generation der Enkel daran nicht mehr teilnehmen kann.)

Ich nehme als Grundlage – neben dem C-dur-Klang – eine melodische Formel, die nicht auf C ruht und als Alternative betrachtet werden kann. Um sie nicht isoliert in der Welt stehen zu lassen, vergleiche man sie – abstrahierend von der begleitenden Geschichte – mit „meiner“ arabischen Formel HIER.

Formel D-E-F kurz

Es schadet nicht, sie im Blick auf eine spätere Erweiterung wahrzunehmen. Und sogar die Möglichkeit einer Nummerierung der Töne ins Auge zu fassen:

Formel D-E-F num

Dies sei unser Rüstzeug. Und wem das zu freudlos erscheint – am Tage des Osterlachens – , der sei auf den mitgedachten Text des Bachschen Weihnachtsoratoriums (Nr. 35) verwiesen:

„Seid froh dieweil!“

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P.S.

(An dieser Stelle sollen noch einige der analytischen Arbeitsmittel aufgeführt werden.)

Hier nur fürs erste die (für Ka Gy) transponierte und noch nicht ins Reine geschriebenen Fassung des Bach-Chorals:

Choral auf D Seid froh

Man muss sie – im Namen V. Zuckerkandls – ganz ihrer wundersamen harmonischen Logik entkleiden, ehe man das melodische Wesen der Tonfolge reflektieren kann.