Soweit ich denken kann…
Es hat mich begeistert, als wir in der Grundschule – „viel zu früh“, sagte mein Vater – den Neandertaler durchnahmen. Aber schon begann ich heimlich seinen Bücherschrank zu durchforsten, bis ich ein Werk über Frühgeschichte fand. Und an den Hängen des Teutoburger Waldes suchte ich fortan nach Faustkeilen. Bei meinem Onkel „Am Alten Saupark“ in Misburg hatte ich in den Ferien schon ein Buch von Bruno Bürgel über den Kosmos entdeckt und mit Feuereifer durchgeblättert. Spät abends betrachteten wir den Sternenhimmel, und ich schwadronierte wie ein Kenner. Das sollten ja nun auch meine Rahmenbedingungen sein! Und eines Tages lag ein Buch im Schaufenster bei Velhagen & Klasing, das mich extrem faszinierte, weil es Allumfassendes versprach: „Weltall und Urwelt“. Ich bekam es nie, aber das Titelbild grub sich in mein Gedächtnis; jetzt habe ich es im Internet wiedergefunden. Es kostet fast nichts, nur der Zeitpunkt ist falsch. Und das Wort „kurzweilig“ ist mir damals nicht aufgefallen, es hätte mich empfindlich gestört. Mir war es durchaus ernst! Und die wirklichen Rahmenbedingungen sehe ich heute bei Kant (siehe hier).
EDITORIAL zu NATUR 1/18 von Sebastian Jutzi
Seit Homo sapiens gen Himmel blickt, haben sich zumindest einige Vertreter seiner Art schon immer gefragt, was da oben sein mag. Mangels technischer Möglichkeiten musste die Antwort auf diese Frage zunächst ein Mysterium bleiben. Also bevölkerte der Mensch den gewaltigen Raum, den er da sah, mit allerlei Wesen wie Göttern und Dämonen. Das hat sich in den vergangenen Jahrhunderten grundlegend geändert. Mit immer leistungsfähigerer Technik erkunden Forscher den Weltraum und entreißen ihm zusehends seine Geheimnisse. Noch sind nicht alle Rätsel gelöst. Das größte: Gibt es Leben außerhalb der Erde? Wenn das Universum tatsächlich etwa eine Billion Galaxien beherbergt, wie Forscher im vergangenen Jahr errechnet haben, dann ist die Zahl der Sterne noch viel größer, die der Planeten erst recht. Das alles übersteigt zwar die menschliche Vorstellungskraft, führt aber gleichzeitig vor Augen: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich irgendwo dort draußen Leben entwickelt hat, ist sehr hoch. Sogar ganz in unserer astronomischen Nähe könnten Lebewesen existieren, zum Beispiel auf den Monden des Jupiter oder des Saturn. Die Voraussetzungen dort sind, nach derzeitigem Wissensstand, nicht schlecht. Vielleicht werden wir noch erleben, dass Raumsonden Spuren von Leben dort finden. Das wäre eine weitere fundamentale Veränderung in unserem Wissen und würde auch das Selbstbild des Menschen verändern.
Viel näher liegt dagegen ein anderes, ebenfalls schwer zu knackendes Rätsel: Der Klimawandel findet statt und dennoch wollen oder können wir nicht begreifen, dass er eine ernste Bedrohung darstellt. Durch unser eigenes, unvernünftiges Verhalten schlittern wir in eine gewaltige Misere. Auch diese Erkenntnis könnte dazu verhelfen, unser Selbstbild zurechtzurücken. Jedenfalls stehen damit das evolutionäre Modell Mensch und vor allem die derzeitige, sogenannte westliche Zivilisation wieder einmal vor einer entscheidenden Prüfung.
Wie die Entwicklung weitergeht, ist noch offen. Sicher ist dagegen, dass sie nur im Rahmen der Bahnen verlaufen kann, die die Naturgesetze vorgeben. Geht man davon aus, dass letztere überall im Universum gelten, wäre dann leider nicht unwahrscheinlich, das sich Ähnliches noch anderswo im Weltall abspielt. Entgegen vieler Fantasien, die sich in Science-Fiction-Geschichten niederschlagen, wären außerirdische Zivilisationen unserer dann erstaunlich ähnlich. Das wäre eine wahlweise faszinierende, groteske oder auch traurige Verbindung zwischen uns und dem Kosmos. Vorerst bliebt das ein vage Vision und der Blick zum Himmel darf, irdischen Malaisen zum Trotz, weiterhin zum Rätseln und Träumen einladen.
Text: ©Sebastian Jutzi / siehe auch hier /Abdruck im Blog mit freundlicher Erlaubnis.
Nachtrag 9. Januar 2018
Wie groß ist unser Sonnensystem? Sehr eindrucksvoll finde ich immer noch die Verdeutlichung von Bill Bryson („Eine kurze Geschichte von fast allem“ Goldmann München 2004 / Seite 39f):
Die Entfernungen sind sogar so groß, dass es unter praktischen Gesichtspunkten völlig unmöglich ist, das Sonnensystem maßstabsgerecht zu zeichnen. Selbst wenn man in Lehrbücher viele Seiten zum Ausklappen einfügen oder ein wirklich langes Stück Plakatpapier verwenden würde, käme man nicht einmal annähernd zurecht. In einer maßstabsgerechten Schemazeichnung des Sonnensystems, in der die Erde ungefähr den Durchmesser einer Erbse hat, wäre der Jupiter mehr als 300 Meter entfernt, und den Pluto würden wir erst nach zweieinhalb Kilometern finden (außerdem hätte er ungefähr die Größe einer Bakterienzelle, das heißt, man könnte ihn ohnehin nicht sehen). Proxima Centauri, unser nächstgelegener Fixstern, wäre im gleichen Maßstab mehr als 15000 Kilometer entfernt. Und selbst wenn man alles so weit verkleinert, dass der Jupiter so groß wie der Punkt am Ende dieses Satzes und der Pluto nicht größer als ein Molekül, wäre Pluto immer noch mehr als 100 Meter von uns entfernt.
Das Sonnensystem ist also wirklich riesengroß. Wenn wir den Pluto erreichen, sind wir von der Sonne- unserer geliebten, warmen, bräunenden, Leben spendenden Sonne – so weit entfernt, dass sie auf die Größe eines Stecknadelkopfes geschrumpft ist. Eigentlich ist sie dann nur noch ein heller Stern. Angesichts einer derart einsamen Leere versteht man besser, wie selbst die bedeutendsten Objekte – beispielsweise der Plutomond – der Aufmerksamkeit so lange entgehen konnten. (…)
An eines müssen wir dabei natürlich immer denken: Wenn wir das Universum als Ganzes betrachten, wissen wir eigentlich noch nicht einmal, was alles zu unserem eigenen Sonnensystem gehört.
(Fortsetzung folgt)
Am 29.12.2017 antwortete der Astrophysiker Hermann Nicolai im Berliner Tagesspiegel auf die folgende Frage des Journalisten:
Also nix mit der Menschheit als Krone und Zentrum der Schöpfung?
Wir sind so unvorstellbar unbedeutend, wie das Universum unvorstellbar groß ist. Die Voyager-Sonde, die 1977 gestartet ist, fliegt mit 17 000 Metern pro Sekunde durchs All und ist jetzt nach 40 Jahren gerade mal am Rande des Sonnensystems. Der nächste Stern von uns ist Alpha Centauri, vier Lichtjahre entfernt, im kosmischen Maßstab also ein Katzensprung. Mit jeder realistisch denkbaren Technologie braucht man dahin mindestens 30 000 Jahre. Und wir haben hier auf der Erde auch völlig falsche Vorstellungen davon, welche Materie im All dominiert. 74 Prozent der sichtbaren Materie im Kosmos – die dunkle lassen wir jetzt mal beiseite – ist Wasserstoff und 24 Prozent Helium. Die schwereren Elemente, die wir hier auf der Erde überwiegend vorfinden und aus denen wir bestehen, kommen von den restlichen zwei Prozent. Aber alles das wird von der Dunklen Materie überwältigt, von der es fünfmal so viel wie sichtbare Materie gibt.
Quelle hier