Und was gilt heute noch?
Benares – das Buch
…und noch viel mehr aus Indien
Ich finde es wichtig, für den Laien vorweg zu klären, was es mit dem Wort LINGA auf sich hat. Gleich zu Beginn des Buches heißt es:
In Benares (…) ist kein Fleck ohne Linga, das phallusförmige Zeichen und Emblem Sivas.
Fehlverstanden, sobald man es so deutet, als sei es eben ein Zeichen für den Phallus, also eine sexuelle Reduktion der Kraft Sivas. So war es auch in der Zeit, als vom sogenannten „Bhagwan“ und seinen Praktiken mehr die Rede war, als von der Essenz jener zutiefst fremden Religion, auch trotz Ravi Shankar und Yehudi Menuhin. Vielmehr ist diese in einer so simplen Formel nicht zu fassen, sobald man einen neugierigen Blick in den Wikipedia-Artikel wagt…
Linga unter Wikipedia hier.
Im Urlaub auf Texel wollte ich das große Lob auf dieses Buch schreiben, das ich vor Jahrzehnten verpasst habe, und zunächst ein typisch westliches Missverständnis klären, – nicht ahnend, dass das wirklich klärende Buch bereits unterwegs zu mir war: alles Nötige zu Shiva und zu der grandiosen Weite der indischen Religionsauffassung. Es genügt, zunächst ein paar Seiten aus diesem Werk wirklich zu verinnerlichen:
Aufmerksamen Lesern wird nicht entgehen, dass noch ein dritter Autor beteiligt ist, nämlich Bernhard Kölver. Dennoch schreibe ich mein wiedererwachtes Interesse allein der Ausstrahlung des Autors Niels Gutschow zu, dessen Gesamtwerk in vielerlei Hinsicht imponierend ist. (S.a. hier.) Von ihm stammt denn auch das an Kölvers Darlegungen anschließende Kapitel über die Religiosität, das eine augenöffnende Bilderserie einrahmt und zugleich vorbereitet auf die Essays über indische Tempeltypen, deren Wesen sich mir erst hier zu erschließen begann, nicht während meiner Indien-Reisen, also in der direkten Konfrontation mit den Bauwerken. Sie hatten mich völlig ratlos gemacht. Ebenso die Überfülle eines alten Buches, das mich früher gefesselt hatte: Heinrich Zimmers „Maya – Der indische Mythos“ (1936/1952). Was mir fehlte, war ein Kapitel, dessen Fehlen man in diesem Indien-Buch, das wie ein Reiseführer aussieht, vielleicht gar nicht bemerkt hätte: „Äußerungen der Religiosität“. Es ist da!
Man könnte als Merkformel herausnehmen:
Wo war ich im Januar 1997? Wo hatte ich meine Augen?
War es dieserTempel? Tempel sahen wir nur als Touristen!
Ich fürchte, es war dieser kleine Tempel, den ich als „Kürmelskammer“ bezeichnet habe. Was wir noch sahen, damals im Januar 1997: Mahabalipuram. (Fotos: E.Reichow)
Infos dazu heute hier
Weiteres aus der damals versäumten Quelle des Wissens:
Jan Pieper in dem oben abgebildeten Buch: Indien Von den Klöstern im Himalya zu den Tempelstädten Südindiens / DuMont Buchverlag Köln 1978 (9.Auflage 1993) / Autoren: Niels Gutschow und Jan Pieper.
Allerdings muss ich einräumen: ich habe jetzt in der Vergangenheit recherchiert, es gibt auch neuere Indien-Führer, die ich nicht angesehen habe, ich will sie wenigstens verlinken: hier (der Norden), hier (der Süden), der Autor des ersten: Hans-Joachim Aubert. (Seine umfangreiche Reisetätigkeit überzeugt mich nicht von vornherein, – ob etwa die Expertise über indische Tempel den Kauf des Buches rechtfertigt. Als praktische Reisebegleitung ist es sicher auf dem neuesten Stand.)
(Fortsetzung folgt) über den Film (s.a. hier im Blog http://s128739886.online.de/forschung-in-nepal-und/ hier) – dort also anknüpfend:
Das wunderbare Vorwort von Thomas Tode zu Buch und Film:
Verzeichnis der Drehort-Abfolge im beigefügten Video:
Bezugsquelle dieses Buches mit DVD „Shiva’s Places“
Don Carlos
oder Don Carlo? Welcher Text gilt überhaupt?
Aus Schillers „Werken in zwei Bänden“ auf die Verdi-TV-Bühne
Naiv, im Schillerschen Werk nach einem Hinweis zum Anfang der Verdi-Oper zu suchen. Deren Text stammt von Joseph Méry und Camille Du Locle. Weitere Umdeutungen vom Regisseur. Ich kann mich diesbezüglich den lobenden Worten des Pressetextes nicht anschließen.
ARTE TV ZITAT PRESSETEXT
„Für mich erzählt Don Carlo mehr als jede andere Oper über Macht als Antithese zur Freiheit und über all das, was diese Macht verursacht: Unterdrückung, Gewalt, Inhaftierung, Mord.“ So der Regisseur Kirill Serebrennikov. Unter der musikalischen Leitung von Philippe Jordan und einer herausragenden Besetzung verspricht diese Produktion musikalisch wie szenisch Spektakuläres.
Giuseppe Verdis „Don Carlo“ basiert auf Friedrich Schillers Drama „Don Karlos, Infant von Spanien“ (1787) und entfaltet sich in einem komplexen Geflecht aus politischen, religiösen und persönlichen Konflikten. Die Oper spielt im Spanien des 16. Jahrhunderts und beginnt mit der geplanten Hochzeit zwischen Carlo und Elisabetta di Valois, die jedoch durch einen Friedensvertrag vereitelt wird, der Elisabetta zur Braut von Carlos Vater, König Philipp II., macht.
Carlo ist zerrissen zwischen seiner Liebe zu Elisabetta und seiner Loyalität zu seinem Vater. Die Situation wird weiter kompliziert durch die Intrigen der Prinzessin Eboli, die Carlos Liebe begehrt, und die politischen Spannungen zwischen Spanien und Flandern. Rodrigo, Carlos treuer Freund, versucht vergeblich, Frieden zu stiften und Carlos Ideale zu verteidigen.
Die Handlung gipfelt in einem tragischen Finale, das von Verdis kraftvoller Musik und intensiven, emotionalen Konflikten getragen wird. Diese Produktion an der Wiener Staatsoper garantiert durch die Inszenierung von Kirill Serebrennikow und die erstklassige musikalische Leitung von Philippe Jordan eine besonders packende und tiefgründige Interpretation dieses Opernklassikers.
Info zur Inszenierung im Programmheft
Inspiriert von einem Besuch im japanischen Kyoto Costume Institute, bringt Regisseur Kirill Serebrennikov die Handlung von Don Carlo in einen zeitgenössischen Kontext. Denn auch für sein Bühnenbild ließ er sich von diesem Institut inspirieren – werden dort doch Original-Objekte aus allen Epochen und Kulturen aufbewahrt und entsprechend präpariert und gelagert, um sie vor dem Verfall zu schützen.
Die Auseinandersetzung mit dieser Vergänglichkeit öffnete Serebrennikov eine weitere Dimension von Verdis Oper: Das Wissen um die Vergänglichkeit des Menschen, seiner Leidenschaften, seiner Anstrengungen und seiner Taten, den Fluss der Zeit, der merklich oder unmerklich alles von Menschen Gemachte auslöscht und zerstört. Neben diesen beiden Dimensionen – die in ihren Überresten präsente Zeit des 16. Jahrhunderts und die unserer heutigen Gegenwart – gibt es eine dritte Ebene, eine Zwischenzone, in der sich Vergangenheit und Gegenwart vermischen.
Eine wichtige Rolle nimmt in der Inszenierung auch Marquis von Posa ein, die einzige Figur, die historisch nicht belegt ist und die die Aufklärung und den modernen Menschen verkörpert. In Serebrennikovs Inszenierung stellt er einen Aktivisten dar, der die Konsequenzen der Überproduktion und des Überkonsums von Textilien und Kleidung thematisiert.
https://www.arte.tv/de/videos/120902-001-A/giuseppe-verdi-don-carlo/
HIER Musik beginnt um 5:05 Textbuch hier
Quelle Johannes Jansen Giuseppe Verdi Deutscher Taschenbuch Verlag München 2000 Seite110f
Ich bin 25 Minuten dem Lauf der Wiener Aufführung gefolgt, bis dort, wo sich Carlo und Rodrigo (Posa) in den Ruf „Libertà“ hineinsteigern, und versuche vergeblich, dies in einem der vorgegebenen Texte wiederzufinden. Was ist mit den Fassungen…? Ich halte mich endlich im weiteren an die in Wien ins Netz gestellten Hilfen: hier – dann klicke ich auf „Vollständige Handlung“.
Kaiser Karl V. – einst der mächtigste Herrscher der Welt – legte im Kloster von San Yuste die Insignien seiner Macht nieder, um sein Leben in der Einsamkeit geistlicher Meditation zu beschließen.
Don Carlo, Infant von Spanien, gedenkt im Kloster von San Yuste der glücklichen Begegnung mit der ihm versprochenen französischen Prinzessin Elisabeth in Fontainebleau. Elisabeth wurde dann aber von seinem Vater, König Philipp II., geheiratet, zur Königin und damit zu Carlos Stiefmutter gemacht. Carlo wird von seinem Jugendfreund, dem Marquis von Posa angetroffen, der aus den von den Spaniern unterdrückten flandrischen Provinzen zurückkehrt. Posa überzeugt Don Carlo, als Retter des bedrohten Volkes nach Flandern zu gehen. Philipp und Elisabeth betreten das Kloster, um am Grabmal des vermeintlich gestorbenen Kaisers zu beten.
Ich vermute, dass ich hier etwa beim Abhören (fast) gelandet bin. Und müsste, wenn ich fortfahre, inhaltlich hier zurechtkommen:
In einem Garten unweit des Klosters unterhält die Prinzessin Eboli das Gefolge der Hofdamen mit einem maurischen Lied. Als die Königin erscheint, wird der Marquis von Posa gemeldet. Dem Marquis gelingt es, der Königin heimlich eine Nachricht von Carlo zu überreichen und für ihn eine heimliche Audienz zu erbitten.
Bei 40:32 beginnt die Szene Don Carlo mit Elisabeth.
Allein mit der Königin kann Carlo seine Gefühle nicht länger verbergen. Elisabeth, die den Prinzen immer noch liebt, sich ihrer Pflicht als Königin jedoch bewusst ist, beschwört den Verzweifelten, auf die Erfüllung seiner Liebe zu verzichten.
50:37
Als der König seine Gemahlin ohne Begleitung antrifft, verweist er die dafür verantwortliche Gräfin von Aremberg vom Hofe. Elisabeth nimmt Abschied von der Verbannten. (bis 56:20)
Posa schildert dem Herrscher das Elend des flandrischen Volkes. Philipp, der an der mutigen Sprache Posas Gefallen findet, beschließt, diesen als seinen Vertrauten in seine Nähe zu ziehen, warnt ihn jedoch vor der Macht der Inquisition. (bis 1:08:23)
1:08:50
Don Carlo ist einer Einladung zu einem Rendezvous im königlichen Park von Madrid gefolgt, in der Annahme Elisabeth habe sie ihm geschickt. Als eine Verschleierte naht, bestürmt er sie mit Liebeserklärungen. Zu spät muss er erkennen, dass er der Prinzessin Eboli sein Geheimnis verraten hat. Posa, der hinzutritt, will die gefährliche Mitwisserin zum Schweigen bringen, doch Carlo fällt ihm in den Arm. Die in ihrem Stolz gekränkte Prinzessin schwört Rache. Der Marquis lässt sich von seinem Freund alle ihn gefährdenden politischen Briefe aushändigen.
1:24:25 DIE STUNDE HAT GESCHLAGEN
Vor der Kathedrale von Madrid hat sich eine große Menschenmenge versammelt, um einem Autodafé, der öffentlichen Hinrichtung der von der Inquisition verurteilten Ketzer, beizuwohnen. An der Spitze einer flandrischen Deputation tritt Don Carlo dem König entgegen, um von ihm die Regentschaft in den unterjochten Provinzen zu fordern. Als der König dieses Ansinnen zurückweist, zieht der vom Zorn übermannte Prinz seinen Degen. Keiner der Großen des Reiches kommt dem bedrohten Herrscher zu Hilfe, bis Posa den Freund entwaffnet und daraufhin von Philipp zum Herzog erhoben wird. Das Autodafé nimmt seinen Fortgang. Die Flammen des Scheiterhaufens lodern empor, während eine Stimme vom Himmel den Opfern ewigen Frieden verheißt.
1:44:20 PAUSE Sprecherin erläutert des Konzept der Regie / ab 1:45:28 Gespräch mit dem Dirigenten Philippe Jordan über die Musik Verdis.
1:52:00 Fortsetzung (beginnt mit König Philipp – Roberto Tagliavini ! – „…sie hat mich nie geliebt“).
König Philipp beklagt die Einsamkeit und Bürde seines Amtes. Im Zwiespalt seines Gewissens sucht er Rat bei dem blinden Großinquisitor. Dieser bestärkt ihn in der Absicht, den Aufruhr des Infanten mit äußerster Härte zu bestrafen, fordert aber seinerseits das Leben des Marquis von Posa, den er der Freigeisterei verdächtigt. Philipp wehrt sich zunächst, unterwirft sich aber letztlich der Macht der Kirche.
Die Königin führt lebhafte Beschwerde bei ihrem Gemahl über die Entwendung ihrer Schmuckschatulle und findet diese auf dem Schreibtisch des Königs. Als Philipp die Schatulle öffnet und das Portrait des Infanten darin entdeckt, bezichtigt er die Gattin des Ehebruchs. Um der in Ohnmacht Niedergesunkenen beizustehen, eilen die Prinzessin Eboli und der Marquis von Posa herbei. Allein mit der Königin gesteht die Prinzessin ihren Verrat an Carlo und ihre heimliche Liaison mit dem König. Sie wird von Elisabeth in ein Kloster verbannt.
2:28:55
Posa sucht den gefangenen Infanten im Kerker auf, um ihm seine Handlungen zu erklären und von ihm Abschied zu nehmen. Mit Hilfe der ihm überlassenen Briefe hat er jeden Verdacht der Konspiration mit Flandern von Carlo auf sich abgelenkt, um dem Freund die Möglichkeit zu geben, als künftiger König den unterdrückten Völkern einst zu ihrem Lebensrecht zu verhelfen.
Ein Schuss aus dem Hinterhalt trifft den Marquis in den Rücken, sterbend verweist er den Freund an die Königin, die den Wunsch hat, Carlo ein letztes Mal zu sehen. Der König betritt den Kerker, um seinem Sohn den Degen zurückzugeben. Carlo klagt ihn als Mörder seines Freundes an. Das empörte Volk fordert die Befreiung des Infanten. Als es sich rebellierend gegen den König wendet, legt sich der greise Großinquisitor ins Mittel. Vor seiner Drohung sinkt das Volk in die Knie.
2:43:40
Im Kloster von San Yuste erwartet die Königin den Infanten, der nach Flandern aufbrechen wird, zu einem letzten Lebewohl. Die beiden Liebenden entsagen jeder Erfüllung ihrer Liebe. Der König und der Großinquisitor treten hinzu. Als die Schergen der Inquisition Hand an den Prinzen legen wollen, entzieht ein geheimnisvoller Mönch, dessen Stimme an die des abgeschiedenen Kaisers gemahnt, Don Carlo seinen Verfolgern.
3:08:00 Ende + Beifall („Allegorie der Freiheit“)
* * *
Turandot HIER an anderer Stelle
Bachs „Chaconne“ verfremdet
… oder nähergerückt?
14 Violinist(inn)en: Julia Fischer, Augustin Hadelich, Renaud Capuçon, Klaidi Sahatçi, Alexander Sitkovetsky, Nicola Benedetti, Andreas Janke, Daniel Röhn, Lisa Batiashvili, Lena Neudauer, James Ehnes, Stefan Jackiw, Rudens Turku, Vadim Gluzman
Jascha Heifetz, Violine
Orchesterfassung Stokowski
John Feeley, Gitarre
Für Streichquartett von (Albert) Maria Herz: Asasello Quartet
The Galvin Cello Quartet
Busoni-Fassung: Hélène Grimaud, Klavier
Andrea De Vitis, Gitarre
Nur ein flüchtiger Blick sei einer seltsamen Deutung des Bachschen Werkes geworfen, deren Lektüre mir noch unerträglicher war, als die mit gesungenen Choralzitaten durchsetzte Violin-Wiedergabe der Ciaccona auf CD (ECM 2001), die auch dem Buch beigegeben wurde:
Ich bekenne mich bedingungslos zu dem Urteil, das Reinhard Goebel in seinen 2024 herausgegebenen Sammelband eingefügt hat, – auch wenn ich jede andere klingende Deutung des Werkes vom jeweiligen subjektiven Standpunkt der Interpreten aus irgendwie nachempfinden kann, – nachzählen und nachrechnen will ich nie und nirgends, gerade auch nicht bei Bach. Es sei denn, es gäbe einen glaubwürdigen Hinweis aus seinem biographischen Umfeld. (Mauricio Kagel gilt nicht!)
Quelle Reinhard Goebel: »Der Kopf macht die Musik« Texte zur Musik Essays – Interviews – Würdigungen / Verlag Klaus-Jürgen Kamprad / ZITAT Seite 158, dort mit folgender Überschrift (die nicht Bachs Orthographie folgt): »Mona Lisa« / Eine Etude zur »Ciacona« von Johann Sebastian Bach (Achtung: Scharf gewürzt)
Göttingen! Warum denn nicht!?
Die Sängerin Barbara (1930-1997)
ZITAT (Barbara)
In Göttingen entdecke ich das Haus der Brüder Grimm, in dem die uns aus der Kindheit gut bekannten Märchen entstanden waren. Am letzten Mittag meines Aufenthaltes kritzelte ich ‚Göttingen‘ im kleinen Garten, der an das Theater grenzte, nieder. Am letzten Abend habe ich den Text zu einer unfertigen Melodie vorgelesen und gesungen, wobei ich mich dafür entschuldigte. In Paris habe ich dieses Chanson fertiggestellt. Ich verdanke dieses Chanson also der Beharrlichkeit Gunther Kleins, zehn Studenten, einer mitfühlenden alten Dame, den kleinen blonden Kindern Göttingens, einem tiefen Verlangen nach Aussöhnung, aber nicht nach Vergessen.
Deutscher Text des folgenden Chansons hier
Live (1967)
Über das Lied (Wikipedia)
Das Chanson ist in Frankreich sehr bekannt und leistete Mitte der 1960er Jahre einen bedeutenden Beitrag zur deutsch-französischen Verständigung. Es trug auch dazu bei, Stadt und Universität Göttingen in Frankreich bekannt zu machen.
Mehr darüber bei Wikipedia hier
Wiki-Biographie der Sängerin Barbara hier
DANK an JMR 24.09.24 !
Und noch zwei zum Kennenlernen:
Text: hier
Text hier
Nach dem schönen Urlaub
Klima-Fazit – nihil facit
Quelle: DIE ZEIT 19.09.2024 Leitartikel von Bernd Ulrich: Großes Schweigen / Österreich, Ostdeutschland, USA – in den Wahlkämpfen spielt das Klima kaum eine Rolle. Die Gründe dafür liegen tief
Und was ist mit der Jugend, die AfD wählt?
1 Woche später, Leitartikel der ZEIT, dieselbe Stelle, 26.09.24
Quelle: DIE ZEIT 19.09.2024 Leitartikel von August Modersohn: Gruselig happy Warum um Himmels willen wählen so viele jungen Menschen die AfD?
Der Kern meiner Philosophie
unter Berufung auf Ernst Cassirer und Susanne K. Langer
Die folgenden rot hervorgehobenen Sätze haben sich mir eingegraben, sie strahlen Zuversicht aus bis in die Gegenwart. Schwieriger wird es, wenn ich sie im Detail ausführen soll. Der „Kern“ dürfte aus mehreren Stichworten bestehen, nur dass ich mich nicht von allen guten Geistern verlassen führe. Also voran: eine Übung! Mit längeren Lesestücken zum Überfliegen.
… die Idee, etwas mit einem Namen zu belegen, ist der fruchtbarste Gedanke aller Zeiten; sein Einfluß mag durchaus imstande gewesen sein, das gesamte Leben und Fühlen der Gattung binnen weniger Generationen zu verwandeln. (…) Kaum war der erste Funken geschlagen, so war auch das Licht der Vernunft entzündet; ein Zeitalter phänomenaler Neuerungen, Veränderungen, vielleicht sogar zerebraler Entwicklungen hatte begonnen, als aus der nichtigen Affenkreatur, die er gewesen, der Mensch hervorging.
Natürlich nicht von mir erdacht, immer nur aufs neue entdeckt, – was eben den Wunsch erweckt, das Phänomen in einigen Formeln jederzeit präsent zu habe. Nicht zum ersten Mal versuche ich das, es hat ja in gewisser Weise geholfen, nicht auf unnütze Nebengeleise zu geraten. Aber es bedarf immer neuer Übungen, so des Cassirer-Originaltextes, der mir in dem Reclamband begegnete: „Texte zur Kulturtheorie und Kulturwissenschaft“ (Stuttgart 2010 / Reclam 18715), den ich mir an anderem Ort und in anderer Situation wohl nicht erschlossen hätte. Mir ginge es sicher wie vielen anderen Leserinnen und Lesern: diese von mir verunstaltete Form, die sich beim oftmaligen Lesen von selbst eingestellt hat, hätte mir nicht geholfen, wenn sie nicht mit Denkpausen verbunden gewesen, in denen sich einzelne Worte und Sätze mit Bedeutung gefüllt hätten, die mich an frühere „Offenbarungen“ erinnerten und die ich hier rekapitulieren will. Zunächst der strapazierte Reclam-Text:
Neu war mir der Ansatz bei Herder, ausgerechnet ihn als Antipoden Hegels zu erfassen, und gleichwohl von einer „Phänomenologie des Geistes“ zu sprechen. Wobei es alsbald nicht mehr einfach um die „Natur der Sprache“ geht, sondern unvermerkt um „die Frage der Wirklichkeitserkenntnis“, die eine immer komplexere Gestalt annimmt und eine immer reichere Gliederung erfährt. Von dieser Stelle an möchte ich dem Text Satz für Satz folgen, ihn abschreiben, an einzelnen Stellen innehalten, um sie mir vollkommen anzueignen.
ZITAT (Texte zur Kulturtheorie … Seite 136f)
Jetzt wird deutlich und unverkennbar, dass diese Frage nicht nur nicht gelöst, sondern in ihrem eigentlichen und vollen Sinne nicht einmal gestellt werden kann, solange die „physischen“ Gegenstände das einzige Thema und das einzige Ziel der Betrachtung bilden. Der physische Kosmos, das Universum der Naturwissenschaften, bildet nur nnoch einen Sonderfall ud ein Paradigma für eine viel allgemeinere Problemstellung. Diese Problemstellung ist es, die jetzt an die Stelle jenes Ideals der Pan-Mathematik, der Mathesis universalis tritt, das seit Descartes das philosophische Denken beherrscht hatte. Der mathematische und der physikalische-astronomische Kosmos ist nicht der einzige, in dem die I d e e des Kosmos, die Idee einer durchgreifenden Ordnung, sich darstellt. Diese Idee ist nicht auf die Gesetzlichkeit der Naturphänomene, auf die Welt der „Materie“ eingeschränkt. Sie tritt uns überall entgegen, wo an einem Mannigfaltigen und Verschiedenen ein bestimmtes einheitliches Strukturgesetz sichtbar wird. Das Walten eines solchen Strukturgesetzes: das ist der allgemeinste Ausdruck für das, was wir im weitesten Sinne mit dem Namen der „Objektivität“ bezeichnen.
Man könnte fragen, was mit dem Ideal der Pan-Mathematik gemeint ist (man ahnt es), am deutlichsten wird es in den Worten Heideggers, der laut Wikipedia „in Descartes den Schlüssel zur Wissenschaftsgenese der Neuzeit [sieht]. Durch die (anti-aristotelische) Einklammerung der Qualitäten des Organischen und durch Fixierung auf die Quantifizierung der Objektwelt stelle seine Philosophie den Beginn der unheilvollen technischen Beherrschung der Welt dar.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie_der_symbolischen_Formen hier
ZITAT (Texte zur Kulturtheorie … Seite 137)
Um dies für uns zu voller Deutlichkeit zu erheben, brauchen wir nur an jene Grundbedeutung des Begriffs „Kosmos“ anzuknüpfen, die schon das antike Denken festgestellt hatte. Ein „Kosmos“, eine objektive Ordnung und Bestimmtheit, ist überall dort vorhanden, wo verschiedene Subjekte sich auf eine „gemeinsame Welt“ beziehen und denkend an ihr teilhaben. Dies ist nicht nur dort der Fall, wo wir uns durch das Medium der sinnlichen Wahrnehmung das physische Weltbild aufbauen. Was wir als „Sinn“ der Welt erfassen, das tritt uns überall dort entgegen, wo wir uns, statt uns in die eigene Vorstellungswelt zu verschließen, auf ein Über-Individuelles, Allgemeines, für alle Gültiges richten. Und nirgends tritt diese Möglichkeit und diese Notwendigkeit der Durchbrechnung der individuellen Schranke so fraglos und so deutlich hervor wie im Phänomen der Sprache. Das gesprochene Wort geht niemals im bloßen Schall oder Laut auf. Es will etwas bedeuten; es fügt sich zum Ganzen einer „Rede“ zusammen, und diese Rede „ist“ nur, indem sie von einem Subjekt zum andern hingeht und beide im Wechselgespräch miteinander verknüpft.
Man vergegenwärtige sich den Inhalt des Satzes „Das gesprochene Wort geht niemals im bloßen Schall oder Laut auf.“ Das gilt auch in scheinbar urtümlichen Fällen, wenn man darauf verweisen will, dass etwa das Wort (?) „Kikeriki“ sehr wohl mit Schall oder Laut etwas aussagt. Es kann Schall und Laut in etwas verwandeln, das über seine onomatopoetische Erscheinung hinaus etwas bedeutet, und nicht etwa nur den individuellen Schrei eines mir gut bekannten Haushahnes, nämlich den Schrei aller Hähne und schließlich diese Tiere selbst in ihrer Allgemeinheit. So wie das Wort „Hirsch“ die Allgemeinheit aller Hirsche meint, den Hirsch schlechthin.
Ich greife jetzt vor, also in dem Text, dem ich folge, dort, wo es um SPRACHTHEORIE geht, die eine Vorbedingung der ERKENNTNISTHEORIE ist. (Im folgenden zunächst Anspielung auf „Pan-Mathematik“, siehe oben.)
ZITAT (Texte zur Kulturtheorie … Seite 138)
Wer die Kritik der Erkenntnis erst mit der Wissenschaftstheorie, mit der Analyse der Grundbegriffe und Prinzipien der Mathematik, der Physik, der Biologie, der Geschichte beginnen lässt, der setzt den Hebel gewissermaßen zu hoch an. Aber ebenso verfehlt derjenige den richtigen Ansatz, für den das Wissen nichts anderes als eine einfache Konstatierung dessen ist, was uns in den Elementen der Sinnesempfindung unmittelbar gegeben ist. Auch die psychologische Analyse lässt, sofern sie ohne erkenntnistheoretische Vorurteile getrieben wird, diesen Sachverhalt klar hervortreten. Denn sie zeigt uns, dass die Sprache durchaus nicht der einfache Abdruck von Inhalten und Beziehungen, die uns die Empfindung unmittelbar darbietet. Ihre Ideen sind keineswegs, wie es das sensualistische Dogma verlangt, die bloßen Kopien von Impressionen. Die Sprache ist vielmehr eine bestimmte Grundrichtung des geistigen Tuns: ein Inbegriff psychisch-geistiger Akte, und in diesen Akten erst schließt sich uns eine neue Seite der Wirklichkeit, der Aktualität der Dinge auf.
Achtung: … die uns die Empfindung unmittelbar darbietet… denke an „das Gewühl“ (Jaspers)
ZITAT (Texte zur Kulturtheorie … Seite 138f)
… eine neue Seite der Wirklichkeit, der Aktualität der Dinge auf. Wilhelm von Humboldt, der zugleich der Schüler Herders und der Schüler Kants ist, hat für diesen Sachverhalt den Ausdruck geprägt, dass die Sprache Funktion, nicht Affektion sei. Sie ist kein einfaches Produkt, sondern ein kontinuierlicher, sich ständig erneuernder Prozess, und in dem Maße, als dieser Prozess fortschreitet, zeichnen sich für den Menschen die Umrisse seiner »Welt« immer klarer und bestimmter ab. Der Name wird somit nicht einfach an die fertige und vorhandene gegenständliche Anschauung, als ein äußeres Kennzeichen, angefügt, sondern in ihm drückt sich ein bestimmter Weg, eine Weise und Richtung des Kennen-L e r n e n s aus.
Ein wenig zurück im Text…
ZITAT (Texte zur Kulturtheorie … Seite 137f)
Von der Vernunft, die in der Sprache investiert ist und die sich in ihren Begriffen ausdrückt, führt der Weg zur wissenschaftlichen Vernunft weiter. Die Sprache kann mit den ihr eigentümlichen Mitteln die wissenschatliche Erkenntnis nicht erzeugen oder auch nur erreichen. Aber sie ist eine notwendige Etappe auf dem Wege zu ihr; sie bildet das Medium, in dem allein das Wissen um die Dinge entstehen und sich fortschreitend ausbauen kann. Der Akt der Benennung ist die unentbehrliche Vorstufe und die Bedingung für jenen Akt der Bestimmung, in dem die eigentümliche Aufgabe der Wissenschaft besteht. Es ergibt sich hieraus, dass und warum die Sprachtheorie ein notwendiges und integrierendes Moment im Aufbau der Erkennnistheorie bildet. Wer die Kritik der Erkenntnis erst mit der Wissenschaftstheorie, mit der Analyse der Grundbegriffe und Prinzipien der Mathematik, der Physik, der Biologie, der Geschichte beginnen lässt, der setzt den Hebel gewissermaßen zu hoch an. [siehe oben]
(Fortsetzung folgt S.139 Kindersprache, Tier, Instinkt, Merkwelt, Wirkwelt, Bildwelt)
JR „Bos en Duin“ Texel 22.09.2024
Goebel – alte Texte wieder frisch
Oder: Ein Vermächtnis aus jungen Jahren, fortgesponnen
Wie soll man darüber reden? Der einst revolutionäre Griff nach der Alten Musik ist brisant geblieben, man staunt, dass wirklich Jahrzehnte vergangen sind, seit man sie – um Bachs und Monteverdis willen – insgesamt zur Kenntnis genommen hat. Und nicht nur dank Reinhard Goebel und in seinem unmittelbaren Umfeld. Es hat insgesamt – man kann sagen: weltweit – Schule gemacht. Man beachte, was allein die Heidelberger Schola – inspiriert durch die Neue Musik – an Projekten entwickelt hat, etwa zum Rätsel Gesualdo da Venosa („Eros und Gewalt“ ).
Zurück zu Reinhard Goebel, dem man heute vielleicht zum ersten Mal auf die Schliche kommen kann, ohne das Gesamtwerk in hundert Einzelaufnahmen und zahllosen verstreuten Quellen um sich versammeln zu müssen. Überhaupt: für seine glänzende Sprache braucht man kein Studium (das hat er selbst schon geleistet), sondern das gleiche unstillbare Interesse an lebendiger Musik, das ihn selber auszeichnet.
Geplant waren einige Anmerkungen, die ich während der Lektüre des Goebel-Buches besonders memorabel fand. So im ersten Text (Seite 15 ff) » Auf der Suche nach der verlorenen Zeit…« die nicht weiter spezifizierte Quelle eines FAZ-Artikels aus dem Jahr 2009, der Goebel zu den Worten veranlasste: „Alles hier über Rezeption und Darstellung des Mittelalters Gesagte trifft auch den musikalischen Barock-Nagel mitten auf den Kopf.“ Schon ist der Goebel-Fan begierig, so detailliert wie möglich zu eruieren, worum es sich dabei handelt, und stößt dabei auf ein Buch, das in der Anmerkung 1 des Vorwortes einen klärenden Weg zur Quelle anbietet.
¹Mittelalter-Symposion. Das Mittelalter zwischen Vorstellung und Wirklichkeit. Probleme, Perspektiven und Anstöße für die Unterrichtspraxis. 24.09.2009−26.09.2009. Pädagogische Hochschule Freiburg. Vgl. URL: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=11667 (Konferenzankündigung von Thomas Martin Buck); http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2835 (Tagungsbericht von Nicola Brauch). Siehe auch den Bericht von Maik NOLTE, Das Mittelalter als Wille und Vorstellung. Und der Mediävist als Experte für Requisiten: Zur populären Aneignung einer Epoche, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30.12.2009, Nr. 302, S. N3.
Das Werk lohnt sich insgesamt als Einübung in die Mediävistik, vorausgesetzt man lässt sich wirklich auf die echte Fährte ein: Hier ist das gesamte Vorwort und die Inhaltsangabe zu dem betreffenden Mittelalter-Symposion, das 2009 in Freiburg stattgefunden hat.
Aus fünf Kapiteln Fankreich von »Le Roi Danse« bis Spätbarock
Man definierte sich in Frankreich ganz einfach und rigoros neu, löste alle alten Bindungen und schuf neue Wege, die Musik optimal der Prosodie der französischen Sprache anzupassen. Selbst der Opern-Prolog diente nicht mehr dazu, die Götter als die das Schicksal bestimmenden Mächte einzuführen. Stattdessen sang man hier unverhohlen das Lob des Herrschers, und slbst des Göttern war es eine Ehre, dem Sonnenkönig zu huldigen: Selten wurd Musik so eindeutig zum Politikum.
Dem reinen, absoluten Gehalt der Sonate oder des Concerto jedoch standen die Franzosen weitgehend ratlos gegenüber. Frankreich geriet in Aufruhr, als nach mehr als 60jähriger Herrschaft des Sonnenkönigs mit Konzerten von Antonio Vivaldi und Giovanni Battista Pergolesis »Stabat Mater« erstmals wieder unpolitische, ihren eigenen Gesetzen gehorchende Musik zur Aufführung kam. (…) Notation der Tanzschritte und der Armbewegungen
Nie aber ist sie intellektuelle Kunst, die um ihrer selbst willen existiert und wahrgenommen werden will. Das Absolute ist ihrem Wesen fremd. (Goebel Seite 27)
Im Jahr 1700 lag übrigens auch eine der Notenschrift im weitesten Sinne vergleichbare Notation der Tanzschritte und der Armbewegungen vor, (…) basierend auf den Vorarbeiten des Monsieur Pierre Beauchamp, der 1635 geboren, noch mit allen Meistern der Frühzeit – Robert Cambert, Molière und Pierre Perrin – gearbeitet und sämtliche Opern und Ballette des königlichen Hofes bis 1686 choreographiert hatte. (…)
Zum Debütstück für den ersten solistischen Auftritt dieser jungen Mädchen wurde nach 1715 das Werk »Les Caractéres de la Danse« des Lully-Schülers Jean-Féry Rebel, der zwanzig Jahre später mit seinem inzwischen wieder häufiger gespielten »Le Cahos« noch ein weiteres Mal Geschichte schreiben sollte. Die Tänze – sie basieren übrigens auf der Idee des Sonnenkönigs, dass alle Provinzen Frankreich[s] durch einen typischen Tanz am Hofe zu repräsentieren seien – haben alle neben einem charakteristischen Tempo ein klar bestimmtes Figuren- und Bewegungsprofil, und so wurde das Stück zum Prüfungsstück für die Tänzerinnen – nicht nur in Paris, sondern auch in London und Dresden – und obgleich man immer behauptet, dass »Les Caractéres« völlig neuartig gewesen seien, basiert das Werk dennoch auf dem Auftritt des Maître des Danse in der ersten Szene von Molières und Lullys »Bourgeois Gentilhomme«, wo der Tanzmeister dem einfältigen Bürger Jourdain einen kurzen Einblick in seine Kunst gewährt […]. (Goebel Seite 29)
Youtube-Beispiele, an dieser Stelle nicht durch das Buch autorisiert, sondern vom Abschreiber JR als Nachhilfe ausgewählt und eingefügt:
Erinnerung an die Aufnahme vom „Bourgeois Gentilhomme“ mit La Petite Bande unter Gustav Leonhardt (1973):
Man höre sorgfältig die Ausführung der Ouvertüre, insbesondere die Punktierungen, um zu verstehen, was 10 Jahre später geschehen ist. Uns Mitspielern war oft selbst nicht recht klar, welche alten Schriften zur Überpunktierung „berechtigten“ oder warum und ab wann es doch wieder anders zu lesen oder zu interpretieren war. Der Name Neumann (Frederick) wurde genannt, ohne dass damals die leichte Internet-Orientierung von heute vorauszusetzen war, es blieb im ungefähren. Goebels Aufnahmen der Bachschen Ouvertüren entstanden in den Jahren 1982 und 1985, für mich ganz starke Eindrücke, – sie beruhten auf den neuen Überlegungen, die Goebel auch gewissenhaft dargelegt hat (Seite 150 ff). Heute könnte man das hier nacharbeiten: Ornamentation in Baroque and Post-Baroque Music, with Special Emphasis on J.S. Bach (Frederick Neumann 1978).
Goebel:
Diese Auffassung von den synchronisierten Überpunktierungen basiert eindeutig auf Fehlübersetzungen und -interpretationen der Flötenschule von Quantz (XVII. Hauptstück, VII. Abschnitt, § 58).
(…) Für den Tuttisten um 1720 galt genau die gleiche Regel wie für den Tuttisten des 20. Jahrhunderts: Kein rhythmischer Wert wird verändert. Wenn Quantz dennoch von scharfen Punktierungen redet, so im Zusammenhang von Tanzsätzen nach französischer Manier -aber die Ouvertüre ist nun einmal kein Tanzsatz. Quod licet Jovi, non licet bovi – was dem Solisten aus augenblicklicher Caprice erlaubt ist, nämlich die Veränderung des vorgegebenen Notentextes, ist dem Tuttisten schlichtweg verboten. (a.a.O. Seite 152f)
Siehe auch hier. (=Blog-Artikel „Wie Goebel in Frankreich“.)
Neugierig geworden: Wer war „Fritz“, ein unbekannter Bach, wie klang seine Musik? Ein Anfang sei gemacht mit diesem Stück aus „Pygmalion“:
Alle Titel der Goebel-CD „Cantatas of the Bach family“ anspielen: hier
Dreißig Jahre lang stellte Johann Sebastian Bach die musikalische Speerspitze der Welt: Sie war immer genau dort, wo er war, in seinen Händen und auf seinem Schreibtisch. Um 1735 aber drängten ambitionierte Konkurrenten auf den Markt und zeigten Bach, wo das neue Vorne war: im galanten Stil, der sich ab 1715 von Neapel aus nach Norden verbreitete und der flamboyanten, religiös bedeutsam verschlüsselten und manchmal auch überlasteten Musik des Spätbarock etwas entgegen stellte – eine einfachere Musik mit leichter verstehbarer Harmonik und im weitesten Sinne singbaren Melodien mit weniger komplexer Polyphonie.
Bachs Söhne, ebenfalls gestandene Musiker, die zu einflussreichen Komponisten heranwuchsen, hatten das Handwerk bei ihrem Vater gelernt – aber bei aller Verwurzeltheit in der Tradition des großen Johann Sebastian sind diese modernen Einflüsse auch bei Carl Philipp Emanuel Bach, Johann Christoph Friedrich Bach und Wilhelm Friedemann Bach deutlich zu erkennen. Bei Carl Philipp ist der Prozess der musikalischen Emanzipation nur noch mittelbar nachvollziehbar, da er einen guten Teil seiner Kompositionen aus jener Umbruchzeit verbrannte – eine hier erstaufgenommene Sinfonie in F-Dur kann ihm mit der nötigen musikwissenschaftlichen Vorsicht zugeschrieben werden.
Ebenfalls eine Weltpremiere ist die Aufnahme der dreisätzigen Solo-Kantaten Carls »Ich bin vergnügt mit meinem Stande«. Eine gar dritte Erstaufführung erlebt hier die Sinfonie in B-Dur Wilhelm Friedemann Bachs. Abgerundet von Musik von Bachsohn Johann Christoph Friedrich und einer Kantate des Übervaters Johann Sebastian selbst macht diese grandiose neue Produktion der Berliner Barocksolisten und dem gefeierten Bariton Benjamin Appl unter Leitung von Reinhard Goebel die musikalische Metamorphose des 18ten Jahrhunderts akustisch erlebbar.
Weiterlesen und -suchen:
http://www.musicweb-international.com/classrev/2020/Dec/Bachfamily-Cantatas-HC19081.htm hier
(Ensemble) Pygmalion interprète la Cantate „Es erhub sich ein Streit“ de Johann Christoph Bach sous la direction de Raphaël Pichon. Extrait du concert enregistré le 7 avril 2023 à la Chapelle Royale de Versailles.
Text verfolgen nach analytischer Abschrift ©Clemens Flämig August 2022 (Quelle: https://www.bachipedia.org/werke/bwv-19-es-erhub-sich-ein-streit/ hier)
Da ich die Goebel-CD seltsamerweise übers Internet nicht bestellen kann, habe ich einen Ersatz finden müssen (27.09.24), bemerkenswerterweise schon aufgenommen 1988:
ENTSCHULDIGUNG! Da ich von Goebels im Buch veröffentlichten Texten ausgehe, zu denen ich mich etwas frei „auslasse“, – auch ohne alle CDs besitzen, denen sie ihre Entstehung verdankten -, kann ich in einer gewissen Konfusion enden wie JETZT. Ich hatte gehofft, mehr über „Pygmalion“ und den Bückeburger Bach-Sohn zu erfahren, fand Goebels Ausführungen wie immer erhellend, ohne recht zu bemerken, dass er sich unvermerkt gänzlich auf das die CD abschließende Werk des alten Bach bezieht, die Kantate BWV 82 „Ich habe genug“, mit einigen Seitenblicken wiederum auf dessen rhetorische Prinzipien docere, movere & delectare. Für uferloses Staunen und Studieren sei auch der Youtube-Link wenigstens zu dieser Aufnahme beigesteuert: hier.
In Goebels Text blieb ich u.a. stecken bei der Bemerkung:
Zauberhaft unbeantwortet bleibt die Frage: »Hat er nun, hat er nicht?«
Erst allmählich fiel der Groschen: Diese Frage kann sich nur aus dem maßlosen Wunschziel des „Pygmalion“ ergeben, – wobei Goebel seinen Kopf dezent aus der Schlinge zieht, indem er von dem sinnlichen Begehren hinüberlenkt zu der Todesfreude des trunken in den Himmel tanzenden Simeon, und damit zur „Climax“ der Kantate „Ich habe genug“. Was mir an Reinhard Goebel von Anfang an auffiel, war sein eigenartiger Humor, eine zuweilen etwas drollige Respektlosigkeit. Bei den Aufnahmeprojekten unseres Lehrers Franzjosef Maier inmitten des Ensembles Collegium aureum erlebte ich ihn 1974 zum erstenmal als jungen Kollegen, witzig, wortgewandt, aufmüpfig, belesen. „Missa Salisburgensis“! Siehe alle Mitwirkenden…
Kein Zweifel: man sollte auch seine „besserwissende“ Aufnahme kennen:
(Blog-Artikel unvollendet, Fortsetzung folgt, vielleicht)
Zuschrift aus Düsseldorf-Oberkassel betr. einen SWR-Link zu aktuellsten Goebel-Sendungen, 10.10.2924, Dank an Christel H.!
https://www.swr.de/swrkultur/musik-klassik/reinhard-goebel-der-Kopf-macht-die-musik-100.html HIER
Ein neuer Blick auf Pompeji
Die Tiefe der Zeit
Das neue Buch, das ich Berthold Seliger verdanke, verbindet sich aufs wunderbarste mit einer Reihe starker Eindrücke, die bis in meine Gymnasialzeit zurückreichen und sich erst jetzt allmählich in etwas Gegenwärtiges, Lebendiges verwandeln. Hoffentlich nicht nur, weil es vom Untergang handelt.
Gabriel Zuchtriegel: Vom Zauber des Untergangs / Was Pompeji über uns erzählt / Propyläen Ullstein Verlage Berlin 2023
Perlentaucher hier
Zitate
(NZZ) Für den Rezensenten Hans-Albrecht Koch blitzt in Gabriel Zuchtriegels Buch über Pompeji die Frage auf, was wir aus der Vergangenheit lernen können. Der Direktor der Ausgrabungsstätte bei Neapel überzeugt Koch mit ungewöhnlichen Perspektiven auf die Katastrophe am Vesuv und ihre Folgen. So widerlegt der Autor laut Rezensent nicht nur bisherige Annahmen zu den Geschehnissen vor 2000 Jahren, sondern liefert auch einen frischen Blick auf die Archäologie und ihre Aufgaben und Ziele.
(Die Welt) Eine rundum gelungene Auseinandersetzung mit dem Faszinosum Pompeji liest Rezensent Jonas Greth bei Gabriel Zuchtriegel, seit 2021 Direktor der Ausgrabungsstätte. Zuchtriegel verknüpft Einlassungen zur antiken Lebenswelt klug mit eigenen, gegenwärtigen Überlegungen, ohne einen allzu konstruierten Gegenwartsbezug herzustellen, freut sich Greth. So erfährt der begeisterte Leser, dass Sexualität um 79 n. Chr. nicht nach der geschlechtlichen Orientierung, sondern nach der „Hierarchie von Aktivität und Passivität“ bewertet wurde und auch, dass sich immer noch neue Funde in Pompeji aufstöbern lassen. Einige der persönlicheren Passagen sind für den Rezensenten zwar etwas dick aufgetragen, aber der breit aufgestellten Erzählung mag er insgesamt doch gerne folgen, zeugt sie doch auch von einer großen, mitreißenden Liebe des Archäologen zu seiner Tätigkeit, lobt er.
Wie aber passt das in unsere heutige Zeit? Dumme Frage: durch die nachvollziehbare Lebendigkeit, die es ausstrahlt. Ist unsere Zeit das Maß aller Dinge? Ich habe es trotzdem einmal an einem antiken Beispiel einmal ausführen wollen…
Was die Bücher von Gabriel Zuchtriegel und Tonio Hölscher innerlich verbindet, erfährt man im Vorwort des letzteren: sie kommen aus der gleichen altklassischen Schule, in der ein durchaus frischer Wind weht. Frisch? Ein jugendliches Lebensgefühl, tragisch getönt. Bezeichnend das Motto, das am Ende dieses Blogartikels kommentarlos wiedergegeben sei.
Tonio Hölscher: Der Taucher von Paestum / Jugend, Eros und das Meer im Antiken Griechenland / Klett-Cotta Stuttgart 2021
Neu
3 Filme in 1 über den Untergang Pompejis HIER
Presetext
Seit mehr als einem Jahr läuft in Pompeji eines der ehrgeizigsten Grabungsprojekte unserer Zeit: Ein italienisches Archäologenteam entdeckte einen bisher unerforschten Häuserblock und förderte unter anderem eine Bäckerei, ein Wohnhaus und ein Wandgemälde, das eine Art Pizza zeigt, zutage.
Die Ausgrabung beginnt mit der Entdeckung eines riesigen Steinofens. Viel zu groß, um zu einem Privathaus gehört zu haben, finden die Forscher heraus, dass er Teil einer Bäckerei war, in der Brot an die Bewohner von Pompeji verkauft wurde. Nicolas Monteix, Experte für das Backgewerbe in der Antike, besichtigt eine der 40 Bäckereien, die bisher in Pompeji gefunden wurden, und erzählt davon, wie das Leben der Sklaven vermutlich ausgesehen hat, die dort Tag für Tag bei gleißenden Temperaturen schufteten und permanent dem Mehlstaub ausgesetzt waren.
In einem Nebenraum der Bäckerei entdecken die Archäologen drei Skelette. Ihr Zustand deutet darauf hin, dass die Menschen von der einstürzenden Decke erschlagen wurden. In den ersten 18 Stunden des Vulkanausbruchs fiel ein dichter Niederschlag aus Pyroklasten und Asche auf Pompeji. Unter dem Gewicht der Gesteinsfragmente brachen überall in der Stadt Gebäude ein.
Neben der Bäckerei entdecken die Archäologen das Wohnhaus. In jedem Raum türmen sich unberührte Lapilli bis zu drei Meter hoch. Das bedeutet, dass seit dem Vulkanausbruch niemand dieses Haus betreten hat. Im Atrium finden die Forscher unbenutzte Dachziegel, Steine und Werkzeug. Daraus schließen sie, dass das Gebäude zum Zeitpunkt der Eruption renoviert wurde. Tatsächlich hatte 17 Jahre zuvor, im Jahr 62 nach Christus, ein Erdbeben viele Häuser in Pompeji zerstört, die längst noch nicht alle wieder aufgebaut waren.
Als Moser noch modifizierte
DIE ZEIT vom 29. August enthielt ein langes, ein überlanges Interview mit der Sängerin Edda Moser, und darin ging es unvermeidlicherweise um ihren Vater, den berühmten Musikwissenschaftler, dessen neueste Bücher ich noch in den frühen 50er Jahren geschenkt bekam. Vergessen seine emsige Tätigkeit bis Kriegsende im Sinne einer musikalischen Rassenlehre. Aber die Tochter Edda Moser sollte doch davon gehört haben.
Wikipedia Hans-Joachim Moser HIER
Möglicherweise hat mein Vater das Lexikon erst nach dem Krieg (in Bielefeld) antiquarisch gekauft; es hatte offenbar seinen Wert für ihn behalten, obwohl er Moser aus Studienzeiten in Berlin kannte.
Eine Ahnung dessen, was sich wenige Jahre später abgespielt haben wird, erhält man, wenn man – immer empfehlenswert – bei Fred K. Prieberg im „Handbuch Deutsche Musiker 1933-1945“ nachliest. Auch das überarbeitete Moser-Lexikon hat sein Gesicht verändert.
Bei meinem Vater gab es nicht den Hauch eines Widerspruchs gegen den Zeitgeist. Ich erinnere, dass er sich über Mahler äußerte, der habe nur Kapellmeistermusik geschrieben. Von Schönberg würde in 100 Jahren kein Mensch mehr reden. Über Mosers „barocken Sprechstil“ sprach er belustigt, aber nicht ganz ohne Bewunderung. Es gab keine Tradition des Widersprechens, auch bezüglich etwa Franz Schrekers: das sei eine kurzlebige Blüte der 20er Jahre gewesen, und was habe man damals daraus gemacht! – Zitat Wikipedia:
Von den Nationalsozialisten als „entartet“ diffamiert, gerieten Schrekers Werke nach 1933 nahezu in Vergessenheit. Ende der 1970er Jahre setzte eine Schreker-„Renaissance“ ein, die bis heute anhält…
Damals (Moser-Lexikon):