Künstliche Intelligenz – entspannen Sie sich

Neuer Artikel von Ulrich Schnabel

Während ich alles bereit lege, um zu zitieren, sehe ich, dass ich es mit demselben Autor schon einmal so gehalten habe, noch nicht so lange her. (Siehe Link zum Wort Neuer in Untertitel). Seine Zuverlässigkeit ist mir lange bekannt, das Buch ist mir seit 11. Dezember 2008 ein vertrautes Nachschlagewerk. Nachschauwerk.

Wieder wird das Lachen zum Thema anlässlich der KI, sie kann es nicht, und ist da meiner Katze ähnlich (das ist lange her)…

oder lächelt sie doch?

ZITAT

Hört man sich dazu in den Geisteswissenschaften um, trifft man auf zwei Positionen: routinierten Widerspruch einerseits – und neugieriges Staunen andererseits.

Die erste Position vertritt etwa der Bonner Philosoph Markus Gabriel. Er sagt, die KI sei »künstlich, aber nicht intelligent«. Was aussehe wie echtes Denken, sei in Wahrheit nur eine geschickte Simulation, die uns einen Denkprozess vorgaukelt. »Wir projizieren unsere Intelligenz in die Systeme«, sagt Gabriel, es gebe nur »eine Ähnlichkeitsbeziehung zwischen unserer Intelligenz undf diesen Projektionen in der Form von Modellen«. Am Ende sei es immer noch der Mensch, der über ihren Einsatz und ihre Ziele bestimme.

(…)

Ähnlich pragmatisch argumentiert der Philosoph Ralf Becker, wenn man ihn nach dem Begriff des Verstehens befragt. »Verstehen«, sagt Becker, sei ein Können, das sich in Handlungen ausdrückt. »Ob ich ein philosophisches Argument verstanden habe, zeigt sich daran, ob ich es rekonstruieren und auf Nachfragen antworten kann. Ob ich einen Witz verstanden habe, zeigt sich daran, ob ich seine Pointe erklären kann.«

Doch was, wenn ChatGPT eine Pointe richtig erklärt? »Versteht« die KI dann den Witz? Nein, meint Becker. Einzelne Erfolge genügen nicht als Probe aufs Exempel. Oft mache das Programm ja noch grobe Fehler. Das gelte für Witze wie für Mathe-Aufgaben. Und wenn man es um Romananalysen bitte, halluziniere das Programm zum Teil Figuren, die im Text gar nicht vorkommen. Am deutschen Abi, das haben Tests vor einigen Wochen gezeigt, scheiterte CHatGPT deswegen noch.

Doch selbst wenn die KI irgendwann das Abitur bestände, wäre Becker nicht überzeugt. Hinzu käme nämlich noch ein anderer Aspekt: Verstehen sei kein isolierter kognitiver Akt, sondern »stets verkörpert, in eine Situation und in eine Praxis eingebettet – etwa in Form von Nach- und Rückfragen, Wiederholunge, Übungen«.  Letztlich sei das Verstehen als »Lebensform« zu begreifen. Dafür brauche es einen Körper, der eine eigene Geschichte habe, der eigene Ziele und Absichten verfolge, der uns mit der Welt verbindet. (…)

Quelle ZEIT 17. Mai 2023 Seite 31 Unsere neue Denkaufgabe Die künstliche Intelligenz wird immer klüger, schneller und kundiger. Der Mensch aber fragt sich: Versteht sie überhaupt, was sie da rechnet? Und was heißt das eigentlich – die Welt verstehen? Von Ulrich Schnabel

Was fehlt mir noch? Ein Witz vielleicht?

Auf dem Spielplatz im Botanischen Garten bei hellem Sonnenschein: die Kinder spielen selbstvergessen im Sand, bis sich ziemlich schnell eine Wolke vor die Sonne schiebt und für Verdunklung der Szene sorgt. Ein Knabe schreckt hoch und schreit empört: „Licht an!“

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NEU UND LESENSWERT: Ein Artikel in der FAZ (1.6.23) von Dietmar Dath: hier

ZITAT Anfang des Artikels

Wenn ich vor etwas Angst habe, das ich nicht sehen, hören, schmecken, riechen oder berühren kann, zum Beispiel vor Strahlung, Viren oder einer Pleite wegen digitaler Transformation, dann muss ich, weil mir Sinnesdaten fehlen, eben abstrahieren und nachdenken. Der Anlass der Angst gerät so vor das berühmte „geistige Auge“. Genau genommen gibt’s pro Verstand sogar zwei dieser geistigen Augen. Denn wie der Gesichtssinn, so schaut auch die Vernunft nicht nur in die Höhe („steile These“) und in die Breite („Ausführlichkeit“), sondern obendrein in die Tiefe („Korrelation“, „Kausalität“). Das linke geistige Auge schließt aus Bekanntem auf Unbekanntes per Wahrscheinlichkeitserwägung.

Dank an Berthold Seliger!